Wohnungspolitik und Wohnraumbewirtschaftung in der Weimarer Republik

von Thomas Bussemer

Dieser Beitrag fußt auf einem gruppeninternen Referat der AG Wohnen, das ich am 21. November während unserer Gruppensitzung hielt. Dabei lag mein Hauptaugenmerk auf dem Komplex der Wohnungsbewirtschaftung, also dem Zusammenspiel aus (sozial-) politischen Vorgaben seitens des Staates (sofern vorhanden) sowie der praktischen Umsetzung vor Ort durch die Träger und Handelnden des jeweiligen Wohnungsmarktes. Welche Voraussetzungen hatte die Weimarer Republik, was für Herausforderungen galt es zu bewältigen? Dieser Bericht soll darüber einen Kurzüberblick verschaffen und dabei eventuell erkennbare Brüche oder Kontinuitäten aufzeigen, um dem Verlauf einiger Diskussionen aus den Seminarsitzungen gerecht zu werden.

Die verantwortlichen Experten und Politiker, die sich während des Entstehungsprozesses der Weimarer Reichsverfassung 1918/19 mit sozialpolitischen Themen befassten, hatten bezüglich der „Wohnfrage“ zweierlei Aufgaben zu bewältigen: Zum einen mussten wohnpolitische Verfehlungen aus dem Kaiserreich erkannt und korrigiert werden, zum anderen musste auf den enormen Druck, der generell auf dem Wohnungsmarkt lastete, entsprechend reagiert werden. Zwischen 1871, dem Jahr der Reichsgründung und 1918, dem Ende des Kaiserreiches nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, war der Wohnungsmarkt von der Politik nahezu unberührt geblieben und wurde frei und privatwirtschaftlich gestaltet. Dem wohl größten und grundlegendsten Missstand wurde schließlich in der Verfassung Rechnung getragen: durch die offizielle Anerkennung des Gesamtkomplex „Wohnen“ als einen sozialpolitischen Aspekt von enormer Wichtigkeit und sozialer Sprengkraft.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/355

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Die politische Dimension des vegetarischen Aktivismus in den 1870er Jahren

Ob in Bezug auf die Ernährung das Private politisch ist, hängt heute stark davon ab, ob Vegetarier/innen und Veganer/innen ihren Ernährungsstil in Bezug zur globalen Ressourcenverteilung setzen oder thematisieren, dass auch in westlichen Gesellschaften die Hanf- oder Chiasamen-Snacks längst nicht für alle leistbar sind. Vegetarismus und soziale Fragen waren auch in den 1870er Jahren miteinander verbunden. Unabhängig von der Positionierung dazu, hatte das Engagement in Vereinen und der Öffentlichkeit jedoch eine politische Dimension. Sich aktiv für die Verbreitung des Vegetarismus einzusetzen, bedeutete für die Vegetarier/innen im 19. Jahrhundert nicht nur, mit den herrschenden Ernährungsgewohnheiten zu brechen, sondern auch, frisch erkämpfte bürgerliche Rechte auszuüben. Die Gründung der ersten Vegetarier/innen-Vereine fällt in die Zeit der zunehmenden politischen Partizipation breiterer Bevölkerungsgruppen und ist im Kontext der Etablierung der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie dem Vereins- und Petitionsrecht zu betrachten.

Das Vereinsrecht
In der absolutistischen Habsburgermonarchie war das Vereinsrecht Teil der Polizeigesetzgebung und wurde strikt gehandhabt[1]. Nach dem Konzessionsprinzip bedurften Vereinsgründungen der Zustimmung der Behörden, diese war zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem wirtschaftlichen Vereinigungen und Wohltätigkeitsorganisationen vorbehalten, deren Tätigkeit sich mit den ökonomischen Interessen der Herrscher deckte.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/114

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Gerhard Richters „48 Portraits“ im Dresdner Albertinum

neukonzeption-2017_kleinBlick in den ersten Ausstellungsräume von Gerhard Richter im Albertinum: im Mittelgrund eines der „48 Portraits“ von Richter (c) Gerhard Richter Archiv

1972 vertritt Gerhard Richter als alleiniger Künstler die Bundesrepublik Deutschland auf der Biennale in Venedig. Für den zentralen Saal des Ausstellungspavillons malt er einen Bilderzyklus aus 48 Portraits. Jahre später erklärt er dazu, er habe ein solches Projekt schon lange vorher geplant, hätte es aber ohne die in Venedig vorgegebene spezifische, architektonische und historische Situation weder so noch in anderer Form realisiert.

Der deutsche Ausstellungsbau für die Kunstbiennale wurde 1938 als nationalsozialistischer Repräsentationsbau im neoklassizistischen Stil umgestaltet und erhielt dabei seine monumentale, überdimensionierte Pfeilerreihe vor dem Eingang. Auf diese Architektur gewordene Ideologie haben seit den 1970er Jahren mehrere Künstler, unter ihnen Joseph Beuys (1976) und Georg Baselitz (1980), Bezug genommen, am radikalsten aber wohl Hans Haacke, der für seine Installation Germania 1993 den gesamten Marmorboden des Gebäudes zertrümmerte.

Gerhard Richter hat eine subtilere Form der Auseinandersetzung mit diesem historisch belasteten Ort gefunden. Die 48 Portraits, die für diese ortsspezifische Situation entstanden sind, entziehen sich vordergründig jeder Ideologie, Sinnstiftung und Deutbarkeit.

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Quelle: http://gra.hypotheses.org/2361

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Symbolische Gewaltexzesse? Erziehung und Aufwachsen im Zeitalter von Sichtbarkeitszwängen – von Lukas Schildknecht

Diesem Beitrag liegt die These zu Grunde, dass Erziehungsverhältnisse a priori Machtverhältnisse sind, die in Gewalt ausarten können. Im Laufe der Moderne sind diese Verhältnisse nicht verschwunden. Allerdings macht das Versprechen der Moderne, die Zukunft sei nicht determiniert, ebenjene Macht thematisierbar. Diese Problematisierung soll dabei exemplarisch an den pädagogischen Vorlesungen Immanuel Kants nachgezeichnet werden, um mit Michel Foucault zu zeigen, welche Zusammenhänge zwischen Erziehung und Disziplinierung bestehen. Es soll skizziert werden, wie Macht in der Pädagogik Immanuel Kants ein berücksichtigendes Problem werden konnte und welche Umgangsweisen es damit gab und gibt. Dabei wird sich an das Konzept der Problematisierung von Michel Foucault angelehnt, wonach das Aufkommen und Verschiebungen zu einem Gegenstand aufgezeigt werden (vgl. Foucault 1996: S. 77-78). Diese Problematisierung am Beispiel Kants darf jedoch nicht mit einer Sozialgeschichte von Gewalt im Feld des Pädagogischen verwechselt werden. Die Grausamkeiten, zu denen es im Namen der Pädagogik gekommen ist, sind von Bedeutung und wurden historisch dokumentiert (vgl.

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Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/10023

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Reisebilder anno 1536: Das Reisealbum des Pfalzgrafen Ottheinrich vor dem Hintergrund des Mäzenatentums und antiker Vorbilder

Von Priscilla Pfannmüller

Wenn wir heute auf Reisen gehen, dann dokumentieren wir diese mit einer Flut an Bildern, die wir gerne über Instagram, Facebook und Co. mit unseren Freunden und Followern teilen. Mit welcher Intention machen wir das? Um unsere Reise für die Öffentlichkeit zu dokumentieren, getreu dem Motto: Ich war da? Um uns selbst darzustellen? Oder entstehen diese Aufnahmen vielleicht aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus?

Diese Fragen kann man nicht nur an heutige „Bilderzyklen“ von Reisen stellen, sondern auch auf wesentlich ältere Reisealben, etwa auf das sog. Reisealbum des Pfalzgrafen Ottheinrich von der Pfalz (1502-1559), übertragen.

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Quelle: http://hofkultur.hypotheses.org/671

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Zwei Kaiserinnen und eine Herzogin: Maria Theresia zum Dreihundersten

Das Jahr 2017 wird in Wien noch mehr als sonst im Zeichen einer Kaiserin stehen: Maria Theresia erblickte hier am 13. Mai 1717 als zweites Kind Kaiser Karls VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine das Licht der Welt. Ihr älterer Bruder, der lange ersehte und im April 1716 geborene Erzherzog Leopold war schon im November 1716 wieder gestorben, so dass sie es war, die als ältestes Kind überlebte. Zwar hofften ihre Eltern bis zum Ende, es werde ihnen noch ein Sohn beschieden sein, aber Maria Theresia bekam in den Jahren 1718 und 1724 „nur“ zwei Schwestern. So trat im Herbst 1740 die sog. Pragmatische Sanktion tatsächlich in Kraft: Maria Theresia, seit 1736 mit Franz Stephan von Lothringen verehelicht, trat nach dem Tod ihres Vaters das habsburgische Erbe an. Der Rest ist Geschichte, wie man so sagt.



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Quelle: http://kaiserin.hypotheses.org/176

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Die Quellen zum Umbau des Heilig-Kreuz-Münsters in Schwäbisch Gmünd um 1500

Franz Bischoff: Burkhard Engelberg und seine außeraugsburgischen Aufträge. Der Werkmeister als Planlieferant und Bausachverständiger und das Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 105 (2013), S. 25-65 liegt nun auch online (UB Augsburg) vor. Es handelt sich um eine wichtige Studie zur Baugeschichte des Schwäbisch Gmünder Münsters (GND). Bischoff würdigt, anknüpfend an seine Monographie „Burkhard Engelberg“ (1999), in der er den 2013 erschienenen Aufsatz S. 356 Anm. 565 bereits ankündigte, die Rolle, die der 1512 gestorbene berühmte Augsburger Baumeister Burkhard Engelberg (GND) bei der Wiederherstellung der durch die Turmeinsturzkatastrophe von 1497 stark beschädigten Pfarrkirche der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd gespielt haben dürfte. Unabweisbar ist der Einfluss in Augsburg von ihm entwickelter Gestaltungsprinzipien. Dass er die Arbeiten in eigener Regie durchgeführt hat, wird man nicht annehmen dürfen, wohl aber, dass er beratend und mit Planvorgaben eingewirkt hat.

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Quelle: http://archivalia.hypotheses.org/62143

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Fußball und Religion: Ein ungleiches Paar oder identische Partner?

Prallen die Begriffe „Fußball“ und „Religion“ aufeinander, lauert als Folge des begrifflichen Zusammenspiels häufig die scheinbar entscheidende Frage „Ist Fußball (eine) Religion?“ am Horizont des Absatzes. Immer wieder wird diese Frage im öffentlichen Diskurs1, in den Medien sowie innerhalb der wissenschaftlichen Community gestellt, diskutiert und mit den Werkzeugen der Sozial- und Geisteswissenschaften soweit differenziert, bis man die Frage zumindest in Teilen verneinen oder bejahen kann.2 Dreh- und Angelpunkt bleiben dabei zahlreiche „formale und funktionale Ähnlichkeiten“3, wie das gemeinsame Anstimmen von Liedern als kollektives Ritual, die Gestaltung des Alltags anhand eines festgelegten „Fußballkalenders“ oder die individuelle Erfahrung des Außeralltäglichen im Fußballstadion. Mit dem Verweis auf solche Ähnlichkeiten lässt sich das sportliche Ereignis, gegen die Innenperspektive der meisten Fußballfans und gegen die gesellschaftliche Außenperspektive, dann auch als „implizite Religion“4 bezeichnen.

Der Fußballer Bastian Schweinsteiger wird oft als "Fußballgott" bezeichnet (Marcello Casal Jr/Agência Brasil, <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bastian_Schweinsteiger_celebrates_at_the_2014_FIFA_World_Cup.jpg">Bastian Schweinsteiger celebrates at the 2014 FIFA World Cup</a>, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode">CC BY 3.0</a>)

Der Fußballer Bastian Schweinsteiger wird oft als „Fußballgott“ bezeichnet (Marcello Casal Jr/Agência Brasil, Bastian Schweinsteiger celebrates at the 2014 FIFA World Cup, CC BY 3.0)

Gegen solche Ansätze richtete sich Martin Riesebrodt, als er 2007 in seinem Buch Cultus und Heilsversprechen: Eine Theorie der Religionen5 eine Krise des Religionsbegriffs konstatierte:

„Die einen verwässern ihn [den Religionsbegriff, AT] bis zu Untauglichkeit und halten Grillabende mit Gitarrenmusik, Fußballspiele, das Einkaufen in einem Supermarkt oder Kunstaustellungen für religiöse Phänomene.

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Quelle: https://marginalie.hypotheses.org/473

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Expert(is)e gefragt – Was beim ExpertInneninterview beachtet werden sollte

von Juliane Hoheisel

Interviews mit ExpertInnen begegnen uns in fast jedem Dokumentarfilm. Auch in unserem Seminar sind wir schon mit ihnen in Berührung gekommen. So haben wir den Einsatz von ExpertInneninterviews in der Dokumentation The Civil War (Referat von Seth Bargo) und mehreren ZDF History-Dokumentationen (Referat von Max Stroux und Leon Bollinger) diskutiert. Sicherlich werden wir auch bei der Planung unseres Dokumentarfilms über die Geschichte der Sozialpolitik Deutschlands entscheiden müssen, ob wir ExpertInneninterviews führen und in den Film integrieren möchten. Einige Studierende aus unserem Seminar haben bereits im Rahmen der Tagung „Herausforderung Europa: Arbeit, Migration und Alterssicherung in Wissenschaft und Praxis“, die am 01./02.12.2016 in Berlin stattfand, erste Gespräche mit ExpertInnen geführt. Ausschnitte dieser Interviews werden bald auf unserem Blog zu sehen sein.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/366

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Vom Wohlfahrtsstaat zum Wohlfahrtsmarkt?

von Anna Parrisius

Übernehmen Wohlfahrtsmärkte seit den 1990er Jahren immer mehr Aufgaben des deutschen Wohlfahrtsstaates? Dieser Frage ging Hans Günter Hockerts in seinem Beitrag bei einem Symposium 2010 in Jena nach, aus welchem der Artikel „Vom Wohlfahrtsmarkt zum Wohlfahrtsstaat? Privatisierungstendenzen im deutschen Sozialstaat“ entstand. Er soll im Folgenden untersucht werden. Gemeinsam mit weiteren Symposiums-Vorträgen ist Hockerts‘ Beitrag 2012 im Sammelband „Privatisierung. Idee und Praxis seit den 1970er Jahren“ erschienen. Ziel der Jenaer Tagung und des Sammelbandes war es, das Konzept Privatisierung kritisch zu historisieren, so die Herausgeber Norbert Frei und Dietmar Süß, beide Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Konkreter Anlass hierfür sei die Finanzkrise 2008/2009 gewesen, durch die offensichtlich geworden sei, dass das Konzept Privatisierung nicht länger unhinterfragt als politische Erfolgskomponente wahrgenommen werden könne.



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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/358

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