Seit meine Kollegin Angelika Schoder vor zwei Wochen hier bei MusErMeKu über Blogparaden geschrieben hat, habe ich mit dem Gedanken gespielt, an so einer virtuellen Veranstaltung teilzunehmen. Ich folge ihrem Tipp und schreibe einen Beitrag zur Blogparade von @kurzundknapp zum Thema “Zeigt mir eure Gegend”. Die Entscheidung, mich an der Blogparade #ZeigtEureGegend zu beteiligen, fiel mir ziemlich leicht, denn nun habe ich die Möglichkeit, einmal einen Beitrag auf Deutsch zu schreiben und ganz subjektiv zu sein. Ich möchte hier im Blog eine andere Seite von Nürnberg zeigen. […]
Forschungsprojekt: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland
BAYERISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
Presse-Info Nr. 29/14
30. Oktober 2014
Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland – ein neues Akademieprojekt
Zwischen 1550 und 1800 entstanden auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland tausende Wand- und Deckenmalereien, die großartige kulturelle und historische Zeugnisse darstellen. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) hat heute beschlossen, die Dokumentation und kunsthistorische Analyse der Malereien ab 2015 mit rund 16 Mio. Euro im Akademienprogramm zu fördern. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut und unter der Leitung von Stephan Hoppe (LMU München) durchgeführt.
Die Deckenmalerei ist ein entscheidendes Element der frühneuzeitlichen Kunst in Europa, besonders bekannt sind die Leistungen der Maler des Barock. Dazu gehören weltbekannte Raumschöpfungen wie die Treppenhäuser der Würzburger Residenz und des Schlosses Pommersfelden, die Kuppeln der Wieskirche und Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, aber auch barocke Bibliotheksdekoration oder Deckengestaltungen in zahlreichen Rathäusern und Adelspalais. Erstmals wird mit dem Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland dieser Bestand flächendeckend in Deutschland digital dokumentiert, erforscht und über das Internet allgemein zugänglich gemacht. Das Verhalten knüpft inhaltlich an ein früheres Corpuswerk an, das von den Münchener Kunsthistorikern Hermann Bauer, Bernhard Rupprecht und Frank Büttner herausgegeben wurde und in 15 Druckbänden von 1976 bis 2010 die Deckenmalerei der Region Oberbayern dokumentiert. Die digitale Komponente spielt nun eine entscheidende Rolle für die Aktualität und Sichtbarkeit der Ergebnisse. In dem Projekt werden sowohl erhaltene als auch zerstörte, durch historisches Quellenmaterial rekonstruierbare Werkkomplexe wie z.B. im ehemaligen Berliner Stadtschloss, dem Schloss Herrenhausen oder der Dresdner Frauenkirche behandelt. „Mit dem neuen Forschungsvorhaben baut die Akademie ihre kunsthistorische Kompetenz weiter aus. Ich freue mich, dass damit ein weiteres Mal ein innovatives Forschungsprojekt an der Akademie angesiedelt wurde, das sich mit modernsten Forschung- und Publikationsmethoden der Sicherung des kulturellen Erbes widmet“, so Akademiepräsident Karl-Heinz Hoffmann.
Das von Stephan Hoppe und Frank Büttner (LMU München) zusammen mit Hubert Locher und Christian Bracht (Philipps-Universität Marburg) beantragte Projekt hat eine Laufzeit von 25 Jahren und ein Gesamtbudget von rund 16 Millionen Euro. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut und ist am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München und am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte der Philipps-Universität Marburg angesiedelt. Projektleiter ist Stephan Hoppe, Professor für Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Bayerische Kunstgeschichte (LMU München). An beiden Institutionen wird als integraler Bestandteil des Projektkonzeptes wissenschaftlicher Nachwuchs an das Forschungsgebiet herangeführt und bei eigenen Arbeiten gefördert. Ein besonderes Merkmal des Forschungsprojektes ist seine integrale Zusammenarbeit mit Forschungsvorhaben außerhalb des klassischen geisteswissenschaftlichen Fächerkanons. „Auf diese Weise wird die kunsthistorische Barockforschung, die ja auf der objektbezogenen Arbeit mit Bildern und Bauten, Texten, Plänen oder Archivalien beruht, mit der neuen Methodologie der digitalen Geisteswissenschaften verknüpft“, erläutert Projektleiter Stephan Hoppe. „Beispielsweise spielen im Bereich des Semantic Web für unsere Forschungsdatenbank Konzepte der künstlichen Intelligenz eine grundlegende Rolle. Unsere bildliche Dokumentation wiederum profitiert von Entwicklungen der nichtterrestrischen Fotografie und digitalen Visualisierung von 3D-Phänomenen. Hier werden besonders aktuelle Synergiepotentiale des Wissenschafts- und Technikstandortes München zum Tragen kommen.“
Das Projekt ist heute im Rahmen des von Bund und Ländern finanzierten Akademienprogramms bewilligt worden. Dieses Programm dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes. Es ist eines der größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland und wird von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert.
Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Hoppe
Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München
Zentnerstraße 31, 80798 München
email@stephan-hoppe.de
Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, gegründet 1759, ist die größte und eine der ältesten Akademien in Deutschland. Sie ist zugleich Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung von internationalem Rang. Mit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt sie Grundlagenforschung in den Geistes- und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Vorhaben, die die Basis für weiterführende Forschungen liefern und die kulturelle Überlieferung sichern. Sie ist ferner Trägerin des Leibniz-Rechenzentrums, eines der größten Supercomputing-Zentren Deutschlands, und des Walther-Meißner-Instituts für Tieftemperaturforschung. Seit 2010 betreibt sie ein Junges Kolleg für den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern.
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Dr. Ellen Latzin
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Alfons-Goppel-Str. 11 (in der Residenz)
80539 München
Tel.: +49-89-23031-1141
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http://www.badw.de
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E-Mail-Forum “Geschichte Bayerns”
Redakteur vom Dienst: Dr. Stephan Deutinger
redaktion@geschichte-bayerns.de
http://www.geschichte-bayerns.de/
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Berlin–Fußballstadien I
Berlin–Fußballstadien I
Geschichtsvermittlung mit neuen Medien – die Reichspogromnacht auf Twitter
Im November letzten Jahres verfolgten über 10.000 Menschen ein "Reentweetment" der Reichspogromnacht auf Twitter.
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/12102
Historische Fettecke?
Am letzten Wochenende habe ich ein Weiterbildungsangebot des NS-Dokumentationszentrums Köln wahrgenommen, in dem ich als Begleiter arbeite. Das Angebot firmiert unter dem Titel “Verunsichernde Orte” und hat in Münster in der Villa ten Hompel stattgefunden.
Zielsetzung war die „Reflexion pädagogischer Praxis an Erinnerungsorten für feste und freie Mitarbeiter_innen, Lehrer_innen sowie andere Engagierte“, so sollten nach der Zielsetzung beispielsweise das „eigene Selbst- und Rollenverständnis, der Kontakt zu Teilnehmenden und Gruppen sowie der Umgang mit Vermittlungsmedien“ thematisiert werden. Die Seminarleitung hatten Barbara Thimm und Christian Geißler inne.
Die Weiterbildung war höchst spannend, weil ziemlich viele Einrichtungen vertreten waren, u.a. das Jüdische Museum Dorsten, die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Ich habe viele Impulse und Anregungen mitgenommen, aber im Zusammenhang mit der MA steht eine Übung im Vordergrund.
„Mein Bild vom Nationalsozialismus“
Aus welchen Versatzstücken, Ereignissen, Erfahrungen, Orten, Gegenständen, Theorien, etc. setzt sich mein Bild vom Nationalsozialismus in 10 Begriffen zusammen?
1
An diese Überlegung stellte sich die Frage an, wie man überhaupt auf diese Versatzstücke gekommen ist, wo Verbindungen und Schnittstellen existieren, die bei der Vermittlung genutzt werden könnten.
Letzten Endes verformt und erweitert die Beschäftigung mit der „Winzengruppe“ ohne Frage mein eigenes Geschichtsbild. Es kommen neue Aspekte und Informationen hinzu, die zu neuen Fragen und Themengebieten führen.
Weitergehend, über dieses bruchstückhafte Mosaikbildchen hinaus, kann man sich natürlich die Frage stellen, welche tiefere Motivation, welcher „Urtrieb“ hinter der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steckt.
Ob man diesen eventuell gezielt füttern kann, um die eigene Produktivität zu erhöhen? (Zu diesem Thema hatte ich mal eine interessante Unterhaltung mit zwei Psychologen während der Tagung der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944). Ich halte diese Überlegungen für wichtig, weil meine Masterarbeit eigentlich schon zu überambitioniert ist. Die Motivation, die ich beim Schreiben nämlich ohne Weiteres identifizieren kann, ist der Drang, die gesamte Geschichte dieser Gruppe darzustellen.
Der Bestand an Quellen, den ich bisher entdeckt habe, reicht wahrscheinlich mindestens schon für eine Dissertation. Die Überlegungen, die ich zur Struktur der Arbeit anstellen muss, übertreffen alles bisher da gewesene in meiner universitären Ausbildung, stellen aber zugleich einen enormen Lernprozess dar, den ich so wahrscheinlich erst während der Dissertation durchgemacht hätte. Während ich im Bundesarchiv von der Menge der Akten schlicht überfordert war und dann aus Zeitgründen mir alles habe digitalisieren lassen, habe ich im Staatsarchiv Münster fast dieselbe Menge an Akten durchgesehen und sehr zielgerichtet aussortieren können.
Der eigentliche Schreibprozess meiner Arbeit zieht sich unglaublich in die Länge. Nicht nur, weil ich arbeiten muss und versuche Tagungen und Weiterbildungsangebote wahrzunehmen, sondern, weil es mir an manchen Tagen auch einfach schwerfällt, einen Anfang zu finden. Ich habe mir neulich den Spaß bereitet, all meine Exzerpte in ein Dokument zu ziehen, um daraus einen ungefähren Umfang ableiten zu können. Das Ergebnis waren 381 Seiten eines wunderschönen Word-Dokumentes. Allein meine Exzerpte sprengen schon den Rahmen einer gewöhnlichen Arbeit. Die Reaktion, die aus dieser Erkenntnis unweigerlich folgen muss, ist die erneute Reduktion. [Die schon am Anfang der Arbeit eine wichtige Rolle spielte.]
Ist das Geschichte oder kann das weg?
- Spielt es [im Rahmen der MA] eine Rolle, dass die Charité in Berlin die Körper der Hingerichteten als ‚Versuchsobjekte‘ erhielten?
- Ist es für meine Arbeit relevant, dass einem Mitglied der Gruppe in der BRD aufgrund seiner Zugehörigkeit zur KPD Entschädigungszahlungen abgesprochen wurden?
- Ist ein Gutachtenkrieg, den einige Mitglieder in der BRD mit Entschädigungsstellen ausgefochten haben wichtig?
- Was passierte eigentlich mit dem Gestapomann, der der Hauptverantwortliche in den Vernehmungen war?
- Welche Mitglieder der Gruppe sind „wichtig“ oder „unwichtig“?
Tendenziell bin ich in Versuchung, überall Anmerkungen zu hinterlassen, die in die Richtung gehen: „Leider konnte folgender Frage nicht nachgegangen werden, weil diese den Umfang der Arbeit gesprengt hätten“. Doch erscheint dies nicht wirklich als gangbarer Weg…
1 Farblegende: Blau: privates Umfeld; Grün: berufliche Tätigkeit; Rot: Familie; Gelb: Schule/Ausbildung; Grau: Literatur/Filme
Quelle: http://winzen.hypotheses.org/92
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“Proust und die Farben in der Materialität der Literatur” – Prof. Dr. Hendrik Birus zu Gast beim GRK1678
Die Materialität der Literatur wird vielfach gerade dort sichtbar, wo im eigentlichen Sinn nicht von ihr die Rede ist. Diese Eigenheit der Literatur zeigte eindrücklich der Vortrag “Proust und die Farben in der Materialität der Schrift“, den Prof. Dr. Hendrik Birus am 21. Oktober 2014 im Rahmen eines von Prof. Dr. Vittoria Borsò organisierten Workshops gehalten hat. Die Veranstaltung war aber nicht nur in thematischer Hinsicht ein Gewinn. Vielmehr profitierten wir auch in einem offenen Gespräch mit Hendrik Birus über das akademische Leben von seiner langjährigen Erfahrung.
Prousts sparsamer Farbgebrauch
Anders als die Literatur der décadence, für die eine detailreiche und materialverliebte Farbgebung geradezu charakteristisch ist, koloriert Proust seine Texte – trotz zeitlicher wie ästhetischer Nähe zum Fin de siècle – mit Zurückhaltung. In der Recherche hält sich Proust mehrheitlich an die Farben blau, grün, gelb, orange, rot, rosa und violett. Zuweilen benutzt er spezifische Farbtöne wie golden, silbern oder mauve. Auch die Malerei erhält eine andere Funktion in Prousts Prosa, als sie in Werken von Joris-Karl Huysmans und Oscar Wilde besaß. An der Malerei, der Farbkunst schlechthin, interessieren z.B. den Erzähler der Recherche mehr als die Farb- und Lichtästhetik die physiognomischen und gestischen Analogien zwischen den Romanfiguren und den Porträts. So weit die erste Bestandsaufnahme, die Birus mit stupender Werkkenntnis machte.
Proust verwahrt sich, so Birus weiter, sehr bewusst gegenüber der realistischen, ja materialistischen Ekphrasis der décadence. Der Grund für seine ablehnende Haltung gegenüber einer ›malerischen‹ Prosa sind die Materialien der Künste und ihre Wahrnehmung durch den Rezipienten, die Proust für grundverschieden hält: Es sei irrig zu glauben, “que l’homme serait plus heureux, capable d’une poésie plus haute, si ses yeux étaient susceptibles de voir plus de couleurs […].”[1] Trotz Prousts kritischer Haltung wäre es falsch anzunehmen, dass seine Texte ‘farblos’ seien. Im Gegenteil, die Farben besitzen bei Proust narrativen und dichtungstheoretischen Bedeutung.
Die Differenz der Wiederholung
Ein Bereich, in Proust Farben einsetzt, ist die Personen- und Milieucharakterisierung. So sind Odette und Albertine zwei ‘rosa Damen’, deren Körper, Kleider oder Dekorationen immerzu diese Farbe besitzen. Größere Gesellschaften sind dagegen von einem indifferenten Grau, lediglich kontrastiert durch einige Farbtupfer weiblicher Figuren. Birus verglich diese Technik mit Wagners Leitmotiv und betonte im gleichen Atemzug, dass es sich hier nicht um simple Wiederholungen von attributiven Zuschreibungen handelt. Mit Blick auf die Wahrnehmung des Lesers müssen die Wiederholungen im Sinne von Déleuze als ständige Ausdifferenzierungen gelesen werden. Zu den differenzierenden Eigenschaften der Wiederholung in der literarischen Zeitstruktur hätte ich gerne mehr erfahren, doch dazu zum Ende dieses Berichts mehr.
Poetik der Namen
Birus schlug zunächst eine andere Richtung ein und wandte sich einem seiner Spezialgebiete zu: die Poetik der Namen. Eigennamen besitzen in Prousts Werk eine doppelte Funktion. Sie bezeichnen zum einen ein tatsächlich Existierendes und eröffnen zum anderen einen imaginären Raum, in dem sich die Triebhaftigkeit der Einbildungskraft mit den Mitteln des Traums verwirklichen kann. Dazu ist es unabdingbar, dass zwischen dem Wahrnehmenden und dem Objekt eine räumliche oder zeitliche Entfernung existiert, weil die Einbildungskraft – und somit die Kunst – nur in der Distanz ihre Wirkung entfalten kann. Eine weitere Voraussetzung für die Poetik der Namen ist, wie Birus allerdings erst später im Zusammenhang mit Prousts Stil ausführte, das berühmte mémoire involontaire. Zugespitzter, als Birus es selber formulierte, ließe sich sagen, dass die Einbildungskraft nach Proust durch das regulierende Bewusstsein gehemmt wird und daher nur die plötzliche und nicht willentlich gesuchte Erinnerung ihre Macht entfesselt.
Farbige Namen im Resonanzraum der Literatur
Was haben aber Namen und Farben miteinander zu tun? Nun, erstens gebraucht Proust anlässlich erinnerter Stadtnamen ein Spektrum an Farben, die in seinem Werk ihresgleichen suchen[2], zweitens formuliert er in einem Brief an Prinz Antoine Bibesco im November 1912 den Zusammenhang zwischen Erinnerung und Bewusstsein mit einem Maler-Gleichnis. Proust stellt fest, dass ‘unser bewußtes Gedächtnis so malt wie die schlechten Maler ihre Bilder: mit unechten Farben’.[3] Das Wirkliche und damit auch die Farben, die Proust sucht, liegen außerhalb der Zeit und entsprechen einer verborgenen ‘essence des choses’[4], die nicht einfach durch bewusstes Sehen erscheint. Diese Essenz der Dinge, die zugleich wirklich wie augenblickslos, ideell wie konkret ist, materialisiert sich – oder genauer : wird erfahrbar – im Kunstwerk, in dem die sinnliche Wirklichkeit und die Einbildungskraft frei nach Schiller ein Spiel miteinander eingehen.
Aber damit diese Essenz der Dinge in der Literatur aufscheinen kann, muss der Schriftsteller nach Proust auch den richtigen Stil besitzen. Die positivistische Detailtreue entspricht diesem Stil nicht, wie Proust wiederum im Vergleich mit dem Malen ausführt: ‘[…] le style pour l’écrivain aussi bien que la couleur pour le peintre est une question non de technique mais de vision. Il est la révélation, qui serait impossible par des moyens directs et conscients, de la différence qualitative qu’il y a dans la façon dont nous apparaît le monde, différence qui, s’il n’y avait pas l’art, resterait le secret éternel de chacun.’[5] Die Wirklichkeit muss also, so könnte man schließen, im individuellen Sehen des Schriftstellers, das sich maßgeblich in und durch die Materialität der Sprache bildet, umgewandelt werden. Erst dann scheint das Wahrnehmen – und nicht die Wahrnehmung, wie Vittoria Borsò in der folgenden Diskussion zu Recht betonte – auf.
Nur die Materialität der Literatur ermöglicht bei Proust diese genuin ästhetische Vermittlung des Wahrnehmens, wofür Birus auch ein schönes Beispiel zitierte. Proust notiert sich zu Gérard de Nervals Silvie folgende Worte: “La couleur de Sylvie, c’est une couleur pourpre, d’une rose pourpre en velours pourpre ou violacée […]. À tout moment ce rappel de rouge revient, tirs, foulards rouges, etc. Et ce nom lui-même pourpré de ses deux i : Sylvie, la vraie Fille du Feu.”[6] Erst im Resonanzraum der Literatur können die i’s von ›Sylvie‹ purpurn werden, lautete das einleuchtende Fazit von Birus.
Weitere Perspektiven
Der material- und kenntnisreiche Vortrag des leidenschaftlichen Lesers Hendrik Birus beleuchtete Prousts Verhältnis zu den Farben, ein Thema, das bisher in der Forschung eher wenig beachtet wurde. Dennoch zeigte die Diskussion, dass Prousts Farben noch nicht erschöpfend behandelnd wurden. Vielmehr kann Birus’ Proust-Lektüre zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen genommen werden. Zu kurz gerieten nach meinem Geschmack die Ausführungen zur Materialität der Literatur. Prousts Umgang mit Farben weist auf eine Souveränität der Schrift gegenüber anderen Künsten wie der Malerei oder der Musik, wie Prof. Dr. Roger Lüdeke u.a. bemerkte. Ergänzend könnte hier noch hinzugefügt werden, dass die Souveränität und die Materialität der Schrift nach Birus’ Darstellung in Prousts Werk nur negativ ausformuliert werden. Die genuine Materialität der Schrift scheint bei Proust durch ihre Differenzierungsfunktion bestimmt zu sein – z.B. als Differenz zur Malerei, als Differenz in der Zeit oder als Differenz im Material. Die Differenz im Material lässt sich besonders gut an Birus’ letztem Beispiel ausführen. Das Medium der Literatur, die Schrift, ist nämlich in seiner materiellen Eigenschaft selber hybrid: Die Schrift ist zugleich visuell und akustisch, weswegen Proust bei ‘Sylvie’ erstens zwei ‘i’ lesen kann, die er zweitens auch noch in purpurner Farbe ‘sieht’.
Weitere Anschlussmöglichkeiten bieten der zeitliche Kontext sowie andere methodische Zugänge zum Werk. An einem sehr schönen Textbeispiel aus der Recherche, das die wechselnden Ansichten eines Sonnenaufgang während eine kurvigen Zugfahrt erzählt[7], führte Birus Prousts Polyperspektivismus vor, der an den Kubismus in den 1910er Jahre erinnert. Da die Zugfahrt um 1900 auch ein erkenntnistheoretisches Dispositiv darstellte, das zudem durch den medialen Umbruch zum bewegten Kinobild geprägt war, könnte hier weiter gehend gefragt werden, ob die Sprache nicht ‘technisch’ wird bzw. die Technik der literarischen Sprache eingeschrieben ist. Martin Bartelmus schlug des Weiteren vor, Prousts Farben in Anlehnung an Latour nicht als Zwischenglieder zu lesen, die schlicht eine kausale oder referenzielle Funktion haben, sondern als Mittler, die im Text zum agens werden und ganz bestimmten Handlungsformationen generiert. Thomas Krämer dagegen verband Prousts Poetik mit Derridas supplément. Der konstitutive Bedeutungsüberschuss des Zeichens würde in dieser Lesart die verlorene Zeit einholen können.
Promotion als Hürdenlauf
Trotz dieser Ergänzungen und Anschlussmöglichkeiten führte die Diskussion des Vortrags nochmals vor Augen, wie gehaltvoll und inspirierend die Ausführungen von Hendrik Birus waren. Die Diskussion war auch ein gutes Beispiel für seine Offenheit, die eigenen Thesen unvoreingenommen zu diskutieren. Zuletzt entwickelte sich ein Gespräch über die nicht immer einfache Promotionszeit. Es tat sicherlich einigen TeilnehmerInnen gut, von einer solch verdienten akademischen Persönlichkeit zu hören, dass die Widerstände und Krisen einfach dazugehören, ja sogar die Voraussetzung für eine gute Arbeit sind. In seinen Worten entspricht die Promotion in einem Graduiertenkolleg einem “Hürdenlauf” – aber wohl eher einer über 400 als über 110 Meter, möchte man anfügen.
[1] Marcel Proust, À la recherche du temps perdu III, Paris 1988, S. 912.
[2] Gemeint ist hier die erinnerte Kindheitssehnsucht der Fahrt mit dem ›Einuhrzweiundzwanzig-Zug‹ nach Balbec. Vgl. Marcel Proust, À la recherche du temps perdu I, Paris 1987, S. 381f.
[3] Proust an Prinz Antoine Bibesco, [November 1912], in: Marcel Proust, Briefe zum Werk, Frankfurt a.M. 1964, S. 210.
[4] Marcel Proust, À la recherche du temps perdu IV, Paris 1989, S. 450
[5] Marcel Proust, À la recherche du temps perdu IV, Paris 1989, S. 474.
[6] [Gérard de Nerval], in: Marcel Proust, Contre Sainte-Beuve, Paris 1971, S. 232-242.
[7] Marcel Proust, À la recherche du temps perdu II, Paris 1988, S. 15f.
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Voraussetzungen sind
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Nähere Auskünfte erteilt Christoph Schindler (schindler@dipf.de; Tel. +49 (0)69 24708-373).
Die komplette Stellenausschreibung finden Sie unter: http://www.dipf.de/de/dipf-aktuell/stellenangebote/wissenschaftliche-n-mitarbeiter-in-zur-promotion
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4222
Workflow
Hier liegt schon länger ein Blogpost zum Thema »Workflow« rum, aber ich habe es bis jetzt noch nicht geschafft, den Text zu strukturieren und auszuformulieren. Das liegt auch daran, weil ich DEN Workflow noch nicht gefunden habe (vielleicht will ich ja gar nicht fündig werden) und ich jeden Text, jedes Projekt anders angehe. Es gibt aber ein paar Konstanten, die sich im Moment einzupendeln scheinen:
Zotero (Literaturverwaltung/Notizsammlung) | Instapaper (Lesen/Annotation) | Kindle/Xodo (PDFs/Texte lesen) | OmniOutliner (Ideen zusammenfassen und Textstruktur entwerfen) | Mellel (Schreiben)
Es könnte und müsste eigentlich noch viel mehr da oben stehen, aber das sind mal die Tools, die ich täglich benutze. Bis vor kurzem stand da auch noch Zettelkasten, ein tolles Projekt, aber ich habe beschlossen, alle meine Notizen in Zotero zu speichern.
Update 4.11.2014
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