Weitergedacht

Die Podiumsdiskussion “Nachwuchswissenschaftler, Verlage, Bibliotheken & Open Access: Zeitgemäßes Publizieren in den Geisteswissenschaften” ist auf reichlich Interesse gestoßen und fand viel Nachhall, z.B. hierda, dort.

Für die Zeitschrift Bibliothek. Forschung und Praxis haben Herr Ceynowa und ich das Thema weiter gedacht:
Neuer Wein in neuen Schläuchen. Von Wissenschaftlern, die nicht nur anders publizieren, sondern auch anders schreiben werden, erscheint 2014.
Der Artikel ist als Preprint online verfügbar (leider nur bis zur Printpublikation im Juli 2014).

Abstract
Open Access bewirkt tiefgreifende Systemverschiebungen. Nicht nur äußerlich, indem sich besonders in den Geisteswissenschaften die Rollen von Verlagen, Bibliotheken und Forschungsförderern verändern, sondern auch methodisch: Wie wird wissenschaftliches Schreiben morgen aussehen, wenn das Netz nicht mehr Spiegelbild Gutenbergscher Publikationstradition ist, sondern seine tatsächlichen Potenziale genutzt werden? Wenn sich im Digitalen der traditionelle Publikationsbegriff zugunsten des Konzepts eines entgrenzten, sich immer neu vernetzenden, dynamischen Wissensstromes auflöst? Ausgehend von einer Münchener Open-Access-Veranstaltung werden Aspekte wissenschaftlichen Publizierens der Zukunft beleuchtet.

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/685

Weiterlesen

“In dem Moment, in dem sich Botschaften und Botschaftler in die sozialen Netzwerke begeben, verändert sich ihre Rolle.”

Drei Science Reporter, Luisa Pischtschan, Helena Kaschel und Michael Schmalenstroer, haben unser Weber World Café begleitet.

In seinem Blogbeitrag zum World Café setzt sich Michael Schmalenstroer mit der Problematik des Astroturfings und der Bedeutung des Zugangs zu einem öffentlichen und wirklich freien Meinungsdiskurs in sozialen Netzwerken auseinander. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Die Beiträge der anderen Science Reporter folgen bald.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/137

Weiterlesen

Offene Archive – Offene Archivare?

Am 3. und 4. April 2014 fand im Hauptstaatsarchiv Stuttgart die Tagung „Offene Archive 2.1 – Social media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext“ statt. Doch eigentlich begann die Tagung schon früher. Auf dem (nicht nur) Tagungsblog http://archive20.hypotheses.org wurden vorab einige Abstracts der einzelnen Vorträge sowie einige Lebensläufe der Referenten bereitgestellt. Begleitend wurden über Twitter Interviews mit einigen der Referenten geführt.

Ein großes Dankeschön gilt dem Organisationsteam: Dr. Andreas Neuburger und Christina Wolf (Landesarchiv Baden-Württemberg), Dr. Joachim Kemper und Elisabeth Steiger (Stadtarchiv Speyer/ICARUS) und Thomas Wolf (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein).

Ca. 120 Teilnehmer waren nach Stuttgart gekommen. Doch es gab auch Teilnehmer, die nicht vor Ort waren. Sämtliche Vorträge und die sich anschließenden Diskussionen wurden per Livestream übertragen. Die im Tagungsraum installierte Twitterwall ermöglichte es den Teilnehmern vor Ort und zu Hause Gedanken mit einzubringen und sich parallel zu den Vorträgen auszutauschen. Smartphone und Netbook waren dementsprechend nicht nur geduldet, sondern auch willkommen. Das zu diesem Zwecke angebotene WLAN funktionierte allerdings nur bedingt.

Offen für Nutzer

Die Keynote hielt Kate Theimer. Das alte Modell, in dem Wissenschaftler das Archiv zwangsläufig aufsuchten und diese von Archivarinnen und Archivaren als primäre – ja wenn nicht gar einzig relevante – Nutzergruppe betrachtet wurden, trüge nicht mehr. Archive stünden zunehmend in einem gewissen Wettbewerb mit anderen Einrichtungen. Charakteristisch sei dabei – überspitzt formuliert – der Gedanke „If it’s not online I’m going to write about something else.“ Gewissermaßen unbeachtet blieben andere Nutzergruppen. Auch und gerade um diese sollten sich Archive bemühen. Theimers Gedanke eines „business model of archives“ stellt nicht mehr die Akten und die Informationen in den Mittelpunkt, sondern die Nutzer. Sich auf die Interessen und Fragestellungen einer breiten Nutzergruppe einzustellen und diese zu bedienen, ja die Nutzer förmlich auf das Archiv als Quelle zu stoßen sei der Weg, den es zu beschreiten gelte.

Doch Theimer blieb bei ihren Ausführungen über ein offenes Archiv nicht in der digitalen Welt hängen. Dass Archive auch analog und im direkten persönlichen Kontakt offen sein sollten und vor allem auch sein können, illustrierte Theimer durch ein Foto einer Art Pyjama-Party im Archiv.

Offen für Anregungen

Die Nachmittagssektion des ersten Tages bot den Tagungsteilnehmern vor allem Anregungen aus Bereichen, die (noch) nicht zwingend auf Anhieb mit der Archivwelt assoziiert werden. Gerade auf diesen Punkt machte Christoph Deeg aufmerksam. Deeg, der sich auf erfrischende Art und Weise für das Thema Gaming bzw. Gamification stark machte, wies deutlich darauf hin, dass eine Tagung, auf der nur Archivare mit Archivaren sprächen, wenig förderlich sei. Wir brauchen Einflüsse und Anregungen von außen. Nicht zuletzt auch von unsern Nutzern und potentiellen Nutzern. Provokant forderte Deeg auf, den nächsten Archivtag nicht zu besuchen, sollten dort keine Spielekonsolen aufgestellt werden. Käme die Archivwelt diesem Zuruf nach, so wäre der nächste Deutsche Archivtag sicherlich eine übersichtliche Veranstaltung.

Die Vorträge von Christoph Deeg und Marcus Bösch plädierten für die Nutzung des Spieltriebs. Das heißt nicht anderes als – um es mit Eugen Oker zu sagen – dem homo ludens eine Gasse direkt ins Archiv zu schlagen. Spielerische Elemente könnten nicht nur ein Motivator zur Archivnutzung sein, sondern auch die Einbindung der Nutzer in archvarische Tätigkeiten fördern, wie z.B. im Bereich Crowdsourcing.

Dass Archive in der Nutzung von Web2.0-Plattformen und -Möglichkeiten hinter anderen Bereichen bisher zurück bleiben zeigten die Beiträge von Tanja Praske und Alexander Ebel. Praske konnte aufzeigen, dass der Blog als wichtiges Kommunikationsmittel für Museen durchweg eine Erfolgsgeschichte ist. Ebel hingegen stellte die Nutzung von social media in der kirchlichen Arbeit vor: Von der digitalen Begleitung des Konfirmandenunterrichts über gemeinsame Gebete auf Twitter bis hin zu einer Twitterwall im Gottesdienst. Wenn die Museen ihre Arbeit und ihre Themen transparent via Blog präsentieren, warum dann nicht auch Archive? Wenn sogar im Gottesdienst eine Twitterwall steht und Konfirmaden mit Flickr arbeiten, warum dann nicht auch Archive?

Offen für Versuche

Dass solche Anregungen wertvoll und nötig sind, zeigte besonders deutlich Bastian Gillner. Er führte den Teilnehmern vor Augen, dass sich die konkreten archivarischen Arbeitsabläufe in den letzten Jahrzehnten kaum bis gar nicht verändert hätten und dies trotz völlig anderer Vorzeichen und Bedingungen. Zu diesen gehöre auch das Web2.0. Der Diskurs sei noch nicht wirklich in der Fachdiskussion angekommen, so Gillner. Einen goldenen Weg gibt es (noch?) nicht. Web2.0 lernt man nur durch Nutzung von Web2.0. Dazu gehört das Experimentieren; mit Erfolgen als auch mit Sackgassen als Ergebnis.

Offen für Vorbilder

Der zweite Tagungstag wurde eingeleitet durch Vorträge von Kolleginnen und Kollegen aus unseren Nachbarländern. Dabei stellte sich heraus, dass die Diskussion, wie sie im deutschen Archivwesen langsam zunehmend geführt wird, insbesondere in den Niederlanden und Dänemark etwas auf Unverständnis stößt. Die Vorbehalte und Bedenken bezüglich des Einsatzes von social media, die auch in den Diskussionen auf der Tagung hervortraten, scheinen bei unseren Nachbarn nur eine geringe Rolle zu spielen. Die Präsenz von Archiven und Archivmitarbeitern auf Plattformen wie Facebook, Twitter, Flickr oder Pinterest ist stärker und selbstverständlicher als Deutschland der Fall. Eben diese Selbstverständlichkeit fehlt im deutschen Archivwesen.

Offen für die Crowd

Das Thema Crowdsourcing nahm einen Großteil der Tagung ein. Die Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Archivsparten stellten dabei ihre Projekte vor. Bei diesen werden Nutzer vor allem in die Erschließungsarbeit mit einbezogen. So können sie beispielsweise helfen Fotos zu identifizieren und Texte zu transkribieren. Zwei Arbeitsfelder für die den Archiven zum einen oft die Gelder und zum anderen oft das Knowhow fehlen. Archive profitieren dabei jedoch nicht nur vom Input der Nutzer. Verwenden Archive hierfür u.a. stark frequentierte social media Plattformen, so ziehen sie auch ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit auf sich.

Offene Archivare

Dass das Web2.0 und insbesondere social media fester Bestandteil der Kommunikations- und Informationskultur unserer Zeit sind, blieb unbestritten. Allerdings gab es Vorbehalte ob der Sorge, dass nun alles ins Digitale dränge und dabei alles Analoge und Persönliche nun abgeschrieben werden solle. Mehrfach wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der Weg in das Web2.0 eine Ergänzung, keine Ablösung sei.

Noch immer gibt es auf diesem Weg einige Hindernisse, auch wenn schon ein gutes Stück des Weges gemacht ist. Noch immer halten sich insbesondere gegenüber social media Vorurteile: Zu viel Zeitaufwand, zu wenig Resonanz, zu viel unwichtige Informationen. Dem gegenüber stehen jedoch die entsprechenden Erfahrungswerte, die zeigen, dass der Einsatz von social media mit einem überschaubaren Zeitaufwand durchaus Früchte trägt. Voraussetzung dafür ist zweifelsohne das Begreifen von social media als Kommunikationsform und das beinhaltet auch „Belanglosigkeiten“ gewissermaßen als Trägermaße für die Information, die Botschaft. Social media ist vor allem eine Frage der Einstellung.

Die Evaluierung ist jedoch nicht leicht. Zwar gibt es unzählige Möglichkeiten des Monitorings, doch lässt sich mit solchen Tools die Frage, ob beispielsweise eine Archiv-Facebook-Seite an sich erfolgreich ist, kaum beantworten. Erfolg bemisst sich nicht nur an Followern und Kommentaren. Wie Neil Bates in seinem Vortrag sagte: „It’s not about traffic. It’s about reach.“

Der Schwarze Peter darf jedoch nicht einfach den Archiven, die in diesem Feld nicht aktiv sind zu geschoben werden. Mehrere Teilnehmer vor Ort und über Twitter wiesen auf die Schwierigkeiten hin, ein entsprechendes Engagement innerhalb der Verwaltung durchzusetzen. Die sich hier anschließenden Fragen und Lösungswege wurden leider nicht erörtert.

Offen in die Zukunft

Folgende Ergebnisse der Tagung haben sich m.E. herauskristallisiert:

  • Archivarinnen und Archivare sollten den Nutzer in den Mittelpunkt stellen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog mit dem Nutzer suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog auch mit Kreisen außerhalb des Archivwesens suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten ihre Archive öffnen; analog wie digital, wobei keines der beiden das jeweils andere ausschließt.
  • Archivarinnen und Archivare sollten sich trauen social media zu nutzen und damit zu experimentieren.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1658

Weiterlesen

Links zur Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts (3): Wieder zwei Blogs. Und was für welche!

Nicht direkt zu 1848 diesmal, aber es muss ja der Titel vom letzten Mal nicht wörtlich wiederholt werden, um die „3“ in der Klammer zu rechtfertigen. Ganz neu sind sie auch beide nicht, sondern feiern im Mai 2014 jeweils ihr einjähriges Bestehen. Das sei als – wenn auch etwas fadenscheiniger – Anlass genommen, gerade jetzt auf zwei erfreuliche und wichtige Blogs hinzuweisen:

Aktenkunde

Unter diesem so schlichten wie aussagekräftigen Titel begleitet Holger Berwinkel (tätig im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes) seine Arbeit an einer Monographie zum Thema, na was wohl, Aktenkunde. Wer meint, das müsse spröde und langweilig sein, hat es noch nicht gesehen. Der Autor bietet unter anderem bibliographische Hinweise zu einschlägigen Standardwerken und neu erschienenen Aufsätzen; daneben Berichte dazu, wo Aktenkunde im politischen und medialen Tagesgeschehen wichtig ist – oder wäre, wenn die Beteiligten denn etwas davon wüssten; nicht zuletzt auch eingehende Beispielanalysen zu einzelnen Schriftstücken. Einige Aufmerksamkeit erhielt er vor kurzem mit seiner Diskussion der als Beweis für eine offenbar beliebte Verschwörungstheorie gehandelten „Kanzlerakte“ (Spoiler: nicht nur ist es eine Fälschung, sondern nicht einmal eine halbwegs kompetente). Eine persönliche Empfehlung vom Verfasser dieser Zeilen ist aber dieser Beitrag, in dem Berwinkel zeigt, was auch einem auf den ersten Blick eher zum Schmunzeln verleitenden Schriftstück abzugewinnen ist.

Ganz im Ernst aber: Dass Aktenkunde selbst unter den ohnehin immer weiter zurückgedrängten historischen Grund- (nicht: Hilfs-) wissenschaften meistens eher einen Platz in der zweiten Reihe bekommt, ist umso weniger zu rechtfertigen, als Akten zu den wichtigsten Quellen der neueren und neuesten Geschichte zählen und von weit mehr HistorikerInnen regelmäßig benutzt werden als nahezu jeder andere Quellentyp. Dass es sich nicht von selbst versteht, wie mit ihnen umzugehen ist, ist das Allererste, was Lesende aus Holger Berwinkels Blog mitnehmen sollten. Das klassische discrimen veri ac falsi ist für einen (angeblichen) maschingeschriebenen Bericht von 1992 mitunter ebenso notwendig wie für eine (vorgebliche) Urkunde Ludwigs des Frommen und erfordert ebenso spezialisierte Kenntnisse1. Darüber hinaus kann und sollte eine vertiefte Erforschung amtlichen Schriftguts auch für die Kulturgeschichte des Politischen fruchtbar gemacht werden, die inzwischen schon länger weiß, dass Verwaltung auf allen Ebenen zu ihren unverzichtbaren Untersuchungsgebieten gehört. Und natürlich ist sie auch für die Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt eine conditio sine qua non. Wenn diese Edition später einmal Kopfregesten hat, über die die Verfasser der Schriftstücke nicht gequält lachen müssten, wovon kann das nur kommen? Richtig: von der Aktenkunde.

Übergangsgesellschaften

Der Untertitel dieses Blogs lautet „Ländliche Politik in der europäischen Moderne – ein Forschungsprojekt“, womit im Grunde schon klar sein sollte, warum es einen Link von „Achtundvierzig“ nach dort braucht. Autorin ist Anette Schlimm, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig ist. Ihr Projekt selbst heißt „Übergangsgesellschaften. Zur Politik und Politisierung ländlicher Gesellschaften in Mitteleuropa, ca. 1850–1950“ und wird von ihr in diesem Beitrag besser beschrieben, als das hier geschehen könnte. Nur ein paar Eckpunkte: mit dem „Übergang“ ist jener von der Agrar- zur Industriegesellschaft gemeint, der „längst nicht nur die Wirtschaftsweise“ betraf, sondern „alle Bereiche des Lebens“ – allerdings „im politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Bereich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was zu Ungleichzeitigkeiten, Spannungen und Konflikten führte“. Das Projekt fragt nach der Mikroebene ländlicher Gesellschaften im Verhältnis zu dieser Makroebene der gesamtgesellschaftlichen Transition, und insbesondere nach der Politik ländlicher Gemeinden. Diese werden sowohl als Akteure als auch als Räume des Politischen begriffen – gleichzeitig. Das ist für den Berichterstatter besonders faszinierend, zumal er selbst schon einmal (ohne Kenntnis dieses Projekts und wohl etwas naiv) auf die Idee gekommen ist, dass sich Gemeinden im Zuge des Übergangs von der ständisch-vormodernen Gesellschaft in die moderne Staatlichkeit tendenziell von Akteuren zu Räumen gewandelt hätten2. Das war natürlich überspitzt …

Die drei Ziele des Projekts lauten:

1. Den „Einfluss von Selbstverwaltungstraditionen und -formen auf Politisierungsprozesse“ untersuchen (gespannt ist Berichterstatter darauf, wie Politisierung definiert wird!);

2. „ländliche Gemeinden als wichtige[n] Bestandteil gesamtgesellschaftlicher Mobilisierungsprozesse sichtbar“ machen (dringend nötig: Die Annahme, dass Stadt und Moderne deckungsgleich sind, ist so ubiquitär und so forschungsleitend, dass sie zu Einseitigkeiten und Ausblendungen aller Art geführt hat und es weiterhin tut);

3. Methoden der global studies auf eine europäische Region anwenden (auch das höchst lobenswert; in der Kulturgeschichte des Politischen heißt das Modewort dafür „ethnologischer Blick“, und das sollte nicht bloß immer wieder beschworen, sondern methodologisch ernst genommen werden).

Das Blog bringt unter anderem Lektüren, Veranstaltungshinweise (eine eigene Tagung „Herrschaft vor Ort3  hat auch schon stattgefunden), nicht zuletzt Berichte über Rechercheergebnisse und Rechercheerlebnisse (Kategorien „Fundstücke“, „Exkursionen“), stets in einer ansprechenden, lebendigen Schreibweise. Einen persönlichen Lieblingsbeitrag hat der Schreiber dieser Zeilen auch auf diesem Blog. Die Präferenz dürfte sich von selbst erklären.

  1. Nota bene: Es ist vermutlich kein Zufall, dass Holger Berwinkel selbst ausgebildeter Mediävist ist. Dissertiert hat er noch zu einem Thema, das ihm eher keinen Link von unserem Blog verschafft hätte: BERWINKEL, Holger: Verwüsten und Belagern. Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand  (1158–1162) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 114), Tübingen 2007.
  2. STOCKINGER, Thomas: Dörfer und Deputierte. Die Wahlen zu den konstituierenden Parlamenten von 1848 in Niederösterreich und im Pariser Umland (Seine-et-Oise) (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 57), Wien – München 2012, 358.
  3. Zwischendurch mal ein winziger Kritikpunkt: Die inflationäre Verwendung des Ausdrucks „vor Ort“ ärgert den Schreiber dieses schon seit geraumer Zeit, und er würde Lokalgeschichte zu gern einmal anders beworben sehen.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/560

Weiterlesen

Digitale Kunstgeschichte in der Schweiz: Voraussetzungen und Perspektiven

Das digitale Zeitalter hat die Disziplin der Kunstgeschichte nachhaltig verändert. Primärquellen aus Archiv- und Bibliotheksbeständen werden laufend digitalisiert und sind in zunehmendem Mass online auffindbar. Immer mehr digitale Repositorien bieten den Forschenden Informationen zu Personen, Institutionen und Kunstwerken.

Das SIK-ISEA (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft) organisiert in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich und mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich zu diesem Thema eine internationale Arbeitstagungin Zürich..

Datum: 26.–27.6.2014

Programm: Donnerstag, 26. Juni 2014

11.00–11.15 Uhr: Begrüssung / Einführung
11.15–12.00 Uhr
Prof. Dr. Anna Schreurs-Morét
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Keynote (30 Min.) mit Diskussion (15 Min.)

12.00–13.00 Uhr: Mittagspause
13.00–15.00 Uhr
Parallel durchgeführte, protokollierte Workshops (Modul 1)

Open Access
-Moderation: Dr. Dirk Verdicchio, Koordinator Open Access,
Universität Bern, Universitätsbibliothek
-Co-Moderation: Dr. iur. Kai-Peter Uhlig, Rechtsanwalt, Zürich

Digital Workspace
-Moderation: Dr. Sonja Palfner, Projektleiterin E-Science Interfaces
-Co-Moderation: Dr. Heike Neuroth, Leiterin der Gruppe Forschung und
Entwicklung, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen

Normdaten
-Moderation: Dr. Christian Bracht, Direktor Bildarchiv Foto Marburg
-Co-Moderation: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale
Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und Kunsthistorisches
Institut (Universität Zürich)

Digitalisierung und Methodologie
-Moderation: Prof. Dr. Martin Warnke, Professor für Digitale Medien und
Kulturinformatik, Leuphana Universität, Lüneburg
-Co-Moderation: lic. phil. Michael Schmid, Leiter Schweizerisches
Kunstarchiv, SIK-ISEA, Zürich

15.00–16.00 Uhr: Pause
16.00–17.30 Uhr
Plenum: Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops von Modul 1 (je 20
Minuten) mit Diskussion

Open Access: Dr. Dirk Verdicchio
Digital Workspace: Dr. Sonja Palfner
Normdaten: Dr. Christian Bracht
Digitalisierung und Methodologie: Prof. Dr. Martin Warnke

17.30–18.00 Uhr: Pause
18.00–19.00 Uhr
Abendvortrag

Prof. Dr. David Gugerli
Professur für Technikgeschichte, ETH Zürich
“Korrespondenzen der digitalen Gesellschaft. Wie die Welt in den
Computer kam”

19.00 Uhr: Ende des ersten Tagungstages

Freitag, 27. Juni 2014
9.00–9.45 Uhr
Prof. Dr. Hubertus Kohle
Ludwig Maximilians-Universität München
Keynote (30 Min.) mit Diskussion (15 Min.)

10.00–12.00 Uhr
Parallel durchgeführte, protokollierte Workshops (Modul 2)

Big Data
-Moderation: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale
Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und Kunsthistorisches
Institut Universität Zürich)
-Co-Moderation: Dr. Christian Bracht, Direktor Bildarchiv Foto Marburg

Archive und Sammlungen
-Moderation: lic. phil. Michael Schmid, Leiter Schweizerisches
Kunstarchiv, SIK-ISEA, Zürich
-Co-Moderation: Prof. Dr. Martin Warnke, Professor für Digitale Medien
und Kulturinformatik, Leuphana Universität, Lüneburg

Digitalisierung und Recht
-Moderation: Dr. Kai-Peter Uhlig, Rechtsanwalt, Zürich
-Co-Moderation: Dr. Dirk Verdicchio, Koordinator Open Access,
Universität Bern, Universitätsbibliothek

Nachhaltigkeit
-Moderation: Dr. Heike Neuroth, Leiterin der Gruppe Forschung und
Entwicklung, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen
-Co-Moderation: Dr. Sonja Palfner, Projektleiterin E-Science Interfaces

12.00–13.30 Uhr: Mittagspause
13.30–15.00 Uhr
Plenum: Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops von Modul 2 (je 20
Minuten) mit Diskussion

Big Data: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ
Archive und Sammlungen: lic. phil Michael Schmid
Digitalisierung und Recht: Dr. Kai-Peter Uhlig
Nachhaltigkeit: Dr. Heike Neuroth

15.00–16.00 Uhr: Pause
16.00–17.00 Uhr
Roundtable mit Diskussion im Plenum
Moderation: Prof. Dr. Anna Schreurs, Prof. Dr. Hubertus Kohle, Vertreter
der Organisatoren

Verabschiedung der Erklärung “Acht Punkte zu einer digitalen
Kunstgeschichte” / “Eight Points Towards a Digital Art History”

17.00–18.00 Uhr: Aperitif
18.00 Uhr Ende der Tagung

Vorträge / Moderation
Christian Bracht, Dr. phil.
Direktor, Bildarchiv Foto Marburg

Roger Fayet, Dr. phil.
Direktor, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA),
Zürich

David Gugerli, Prof. Dr.
Professur für Technikgeschichte, ETH Zürich

Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ
Leiter Digitale Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und
Kunsthistorisches Institut (Universität Zürich)

Hubertus Kohle, Prof. Dr.
Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte,
Ludwig-Maximilians-Universität München

Heike Neuroth, Dr. rer. nat.
Leiterin der Gruppe Forschung und Entwicklung, Niedersächsische Staats-
und Universitäts-bibliothek Göttingen

Matthias Oberli, Dr. phil.
Abteilungsleiter Kunstdokumentation, Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), Zürich

Sonja Palfner, Dr. phil.
Projektleiterin E-Science Interfaces, Friedland-Weichensdorf

Michael Schmid, lic. phil.
Leiter Schweizerisches Kunstarchiv, Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), Zürich

Anna Schreurs-Morét, Prof. Dr.
Professur für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit,
Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Kai-Peter Uhlig, Dr. iur.
Rechtsanwalt, Zürich

Dirk Verdicchio, Dr. phil.
Koordinator Open Access, Universität Bern, Universitätsbibliothek Bern

Martin Warnke, Prof. Dr.
Professur für Digitale Medien und Kulturinformatik, Leuphana
Universität, Lüneburg

Tristan Weddigen, Prof. Dr.
Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Neuzeit, Universität Zürich

Konzept und Organisation:
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA)
Dr. Roger Fayet, Direktor
Dr. Matthias Oberli, Abteilungsleiter Kunstdokumentation
lic. phil. Michael Egli, Leiter Datenbanken
lic. phil. Regula Krähenbühl, Leiterin Wissenschaftsforum

Universität Zürich, Kunsthistorisches Institut
Prof. Dr. Tristan Weddigen

ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta
(D-ARCH)
Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale Kunstgeschichte /
Digitale Diathek

Die Tagung haben – neben anderen – unterstützt
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung (SNF)

Tagungsort
SIK-ISEA, Zollikerstrasse 32 (Nähe Kreuzplatz), CH-8032 Zürich
T +41 44 388 51 51 / F +41 44 381 52 50
sik@sik-isea.ch, www.sik-isea.ch

Deadline zur Registrierung: 13. Mai 2014

Teilnahme und Anmeldung
Von den Teilnehmenden wird eine aktive Mitarbeit in je einem Workshop in den Modulen 1 und 2 erwartet. Tagungssprache ist Deutsch.  Bitte melden Sie sich an bis am 13. Juni 2014 (per Post, per E-Mail oder per Fax an die oben angegebenen Koordinaten) und geben Sie uns Ihre Workshop-Präferenzen sowie Ihren Arbeitsschwerpunkt bekannt.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Die Platzzahl ist beschränkt.

Weitere Informationen: http://www.sik-isea.ch/Aktuell/Veranstaltungen/tabid/116/activeid/1560/Default.aspx

Programm und Abstracts
www.sik-isea.ch/digital-art-history

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3441

Weiterlesen

Bewilligt! Unser Call4Papers für die Ad-hoc-Gruppe zum Thema: „Krise der Kommunikation: Wo bleibt der soziologische Diskurs?“ beim DGS-Kongress 2014 (Deadline: 10.05.2014)

Unter dem Stichwort „Kommunikationskrisen der Soziologie“ möchten wir der Unterrepräsentation der Soziologie im wissenschaftlichen Diskurs und in der Öffentlichkeit nachgehen. Wir wollen zu den Anfängen der Soziologie zurückblicken und uns fragen, welche Funktion sich die Gründer für die Soziologie versprachen … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6630

Weiterlesen

Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms

 

LehrerInnen und auch Studierende sind ob mancher theoretischer Diskussionen in der Geschichtsdidaktik nicht selten verwundert bis verärgert. Die Frage nach der Relevanz einer oftmals abgehoben erscheinenden Wissenschaft ist tatsächlich nicht immer unberechtigt. Selbstverständlich besitzt zwar der Diskurs über Theorien, die Grundlagenforschung, ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit. Allerdings hapert es eben an der praktischen Umsetzung. Es stünde daher der Geschichtsdidaktik gut an, den “Elfenbeinturm”, in dem sie sich gerne selbst feiert, gelegentlich zu verlassen. 

 

“Mit Worten läßt sich trefflich streiten”

Michael Sauer hat an dieser Stelle erst kürzlich das “E=mc2″ der Geschichtsdidaktik, wie Martin Lücke die Formel “Sinnbildung über Zeiterfahrung” bezeichnet hat, kritisch hinterfragt. Die Reaktionen darauf blieben freilich nicht aus, ein Rekord an Kommentaren war zu verzeichnen. Im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts ist dies freilich zu begrüßen, dennoch ist die große Anzahl an Stellungnahmen auch symptomatisch für eine Didaktik, die den Weg in die Praxis offenbar nur schwer bzw. oftmals gar nicht findet. Wie kann es ansonsten sein, dass ein Beitrag über Methodik, wie er von Christoph Kühberger geliefert wurde, kaum zu Stellungnahmen angeregt hat. Immerhin weist aber auch Monika Fenn mit ihrem Beitrag zum conceptual change den Weg in eine pragmatische Geschichtsdidaktik. Wie ein solcher Weg nun beschritten werden soll, ist aber noch ausführlich zu diskutieren.

Sichern, abseilen, Wege finden …

Der Redaktionssitz von Public History Weekly befindet sich in der Schweiz, und so ist die Metapher des alpinen Abstiegs durchaus passend: GeschichtsdidaktikerInnen müssen sich sichern (theoretisch fundieren), müssen sich abseilen und Wege in die Niederungen finden (die Theorie durch die Entwicklung einer Methodik, durch das Ausprobieren adäquater Methoden sowie schließlich durch den Lackmustest in der Praxis verifizieren oder letztlich auch modifizieren). Alle theoretischen Diskussionen der letzten Jahre zielen darauf ab, das traditionelle Instruktionsparadigma durch die Ermöglichung von “kooperativen Deutungsprozessen” (Jürgen Habermas), durch das interpretative Paradigma, das wechselseitige Verständigung vorsieht, abzulösen. Dabei ist darauf zu achten, historisches Lernen vor allem in die Lebenswelten der Lernenden einzubetten und es als bedeutungsvoll für die eigene Lebenswelt erkennbar zu machen (konzeptuelles Lernen, Prozessorientierung, Adressaten- und Lebensweltorientierung) sowie den aktiv-handelnden Umgang mit Lerngegenständen zu ermöglichen (Handlungsorientierung).

Geschichtsdidaktische Lernverfahren

Zugegeben: Diese Überlegungen klingen genauso kompliziert wie die Diskussionen über Geschichtsbewusstsein, Sinnbildung über Zeiterfahrung oder über die diversen Kompetenzmodelle, die in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt haben. Aber sie gehören eben auch zur theoretischen Diskussion und sind daher durchaus notwendig. Für die Praxis lassen sie sich verständlich machen, wenn wir sie zum Beispiel in die geschichtsdidaktische Trias der darbietenden, erarbeitenden und forschend-entdeckenden Lernverfahren einbetten: Die Geschichtsdidaktik muss Methoden verwenden und Lernarrangements entwickeln, die einerseits die Vermittlung von Informationen ermöglichen und andererseits die Individuen miteinbinden, indem deren unterschiedliche Voraussetzungen berücksichtigt, Multiperspektivität gefördert und deren Kompetenzen geschult werden. Alle drei Lernverfahren sind ineinander verschränkt zu betrachten: Sowohl fertige “Unterrichtsprodukte” als auch die Handlung als didaktischer Eigenwert müssen gleichberechtigt nebeneinander, zugleich aber je nach Lehr- und Lernzielen auch in eine Hierarchie gestellt werden. Als zentral gilt dabei folgende Maxime: Alle entwickelten Methoden und Lernarrangements sind nicht nur in einen theoretischen Kontext einzubinden, sondern zugleich – durch die Entwicklung von Unterrichtsbeispielen und im Idealfall durch ihre Erprobung und Evaluierung – in die Praxis zu transferieren.

Die Praxis als Zentrum der Geschichtsdidaktik?

Wenn hier die Praxis als Zentrum der Geschichtsdidaktik bezeichnet wird, so ist freilich keineswegs ihre Reduzierung auf eine schlichte Anwendungslehre gemeint, die vor allem durch Praxis, d.h. durch und im Unterricht entwickelt wird. Vielmehr wird darunter die praktische Erprobung theoretisch-methodischer Überlegungen verstanden, die auch empirisch begleitet werden sollte. Schließlich muss erneut der Aufstieg in die Höhen der Theorie gewagt werden, der Weg in den Elfenbeinturm, der dann aber umso mühsamer ausfällt, zumal die “Mühen der Ebene”, die Erkenntnisse, die in der “harten” schulischen Realität erworben wurden, in die Theorie einzuarbeiten sind. Dabei besteht zwar die Gefahr, dass manche theoretischen Konstrukte relativiert werden müssen. Aber wie heißt es in dem Song “Scheitern ist schön” von ‘Fiasco Électrique’? “Auch der Bauchfleck will gelernt sein / Wenn das Misslingen dich zerbricht / Denn schöner scheitert zumeist jener / Der es bedingungslos verficht”. Aus dem schönen und bedingungslosen Scheitern kann ja letztlich auch Produktives entstehen. Vielleicht muss die Geschichtsdidaktik dann auch nicht mehr ständig, wie Michele Barricelli in einem früheren Beitrag in Public History Weekly beklagt hat, in Verteidigungshaltung gegenüber den LehrerInnen und Studierenden gehen.

 

 

Literatur

  • Günther-Arndt, Hilke (Hrsg.): Geschichtsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 4. Auflage, Berlin 2012.
  •  Völkel, Bärbel: Handlungsorientierung im Geschichtsunterricht, 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2008 (Methoden historischen Lernens).
  •  Wenzel, Birgit: Kreative und innovative Methoden. Geschichtsunterricht einmal anders, 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2011 (Methoden historischen Lernens).

Externe Links

 


Abbildungsnachweis

© Zenodot Verlagsgesellschaft mbH / Wikimedia Commons. Lizenzfreie Darstellung des Gemäldes ‘Meditierender Philosoph’, vermutlich Rembrandt (1632). Ausgestellt im Musée de Louvre, Richelieu, 2. Stock, Saal 31.

Empfohlene Zitierweise
Hellmuth, Thomas: Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms. In: Public History Weekly 2 (2014) 16, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1931.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

The post Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms appeared first on Public History Weekly.

Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-16/geschichtsdidaktik-im-schatten-des-elfenbeinturms/

Weiterlesen

Kurt Schwitters: Die Sammelkladden. Bleichsucht und Blutarmut

Blutarmut

Bleichsucht und Blutarmut” steht auf der Kladde im Halbkreis ausgeschnitten. Und unten: “Fort mit den TÄTOWIERUNGEN“.

In dieser Sammlung finden sich die Briefe, Postkarten und Zeitungsausschnitte, die Kurt Schwitters in den Jahren 1919-21 sammelte, zusammenklebte und verMERZte. Ausserdem sind einige Skizzen der Antworten des MERZ-Künstlers (und seiner Frau) enthalten.

Bereits diese, relativ kleine Sammlung (unter 60 Blätter) zeugt das rege Leben, fulminante Aktionen und Unverständnis des Publikums. Man kann die Inhalte in mehrere Gruppen kategorisieren:

Dadaisten. 

Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck, Tristan Tzara – die Korrespondenz sprudelt (wenn auch einseitig, da die Antworten von Schwitters in dieser Kladde kaum enthalten sind). Tzara, Serner sind von Schwitters Arbeiten begeistert, nehmen mit ihm Kontakt auf und möchten ihn im finanziell geplagten Band “Der Zeltweg” veröffentlichen.

Die “Status Quo”-Entwicklungen, die den kanonischen Stereotypen teilweise widersprechen. Richard Huelsenbeck, der oft in Schwitters’ Biographien als sein Counterpart dargestellt wird, ist dem MERZer wohlwollend gesonnen. Klar, gibt es Differenzen, klar, es wird an ihrer Freundschaft gerüttelt. Doch ist Huelsenbeck fernab seiner zugesprochen nihilistischen Pose. Er schreibt freundlich und bestimmt:

Sie wissen dass ich Ihnen durchaus sehr freundschaftlich gegenüber stehe. Ich finde auch, dass der gewisse Gegensatz, den Sie und ich zwischen unseren Tendenzen feststellen konnten, uns nicht hindern dürfe, gemeinsam gegen den gemeinsamen Feind, Bourgeoisie und Banausentum vorzugehen (Bl. 11r, Sammelkladden, S. 18)

Raoul Hausmann pflegt zwar gute (ja beste) Freundschaft mit Schwitters, will aber mit der expressionistischen “Sturm-Gallerie” (in welcher Schwitters ausstellte) und seinem Initiator Herwarth Walden nichts zu tun haben und wird auf Dauer zickig:

Ist Herr Walden für mich so belanglos, dass ich Dir aus diesem Grunde versichern kann, dass ich mein Blatt damit nicht belästigen werde. (Bl 1, Sammelkladden, S. 8)

Man sieht, es brodelt nur so vor Differenzen und Diskrepanzen zwischen Freundschaft und dem künstlerischen Schaffen, man zieht sich gegenseitig aus gemeinsamen Projekten zurück, um im nächsten Moment wieder zu kooperieren. Und Schwitters bleibt loyal gegenüber seinen Aussteller und Verleger, aber auch vertritt er Interesse seiner Dada-Freunde und empfiehlt sie überall weiter.

Verleger, Aussteller.

Das sind meistens Geschäftsbriefe, Ideen, Projektandeutungen. Man liest zwischen den Zeilen die Problematik, den schwer zugänglichen Avantgardisten zu vermarkten, in Zeiten der Nachkriegsinflation und knapper Kassen. Man bleibt aber erfinderisch.

Schwitters’ Verleger Steegemann beispielweise realisiert eine der ersten Viralen Campagnen zu dem Gedichtband “Anna Blume”: er lässt auf den Wänden Hannovers in einer Guerilla-Aktion Plakate mit Zehn Geboten kleben, und eine Woche darauf werden die Gebote mit dem eigentlichen Gedicht überklebt. Die Öffentlichkeit rastet aus, speit und wird auf die Palme gebracht. Man reisst die Plakate ab, man überschreibt die Plakate mit eigenen Texten, Parodien, Sarkasmen, die besten davon werden wiederum von Steegemann in seiner Zeitschrift “Der Marstall” veröffentlicht.

Es ist eindeutig eine  fröhliche und aggressive Taktik, das Spießbürgertum aus ihren Schlafsesseln auszurütteln. Das Publikum wird echt sauer.

Publikum (negativ).

Hier sind (wohl nicht alle, aber einige aussagekräftige) Exemplare der Reaktionen auf Schwitters Schaffen präsentiert. In Möchtegern-Parodien versucht man, dem Autor zurückzuzahlen, wie dieser Anonymer:

Liebes Anna Blume Tier
ich liebe Dir.

Du scheinst nicht mehr ganz richtig zu sein. In Ilten [psychiatrische Heilanstalt,- V.A.] ist noch eine Zelle frei (Bl. 37, Sammelkladden, S.44)

Auf die psychische Unzurechnungsfähigkeit versuchen viele Kritiker das ganze Schaffen Schwitters zu reduzieren. Sie sind verletzt in ihrer Kant’schen Mündigkeit, denn ihr Vernunft kann mit den Texten und MERZ-Bildern nichts anfangen. Und das nervt. Gewaltig.

Publikum (wohlwollend)

Doch nicht alle sind in ihrer eigenen Rationalität verletzt. Es gibt begeisterte, die auf der gleichen Wellenlänge mit Schwitters leben.

Da schreibt der Facharzt für innere Krankheiten, Dr. Rubin, der ein MERZ-Bild in seiner Praxis auf die Wand hängen lässt:

Als ich nach einiger Zeit ins Zimmer trat, hörte ich sowohl von meiner Frau als auch von unserem Fräulein Ausrufe des Entzückens. Offen gestanden: ich war platt! [...] Was die Damen entzückte, war nun nicht das >>merz<<liche der Bilder sondern der durch Farben- und Rahmenwahl gelungene freudige Gesamtwert. (Bl. 46 r, Sammelkladden, S. 51)

Das ist charakteristisch für Schwitters’ Oeuvre: er ist, in Gegensatz zu Berliner Dadaisten, ein Allround-Schaffender, er steht mit einem Fuss im bürgerlichen, mit dem anderen im anarchistisch-avantgarden. Nicht, dass er sich nicht entscheiden kann – er hat sich schon längst entschieden. Er kann das Publikum mit ungewöhnlichen Massnahmen empören, er kann das Publikum aber auch mit klassischen Motiven einlullen. (Es kulminierte in seiner traurigen Endphase, als Schwitters auf der norwegischen Insel  Hjertøya in einer einsamen Hütte sein Merzbau für sich allein realisierte, und gleichzeitig zum Überleben klassische Landschaftsbilder an das breite norwegische Öffentlichkeit verkaufte, das Publikum, das seine MERZ-Kunst in keinster Weise verstehen konnte.). Er kann aber auch mit einem Werk mehrere Zielgruppen auf einmal treffen und begeistern. Diese Multikompatibilität und Vielseitigkeit (ja stilistische Flexibilität) war einer der Hauptpunkte der Konflikte mit Berliner Dada, als Huelsenbeck den Merz-Künstler Kaspar Davin Friedrich der dadaistischen Revolution nannte und für die bürgerliche Verankerung kritisierte. Aber Schwitters verleugnete es nicht einmal, und distanzierte sich von DADA. Schwitters ist nicht DADA, er ist MERZ. Er hat das Bürgerliche infiltriert und praktiziert die Implosion einer bürgerlichen Gesellschaft.

Auf andere wirkt Schwitters’ Schaffen fast transzendental. Der Grafiker Georg Arndt schreibt:

Ich habe mich gefragt, woraus die starke und unmittelbare Wirkung Ihrer Bilder resultiert und gerate im Verlegenheit: Ich weiss es nicht, – ich fühle nur, dass es so ist, – Also ein mystischer Vorgang! (Bl. 20 r, Sammelkladden, S. 26)

Eine weitere – höchst affirmative und sympathische Reaktion – findet sich im Brief einer 15-jährigen Sophia Falk, die Anna Blume zeichnete, und zwar so, dass man das Bild von beiden Seiten (wie im Gedicht) sehen=lesen konnte:

Das Bild entspricht (meiner Meinung nach) wirklich Ihrem Gedicht. Sie brauchen nämlich nur das Bild von der anderen Seite gegen das Licht halten, und Anna [Bl. 50 v] ist >>von hinten, wie von vorne<< (Bl. 50 r, Sammelkladden, S. 54)

Das Bild finden Sie übrigens in der Illustration zu meinem vorherigen Eintrag.

Publikum (verwirrt)

Diese Gruppe versucht, vor allem “Anna Blume” zu verstehen. Diese Rezipienten wollen’s, können’s aber nicht. Sie werden nicht empört oder erzürnt, sondern eher verzweilfelt, und wenden sich an Schwitters mit Hilferufen, endlich das Gedicht zu erklären:

[...] Zunächst einmal die Frage, wer ist überhaupt Anna Blume? Was verstehen Sie unter 27 Sinnen, ich kenne nur 5? [...] Was he[ißt] ungezähltes Frauenzimmer? (Bl. 44, Sammelkladden, S. 49)

Vielleicht haben Sie den Drang mich aus diesem [...] Wirrwarr zu befreien, indem Sie mir den Weg andeuten, den ich zu beschreiten habe, um Sie [...] zu verstehn. Ich möchte fast sagen, ich hoffe bestimmt darauf, dass Sie mir antworten (Bl. 49 r., Sammelkladden, S.54)

Man merkt buchstäblich, wie Hirnschmalz schmelzt, wie Verzweiflung ihren Raum findet, doch die Leser geben nicht ab.

Leider sind die Antworten in dieser Sammelkladde nicht präsent. Es ist aber ein Briefentwurf von Helma Schwitters enthalten. Die Frau des Künstlers, eine wahre Heldin, Muse und Unterstützerin, schrieb in Schwitters’ Abwesenheit über die “Nebensächlichkeit der Technik” im Schaffen ihres Mannes. Dies sei für Schwitters Kunst unwichtig, sondern das Ganze:

Es ist ja auch vollkommen gleichgültig, ob der Künstler das Gepappe wieder übermalt [...] sehen Sie doch nicht hinter Einzelheiten, sehen und fühlen Sie doch die Kunst, die Kunst die unaussprechlich dahinter steht. [...] Nichts ist wert[]los, das Geringste und Hässlichste hat die Berechtigung Grundstein zum Schönen und Edelsten zu werden. [...] [Mein Mann] versucht aufbauend ihnen [den Menschen - V.A.] zur Freudigkeit an den Nichtigkeiten des Lebens, die alle zusammen doch wieder ein großes, herrliches Welterleben geben, zu verhelfen (Sammellkladden, S. 58)

Sie trifft ganz genau den Kern der Schwitters’schen Philosophie: kein Element seines Schaffens ist unwichtig, alles wird gegeneinander gewertet, alles ist zu einem Zwischenspiel, zu einer materiell-ideellen Interaktion verwoben und schaft somit ein Gesamtkunstwerk, das man nicht in Einzelteile auseinanderbauen sollte, wenn man dieses Gesamtkunstwerk denn wirklich begreifen möchte.

Interessant ist bei Bleichsucht und Blutarmut die Auswahl der Texte, die Schwitters selbst zusammenstellte – Skizze des Briefes seiner Frau, DADA-Korrespondenz, wütende Anonymbriefe, ein paar eigener Briefentwurfe – das alles wiedergibt die Unstabilität, Explosivität der Epoche, seiner aktiven Zeit als Künstler inmitten von Kulturfronten und Gesellschaftsumbrüche. Das werden wohl die weiteren Sammelkladden ebenso demonstrieren. Werden wir sehen.

S. auch weitere Teile der Rezension von “Kurt Schwitters. Die Sammelkladden 1919-1923″.

 

Quelle: http://merzdadaco.hypotheses.org/80

Weiterlesen

Der Freitag über Bertrand Taverniers „Das Leben und nichts anderes“

Zur Geschichte des Suchens und Findens zählt auch die Geschichte der Personensuche nach Kriegen, darunter die Suche nach vermißten Soldaten. Ein Film, der einen solchen Suchdienst nach dem 1. Weltkrieg thematisiert, ist Bertrand Taverniers "Das Leben und nichts anderes"; der Freitag bespricht ihn in seiner aktuellen Ausgabe.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/838751380/

Weiterlesen