Sozial.Geschichte Online: Kritische Geschichtswissenschaft

Heft 14/2014 von Sozial.Geschichte Online ist erschienen und enthält drei Beiträge, die in Zusammenhang mit dem letztes Jahr abgehaltenen Kongress History is Unwritten entstanden sind:

Mayer, David
Gute Gründe und doppelte Böden. Zur Geschichte 'linker' Geschichtsschreibung
http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=36456

Oy, Gottfried/Schneider, Christoph
Destruktion und Intervention – von den Möglichkeiten der Geschichtspolitik
http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=36458

Götze, Susanne
Der Metaphilosoph Henri Lefebvre. Linke Krise und Erneuerung in den 1960er Jahren
http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=36459

Es handelt sich dabei um Vorabdrucke aus dem Sammelband "History is unwritten. Linke Geschichtspolitik und kritische Wissenschaft. Ein Lesebuch"; dieser erscheint im Frühjahr 2015 bei der edition assemblage und wird auch einen Beitrag von mir zu Josep Fontana und Luciano Canfora enthalten.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022369398/

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Ausstellungs-Guide II

Es ist wieder soweit! Wir präsentieren Ihnen eine Sammlung der Ausstellungen in diesem Winter, die sich thematisch der frühen Neuzeit zuordnen lassen. Diesmal liegt das Augenmerk auf fünf sehenswerten Ausstellungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Am 5. November startete die Kunstausstellung „Fantastische Welten“ im Städel Museum in Frankfurt/M. Drei Monate lang kann man Werke von Albrecht Altdorfer und expressive Tendenzen in Malerei, Skulptur, Druckgrafik, Zeichnung um 1500 betrachten, bevor die Ausstellung vom 17. März bis 14. Juni 2015 im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen ist.

Fantastische Welten 05.11.2014–8.2.2015 in Frankfurt

Eine andere Kunstausstellung im Kunstmuseum Basel beleuchtet den gleichen Zeitraum, spezialisiert sich aber auf Albrecht Dürer und seine Umgebung. Schon seit dem ersten November können unter dem Titel „Albrecht Dürer und sein Kreis.“ Zeichnungen von Dürer und Malern aus seinem engeren Umkreis bestaunt werden, die aus den eigenen Beständen des Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel stammen.

Albrecht Dürer und sein Kreis 01.11.2014 – 01.02.2015 in Basel

Künstlerische Darstellung als Folge wissenschaftlichen Fortschritts präsentiert die Ausstellung „Von oben gesehen: Die Vogelperspektive“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Wie der Titel schon andeutet, steht hier insbesondere der „Blick von Oben herab“ im Mittelpunkt, der durch neue technische Errungenschaften seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wie dem Heißluftballon oder kühne Turmbauten wie dem Eiffelturm auch der breiten Masse zugänglich wurde.

Von oben gesehen: Die Vogelperspektive 20.11.2014 – 22.02.2015 in Nürnberg

Über einen Meilenstein der Technikgeschichte und die andauernden Diskussionen um seine tatsächliche Bedeutung informiert die Ausstellung „Die älteste Taschenuhr der Welt? Der Henlein-Uhrenstreit“, die ab dem vierten Dezember ebenfalls im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen ist. Die sieben ältesten Exemplare des beliebten Statussymbols werden dort ausgestellt und klären über die Uhrentechnik dieser Epoche auf.

Die älteste Taschenuhr der Welt? Der Henlein-Uhrenstreit 04.12.2014 – 12.04.2015 in Nürnberg

Im Heimatmuseum Reutlingen wird ab dem sechsten Dezember Medizinische Versorgung zwischen Mittelalter und Moderne vorgestellt. „Ärzte, Bader und Barbiere“ beschränkt sich nicht auf diese Typen von Heilern, sondern zeigt verschiedene Arten von Heilberufen in ihrer Entwicklung auf. Von magischen Amuletten des Mittelalters bis zu ausdifferenzierten Werkzeugen der beginnenden Schulmedizin reicht das Spektrum, das in dieser Zusammenstellung noch nie gezeigt wurde.

Ärzte, Bader und Barbiere 06.12.2014 – 08.02.2015 in Reutlingen

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1818

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Stellenausschreibung: wiss. Koordiantor/in Interdisziplinärer Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin

Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) ist ein Forum zur Stärkung der gemeinsamen Interessen in Forschung, Lehre und nachhaltiger Datenbereitstellung quer über die etablierten Fach- und Organisationsgrenzen auf dem Gebiet der Geistes- und Kulturwissenschaften mit digitalen Methoden hinweg. In gemeinsamer Arbeit werden die Leistungen und Kompetenzen auf dem Gebiet der Digital Humanities (DH) am Standort Berlin sichtbar gemacht und ausgebaut, ein Konzept für die nachhaltige Verankerung von Forschung und Lehre der Digital Humanities als Teil der exzellenten geisteswissenschaftlichen Landschaft Berlins erarbeitet sowie ein Konzept für ein regionales DH-Zentrum für die Langzeitverfügbarkeit geisteswissenschaftlicher Forschungsdaten erarbeitet.

Der ifDHb sucht für seine Geschäftsstelle, angesiedelt an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, ab dem 1. Januar 2015

eine wissenschaftliche Koordinatorin/einen wissenschaftlichen Koordinator (Teilzeit 75%, befristet auf 18 Monate in Mutterschutz- und Elternzeitvertretung).

Zu den Aufgaben gehören:

  • Führung der Geschäftsstelle des Interdisziplinären Forschungsverbundes
  • Erstellung der Berliner Digital Humanities-Jahresberichte
  • Einrichtungsübergreifende Koordinierung des fachlichen Kompetenz- und Erfahrungsaustauschs
  • Agendaentwicklung für eine Monitoring- und Qualitätssicherungs-Instanz zur Nachhaltigkeit von Forschungsdaten
  • Entwicklung einer Organisationsstruktur und eines Geschäftsmodells für ein DH-Zentrum in Berlin
  • Kontinuierliche Pflege der Berliner DH-Ressourcenbasis

Vorausgesetzt werden:

  • abgeschlossene Hochschulausbildung in einem geistes- oder kulturwissenschaftlichen Fach
  • sehr guter Überblick über nationale und internationale Standards und Entwicklungen auf dem Gebiet der Digital Humanities sowie zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet des Forschungsdatenmanagements
  • sehr gute Kenntnisse der Berliner Forschungs-und Wissenschaftslandschaft und sehr guter Überblick über das Wissenschaftssystem in Deutschland
  • sehr gute Kommunikations- und Teamfähigkeit, hohe interdisziplinäre Kompetenz
  • sehr gute organisatorische und konzeptionelle Fähigkeiten, gutes Zeitmanagement
  • Fähigkeit zum eigenverantwortlichen und zielorientierten Arbeiten

Erwünscht sind:

  • nachgewiesene Kompetenzen und Erfahrungen im Management dezentral organisierter und interdisziplinär ausgerichteter Forschungsverbünde
  • Erfahrungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Forschungs-/Informationsinfrastrukturen

Die Vergütung erfolgt nach Entgeltgruppe E 14 (Angleichungstarifvertrag Land Berlin).
Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen sind ausdrücklich erwünscht. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt.

Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen senden Sie bitte bis 22. November 2014 an:

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Interdisziplinärer Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin
Frau Christiane Fritze
Jägerstr. 22/23
10117 Berlin

Elektronische Bewerbungen per E-Mail sind ausdrücklich willkommen. Eine postalische Rücksendung von Bewerbungsunterlagen kann nur erfolgen, wenn ein ausreichend frankiertes Kuvert beigefügt ist.

Fragen zum Forschungsverbund beantwortet Ihnen gerne Dr. Wolf-Hagen Krauth.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4243

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Die Verbrennung der Jungfrau Maria

Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, der Unterkörper schon verbrannt. An ihren Armen schlängeln sich Flammen empor und greifen nach ihrer Krone. Die Königin des Himmels wird verbrannt von einem Narren, der eine Mütze mit Eselsohren und Narrenschellen trägt. Mit großen, schwarzen Augen schürt er das Feuer. Und lächelt dabei. Diese Szene stammt aus dem Großen lutherischen Narren von Thomas Murner, veröffentlicht im Jahr 1522. Vor allem der Holzschnitt wird immer wieder zur Illustrierung früher altgläubiger Angriffe auf evangelische Ikonoklasmen herangezogen. Tatsächlich war er so aber […]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/2312

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Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik” gestartet

mitgeteilt von Prof. Dr. Elisabeth Burr, Universität Leipzig.

An der Universität Leipzig gibt es ab sofort eine Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik”.

Die Vortragsreihe soll den Begriff “Digital Humanities” mit Inhalten füllen, indem Fragen ihrer Theorie und Methodik einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Die Vortragsreihe wird mit den folgenden Vorträgen eröffnet:

Montag, 10. November 2014, 15:15-16:45 und 17:15-18:45
Prof. Dr. Elena Pierazzo (Université Stendhal-Grenoble 3): “Modelling Texts, Modelling Editions, Modelling Documents”

Dienstag, 11. November 2014, 17:15-18:45
Dr. Evelyn Gius (Universität Hamburg): “Textanalyse in Zeiten der Digital Humanities. Zur Annotation und Auswertung geisteswissenschaftlicher Textdaten mit CATMA”

Informationen zu den Vorträgen und den beiden Referentinnen können unter http://db.uni-leipzig.de/~ifabdez5/_veranstaltungen/data/dokumente/php20141031020528.pdf abgerufen werden.

Die Vorträge finden im Vortragsraum der Bibliotheca Albertina, Beethovenstr. 6, Leipzig statt. Die Vorträge  sind öffentlich. Alle interessierten Studierenden und Kolleg_innen aus nah und fern sind herzlich willkommen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4234

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Enthüllungen zur „Schwarzen Zeitung“ (Wien 1787)

In der Zeitreisen-Beilage der Wiener Zeitung ist heute ein Beitrag von mir zur famosen Schwarzen Zeitung erschienen, einer Art Krawallzeitung des josephinischen Wiens; vgl. dazu: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/5789531/

Die Hintermänner dieses Blatts voller Selbstmörder- und Raubersgeschichten - von dem allerdings kein Exemplar erhalten ist - blieben bislang im Verborgenen; dank eines Zufallstreffers im Niederösterreichischen Landesarchiv kann ich nun ein Mosaiksteinchen zu ihrer Geschichte hinzufügen, voilà die exklusive Enthüllung: http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_zeitreisen/gemeine/699174_Rabenschwarze-Mordgeschichten.html
Eine längere Version des Beitrags mitsamt Belegen erscheint in der Ausgabe 2014-2 der Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022369098/

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Verklemmte Spaßpartei

Und ich dachte, der politische Dadaismus der Partei Die Partei ließe sich nicht toppen; dank dem Akin Magazin wurde ich aber nun eines Besseren belehrt, denn das ist wirklicher Punk-Rock: Die Schwarz-Gelbe Allianz ruft für den 12. November, den Tag der Republik-Gründung zu einem Protestzug gegen die aufoktroyierte Republik auf, abzuhalten in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien; und wenn das kein Argument ist: Die ersten 20 Teilnehmer erwartet eine kostenlose Doppeladlerfahne im Format 90 x 150 cm, die sie anschließend mit Nachhause nehmen können!
Wow, ich bin beeindruckt, damit können noch soviele Rufe nach dem Wiederaufbau der Berliner Mauer und der Wiener Stadtbefestigung nicht mithalten; aber: Kein Licht, wo nicht auch Schatten ist: Die außenpolitischen Forderungen der Kaisertreuen sind etwas gar mau, man werfe einen Blick auf die von ihnen gezeichnete Karte: Was ist mit Bosnien? Siebenbürgen? Galizien? Belgie ... äh, österreichische Niederlande? Toskana? Venetien? Lombardei? Spanien? Südamerika respektive Las Indias? Überhaupt, das ganze Heilige Römische Reich? Ich meine, wenn schon Monarchie, dann in den Grenzen von 1520, arrondiert um ein paar spätere Zugänge!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022223878/

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Jenseits des „Revisionismus“ – Christopher Clark über „Kriegsursachen, Auslöser und Ziele. Europäische Debatten zur Kriegsschuld“. Bemerkungen zu einem Vortrag an der vhs Regensburg vom 22.10.2014.

Jenseits des „Revisionismus“ –

Christopher Clark über „Kriegsursachen, Auslöser und Ziele. Europäische Debatten zur Kriegsschuld“.

Bemerkungen zu einem Vortrag an der vhs Regensburg vom 22.10.2014.

Christopher Clark wird sich einstweilen mit der Vorfreude begnügen müssen. Er freue sich nämlich, bekannte er eingangs, schon auf die Zeit, in der ihn ein nachlassendes Medieninteresse wieder in die Schreibstube des Forschenden entlassen werde. Der Vortagsraum der vhs Regensburg im Thon-Dittmer-Palais war aber jedenfalls bis zum letzten Platz besetzt, und ein Ende des Clark-Hypes ist nicht in Sicht. Die vhs Regensburg konnte sich keine ermutigendere Resonanz wünschen für ihr diesjähriges „Studium Generale“, das 2014 dem Thema 100 Jahre Erster Weltkrieg gewidmet ist und in Kooperation mit dem Institut für Ost- und Südosteuropaforschung eine Brücke zwischen Universität und einer breiteren, städtischen Öffentlichkeit schlagen soll – so einleitend Prof. Ulf Brunnbauer. Am ersten Abend ist dies glänzend gelungen. Der Erfolg seiner „Schlafwandler“ (250.000 verkaufte Exemplare) hat in Deutschland nicht zuletzt ein immens gesteigertes Interesse für die private, lokale und regionale Dimension des Ersten Weltkriegs befördert, das noch vor einigen Monaten so nicht zu erwarten gewesen wäre.1

In der Tat ist es gerade aus dieser Perspektive lohnend, dem Wanderredner in Sachen Kriegsausbruch immer wieder von neuem zuzuhören. Denn längst sind Clarks Auftritte Teil und Kommentar einer Debatte um die „Kriegsschuld“, die nirgendwo sonst in Europa – das unterstrich Clark auf eine Nachfrage aus dem Regensburger Publikum – derart intensiv, ja polarisierend geführt wird wie in Deutschland. In Frankreich beispielsweise seien seine Thesen ruhig und „souverän“, fast beiläufig aufgenommen worden, und in der breiten Erinnerung stehe die Trauer um die Toten im Vordergrund. Hierzulande dagegen wird die aktuelle Welle an bemerkenswerten lokalhistorischen Initiativen und Ausstellungen eben nicht durch eine gemeinsame Gedenkkultur getragen, das haben Clark und Gerd Krumeich unlängst auf dem Historikertag in Göttingen konstatiert.2 Vielleicht auch deswegen, das deutete Clark in Regensburg an, weil in (West-)Deutschland „viele Karrieren mit der Schuld verbunden“ seien, also einer Interpretation, in der 1914 stets im Zusammenhang mit 1939 betrachtet wurde und nie für sich selber stehen konnte. Es gebe aber „keine pyramidale Struktur“; bei der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs bewege man sich in einer „anderen Welt“.

Noch einmal versuchte Clark in seinen Regensburger Ausführungen den Kern des Debatten-„Missverständnisses“ freizulegen und damit seine Herangehensweise zu verdeutlichen, die auch deswegen so große Beachtung und Zustimmung gefunden hat, weil sie auf eine aktuelle geopolitische Probleme sensibilisierte Öffentlichkeit trifft. Auf die europäischen Mächtesysteme wirkten schon vor 1914 globale Konflikte zurück (Beispiel: die britisch-russischen Bruchlinien in Fernost), der Konfliktherd Balkan und sein Sprengstoff – in vielen Darstellungen zum Ersten Weltkrieg oftmals sträflich vernachlässigt – ist seit den 1990er auch ex post verstärkter Aufmerksamkeit wert, die multipolare Welt-„Ordnung“ ist mit dem 21. Jahrhundert in veränderter Konstellation wiedererstanden und hat damit auch die Phase des beendeten Kalten Krieges („post-post-cold-war“) hinter sich gelassen. Dass die Attentäter von Sarajewo hochmotiviert-‚idealistische’ junge Männer waren, die den Selbstmord als Opfer für eine größere Sache betrachteten, verschlägt uns im (postheroischen) Westen nicht erst seit den letzten Monaten die Sprache (und doch hilft hier im Nachfeld kein hochmütiges Herabsehen weiter). Zudem: Ein Ereignis, so Clark, kann „härter“ sein als die Strukturen, von denen die Strukturhistoriker der 1970er Jahre (fast) alles ableiten zu können vermeinten. Dass unmittelbar nach dem 28. Juni 1914 kaum einer in Europa glaubte, einen guten Monat später werde man sich in einem Weltkrieg befinden, spricht nicht dagegen: Gerade deswegen müsse man den Kriegsausbruch und seine Vorgeschichte als komplexestes Ereignis der Neuesten Geschichte begreifen und analysieren – und deswegen darf man es auch nicht, so ließe sich hinzufügen, vorab in einem Quasi-Determinismus aus den ‚Ismen’ der Zeit (Nationalismus, Imperialismus, Militarismus etc. pp.) ableiten. Anschaulich machte Clark noch einmal deutlich, dass der Ort oder die Orte der Macht den Handelnden aller Mächte vielfach und immer wieder im Nebel verschwanden, die polyzentrischen Macht- und Entscheidungsstrukturen der Außenminister, Regierungsbeamten, Militärs und Botschafter jedes eigene Handeln mit vielen Unbekannten (im wahrsten Sinne des Wortes) belasteten. Jeder Handelnde beobachtete und handelte als Beobachter von nur relativ stabilen Platze aus – letztlich machte diese gleichsam „Heisenbergsche Unschärfe“ nicht erst in der Juli-Krise jede Aktion – es post, nach der Katastrophe weiß man es! – immer zu einem potenziellen Vabanque.

Ausdrücklich betonte Clark, dieses Ernstnehmen einer multipolaren und hochkomplexen Situation und des gerade in der Interaktion höchst störungsanfälligen europäischen Systems ziele keineswegs auf eine Reinwachsung der deutschen Politik in der Julikrise; Fritz Fischer habe ein noch heute gültiges Programm des deutschen „Kollektivhirns“, also der entscheidenden Politiker und Militärs gezeichnet, auf das man „gewiss nicht stolz sein kann“. Allerdings sei in den letzten Jahren die Forschungsliteratur „stark im Wandel begriffen“ gewesen (das hat nur vor Clarks brillanter Synthese, so ist hinzuzufügen zumindest in der breiteren Öffentlichkeit kaum einer bemerkt), u.a. hob er die Arbeiten von Friedrich Kießling oder von Stefan Schmidt zur französischen Außenpolitik hervor.3 Dass für das französisch-russische Bündnis ab 1912 ein Balkankonflikt zum casus foederis werden konnte und das „Vorwerk“ Serbien in diesem Kontext dabei eine gefährliche „geopolitische Sollbruchstelle“ darstellte, hob Clark noch einmal hervor – ebenso wie die französische Motivation, der keinesfalls ein geradliniger (Kriegs-)Plan zugrunde lag, sondern die Befürchtung, man könne sich, in der eigenen Angst vor Deutschland, auf die Briten nicht verlassen und das immer stärker werdende Russland (eine Fehleinschätzung, der alle europäischen Mächte unterlagen) werde Frankreich dereinst nicht mehr brauchen, daher müsse man es – via Serbien – enger an sich binden. Jedenfalls dürfe man, so Clark, eben nicht nur auf die gebannt auf die Juli-Krise blicken und dort den deutschen Teil der Verantwortung isolieren; wie Herfried Münkler, der lakonisch von „langen und kurzen Wegen in den Krieg“ spricht4, betonte Clark in Regensburg auch jene recht kurzfristigen Entwicklungen im europäischen Mächtesystem, die sich eine deutschen Beeinflussbarkeit entzogen, die aber beträchtliche Rückwirkungen auf die Mitte Europas hatten: Insbesondere der italienische Angriff auf Tripolitanien 1911, von Großbritannien und Frankreich unterstützt, habe Entwicklungen in Gang gesetzt, die das verbündete Habsburgerreich in eine prekäre Lage brachten – es hatte nämlich kein vergleichbares „Vorwerk“ und befand sich nach den Balkankriegen 1912/13 im Juni 1914 in einer Situation, in der man zum Krieg gegen Serbien entschlossen (aber gar nicht ausreichend rasch mobilisierbar) war.

Nun ist alles, hier nur kursorisch Referierte im einzelnen von Spezialisten noch einmal zu diskutieren. Widersacher aber wird wohl keine dieser In-Betracht-Ziehungen überzeugen. Denn so wie Clark manche wirre Bewunderer gehässige Anti-Fischer-Emails schreiben (die er nicht beantwortet), so wollen viele seiner Kritiker ihm schon im Ansatz nicht folgen – insofern ist Clarks Formel vom „Missverständnis“ ein höflicher, aber letztlich erfolgloser Befriedungsversuch. Jenseits der fachwissenschaftlichen Diskussion wird auf einer anderen Ebene agiert: Heinrich August Winkler beispielweise, der in der ZEIT vom 18.8.2014 unter der Überschrift „Und erlöse uns von der Kriegsschuld“5 von „den Revisionisten von Clark bis [Jörg] Friedrich“ spricht, läuft nicht nur Sturm gegen eine hier angeblich „altmodische Konzentration auf die Diplomatiegeschichte“, sondern wirft Clark mit Autoren in einen Topf, bei denen er offene geschichtspolitische Motivation am Werk sieht. Dies ist hier nicht zu diskutieren, aber in diesem Kontext pauschal von einer „revisionistischen Literatur“ zu sprechen, die „jede Verbindung zwischen Demokratieabwehr der deutschen Eliten und Deutschlands Weg in den Ersten Weltkrieg“ leugne und daher versucht sei „in alter Manier ‚Versailles’, den Friedensvertrag von 1919, zur Wurzel alles folgenden Übels zu erklären“, kann man nicht auf sich beruhen lassen. Nun schließt sich eine ungeheuerlich zu nennende Unterstellung an, die aus Clarks Sicht eigentlich nur als ehrenrührig bezeichnet werden kann: „Wenn Deutschland ‚nur’ am Zweiten Weltkrieg schuld ist, am Ersten aber nicht, ist es kein weiter Schritt mehr zu der Behauptung, dass Hitler eben der große ‚Betriebsunfall’ der deutschen Geschichte war. Das schreibt bisher [!!] keiner der Revisionisten.“ Aber Clarks Leser, so meint es Winkler zu wissen, seien da schon weiter als der Autor: „Aber wenn es richtig ist, dass der ‚Clark-Effekt’ sich wesentlich aus tief sitzenden nationalapologetischen Bedürfnissen erklärt, dann liegt die Vermutung nahe, dass diese Folgerung bereits von vielen Deutschen [!] gezogen wird.“

Noch weiter in der Unterstellungspraxis geht der Historiker des deutschen Militarismus, Wolfgang Wette, der Clarks Buch mit wenigen Sätzen geschichtspolitisch zu erledigen vermeint: „Darin geht es, ohne dass es direkt ausgesprochen würde [!], um eine groß angelegte Entlastung der Deutschen.“ Ganz unverstellt trauert Wette um die Erosion dessen, was ihn wissenschaftlich sozialisierte: Die Fischer-Schule, so „könnte sich der Eindruck aufdrängen“, „habe sich mit ihren Vorstellungen national und international durchgesetzt. Doch nun, 100 Jahre nach Kriegsbeginn, wird an diesen Erkenntnissen wieder gerüttelt.“ Clarks Buch, auch wenn es über Fischer hinausgehe, habe, wie andere, „nichts an der Richtigkeit der Erkenntnisse von Fritz Fischer geändert.“ Kurz und bündig – ein Sachargument folgt nicht mehr –: „Seine [Clarks] Entlastung der Deutschen verträgt sich nicht mit den belegbaren Tatsachen.“ Man kann nicht umhin, auch Wettes Weiterungen aus den angeblich „fehlerhaften Geschichtsbildern über den Ersten Weltkrieg“ zu zitieren und dabei das eine oder andere Ausrufezeichen zu setzen: „Denn auch der politische Nebel, den diese Metapher verbreitet, ist keineswegs harmlos, sondern potentiell gefährlich. Er ist geeignet, die deutsche Gewaltgeschichte zu glätten und zu entsorgen. Unterschwellig [!] arbeitet dieses Bild einer Politik zu, die eine gestiegene politische Verantwortung in der Welt auch wieder militärisch definieren möchte.“ Man mache sich klar, dass auch der folgende Schluss-Satz auf Clark gemünzt ist: „Ein von historischer Kriegsschuld gereinigtes Deutschland könnte mit Hilfe eines geglätteten Geschichtsbildes einen größeren internationalen Handlungsspielraum beanspruchen und zu einer – auch militärisch instrumentierten – neuerlichen Weltpolitik [!] verleiten.“6 Clark – ein Wilhelm, gar ein Tirpitz redivivus! Sicherlich passt es in Wettes Weltbild, dass Clarks ‚revisionistisches’ Werk von manchen Tories in Großbritannien als „linkes Blöken“ – so Clark in Regensburg süffisant – abgetan wird.

Vorderhand subtiler, aber geschichtspolitisch wuchtiger und die Konstituanten der geschichtstheoretischen (Vor-)Entscheidungen bestätigend, schrieb Winkler in der FAZ von der „Kontinuität der Kriegspartei. Was 1914 gesät wurde, ging 1939 auf: Über den Zusammenhang der deutschen Politik bei Weltkriegsausbrüchen und über das historiographische Interesse, ihn zu verschleiern [!].“7 Die „Kontinuitätsfrage“ bzw. deren rechte, oder besser: linksliberale Beantwortung hat den „deutschen Sonderweg“ immer schon geklärt gehabt – wo wir uns auch befinden auf dem Zeitstrahl deutscher Geschichte zwischen Luther, Friedrich II., Bismarck und Hitler: 1914 ist mittelbar zu 1939, wir wissen ja, wie alles endet. Dass Winkler selbst Gerd Krumeich vor langer Zeit vor der Behandlung von >Versailles< gewarnt hat, weil dies nationalpädagogisch inopportun („zu gefährlich“) sei, ist belegt.8 Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Selbstverständlich ist die Rolle, sind die mentalen Prägungen der entscheidenden Eliten, zumal der zweifellos vorhandenen „Kriegspartei“ vor 1914 kritisch aufzuarbeiten, ist die extrakonstitutionelle Stellung des Militärs, der Einfluss des Militärkabinetts und des Generalstabs zu berücksichtigen. Das sagt aber a priori noch nichts über das Gewicht im Rahmen eines komplexen Ereignis- und Handlungsfelds. Die Frage nach der Verantwortung, den Verantwortlichkeiten, ist umso präziser zu beantworten, wenn – so Clark –„nach Möglichkeit […] die Antworten auf die Warum-Frage […] aus den Antworten auf Fragen nach dem Wie erwachsen, statt umgekehrt.“9 Wenn also – und das ist das entscheidende, weil methodologische Argument – ein historisches Phänomen, wenn dann auch Weimar immer nur und letztlich vorab entscheidend 1933, unter dem „geschichtlichen Ort der deutschen Katastrophe“ (Winkler)10 beleuchtet wird, dann ist das eine unzulässige Horizontverengung und eine ebenso unzulässige Komplexitätsreduktion. Wie formulierte der Nippedey-Schüler Wolfgang Hardtwig knapp und allgemeingültig: „Es macht, um die Denkmöglichkeiten, die Handlungsmotive und –horizonte zu verstehen mehr Sinn, eine Gegenwart als Nachgeschichte des Vorgestern zu lesen denn als Vorgeschichte des Späteren.“11 Und für eine Neubetrachtung der Nachgeschichte des „Großen Kriegs“, mithin für eine Geschichte der ersten deutschen Republik kann demzufolge Krumeichs Diktum nur uneingeschränkt zugestimmt werden: „Wir sollten im Übrigen endlich damit anfangen, eine Geschichte Weimars zu denken, die nicht vom Nationalsozialismus her erzählt wird, wie es bisher fast durchgängig der Fall ist. Die Weimarer Republik erklärt sich aus dem Ersten Weltkrieg, nicht aus dem Zweiten.“12 Hier, in dieser fundamentalen Perspektivenverschiebung, liegt nun, auf welcher Betrachtungsebene auch immer – und nicht zuletzt im Blick auf die regionalen politischer Kulturen – ein beträchtliches historiographisches Innovationspotenzial. Ob manche dies dann noch oder wieder „revisionistisch“ nennen, ist dann auch egal.

Zum Abschluss aber zurück zu Clark und seinen Kritikern. Angesichts einer Vielzahl von Studien, die vor oder zugleich mit Clark hundert Jahre nach dem Kriegsausbruch erschienen sind, ist eines klar: „dass man nicht hinter der Erkenntnis zurückfallen darf, „dass“, wie die hervorragende (vorläufige) Bilanz von Arndt Weinrich konstatiert, „die Schwierigkeit situative und strukturelle Faktoren zusammen zu bringen, wohl eines der (bleibenden) Kernprobleme der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs bleiben wird.“ Fortan müsse man davon ausgehen, was alle fundierten neueren Studien verbindet: „Da ist zum einen der deutliche Trend, den Handlungs- und Entscheidungsspielraum wichtiger Akteure oder Akteursgruppen (agency) stärker zu gewichten und damit – und das ist eine zweite eng damit verbundene Tendenz – die vielen strukturellen Erklärungsansätzen wenigstens implizit innewohnende Linearität der Entwicklung zum Krieg zu Gunsten einer stärkeren Kontingenz der Ereignisse von 1914 zu relativieren.“13 Auf dieser Ebene gilt es fortan zu argumentieren – und nicht mehr auf der Basis obsoleter geschichtspolitischer Prämissen in nationalpädagogischer Absicht. Ob Deutschland auf dem „langen Weg nach Westen“ dem richtigen Kompass gefolgt ist und folgt, ist politisch, nicht historiographisch zu entscheiden.

1 Ein hier vorab zu nennendes Beispiel: Lübbers, Bernhard / Reichmann, Stefan (Hg.): Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte einer bayerischen Provinzstadt zwischen 1914 und 1918, Regensburg 2014. Und um hier neben einer größeren Stadt: http://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/Kriegdaheim2014.de (Karlsruhe) auch kleinere aus der Region anzuführen: http://www.stadtmuseum-noerdlingen.de/index.php/sonderausstellung/ereignis-erinnerung (Nördlingen), http://www.neuburg-donau.de/neuburg/veranstaltungen/sonderausstellung-stadtmuseum (Neuburg a.d. Donau). Für ganz Bayern natürlich zentral das Armeemuseum Ingolstadt: http://www.armeemuseum.de/de/aktuell/100-jahre-erster-weltkrieg.html. – Vgl. die einschlägigen Einlassungen von Johannes Paulmann und Gerd Krumeich auf dem Historikertag in Göttingen, 26.9. 2014, http://www.youtube.com/watch?v=LNnCAQh9sUE, 1:07 ff.

2 Ebd. 1:10:45 ff.

3 Einen aktuellen, umfassenden und präzisen Überblick bietet: Rose, Andreas: Ein neuer Streit um die Deutungshoheit? Neuere Literatur zu den Kriegsursachen von 1914, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-3-074. Herauskristallisiert habe sich mittlerweile, „dass das lange vorherrschende Muster von der wilhelminischen Außenpolitik als Inbegriff permanenten Versagens, wiederholt vorsätzlich ausgelöster Krisen und eines geradezu verbrecherisch herbeigeführten Krieges im Sommer 1914 korrekturbedürftig ist. […] Auch der ehemals breite Konsens zum ähnlich fest etablierten Interpretationsschema einer lediglich auf die deutsche Herausforderung reagierenden britischen Gleichgewichtspolitik ist mittlerweile ebenso erschüttert wie die vermeintliche Opferrolle Frankreichs oder Russlands.“

4 Münkler, Herfried: Der große Krieg. Die Welt 1914-1918, 5. Aufl. 2014, S. 25ff.

6 Alle vorangegangenen Zitate bei Wette, Wolfram: Seit hundert Jahren umkämpft: Die Kriegsschuldfrage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2014, S. 91-101, hier S. 91 und S. 101f.

7 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 196, 25.8.2014, S. 15.

8 So offenbar Winkler Krumeich gegenüber, s. http://www.youtube.com/watch?v=LNnCAQh9sUE, 59:00 ff.

9 Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, 7. Aufl. München 2013, S. 18.

10 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 196, 25.8.2014, S. 15.

11 Hardtwig, Wolfgang: Volksgemeinschaft im Übergang. Von der Demokratie zum rassistischen Führerstaat, in: Lehnert, Detlef (Hg.): Gemeinschaftsdenken in Europa. Das Gesellschaftskonzept „Volksheim“ im Vergleich 1900-1938 (Historische Demokratieforschung. Schriften der Hugo-Preuß- und der Paul-Löbe-Stiftung Band 5), Köln-Weimar-Wien 2013, S. 227-253, S. 230.

12 Süddeutsche Zeitung, Nr. 50, 1./2. März 2014, S. 7.

13 Weinrich, Arndt: „Großer Krieg“, große Ursachen? Aktuelle Forschungen zu den Ursachen des Ersten Weltkriegs, in: Francia 40 (2013), S. 233-252; Zitate S. 240 bzw. 234.

Quelle: http://neuburg.hypotheses.org/67

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ReManage Thinking. Wissenschaft und Anwendbarkeit

HumanitiesManagementDie Wege der Wissenschaft sind unergründlich. Diese theologisch anmutende Aussage kommt mir manchmal in den Sinn, wenn Wissenschaftler eine abwehrende Haltung dagegen zeigen, die Relevanz ihres Faches aufzuzeigen. Natürlich mag es niemand, wenn sein Tun, seine Leidenschaft grundsätzlich in Frage gestellt wird. Außerdem ist es keine leichte Forderung. Sie bedeutet über Methoden und Disziplingrenzen hinweg gänzlich neue Blickwinkel einzunehmen. Genau das tat die Tagung „ReThinking Management“, die im Oktober an der Karlshochschule International University stattfand. Hier wurde die Anwendung von geisteswissenschaftlichen Theorien auf den Bereich des Managements thematisiert und dabei indirekt auch die Anwendung von Managementtheorien auf die Struktur, Organisation und das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften.

Kulturelle Wissenschaften und das Selbstverständnis von Management

Modernes Management bedeutet eine Brücke zu bauen zwischen den auf Effizienz und Ertrag ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften und Ansätzen aus anderen Wissenschaftsbereichen und sich selbst in Hinblick auf neue Kontexte und Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Ein hehres Ziel, das auch für Bereiche Vielversprechendes zu bieten hat, die nicht Kapital, sondern Wissen und Werte generieren. Auch an sie werden Erwartungen gestellt, die sich neben qualitativem Output auf weitere Eigenheiten konzentrieren: transparent zu sein, digital, nachhaltig. Dahinter stehen vieldimensionale Veränderungen, die alle Bereiche der Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Die Ausrichtung des klassischen Managements – auch von Kultur und Wissenschaft – auf Funktionalität entstammt dem historisch-kulturellen Kontext der westlichen Welt, sie ist nicht allgemeingültig und nicht vor aktuellen Veränderungen gefeit.

Ein Mangel klassischen Managements besteht darin, dass man sich aus einem vorgefertigten Werkzeugkasten bedient, um messbare Funktionen zu erfüllen. Dafür erschafft Management, ebenso wie Wissenschaft, eine Subsystem, eine künstliche Welt von Verhalten und Kontrolle. Diese ist abstrakt, reduziert Komplexität bis hin zur Mystifizierung, so fasste Ulrich Gehmann es in seinem Vortrag bei ReThinking Management zusammen, und übersieht dabei wichtige Details und Veränderungsprozesse. Wie Johan Kolsteeg von der Utrecht University of the Arts in seiner Präsentation aufzeigte, kann man Ziele besser erreichen, wenn man sich dem individuellen Kontext, dessen Akteuren und deren Bedürfnisse öffnet. Es bedarf dafür einer Gedankenkultur, einer Struktur und eines Managements, das grundlegendes Kontextwissen über Zielgruppen, Gesellschaft und Politik einbezieht. Deshalb braucht es die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihre Erkenntnisse werden nur in einem kleinen Teil der Management-Forschung und einem noch kleineren der Praxis miteinander verknüpft – ebenso, wie die Kultur und die (Geistes-)Wissenschaften sich kaum mit Theorien von Projektmanagement, Organisation und Führung für ihr Funktionieren beschäftigen. Beide verspielen damit die Möglichkeiten, das implizite Wissen ihrer Inhalte auf ihre explizite Ausführung zu übertragen.

Die Anwendung der Kulturwissenschaften

Aufgrund des Trends zu Individualisierung, Transparenz, einer erfüllenden Tätigkeit sowie zunehmender Interkulturalität auch bei Mitarbeitern ist das nicht nur für externe, sondern vor allem für die internen Beziehungen wichtig. Hier gewinnen neue Kommunikations- und Interaktionsformen an Bedeutung. Diese Idee geht aus den genannten Veränderungen und neuen Werten hervor. Mit der Erforschung der cultural turns haben die Geisteswissenschaften in den letzten Jahren viele Grundlagen gelegt. Wie sich dies anwenden lässt, zeigte Doris Bachmann-Medick in ihrem Vortrag bei ReThinking Management auf. Sie machte deutlich, dass Management alle Bereiche umfasst, die von kulturellen und kommunikativen Eigenheiten beeinflusst werden, sodass die Rücksichtnahme auf diese Eigenheiten mithilfe der cultural turns den Output einer Organisation positiv beeinflusst. Dabei sind diese mehr als ein situativ anwendbarer Werkzeugkasten und können kaum getrennt voneinander betrachtet oder angewandt werden:

  • Der translational turn befasst sich mit den Eigenarten und Möglichkeiten von Sprache und Rhetorik. Grundkenntnisse in diesem Bereich sind wichtig für den Umgang mit Partnern und Mitarbeitern mit verschiedenstem Background, also für das gesamte Organisationsgefüge.
  • Das Studium gesellschaftlich-ritualisierten und individuellen Verhaltens, der performative turn, kann das Funktionieren des Beziehungsgeflechts innerhalb und außerhalb einer Organisation verbessern. Eng daran gebunden ist das embodiement, also die Körpersprache.
  • Der interpretive und der pictorial turn erweitern dies auf den Bereich der Kommunikation über Versinnbildlichung, Sinngebung und Bildverständnis. Silke Schmidt zeigte anhand des Beispiels Storytelling auf, wie Metaphern und Geschichten dazu beitragen können, Kollegen wie Geschäftspartner positiv auf gemeinsame Werte und Ziele zu eichen und damit Zusammengehörigkeit und Verständnis zu schaffen. Storytelling wie auch Bildsprachen sind historisches Kulturgut und eignen sich besser als rationale Sprache dazu, Gedanken auf den Punkt zu bringen und Ideen anschaulich zu machen.
  • Der spatial turn greift das Thema Raum auf und beschäftigt sich damit, wie Arbeitsplätze und –umgebungen die Arbeit selbst beeinflussen, sei es in Hinblick auf Lautstärke, Kommunikation oder Kreativität. Entsprechend präsentierte Tobias Klingenmayer Vorstellungen vom Raum als Objekt der Erkenntnis, als Metapher und als Werkzeug für organisationale Veränderungen.

Die cultural turns sind also nicht nur geisteswissenschaftliche Forschungsthemen. Sie greifen gesellschaftliche Trends hin zu besserer Kommunikation, einem veränderten Selbstverständnis als Organisation oder Disziplin sowie die neuen Werte der Gesellschaft auf und wollen sie durch entsprechende Fragestellungen verstehen und darauf reagieren.

ReManage Thinking

Die Erkenntnisse der Wissenschaft zu aktuelle Themen in die Gesellschaft zu transferieren liegt in beiderseitiger Verantwortung. Auch bei Fachtagungen wie ReThinking Management fehlen aber beim intensivem Austausch und der Entwicklung neuer Ansätze die Praktiker, seien es Manager, Wissenschaftskommunikatoren oder Politiker. Auch ihr Anliegen sollte es sein, sich neue Modelle anzueignen, um die oft beklagte Hilflosigkeit abzubauen, gegebenes Wissen zu hinterfragen, Zusammenhänge zu verstehen, Verständnis zu lernen.

Es ist ein Manko – auch das machte ReThinking Management deutlich – dass Wirkungsweisen fernab von Zahlen schlecht fassbar sind. Potentielle Unterstützer lassen sich nur auf Basis gefühlter Verbesserungen schlecht überzeugen. Es ist also auch eine Aufgabe der Forschung, auf Basis eines Design-Thinking-Labcharakters entsprechende Tools und Möglichkeiten des Transfers und der Kommunikation zu entwickeln und in einer Testphase zu prüfen. Dabei ist auch die Dokumentation von Misserfolgen wichtig, um die übermäßige Produktion von hausinternem „Bullshit“ zu vermeiden, wie es Andre Spicer in Karlsruhe formulierte: je größer die Organisation desto mehr basiert sie auf Fassadenhaftigkeit nach außen wie innen. Dies bringt weder die gewünschte Aufmerksamkeit noch die Bindung von Mitarbeitern, Interessierten, Entscheidern oder  Geldgebern. Das eigene Selbstverständnis zu überdenken ist der erste Schritt. Anders zu handeln, ein „bullshit replacement management“, ist für Spicer der entscheidende zweite – die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Anwendung.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1494

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Einladung zum 3. Berliner DH-Rundgang

Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) lädt zum 3. Berliner DH-Rundgang ein. Gastgeber ist das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB). Besonderer Schwerpunkt dieses DH-Rundgangs wird die digitale Langzeitarchivierung sein.

Termin: Dienstag, 18.11.2014, 09:30-11:00 Uhr
Ort: Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (Seminarraum Rundbau), Takustr. 7, 14195 Berlin

Das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin mit dem Schwerpunkt anwendungsorientierte Mathematik und Informatik. Neben dem Forschungsauftrag bietet das ZIB seit vielen Jahren Dienstleistungen für Gedächtnisinstitutionen an – unter anderem sind am ZIB die Serviceeinrichtungen Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV), Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und AG Museumssoftware angesiedelt. Neben Beratung ist das Ziel die Bereitstellung von Infrastruktur und Lösungen für die Datenanalyse und Datenerschließung, für die Online-Präsentation und die technische und semantische Langzeitverfügbarkeit digitaler Objekte. 2014 wurde der neue Forschungsfokus “Digital Humanities” eingerichtet, der das zunehmende Engagement des ZIB in diesem Themenfeld widerspiegelt.

Bei diesem 3. DH-Rundgang liegt der Schwerpunkt auf dem Thema digitale Langzeitarchivierung. Neben einem Überblick zu grundlegenden Konzepten der Langzeitarchivierung werden aktuelle Entwicklungen am ZIB und potentielle Services vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Rundgang zum Supercomputer und zum Bandroboter im Untergeschoss des ZIB.

Die Teilnahme ist kostenlos, wir bitten um eine verbindliche Anmeldung über das Formular am Ende dieser Seite.

Programm
09:30 Uhr Begrüßung
09:40 Uhr Der neue Forschungsfokus Digital Humanities am ZIB (Wolfgang Peters-Kottig)
10:00 Uhr Digitale Langzeitarchivierung – grundlegende Konzepte und Strategien (Tim Hasler)
10:20 Uhr Ausblick: Services für die Digital Humanities in Berlin (Elias Oltmanns & Wolfgang Peters-Kottig)
10:40 Uhr Rundgang Bandroboter und HLRN

Die nächsten Berliner DH-Rundgang-Termine:

  • 9. Dezember 2014: Computerspielemuseum
  • 28. Januar 2015: Universitätsbibliothek und Mediathek im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 20. Februar 2015: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) / Fachbereich Gestaltung
  • März 2015: Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland
  • April 2015: Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
  • Mai 2015: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG)
  • Juni 2015: Freie Universität Berlin / Institut für Informatik / AG Netzbasierte Informationssysteme

Sie wollen auch zu einem Berliner DH-Rundgang einladen? Dann schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail an info@ifdhberlin.de oder nehmen Sie telefonisch Kontakt zu uns auf.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4226

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