Delegitimation eines linken Verlages …

Offener Brief von Markus Mohr

Der LAIKA-Verlag hat mit einer Pressemitteilung (PDF) vom 25. Februar 2014 anlässlich der Buchmesse in Leipzig für den 15. März zu einer Podiumsdiskussion zum Thema »Antifaschismus als Feindbild« eingeladen. Der Titel spielt auf ein vom Verlag dankenswerter Weise jüngst publiziertes Buch zum Zwecke der Solidarität mit dem durch die sächsische Justiz kriminalisierten Pfarrer Lothar König an. Zu den Eingeladenen der Podiumsdiskussion zählt auch die rund ein Jahrzehnt bis Ende Mai 2013 amtierende Leiterin der Abteilung Verfassungsschutz (VS) aus dem Innenministerium des Landes Brandenburg Frau Winfriede Schreiber.

Dem LAIKA-Verlag ist natürlich bekannt,

  • dass der VS Brandenburg über Jahre hinweg den vom ehemaligen Generalbundesanwalt Wolfgang Pfaff angeworbenen Neofaschisten Carsten Szczepanski unter dem Decknamen „Piato“ auf seiner Lohnliste geführt hat. Szczepanski war am 13. Februar 1995 vom Landgericht Frankfurt / Oder wegen Beihilfe zu versuchten Mord an dem nigerianischen Flüchtling Steve Erinhi zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.
  • dass der Neofaschist Szczepanski in den Jahren zwischen 1994 bis 1998 mit dem Mitarbeiter des VS Brandenburg Herrn Gordian Meyer-Plath in excellenter Weise zusammengearbeitet hat. Beide haben sich in mehr als 30 Treffen geduzt oder um es mit den Worten des V-Mann-Führers Meyer-Plath zu sagen: „Hier hat alles gepasst …”
  • dass der VS Brandenburg mit Hilfe von Falschbehauptungen gegenüber den Justizbehörden eine vorzeitige Freilassung von Szczepanski erreicht hat, um ihn danach als Beisitzer im NPD-Landesvorstand und Leiter des Ordnungsdienstes dieser Partei finanziell großzügig zu alimentieren.
  • dass es dem VS Brandenburg gelungen ist Szczepanski im Chemnitzer Netzwerk der NSU-Unterstützer um Sachsens Blood & Honour-Sektionschef Jan Werner, der Vertrauensperson des Berliner Landeskriminalamtes Thomas Starke sowie Antje Probst, der Eigentümerin einer Nazi-Devotionalienfirma, erfolgreich zu integrieren.
  • dass der Duz-Kumpel von „Piato“ Herr Meyer-Plath noch als Referatsleiter Rechtsextremismus Anfang September 2010 für die lokale Neofaschistenszene in Strausberg bei Berlin eine Fortbildungsveranstaltung durchgeführt hat, um sich auch so für den Posten des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen zu qualifizieren, das er ab August 2013 ausübt
  • dass der VS Brandenburg in der Amtszeit von Frau Schreiber die links-alternativen Wohnprojekte Inwole e.V. aus Potsdam, das JugendWohnProjekt (JWP) „MittenDrin“ aus Neuruppin und die Punkband Krachakne in der Öffentlichkeit als „linksextremistisch“ und „gewaltbereit“ in Verruf gebracht hat – mit zum Teil negativen Konsequenzen was den Zufluss staatlicher Gelder für die Jugendarbeit betrifft.
  • dass von Frau Schreiber gegen Ende ihrer Amtszeit mit dem sogenannten „Extremographen“ eine Landkarte Brandenburgs erstellt worden ist, in der autonome Gruppen und Ortsgruppen der Roten Hilfe an die Seite von neofaschistischen Organisationen gestellt und visualisiert werden.
  • dass auch in Folge dieser Verrufspraxis mittlerweile gegen den Landtagsabgeordneten der Partei die Linke Norbert Müller in der Öffentlichkeit ein Kesseltreiben wegen seiner Mitgliedschaft in der Roten Hilfe betrieben wird.
  • dass die Leiterin des VS Brandenburg a. D. Frau Schreiber eine prominente Spielerin im Zitierkartell des Verfassungsschutzprofessors Armin Pfahl-Traughber ist. Dieser hat im Jahre 2010 das Buch: „Offener Demokratieschutz in einer offenen Gesellschaft. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention als Instrumente des Verfassungsschutzes“ herausgegeben. Mit dieser programmatischen Schrift, inklusive eines Aufsatzes von Frau Schreiber, wird aktuell das Neuarrangement der VS-Behörden nach den „Irritationen“ begründet, die man dort wohl nach dem auffliegen der NSU-Mordserie empfindet. In diesem Bezug weiß Frau Schreiber nur zu gut, worin der eigentliche Sinn in der öffentlichen Verwendung  der Manipulationsformeln eines Verfassungsschutzes „zum Anfassen“ oder eines „Verfassungsschutzes durch Aufklärung“ liegt: Sie dienen allerdings dazu die operative Eindringtiefe dieser irregulär arbeitenden Institution der inneren Sicherheit in die Gesellschaft weiter zu erhöhen.

Und doch hat sich der LAIKA-Verlag dazu entschlossen mit Frau Schreiber ein, so hat es mir der Geschäftsführer Karl-Heinz Dellwo auf Anfrage erklärt, „kritisches“ Gespräch zu führen. Das ist zulässig, jeder Beamte der Verfassungsschutzbehörden in der Bundesrepublik wird das bestätigen. Was sich die als VS-Funktionärin sowieso irregulär wie intransparent argumentierende Frau Schreiber von der besagten Veranstaltung des LAIKA-Verlages erhofft, kann schon jetzt als bekannt vorausgesetzt werden. Und auf die Frage danach, ob denn der Antifaschismus „kriminell“ ist wird sie natürlich antworten: „Sofern der sich immer nach den jeweiligen Anordnungen des Einsatzleiters der Polizei richtet, iwo!“  Kurz: Mit einem harmlosen Antifaschismus hat auch Frau Schreiber kein Problem und die umsichtige staatliche Verwaltung des Neofaschismus wird sie sich auch in der Zukunft sowieso von niemanden streitig machen lassen.

Warum aber nur will der LAIKA-Verlag seinem Publikum solche VS-Binsen zumuten? Was – bitte schön – verspricht er sich von der geplanten Integration einer VS-Funktionärin in einer Veranstaltung ausgerechnet zum Thema Antifaschismus? Will er womöglich, um hier einmal K.H. Dellwo mit einer schmackigen Aussage aus einem Statement Anfang Oktober 2013 anlässlich der Buchmesse in Frankfurt zu zitieren „die Leute systemkompatibel ins Grab (…) bringen bevor sie den allumfassenden Betrug an ihrem Leben begreifen“?

Kurz: Eine rationale Diskussion mit VS-Beschäftigten ist schon alleine deshalb eine logische Unmöglichkeit, da sie qua ihrer Institution in jeder Weise dazu ermächtigt sind, bei Bedarf  zu tricksen, zu täuschen, zu manipulieren, zu betrügen und zu lügen. Das und nichts anderes ist noch immer die handfeste Theorie wie Praxis eines Geheimdienstes.

Bei allem Respekt vor warmen Reputationssehnsüchten und notwendig abgewichsten Businessinteressen des LAIKA-Verlages: Die Entscheidung Frau Schreiber eine Bühne zur Propagierung ihrer Manipulationsformeln zur Praxis ihres VS zu eröffnen, ist in einem politischen Sinne in jeder nur erdenklichen Art und Weise falsch – sofern  man sie an die allerdings zu stellenden Ansprüche an einen sich selbst als „links“ etikettierenden Verlag misst. Wie man es auch dreht und wendet: Dieser Angelegenheit ist beim besten Willen kein Humor abzugewinnen.

Markus Mohr, Hamburg, den 10. März 2014

Markus Mohr ist u.a. Herausgeber des Buchprojektes „bambule – Zur Geschichte der Roten Hilfe in der BRD“ im LAIKA Verlag.


Einsortiert unter:Erfahrungen, Geschichtspolitik, Historiker, Interna, Linke Debatte, Medien, Meinung

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2014/03/10/delegitimation-eines-linken-verlages/

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Die Gstettensaga: The Rise of Echsenfriedl

Könnte spannend werden: Montag, 23:45 sendet ORF III Monochroms Film Die Gstettensaga: The Rise of Echsenfriedl.

Der Programmbeschreibung zufolge handelt es sich um eine Sci-Fi-Fantasy-Horror-Groteske über die Mediensphäre der Nachnachkriegszeit:

Die zunehmenden Spannungen zwischen den beiden letzten Supermächten -- China und Google -- eskalieren im frühen 21. Jahrhundert, und enden in der globalen Feuersbrunst der "Google Wars". Doch ehe man sich versieht, erhebt sich eine durchaus neue Welt aus dem Schutt der alten: Die Megacity Schwechat, der größte Zersiedlungsraum in den Ausläufern dessen, was von den Alpen übriggeblieben ist. Dort leben und arbeiten Fratt Aigner und Alalia Grundschober. Fratt und Alalia kennen sich nicht. Bis zu jenem schicksalsträchtigen Nachmittag im Verlagshaus des Medienmoguls Thurnher von Pjölk. Hier beginnt eine Reise voller Gefahren, Kreaturen und prekärer Arbeitsverhältnisse.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/714907924/

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Save the Date: Digital Humanities Summit 03. bis 04. März 2015 in Göttingen

TextGridundDARIAHDie Projekte DARIAH-DE und TextGrid laden zum Digital Humanities Summit vom 03. bis 04. März 2015 nach Göttingen ein.

Das Event richtet sich besonders an die DH-Projektverbünde, DH-Zentren und Nachwuchsgruppen aus den letzten BMBF-Calls, willkommen sind jedoch alle Projekte und Forschende, die sich für Digital Humanities interessieren!

Dazu sind flankierend weitere Veranstaltungen geplant, wie ein Hackaton, ein TextGrid Nutzertreffen und ein Editionenworkshop.

Genauere Informationen folgen zeitnaher. Bitte merken Sie sich den Termin schon mal vor.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3165

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Tagungsbericht: Jüdische Geschichte 2.0 – Geschichtsvermittlung im digitalen Zeitalter

Am 20.2.2014 fand in Hamburg ein eintägiger Workshop statt, der die Vermittlung der jüdischen Geschichte im digitalen Zeitalter zum Thema hatte. Veranstalter waren das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (in dessen Räumlichkeiten die Tagung auch stattfand), die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg. Die Tagung stieß auf so reges Interesse, dass die Veranstalter laut eigener Ansage sogar Anmeldungen zurückweisen mussten, weil der bis zum letzten Platz gefüllte Raum nicht ausreichte. Die Teilnehmerschaft kam mit verschiedenen Interessen zur Veranstaltung, und es schien neben der (vermutlich größeren) Gruppe, die in zur jüdischen Geschichte arbeiten, eine Reihe von Vertretern (wie den Autor dieser Zeilen) zu geben, die das Ganze von der Warte der digitalen Geschichtskultur her interessierte. Das sorgte für vielfältige Diskussionen, wobei der erste Teil des Programms zunächst von einer grundsätzlichen Annäherung durch den Vortrag von Astrid Schwabe (Flensburg) und danach einer Reihe von Projektvorstellungen geprägt war.

Es wurde eine beeindruckende Vielfalt an Projekten präsentiert, die sich auf sehr verschiedene Weise mit jüdischer Geschichte beschäftigen. Diese sollen hier nicht im Einzelnen aufgezählt werden, doch einige Eindrücke wiedergegeben werden. Zunächst einmal bestach die (auch mediale) Vielfalt – von der kartengestützten geographischen Suche nach jüdischen Erinnerungsorten über die Web-2.0-basierte Einbindung von Usern bis hin zu komplex programmierten Klanglandschaften. In mehreren Präsentationen wurde darauf verwiesen, dass – vielleicht gerade bei der häufig vertretenen Thematik Verfolgung und Ermordung von Juden – eine Kombination aus face-to-face-Kommunikation und digitalen Materialien angebracht ist. Respekt nötigt auch das Engagement vieler Ehrenamtlicher ab, die durch lokalgeschichtliche Zugriffe die Thematik sehr lebendig zu machen  verstehen und dafür einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit opfern. Dabei kommen obendrein sehenswerte Resultate heraus! Sehr zu begrüßen war auch, dass mehrere Präsentationen eher Fragen aufwarfen denn fertige Resultate zeigten, und dass auch Raum für Unsicherheit und Skepsis da war. Dies zeigte meiner Meinung nach, dass die Entwicklung einfach noch sehr im Gange ist, die Adaption neuer digitaler Tools und Vermittlungsmethoden noch eingeübt wird. Oft stehen auch nur projektbasierte Finanzierungen zur Verfügung, so dass die Kontinuität der Angebote noch nicht in jedem Fall gesichert ist. Apps und darauf zur Verfügung gestellte Materialien sollen im Übrigen häufig auch der Vor- oder Nachbereitung von Besuchen dienen, d.h. nicht nur punktuell, sondern die Erfahrung etwa eines Gedenkstättenbesuchs so noch erweiternd oder auch vertiefend.

Nach den Projektvorstellungen und der Mittagspause teilte sich die Gruppe in zwei Workshops, welche sich zwei verschiedenen Fragestellungen widmeten:

  • Digital im Vergleich zu analog: Welchen Einfluss haben digitale Angebote auf den Prozess der Vermittlung und der Nutzung?
  • Den User im Blick: Wer nutzt digitale Angebote zur Geschichtsvermittlung und wer nicht? Welche Rolle haben dabei die Vermittler?

Dabei war man sich im ersten Workshop einig, dass es einen Einfluss gibt, doch gingen die Meinungen darüber, ob dies als positiv oder negativ zu werten sei, auseinander. Für die Mehrheit lag der verstärkte Nutzen in einer aktiveren Einbindung von Schülerinnen und Schülern bzw. Studierenden. Kontrovers wurde diskutiert, ob in Zeiten des digitalen Wandels und der stärker partizipativen und kommunikativen Funktion des Internets der Begriff von der Geschichtsvermittlung denn noch angebracht sei. Geht es nicht viel mehr um aktive Aneignung und Mitgestaltung denn passive Rezeption nach einem instruktionistischen Modell (Stichwort: Lehre nach dem Schüttprinzip).

Der zweite Workshop sah sich der Beantwortung der schwierigen Frage gegenüber, wer die digitalen Kommunikationsangebote etwa in den Social Media überhaupt nutze. Die Gefahr von antisemitischen und anderweitig rassistischen Kommentaren wurde thematisiert – auch hier gab es keinen Konsens. Mehrere Stimmen gaben jedoch der Möglichkeit, sich für die Meinungen von Usern zu öffnen – so könnten diese z.B. ja inhaltliche Hinweise für noch offene Fragen geben, weil sie Personen auf Fotos erkennen oder andere Informationen etwa aus dem familiären Umfeld haben. Ein für beide Workshops verbindender Aspekt war die Frage, ob gerade ein Gebiet wie die jüdische Geschichte mehr Anlass zu Befürchtungen davor gebe, dass die Inhalte durch eine digitale Darbietung oder Kommunikation in 140-Zeichen-Tweets banalisiert würden. Auch hier gab es letztlich keine endgültige Antwort, und wie bei so vielen der an dem Tag diskutierten Themen könnte man sagen: Sensibilität ist gefragt, aber die Chancen der digitalen Welt wurden als höher eingeschätzt als die Risiken, so mein Eindruck.

Jedenfalls zeigte der große Anklang, den der Workshop fand, dass die Beschäftigung mit der Thematik als wichtig empfunden wird und sicherlich weitergehen wird. Eine Anregung an die Organisatoren wäre, einen Informationspool für digitale Projekte im Bereich jüdischer Geschichte anzulegen, vielleicht in Form einer digitalen Pinnwand o.Ä. Dann könnten zunächst einmal schlichtweg die existierenden Projekte gesammelt werden.

Für Ergänzungen oder weitere Hinweise in den Kommentaren bin ich sehr dankbar.

P.S. Unter dem Hashtag #JüdischDigital wurde über die Tagung getwittert, was nach Auskunft der Organisatoren für sie Neuland war, aber eifrig genutzt wurde.

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/618

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Digitalisierungsstrategien für das kulturelle Erbe in Norwegen | Teil 3: Die norwegische Nationalbibliothek als zentraler Akteur

Nach Teil 1 (zu grundsätzlichen Aspekten) und 2 (zum Archivwesen) geht es nun im dritten Part dieser Artikelserie um die norwegische Nationalbibliothek als zentralem Akteur. Dieser weist  die nationale Digitalisierungsstrategie als führender Forschungsbibliothek des Landes die zentrale Rolle für den Aufbau der digitalen Bibliothekssammlungen zu. „Mit Verankerung im Pflichtexemplarsrecht und im Urheberrecht ist es die Vision der Nationalbibliothek, das Gedächtnis der Nation und ein multimediales Kompetenzzentrum auf der Höhe künftiger Nachfrage zu sein. Zwei ihrer vier Hauptziele sind ‚eine von Europas spannendsten und modernsten Nationalbibliotheken zu sein‘ und ‚der Kern der norwegischen digitalen Bibliothek‘ zu sein.“ Zwar wurde das Pflichtexemplarsrecht erst 1989 eingeführt, die Digitalisierungspläne im Rahmen der 2009 lancierten Webpräsenz Bokhylla [Bücherregal] reichen aber zeitlich deutlich weiter. Bis 2017 sollen alle in Norwegen zwischen den Jahren 1900 und 2000 erschienenen Bücher gratis im Internet zugänglich sein – allerdings nur von norwegischen IP-Adressen aus. Alle Bücher, für die das Urheberrecht abgelaufen ist, dürfen heruntergeladen werden, die restlichen kann man nur online lesen. Da das 1989 eingeführte norwegische Pflichtexemplarsrecht zudem medienneutral formuliert ist, finden auch Medien wie Ton- oder Bildaufnahmen Eingang in die Norwegische digitale Bibliothek. Die Digitalisierung der gesamten Bestände der Nationalbibliothek wird darüber hinaus ebenfalls in einem Zeitrahmen von 25 bis 30 Jahren angestrebt. „50 Kilometer an Kulturerbe sollen digitalisiert werden“ überschrieb der norwegische Rundfunk einen Internetbericht über das Vorhaben, für das am zweiten Standort der Nationalbibliothek im nordnorwegischen Mo i Rana eigens ein Digitalisierungsgebäude mit neuester Technik gebaut wurde.

Die Nationalbibliothek folgt in ihrer 2006 begonnenen Digitalisierungspolitik den wichtigsten Empfehlungen, welche als Minimalanforderungen für digitalisiertes Kulturerbe von einer Expertengruppe ausgearbeitet wurden: Lokalisierbarkeit der digitalen Bestände, Qualitätsstandards für die Erstellung digitaler Materialien, umfassende Beschreibung durch Metadaten, Sicherung der Langzeitarchivierung sowie angemessene Präsentation. Zudem wurde eine eigene Digitalisierungsstrategie für das Bibliothekswesen ausgearbeitet, in der die Zugänglichkeit des kulturellen Erbes ebenfalls hervorgehoben wird: „Der Einsatz der Nationalbibliothek auf dem digitalen Gebiet wird auf Sicht dazu führen können, dass der gewöhnliche Nutzer auf seinem eigenen PC direkten Zugang zu großen Teilen des norwegischen Kulturerbes haben kann.“ In einem eigenen Strategiepapier stellt sich die Nationalbibliothek als diejenige Einrichtung vor, die in Norwegen Richtung und Tempo für kulturelle Digitalisierungsvorhaben vorgibt, welche landesweite Standards etabliert und im Mittelpunkt eines ganzen Netzwerkes von Kooperationspartnern steht. Norwegische Bücher und Medien aller Art seit dem Mittelalter sollen nach und nach frei zugänglich werden und die Langzeitarchivierungsstrategie wird sehr ambitioniert mit einer 1000jährigen Perspektive versehen. Das Selbstbewusstsein, hier an der Spitze der Entwicklung zu stehen, ist sehr ausgeprägt: „Some European countries have also started digitizing parts of their national cultural treasures, but so far no other national library has plans to digitize their entire holdings. We are thus the first National Library in Europe to take on this huge challenge, not only for the preservation of materials for posterity, but also to make as much content as possible available on the web.“ Wie weit die Ausweitung von Nutzungsmöglichkeiten der digitalen Sammlungen bereits gedacht wird, zeigt die recht frühe Orientierung auf die Nutzung von mobilen Endgeräten wie Smartphones und die Entwicklung einer mobilen Version der Webpräsenz für die digitalen Sammlungen. Darüber hinaus wird an der Nationalbibliothek auch Forschung betrieben, von der man für weitere Schritte bei der Bewahrung digitaler Materialien zu profitieren hofft, beispielsweise ein Projekt zur Archivierung von Meldungen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „How can institutions like the National Library of Norway preserve new media content like Twitter for future research and documentation?“ lautet hier das Erkenntnisinteresse. Der Autor verweist ausdrücklich auf die Aufgabe der Nationalbibliothek zur Bewahrung des kulturellen Erbes, zu welchem letztlich in der digitalen Welt auch Nachrichten auf Twitter gehören: „Twitter is a relevant part of our culture, and thus should be regarded cultural heritage. Preserved tweets might provide an insight into our culture for future generations.“

Die zentrale Stellung der Nationalbibliothek wurde weiter gestärkt, als der wichtigste Konkurrent (auch um die öffentlichen Gelder), das staatliche Zentrum für Archive, Bibliotheken und Museen [ABM-utvikling] 2010 aufgelöst und Teile seiner Aufgaben an die Nationalbibliothek sowie an den Norwegischen Kulturrat übertragen wurden. Zudem machten sich auch kritische Stimmen bemerkbar, die einen Mangel an kritischer Diskussion über das Vorgehen namentlich der Direktorin der Nationalbibliothek Vigids Moe Skarstein beklagen und problematisieren, dass gewissermaßen durch die Hintertür eine zu wenig hinterfragte kulturelle Deutungshoheit etabliert worden sei. Es würden hohe Summen für die umfassende Digitalisierung ausgegeben, ohne nach möglichen Nutzungsszenarios zu fragen und ohne die Interessen der Leserinnen und Leser einzubeziehen. Zudem wurde die Forderung laut, Artefakte aus allen Bereichen des kulturellen Erbes einer gemeinsamen Auswahl und Prioritätensetzung zu unterziehen.

Als Fazit der Artikelserie kann man festhalten: Norwegen ist ganz klar Vorreiterland auf dem Gebiet der Digitalisierung von kulturellem Erbe. Besonders bemerkenswert sind dabei Tempo und Umfang der Maßnahmen. Dies ruft wie gesehen auch Kritiker auf den Plan: Autoren und Verlage haben Bücher aus dem digitalen Bücherregal der Nationalbibliothek zurückgezogen (aus Angst vor Gewinneinbußen). Zudem ist Geschwindigkeit bei der sorgfältigen Aufbereitung von historischen Materialien für deren Digitalisierung eben nicht Trumpf. In Norwegen sind die zentralen Akteure allerdings von jeher in einer starken Position, und Regierung sowie Parlament haben im Rahmen der Digitalisierungsstrategien entschieden, diese weiter zu stärken und ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen – und nicht etwa externen Dienstleistern aus der freien Wirtschaft. Die Institutionen selbst wiederum haben aus ihrem Auftrag weit mehr gemacht, als ihnen der Staat aufgetragen hat. Insbesondere die Nationalbibliothek hat von sich aus weitere Mittel und Personalkapazitäten für die Digitalisierungsvorhaben reallokiert. Sie nutzt ihre Vorhaben auf dem digitalen Feld für eine weitreichende Imagekampagne, die neben der eigenen Institution auch dem gesamten Land zu einer Reputation als innovative, progressive Nation gereichen soll. Somit sind die Digitalisierungsstrategien für das kulturelle Erbe auch Werbung im Ausland und ein neues Element, das sich aber in eine bestehende Tradition einreiht: Norwegen als Vorbildland, welches sich für die guten Dinge einsetzt und damit der Welt ein Beispiel gibt. Dies ist auf den Gebieten der Wohlfahrtsstaatspolitik ebenso wie der Entwicklungspolitik bereits ein etabliertes Muster. Fortschrittlichkeit wird durch die Offenheit für neue Technologien signalisiert, die für gesellschaftlich wertvolle Zwecke eingesetzt wird. Die kritischen Stimmen sind zwar da, aber sie sind nicht laut und sie sind wenige – in einem Land mit einer stärker ausgeprägten Konsens- statt Konfliktkultur.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2198

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Werner Vogts Arztroman

Erwin Riess rezensiert in der aktuellen Versorgerin die Autobiographie des Arzts Werner Vogt, ein Räte-Doktor, ein Räte-Demokrat wie er in keinem Buche steht, ein Antipode der österreichischen Zweiten Republik.

Werner Vogt. Mein Arztroman. Wien: Edition Steinbauer, 2013. [Verlags-Info]

Verlagsankündigung:
Eigentlich sollte er, wie alle Vögte der Familie, Schlosser in Tirol werden. Doch dann, mit 20 Jahren, war er Volksschullehrer in Bregenz und erfand - ganz Pädagoge - den angstfreien Aufsatzunterricht für zehnjährige Knaben. Das missfiel dem Schulinspektor. Sein Urteil gegen den Lehrer Vogt lautete: Hier geht es zu wie in einer Judenschule. So wechselte er an die Universität Wien, studierte Psychologie, die für ihn keine war. Nach einem Jahr brachte er in Erfahrung, dass sich sein Großvater Jakob Böck geirrt hatte: Leichen für den Sezierkurs waren gar nicht teuer, sondern kostenlose Studienobjekte. Ab da war alles klar für ihn. Er entkam der Pädagogik und der Psychologie und wurde Unfallchirurg. Handfester Helfer. Da er aber auch in der Medizin immer weiter dachte als seine Lehrmeister, geriet er häufig in heftige Konflikte, die ihn weit über die Fachgrenzen hinaus bekannt machten und die er alle gewann. "Mein Arztroman" ist der faszinierende Lebensbericht eines engagierten und streitbaren Zeitgenossen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/714907699/

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Basler Fasnachtspause

 

Was dem einen sein Fasching ist dem anderen seine Fasnacht. Die Basler Fasnacht folgt dem alten Termin und beginnt eine Woche nach dem rheinischen Fasching und Karneval. Die Redaktion von Public History Weekly macht wie alle Basler eine Pause. Wir starten neu mit der Redaktionsarbeit am Montag, den 17. März 2014. Bis dahin bleiben die Kommentarfenster der Beiträge geschlossen. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge und Kommentare nach der Fasnachtspause!

What to some is a “Carnival” is a “Fasnacht” to others. The “Basler Fasnacht” follows the old calendar and begins one week after the Rhenish Carnival. The editors of Public History Weekly take a break - like all (or most) Basel inhabitants. We resume the editorial work on Monday, the 17th January 2014. Until then, the comment function for postings is shut down. We look forward to your posts and comments after the “Fasnacht” break!

 

Abbildungsnachweis
© Markus Walti / pixelio.de

The post Basler Fasnachtspause appeared first on Public History Weekly.

Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-10/fasnachtspause/

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Call for Papers: Int. Conference on Infrastructures and Cooperation in E-Science and E-Humanities

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen lädt zur Einreichung von Beiträgen zur International Conference on Infrastructures and Cooperation in E-Science and E-Humanities ein, die vom 04.06.-06.06.2014 in Leipzig stattfinden wird. Die interdisziplinäre Tagung untersucht den Einfluss digitaler Technologien auf die wissenschaftliche Forschung aus sowohl technologischer wie auch sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Beiträge können unter anderem zu folgenden Themenfeldern eingereicht werden:

  • Invention, design and implementation of information and communication technologies to enable, enhance or empower academic activities (Themenfeld 1)
  • Analysis of academic processes, business models, and needs (Themenfeld 2)
  • Social and cultural influences and outcomes related to the use of technology in academic activities (Themenfeld 3)

Es werden originäre Beiträge zum Thema in englischer Sprache gesucht.
Alle Beiträge werden peer-reviewed, eine Auswahl der besten Beiträge wird nach der Tagung im Springer-Verlag veröffentlicht, alle anderen Paper als Open Access-Tagungsband online zur Verfügung gestellt.

Ergänzend zum regulären Track besteht die Möglichkeit, an einem experimentellen “Flipped Conference”-Track teilzumehmen. Dabei werden die Präsentationen als Online-Videos vor der Konferenz bereitgestellt und von den Teilnehmenden bewertet. Die Zeit bei der Konferenz selbst steht für innovative Formate der Auseinandersetzung mit dem Vortragsthema zur Verfügung.

Alle Informationen zur Anmeldung, zum Einreichungsprozedere sowie zum Konferenzprogramm und dem “Flipped Conference”-Track finden Sie auf unserer Tagungswebseite unter http://openaccess.tu-dresden.de/ocs/index.php/ic-escience/iceseh2014

Informationen zum eScience – Forschungsnetzwerk sind unter http://www.escience-sachsen.de verfügbar.

Wir freuen uns auf die Einreichung spannender Beiträge. Bitte leiten Sie den Call gegebenenfalls an andere Interessierte weiter.

Im Namen des Organisationsteams,
Steffen Albrecht

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3170

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