Breaking: Termin des Gurkenfests in Znojmo

Vor kurzem suchte ein Fan der Gurke nach dem Gurkenfest in Znojmo und landete auf einem vor bald drei Jahren von mir erstelltem Posting mit Hinweis auf das 2010 stattfindende Gurkenfestival in Znojmo. Nun, die Znaimer Gurke ließ mich nicht los und ich machte mich auf die Suche, wann denn dieses Jahr das Slavnosti okurek stattfinden würde, denn solche Bilder möchte man sich nicht entgehen lassen, nicht wahr? Das letztjährige Festival samt Gastauftritt in Wien ist an mir vollkommen vorüber gegangen, aber nun kann ich exklusiv (glaube ich halt) für den deutschen Sprachraum verkünden: Das Gurkenfest in Znojmo findet dieses Jahr vom 2. bis 3. August 2013 statt (Quelle)!

Wer übrigens in der Frankfurter Gegend wohnt und nicht den weiten Weg bis nach Znojmo antreten möchte, sei beruhigt: Auch in Deutschland gibt es zumindest ein Gurkenfest, nämlich in Biblis (Termin), Gurkenköniginnen inklusive!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/264165416/

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Aufstieg und Niedergang der City Nord

Die City Nord zählt nicht zu den Touristenmagneten Hamburgs. Die Bewohner der Hansestadt kennen, aber meiden sie, Auswärtige haben vermutlich nie von ihr gehört. So leer die City Nord an manchen Tagen auch sein mag, jedem wird beim Rundgang bewusst, dass sie einst ein Großprojekt war, das tausende Menschen anlocken sollte. Viele der Gebäude werden nicht mehr genutzt, Millionen sind hier versickert.Man mag vermuten, dass die City Nord nach anfänglicher Euphorie schnell ähnlich betrachtet wurde wie die Elbphilharmonie, die inzwischen nicht mehr durch ihre Silhouette, sondern vor allem durch ihre Kosten im Gedächtnis haften bleibt. Welche Visionen standen hinter der riesigen Bürostadt und warum haben sie sich nicht erfüllt?

Am 24. August 1959 beschloss der Senat einen neuen Aufbauplan. Der vorangegangene Plan vom 20. Juli 1950 war bereits „übererfüllt“. Die dringenden Probleme der Nachkriegszeit waren bereits gelöst. Flüchtlinge waren bereits integriert, über 25.000 Wohnungen wurden erbaut um jedem ein neues Heim zu bieten. Hatte Hamburg 1946 erst 1.4 Millionen Einwohner, so waren es 1959 schon 1.8 Millionen. Langfristig wurde die Marke von 2.2 Millionen Hamburgern angepeilt, die allerdings bis heute nicht erreicht werden konnte.

„Aufbau statt Wiederaufbau!“

Die Probleme vor denen die Stadtväter standen, waren also vor allem „Luxusprobleme“. Neuer Wohnraum sollte zwar weiterhin erschlossen werden, doch dies war nicht mehr Priorität. Nachdem fast alle Bürger wieder ein Dach über dem Kopf hatten, wollte der Senat das Stadtbild verschönern. Grünflächen für die Naherholung sollten errichtet, die wuchernden Stadträndern durch kleinere regionale Zentren gezähmt werden, ein Ausbau des Personennahverkehrs die Innenstadt entlasten.

In den Zeiten des Wirtschaftswunders schien vieles denkbar. Das Credo der Stadtplaner lautete damals „Aufbau statt Wiederaufbau!“ Etwas komplett neues sollte entstehen. Hamburg sah sich kühn als wichtigste Stadt Westdeutschlands. Berlin als geteilte Stadt galt nicht als ernstzunehmender Konkurrent. Bausenator Paul Nevermann ließ dem Oberbaudirektor Werner Hebebrand weitestgehend freie Hand. (Uns Studenten sollte er vor allem als Architekt des Audimax bekannt sein.) Dieser hatte in den USA gelebt und sich von der dortigen Architektur inspirieren lassen. In den neuen Visionen nahm vor allem der Durchführungsplan D 100 einen immer größeren Raum ein. Neben der Altstadt sollte eine 2. City Hamburg nach außen hin attraktiver machen.

Mit dem Wohlstand der 50 Jahre überfluteten bald auch viele Autos die Innenstädte. Um den Verkehrsinfarkt abzuwenden, sollten viele Berufstätige in anderen Viertel Arbeit finden. Unter dem Namen „Geschäftsgebiet für Kontorhäuser“ wurden verschiedene Szenarien durchgespielt. Wenn man große Firmen in Hamburg ansiedelte, würde dies zwangsläufig die Innenstadt oder die Elb- und Alsterufer beeinträchtigen. Viele Konzerne drohten jedoch, die Stadt zu verlassen, wenn nicht bald ein neues Areal erschlossen würde. Hamburg konnte sich diese wirtschaftlichen Einbußen nicht leisten, denn im Kalten Krieg stand der Hafen für die Binnenschifffahrt nur noch eingeschränkt bereit, da die Elbe sich weit in die DDR hinein erstreckte.

Aus Fehlern lernen

Klar war, dass man Büroräume und Industriegebiete strikt trennen wollte. Gleichzeitig wollte man eine Zersiedelung dicht bebauter Stadt durch Hochhäuser wie z.B. in Frankfurt am Main verhindern. Hamburg hatte seine Erfahrungen mit dem Unilever-Gebäude gemacht. Das Hochhaus war in der Bevölkerung vor allem deshalb unbeliebt, weil für seine Errichtung mehrere alte Fachwerkhäuser niedergerissen werden mussten.

Die Errichtung einer neuen Bürostadt sollte also möglichst wenig in bereits vorhandene Bausubstanz eingreifen, von außen gut erreichbar sein und für die Verkehrsdichte im Inneren der Stadt gewissermaßen Ventil sein. So wurde auch darauf geachtet, dass die geplante 2. City nah am Flughafen Fuhlsbüttel entstehen sollte. Die Wahl fiel schließlich auf ein Gebiet nördlich des Stadtparks, das sich bereits im Besitz der Stadt befand. Ursprünglich war ein fließender Übergang geplant, doch versperren heute immer noch mehrere Bäume die Sicht vom Erholungsraum auf die Bürostadt. Das Gebiet war jedoch nicht ungenutzt. Hier befand sich eine Kleingärtenkolonie und mehrere Kriegsflüchtlinge lebten immer noch in Baracken. Da das Projekt City Nord jedoch absolute Priorität hatte, sah sich die Stadt Hamburg zu außergewöhnlich großzügigen Entschädigungszahlungen bereit. Viele der Anwohner fanden im nahegelegenen Steilshoop eine neue Bleibe.

Zuerst musste ein Straßennetz entstehen, um das herum dann die Großbauten errichtet werden sollten. Der Überseering definiert das Gelände am deutlichsten. Ungewöhnlich für die Lage in der Innenstadt ist, dass er 3-spurig angelegt wurde. Die übrigen Seitenstraßen wurden nach Sydney, Djakarta, New York, Halifax, Manila, Mexiko, Kapstadt, Dakar und Caracas benannt. Der Anspruch Hamburgs als „Tor zur Welt“ schimmert bei dieser Namensgebung deutlich durch. Die U-Bahn Station Sengelmannstraße wurde extra für die City Nord errichtet. Zu Beginn war geplant, die Station an die U4 anzuschließen, die aber nie gebaut wurde. Die inzwischen realisierte U4 folgt einem anderen Straßenverlauf und steuert vor allem die neu erschlossene Hafen-City an.

Platz für Autos und „Lufttaxis“

Für viele der zuerst errichteten Gebäude zeigt sich ein gemeinsames Schema. Um die City Nord autofreundlich zu gestalten, sollten die Fußwege künftig überirdisch liegen. Wege in ca. 4m Höhe verbinden die Gebäude, Brücken machen Fußgängerampeln überflüssig, so dass der Verkehr nie ins Stocken gerät. Ebenso liegt auch das „Erdgeschoss“ der Gebäude in 4m Höhe, was bedeutet, dass die Tiefgaragen nicht wirklich tief in den Boden reichen. Auch dadurch ließen sich die Baukosten für die Großprojekte begrenzen. Fußgängerbrücken erstrecken sich zwischen den Gebäuden, um ja nicht den Autoverkehr zu stören. Anfangs war sogar ein eigener Hubschrauberlandeplatz angedacht, damit „Lufttaxis“ in Richtung Fuhlsbüttel und Innenstadt starten konnten. Realisiert wurde dies nicht.

1964-1970 entstanden im Bereich Ost der City die ersten Gebäude entstehen. Das Bauunternehmen Claudius Peters AG ließ seine Konzernzentrale errichten, bereits 1965 wurde Richtfest gefeiert. Im gleichen Jahr wurde auch mit den Bauarbeiten für die Landesbank begonnen. Auch die Hamburgischen Elektrizitätswerke und Esso ließen sich 1966 am Überseering nieder. Das HEW-Gebäude gehört heute dem Vattenfall-Konzer. Die Colonia-Versicherung und Mobil Oil zogen ihre Zusagen zurück, stattdessen verlegte BP seine Büros auf das Gebiet.
Die Formvielfalt in der City Nord beeindruckte Presse und Hamburger. BP wollte mit der auf Sechsecken basierenden Gebäudestruktur die chemischen Konturen der Benzolringe nachbilden. Selbst das Pförtnerhäuschen ist ein Hexagon. Mehrere Architekturbüros standen in direkter Konkurrenz zueinander und jedes wollte den Zuschlag für die größten Projekte erhalten. In der Folgezeit stiegen die Grundstückspreise fast auf das doppelte an. Gute Voraussetzungen also, um mit dem Bauabschnitt West zu beginnen.

Dort hatte die Deutsche Post bereits 1965 ein Grundstück erworben, auf dem dann das wohl außergewöhnlichste Gebäude der City Nord entstand. 1970 begannen auch die Treuarbeit und Edeka zu bauen. Im gleichen Jahr lief noch ein Architekturwettbewerb der über die künftige Zentrale des Versicherungsdienstleisters Hamburg-Mannheimer entscheiden sollte. Bis auf kleine Ausnahmen wurden alle Grundstücke auch verkauft.

„Steril und tot“

Die Bauphase West war noch nicht ganz abgeschlossen, als 1975 dann der Norden des Areals bebaut werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war von der früheren Aufbruchstimmung aber nur noch wenig übrig. In der Bevölkerung sah man nur noch eine „Betonwüste“, das gesamte Areal wirke „steril und tot“, erst recht, wenn man es nach Feierabend oder am Wochenende besuchte. Dennoch gab es keine Planungen gezielt Wohnungen zu errichten, um die City Nord „lebendiger“ zu gestalten. Die Großkonzerne wünschten, dass ihre Gebäude als Einzelstücke herausragten.

Getragen war die Planung vor allem von der Idee des Großraumbüros. Anfangs versprach man sich dadurch ein leiseres Arbeitsklima, weil die Vielzahl der Geräusche zu einem Hintergrundrauschen verschwimmen würden. Die Angestellten lehnten dieses Konzept jedoch überwiegend ab, da sie sich ständig überwacht und eingepfercht wirkten. In der heutigen Zeit gilt das Großraumbüro als veraltet, da der Computer seinen Siegeszug angetreten hat.

Im Zentrum der City Nord entstand ein Gebäudekomplex, der schlicht nur als „Mitte“ bezeichnet wird. Die Planungen verzögerten sich jedoch immer wieder. Bereits 1960 sollte ein Entwurf feststehen, doch dieser wurde wieder verworfen, bald durch einen neuen ersetzt und abermals entworfen. Dass Oberbaudirektor Werner Hebebrand 1965 in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, trug ebenfalls nicht zu einer Entscheidungsfindung bei. Und so stand lange nicht fest, wie das riesige Grundstück genutzt werden sollte.

Kein Einzelhandel, kein Wasserbecken

Nach einem langwierigen bürokratischen Prozess gelangten die Stadtplaner zu dem Urteil, in einem großen Gebäude verschiedene Einrichtungen wie eine Ladenzeile, das Postamt, ein Parkhaus und auch mehrere Wohnungen zu errichten. Büros sollten ebenso entstehen, allerdings nur für Ärzte, Makler, Anwälte, Notare etc. Ein einzelner Besitzer war also in diesen Vorstellungen nicht vorgesehen und so hatte wie bei den anderen Großprojekten der City Nord keine Firma Interesse an einem repräsentativen Gebäude. Der eigentliche Entwurf der letztendlich veröffentlicht wurde, brachte also nur einen Betonklotz hervor. Direkt am Park wurde zuerst ein Wasserbecken angedacht, das aber schnell in Vergessenheit geriet.

Finanzierungsschwierigkeiten führten zu weiteren Verzögerungen, die erst gelöst werden konnten, als der Investor Helmut Greve zusagte, das Projekt zu tragen. Er verließ sich auf die mündliche Zusage einiger Banken, als Mieter in der „Mitte“ einzusteigen, an die sie sich jedoch bald nicht mehr gebunden fühlten. Nach dieser Wende wurde nun hauptsächlich der Wohnungsbau angepeilt. Bereits nachdem 1969 mit den Bauarbeiten begonnen wurde, fanden weitere Änderungen am Gesamtkonzept statt, die zum eher unfertigen Eindruck der „Mitte“ beitragen.

Der dauerhafte Betrieb der Ladenzeile im Inneren der „Mitte“ ist inzwischen gescheitert. Dies hat mehrere Gründe, so zB. dass die Planungen für die City Nord mit der Zeit immer halbherziger weiterführt wurden die Stadtväter lieber ein Einkaufszentrum in der Hamburger Straße errichteten, das Kunden anlockte. Auch ist die Ladenzeile von außen nicht zu erkennen, die eher tunnelartigen Eingänge dürften ihr Übriges tun, zufällige Laufkundschaft abzuschrecken. Zudem war es gar nicht nötig, Geschäfte für die Mitarbeiter der nahen Konzernzentrale zu errichten, denn dort hatten die Firmen meist selbst für alles gesorgt. Auch dass die Ladenzeile über dem Straßenniveau liegt und daher schlecht mit dem Auto beliefert werden kann, macht es den Inhabern unnötig schwierig. Außerdem wurde die geplante U-Bahnlinie nie errichtet, so dass weit weniger Leute als erwartet, durch die City Nord streiften. Dass das errichtete Hotel in großen Maße Touristen anziehen und eine Flaniermeile mit Bars und Cafes entstehen würde, erscheint aus heutiger Perspektive eher illusorisch.

Literaturtipp: Sylvia Soggia: City Nord. Europas Modellstadt der Moderne

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=663

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Unter dem Schutz des Kaisers

Sicherheit stellte auch schon in der vormodernen Gesellschaft einen hohen Wert dar. Und doch war es eine ausgesprochen fragile Komponente im Ordnungsgefüge dieser Zeit. Gerade in Kriegszeiten war die Sicherheit mehr als sonst bedroht. Wie konnte man sich ihrer vergewissern? Salvaguardien, Schutzbriefe also, erschienen als das probate Mittel, um sich vor Einquartierungen, der Erhebung von Kriegssteuern und anderem Unbill zu schützen. Wenig überraschend also, daß Schutzbriefe in dieser Zeit ein Massenphänomen darstellten.

Doch an wen sollte man sich wenden, um eine solche Salvaguardia zu erhalten? Nach den herkömmlichen Ordnungsvorstellungen war die eigene Obrigkeit dafür zuständig, Schutz und Schirm für die eigenen Untertanen zu gewährleisten; diese Schutzleistung stellte nicht zuletzt eine wichtige Legitimierung für jeden Herrschaftsträger dar. Schnell zeigte sich jedoch in Kriegszeiten, daß die eigene Obrigkeit, egal ob es ein Stadtmagistrat oder ein Reichsstand war, schnell an ihre Grenzen stieß. Deshalb war es nicht unüblich, daß sich Schutzsuchende – und das konnten Einzelpersonen jedweden Standes oder auch Kommunen bis hin zu Reichsständen sein – direkt an eine Kriegspartei wandten. Zwar ging vom Militär ja eigentlich die Gefahr aus, gleichzeitig erblickte man gerade in ihr die Instanz, den nötigen Schutz zu gewährleisten. Je nach Situation war es sogar naheliegend, sich von beiden, miteinander verfeindeten  Armeen Schutzbriefe ausstellen zu lassen und so für jede Eventualität vorgesorgt zu haben.

Eine andere Möglichkeit war es, sich direkt an den Kaiserhof oder an den Reichshofrat zu wenden. Tobias Schenk, der schon seit einiger Zeit im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv wichtige archivarische Erschließungsarbeiten zum Reichshofrat betreibt, hat in zwei jüngst erschienenen Beiträgen aufschlußreiche Beispiele dafür angeführt: Reichsgeschichte als Landesgeschichte. Eine Einführung in die Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 90 (2012), S. 107-161; Das Alte Reich in der Mark Brandenburg. Landesgeschichtliche Quellen aus den Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 63 (2012), S. 19-71.

Wie die Titel zeigen, ist die Stoßrichtung beider Aufsätze eine ganze andere, doch geht er in beiden Fällen auch auf die Phase des Dreißigjährigen Kriegs ein und bietet für unser Thema der Salvaguardien einmal westfälische (S. 121 f.), ein anderes Mal brandenburgische Exempel (S. 41-46). Besonders letztere sind bemerkenswert, zeigen sie doch die Schwäche der Hohenzollernherrschaft in dieser Zeit. Nicht nur brandenburgische Untertanen suchten Schutz beim Kaiser, sondern die Kurfürstin Elisabeth Charlotte selbst, als strenge Calvinistin kaum einer prohabsburgischen Haltung verdächtig, erbat sich Anfang 1631 kaiserliche Schutzbriefe für ihre Güter.

Was brachten nun solche Schutzbriefe? Viele Episoden aus diesen Kriegsjahren belegen, daß Salvaguardien oftmals nur ein Stück Papier waren. Deswegen gab es nicht nur papierne Salvaguardien, sondern auch „lebendige“ (wie man sie zeitgenössisch nannte) – echte Soldaten also, die als Wachmannschaft einem Konvoi oder Reisenden beigegeben wurden. So etwas kostete natürlich noch mehr als ein Dokument, und auch diese Trupps garantierten nicht immer die ersehnte Sicherheit. Wichtig in dem Kontext ist aber die generelle Frage, welchen Effekt kaiserliche Schutzbriefe hatten: Hat man dem Reichsadler mehr Respekt entgegengebracht als dem Siegel irgendeines Kommandeurs? Dieser Frage geht Tobias Schenk nicht mehr nach, und im Zusammenhang seiner Aufsätze ist dies auch nicht seine Aufgabe gewesen. Doch genau hier lohnt es sich, die bereitgestellten Indizien weiterzuverfolgen und zu überprüfen, ob die kaiserlichen Schutzbriefe tatsächlich dazu beitragen konnten, die Präsenz des Reichs und des Kaisers in kriegsbedrohten Regionen aufrechtzuerhalten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/93

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Über Sprache und Tierkommunikation

  Kürzlich erschien in einer populären Wissenschaftszeitschrift ein Artikel1 zur “Gabe der Sprache”, in dem auch thematisiert wurde, ob und in wie weit sich menschliche Sprache von so genannten “Tiersprachen” unterscheidet. In der Klärung dieser Frage blieb der Artikel allerdings sehr vage, was mich ein wenig ärgerte und letztlich dazu veranlasste, selbst etwas darüber zu schreiben. Gradueller oder fundamentaler Unterschied? Die Beschäftigung mit dem Thema blickt auf eine lange Tradition zurück: Schon Aristoteles und Epikur stellten Mutmaßungen über den Status der Verständigung von Tieren untereinander an. Für René Descartes, der in seinem Dualismus streng zwischen Geist und Materie trennte, ist die Sprache Ausdruck des Verstandes, also auf der geistigen Seite der Welt verortet, während Tiere als seelenlose Automaten keine solche haben können. Einen derart fundamentalen Unterschied zwischen menschlicher Sprache und Tierkommunikation nimmt im 20. Jahrhundert auch der Linguist Noam Chomsky an, der Sprache als spezifisch menschliches Organ ansieht, das zwar genetisch determiniert ist, in der Evolution aber lediglich den Menschen zufiel. "Gandhiji's Three Monkeys" von Kalyan Shah, CC-BY-SA Die Gegenposition wird von den Anhängern der Kontinuitiätstheorie vertreten, die von einem Stufenmodell tierischer Kommunikation ausgehen, in dem die menschliche Sprache die höchste bekannte Stufe einnimmt. Einer ihrer Vertreter ist Charles Darwin, der viele Parallelen in der nichtsprachlichen Kommunikation von Menschen und höheren Tierarten ausmacht und die Tatsache der Entwicklung einer komplizierten Lautsprache vor allem auf die Größe und Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns zurückführt. Die Kontinuitätstheorie hat auch in unserem Jahrhundert noch Anhänger, welche sich vor allem auf Studien zur Kommunikation von Tieren berufen. Natürliches Verhalten oder gezieltes Training? Kommunikation mit Artgenossen ist für viele Tierarten überlebenswichtig, etwa wenn es um die Suche nach Nahrung oder um die Warnung vor Feinden geht. Die komplexesten bekannten Beispiele sind dabei sicherlich der Schwänzeltanz von Honigbienen und das Alarmrufsystem von Meerkatzen. Neben der Beobachtung dieser natürlichen Verhaltensweisen wird oft auch versucht, der Sprachfähigkeit von Tieren über speziell entwickelte Versuchsanordnungen auf die Spur zu kommen. Dazu wird entweder das Vorhandensein von für die menschliche Sprache als grundlegend angenommene Fähigkeiten überprüft (z.B. Kombinationsfähigkeit, Verarbeitung rekursiver Strukturen; darauf gehe ich unten noch genauer ein), oder es wird sogar versucht, mit Tieren über eigens geschaffene Sprachkonstrukte zu kommunizieren. Hinsichtlich solcher sprachbasierter Mensch-Tier-Kommunikation wurden die besten Ergebnissen mit Primaten erzielt. Da Affen nicht über einen Sprechapparat verfügen, der mit dem menschlichen vergleichbar ist, konnte dabei nicht auf verbale Kommunikation zurückgegriffen werden. Stattdessen wurden Gesten oder Symbolbilder entwickelt und den Primaten beigebracht. Diese begriffen mal mehr, mal weniger schnell, dass bestimmte Symbole bzw. Gesten für bestimmte Konzepte standen und sich daraus produktiv eigenständige Kombinationen bilden ließen. So antwortete die trainierte Schimpansendame Washoe etwa, als sie aufgefordert wurde, sich zu Radieschen zu äußern (für die sie keine eigene Geste gelernt hatte) mit einer Kombination der Gesten für “Weinen”, “wehtun” und “Frucht”. Sonderlich geschmeckt hatten sie ihr also nicht. Inhaltliche oder formale Unterschiede? Die Kluft zwischen Mensch- und Tiersprachen scheint also gar nicht so weit und tief zu sein, wie manche bis zur Durchführung der Primaten-Experimente annahmen. Zumindest der produktive Einsatz von Sprachsymbolen scheint auch Tieren gelingen zu können. Ohnehin rütteln neuere Forschungsergebnisse an so gut wie jedem kategoriellen Unterschied, der zwischen der menschlichen Sprache und den Kommunikationssystemen von Tieren postuliert wurde. Der Linguist Charles Hockett erarbeitete eine Aufstellung von 13 Merkmalen, die lautsprachliche Kommunikation auszeichnen. Hockett selbst ist Anhänger der Kontinuitätshypothese, geht also davon aus, dass kein kategorieller Unterschied zwischen der Kommunikation von Tieren und menschlicher Sprache existiert. So finden sich dann auch viele der von Hockett angeführten Merkmale bei verschiedenen Ausprägungen der Tierkommunikation, etwa der Transport von Bedeutung und – wie oben gesehen – die Produktivität.2 Was bleibt also noch an spezifischen Merkmalen für die menschliche Sprache übrig? Lassen sich vielleicht auf inhaltlicher Seite Unterschiede ausmachen, also bei dem, was Anlass der Verständigung ist? Oft heißt es, animale Kommunikation sei an den Moment gebunden, Tiere verständigten sich nicht über Zukünftiges oder Vergangenes. Sie seien auch nicht fähig zur Metasprache, also der Verständigung über die Sprache selbst. Ich halte diese inhaltlich motivierten Unterschiede für schwer überprüfbar, so lange wir z.B. Vogel- und Walgesänge nicht wirklich verstehen. Bleiben die Unterschiede, welche die Form / die Organisiertheit von Sprache betreffen. Nach Chomsky ist ein Wesensmerkmal menschlicher Sprachen, dass sie rekursive Strukturen enthalten. Diese sorgen dafür, dass man mit einem begrenzten Inventar sprachlicher Einheiten und Verknüpfungsregeln prinzipiell unendlich viele Sätze erzeugen kann. Solche rekursiven Strukturen lassen sich z.B. bei sogenannten Schachtelsätzen, also der Einbettung immer neuer Relativsätze, beobachten: Der Löwe, der den Kojoten, der das Pferd, das graste, fraß, jagte, [hat schöne Augen]. Ungeachtet dessen, dass Sätze dieser Art schnell inakzeptabel werden, sind ihre Bildungen prinzipiell möglich. Sie gehorchen dem Schema anbn, das heißt für jedes a (hier: Subjekt) muss genau ein b (hier: Verb) folgen. Und zwar nicht umgehend (das entspräche dem Muster (ab)n und wäre ohne rekursive Bildungsregeln zu erfassen), sondern erst, nachdem alle a aufgezählt wurden. Um einen solchen Satz zu prozessieren ist ein sogenannter Kellerspeicher notwendig, mit dem protokolliert werden kann, wie viele a denn nun auftraten. Gemäß der Chomsky-Hierarchie formaler Sprachen ist ein solches Kommunikationssystem mindestens auf der zweiten, der kontextfreien Stufe anzusiedeln, deren Beherrschung Chomsky eben nur den Menschen zutraut. Tatsächlich schienen Studien an Liszt-Äffchen zu bestätigen, dass diese rekursive Strukturen nicht erkennen konnten. Spätere Forschungen ergaben allerdings, dass Stare damit offensichtlich kein Problem hatten. Damit bleibt eigentlich nur noch ein Strukturmerkmal übrig, das der menschlichen Lautsprache vorbehalten ist: Das Prinzip der doppelten Artikulation Das Prinzip der doppelten Artikulation oder der zweifachen Gliederung, wie es vielleicht weniger irreführend bezeichnet werden könnte, geht auf den französischen Linguisten André Martinet zurück und wird für Zeichensysteme verwendet, die mehrere Gliederungsebenen aufweisen. So findet sich in allen natürlichen Sprachen eine Ebene, welche die grundlegenden sprachlichen Einheiten enthält (Phoneme oder in der Schriftsprache Grapheme), aus denen alle anderen Einheiten zusammengesetzt sind. Diese Einheiten tragen selbst keine Bedeutung, können aber sehr wohl Bedeutung unterscheiden. Aus der Kombination dieser Grundbausteine resultieren größere Einheiten (die kleinsten davon sind Morpheme, die wiederum zu Wörtern, Phrasen, Sätzen usw. kombiniert werden können), welche dann auch mit Bedeutungen verknüpft sind. Ein Beispiel: H und F tragen an sich keine Bedeutung, unterscheiden aber auf formaler (nicht inhaltlicher) Ebene Hund von Fund (ich erspare den Lesenden hier die lautsprachliche Transkription). Dadurch, dass es ein Inventar von Einheiten gibt, die nicht an eine Bedeutung gekoppelt sind, aber Bedeutungen unterscheiden und dazu auf vielfache Art kombiniert werden können, ist die menschliche Sprache so extrem produktiv. Zwar war auch die Schimpansin Washoe produktiv – allerdings nur auf einer Ebene: Sie kombinierte bereits bedeutungstragende Einheiten miteinander. Das gleiche gilt auch für die natürlichen tierischen Kommunikationssysteme Bienentanz und Meerkatzenruf: Ein Symbol trägt eine Bedeutung, kann aber mit anderen bedeutungstragenden Symbolen kombiniert werden. Ist das Prinzip der doppelten Artikulation also die differentia specifica, die menschliche Sprachen von allen anderen Kommunikationssystemen unterscheidet? Das dachte ich zumindest noch bis vor kurzem, fand dann aber diese Studie zu lesenden Pavianen. Offenbar sind die Paviane in der Lage, kleine, an sich nicht bedeutungstragende Einheiten – hier Buchstaben/Grapheme in für sie bedeutungstragende (nämlich Futter versprechende) Wörtern zu identifizieren. Auch wenn die Autoren das nicht thematisieren (ihnen geht es vor allem darum, statistisches Lernen und visuelle Objekterkennung als artübergreifende Fähigkeiten darzustellen), ist die Studie, wenn sie bestätigt wird, ein starker Hinweis darauf, dass nicht nur Menschen doppelt gegliederte Systeme verarbeiten können. Damit wäre auch das letzte der exklusiv der menschlichen Sprach-Kommunikation vorbehaltenen Merkmale gefallen. ———— 1 Im “Gehirn und Geist” Sonderheft “Streit ums Gehirn”, erschienen 01/2013, online leider nur für Abonnenten zugänglich. Dafür hat der Spektrum Verlag aber eine große Themenseite für den Komplex Sprache eingerichtet, wo viele der Artikel frei verfügbar sind. 2 Eine Aufstellung der Hockett’schen Merkmale nebst einer übersichtlichen Tabelle findet sich etwa im (von mir immer sehr enthusiastisch empfohlenen) Buch “Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache | The Cambrige Encyclopedia of Language” von David Crystal, CC-BY-SA     

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/744

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Die Gefahr hinter dem Rücken der Priester

  Priester genießen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit eine herausragende religiöse und soziale Stellung. Sie sind (im Katholizismus und der spätmittelalterlichen Kirche) Vermittler zwischen Gott und den Menschen sowie, durch die Ausgabe der Sakramente, Vermittler des ewigen Heils. Sie bilden, im Protestantismus, Pastorendynastien und einen Autoritätspunkt der Dorfgemeinschaft. Ihr Handeln berührt das Heiligste. Und doch ist die Stellung der Priester prekär, besonders in turbulenten Zeiten wie der frühen Reformation. Pfarrer wurden bis weit ins 16. Jahrhundert hinein oft aus handwerklich-bäuerlichen Schichten rekrutiert und waren in ihrer Lebensweise vom Rest des Dorfes nur zu unterscheiden, wenn sie sakrale Praktiken durchführten. Das ist besonders bei der Eucharistiefeier der Fall, aber auch bei anderen sakramentalen und liturgischen Vorgängen. Während die Priester diese Praktiken ausüben, wenden sie dem gemeinen Volk oft den Rücken zu. Sie widmen sich ganz der religiösen Handlung sowie dem heiligen oder zu heiligenden Objekt. Im Moment des Abwendens gewinnen Priester ihre soziale und sakrale Statur. Die Praktik, der Handelnde und das Objekt müssen von allen Teilnehmer/innen des Kultes als besonders “heilig” anerkannt werden. Denn wenn Kleriker dem Volk den Rücken zuwenden, verlieren sie den Überblick und die Kontrollmöglichkeit über die “untergeordneten” Teilnehmer/innen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Religionskultur sich in diesem Augenblick selbst trägt. Andernfalls wären Verwerfungen in der Religionskultur und dem gesellschaftlichen status quo die Folge. Und genau das passiert in der frühen Reformationszeit.   Reale Präsenz Christi? Messe des Hl. Gregor im Beisein der Georgsbruderschaft-Mitglieder. Pieter Jansz Pourbus, 1559. (Martens, Maximilian P. J. (Hg.): Bruges and the Renaissance. Memling to Pourbus, Ausstellungskatalog, Ludion 1998, 204.) Ausgerechnet im bayerischen Altötting lässt sich das anhand eines Falls aus dem Jahr 1523 gut beobachten. In dem berühmten und viel frequentierten Marienwallfahrtsort hört der Rentmeister von Burghausen während einer Untersuchungsreise von skandalösen Vorkommnissen. Darüber hat er am 20.8.1523 einen kurzen Bericht an Bayernherzog Wilhelm IV. verfasst.1 Während seines Aufenthalts wurde dem Rentmeister in Altötting ein Mann angezeigt. Zwei Taten dieses Mannes, der wie der/die Anzeiger nicht namentlich genannt wird, werden in dem Bericht nach München erwähnt. Erstens habe der Mann öffentlich gegen die Wundertätigkeit Marias gesprochen. Die Gebete und Hilfegesuche nützten nichts, habe er gesagt. Die Brisanz und die sozial-kulturelle Sprengraft hinter diesem Diskurs werden verständlich, wenn man sich die religiöse und auch ökonomische Rolle von Marienpraktiken und -mobilität in Altötting um 1500 vor Augen hält. Viel schwerer wiegt aber das Handeln des Manns während einer Seelenmesse in der Altöttinger Pfarrkirche. Im Bericht des Rentmeisters heißt es: “Vener hat ain brister in der pfarkirchen im selambt gesungen. Also er sich vor dem Alltar umbkert unnd fur all glaubig selen gepet, hat diser burger gegen seinen mit burger, einen so neben sein gestannden, gered: Sich an den Narn, was dreibt er fur kleifft [in etwa "dummes Zeug", M.M.]. Es ist pueberey [Betrügerei, M.M.], kumbt den sellen nit zu hilf. Mit den unnd dergestallt worden sich grob gehallten.”2 Der Mann verleiht seiner Kritik, sicher nicht zufällig, während einer Seelenmesse Ausdruck. Seelenmessen waren um 1500 ein inflationärer Bestandteil der Zeit- und Totenkultur, ein Aspekt der religion flamboyante (Jacques Chiffoleau). Durch das Lesen einer oft großen Anzahl von Messen sollte die Zeit der verstorbenen, sündigen Seelen im Fegefeuer verkürzt werden. Die Messpraktik bildete also auch eine Art zeitlich-vertikale Kommunikations- und Affektlinie zwischen Lebenden und Toten. Diese Totenkultur lehnen Evangelische seit den 1520er Jahren zunehmend ab. Reformatorische Theologen sehen den Weg zum Heil in Glaube und Gnade, der Mensch ist dabei machtlos. Sie und immer mehr ihrer Anhänger verwerfen das Fegefeuer. In diesem Umfeld entstehen distinktiv evangelische Totenkulturen mit anderen Wissensordnungen und Praktiken, die klare Unterschiede zwischen den späteren Konfessionen entwickeln sollten.3Die ablehnende Sinnzuschreibung zur alten, nun altgläubigen Seelenmesse und der Kultur, in der diese praktiziert wird und die diese repräsentiert, drückt der Anonymus in Altötting aus durch Spott (der Pfarrer als Narr und Betrüger) und eine evangelische Deutung (Messen nützen den Seelen nicht). Wichtig ist der exakte Augenblick, zu dem der Mann diese Aspekte evangelischer Religionskultur in Worte fasst. Es ist der Moment, in dem sich der Priester zum Altar hin umdreht, um für alle gläubigen Seelen (auch die der Anwesenden) zu bitten. Er steht mit dem Rücken zum Volk, wie üblich während der Messliturgie. Nun sollte der oben skizzierte, sozial-religiöse Sakralitäts-Automatismus Umdrehen-Praktik-Objekt greifen. Doch der funktionniert eben nur in einer weitestgehend homogenen Religionskultur. Darin müssten die Messbesucher/innen zumindest äußerlich den Praktiken, Objekten und der Rolle des handelnden Priesters die gleiche Deutung und die gleiche Wirkung zuschreiben. Das Kultursystem müsste so internalisiert sein, dass es sich selbst trägt. Da schert der Anonymus in Altötting aus. Er greift die Praktik, den Zelebranden und die hinter diesen stehende, theologisch-kulturelle Wissensordnung an. Dabei verspottet er zudem die Person des “närrischen” Priesters. Der sakrale Zusammenhang wankt oder gerät in Gefahr – leider kennen wir die Reaktionen der übrigen Messbesucher nicht. Der Mann repräsentiert in dem für die altgläubig-spätmittelalterliche Religionskultur entscheidenden Moment seine in dieser Situation distinktive religiöse Zugehörigkeit und Wissenskultur. “Christus vera lux” – Seelenmessen sind in der lutherischen Totenkultur überflüssig und repräsentieren vielmehr die “andere” Seite. Holzschnitt von Hans Holbein, 1526. (Wikimedia Commons) Dies geschieht in sozialer Interaktion. Der Mann ruft die Worte nicht einfach in die Kirche, sondern sagt sie gezielt seinem Nachbarn, dessen Reaktion leider auch nicht bekannt ist. Da die Worte beim Rentmeister angezeigt werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass es in Altötting Einzelne oder Gruppen gibt, die gegen das religiöse Wissen, die situative Differenz und deren öffentliche Manifestierung sind. Merkmale und Momente entstehender, noch sehr an einzelne Situationen gebundener, distinktiver Zugehörigkeiten, werden offenbar und sicher auch verstärkt. Dass der Bruch aber nur in Berührung, Verbindung und direkter Auseinandersetzung mit dem “Anderen” möglich ist, wird ebenso deutlich. Es gibt kein erkennbares “Eigenes” ohne das oder die “Anderen”. Dieser Prozess der ständigen, distinktiven Konstruktion und Aktualisierung – ein langsamer, diskontinuierlicher Prozess – ist typisch für die westeuropäischen Religionskulturen des 16. Jahrhunderts. In den 1520er und 1530er Jahren finden sich erste Merkmale, die von immer mehr Zeitgenossen als bezogen auf distinktive religiöse und somit soziale Zugehörigkeiten gedeutet werden. Mehr als ungewisse Ansätze lassen sich jedoch noch nicht beobachten. Sinnvollerweise ist zu diesem Zeitpunkt also von einer zusätzlichen und in bestimmten, praktischen und kulturellen Momenten distinktiv verstärkten Heterogenität der Religionskulturen zu sprechen. Hölzerne Christusfigur auf dem Esel, repräsentiert den Einzug in Jerusalem. (Das Schweizerische Landesmuseum 1898-1948. Kunst, Handwerk und Geschichte. Zürich 1948, Abb. 32.) Angriffe auf den Preister, wenn er den Rücken bei einer liturigsichen Handlung dem Volk zudreht und darauf angewisen ist, dass sich die soziale und religiöse Kultur selbst trägt, sind zudem keine Seltenheit. Über Messstörungen wird häufig berichtet, viel öfter noch über Predigtstörungen. Gefahr hinter dem Rücken der Priester droht auch bei liturigischen Handlungen am Palmsonntag. Vielfach war es vor der Reformation Brauch, an diesem Tag mit einer großen Prozession einen hölzernen Esel, auf dem eine Christusfigur reitet, in die Kirche zu schieben. Das Volk, das die Prozession begleitete oder am Wegesrand stand, schlug zu bestimmten Augenblicken mit Palmbuschen auf den Esel ein. Die Buschen erhielten dadurch eine sakramentale Funktion, nicht zuletzt deretwegen dieses Rollenspiel von den Reformatoren kritisiert und zusehends aus der evangelischen Kultur verdrängt wurde. So kommt es bei einer Palmsonntagsprozession im schweizerischen Dorf Sommeri am Bodensee zu einem Zwischenfall. Die mehrheitlich evangelischen Bewohner/innen warten den Moment der Prozession ab, in dem der (altgläubige) Pfarrer sich vor dem Esel niederlegt und die Figurenkombination anbetet. Dann schlagen sie auf den Pfarrer ein, nicht nur mit ihren Palmbuschen.4 Der Moment ist aus evangelischer Perspektive perfekt gewählt. Der Pfarrer wendet sich von der Gemeinde ab und begeht die “abgöttische” Praktik mit dem “götzenhaften” Objekt. In diesem Moment werden die Risse in der religiösen Kultur und dem sozialen Gefüge sichtbar. Wenn also in den 1520er Jahren der Priester dem Volk bei liturgischen Handlungen den Rücken zudreht, droht Gefahr: Ihm und der Religionskultur, in der er seine alten und nun altgläubigen Praktiken vollzieht. Der momentane Kontrollverlust ist ein Test dafür, ob die Religionskultur und die soziale Trennung Klerus-Laien von den Letzteren internalisiert und akezptiert ist. Devianzen, andere Kulturen, Wissensordnungen und Praktiken können hinter dem Rücken der Priester besonders gezielt und effektvoll ausgedrückt werden. Unterschiede werden sichtbar und verstärkt. Der anonyme Mann aus Altötting übrigens versuchte sich beim Verhör durch den Rentmeister mehr schlecht als recht herauszureden. Das Lavieren nutzte ihm nichts. Er wurde bis zu einer Entscheidung des Bayernherzogs vom zuständigen Hauptmann eingekerkert.
  1.  Hauptstaatsarchiv München, Kurbayern Äußeres Archiv, 4246, fol. 5r-6v.
  2. Ibid, fol. 5r-5v.
  3.  Siehe die aktuellen Forschungen zum konfessionellen Konflikt um Begräbnisstätten im 16. und 17. Jahrhundert: Luria, Keith P.: Les frontières du sacré, in: Chrétiens et Sociétés 15 (2008); Karant-Nunn, Susan C.: The Reformation of Ritual. An Interpretation of Early Modern Germany (Christianity and Society in the Modern World), London/New York 1997, 133-182; Koslofsky, Craig: ‘Pest’ – ‘Gift’ – ‘Ketzerei’. Konkurrierende Konzepte von Gemeinschaft und die Verlegung der Friedhöfe (Leipzig 1536), in: Jussen, Bernhard/Ders. (Hg.): Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch, 1400-1600 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 145), Göttingen 1999, 193-208; Brademann, Jan/Freitag, Werner (Hg.): Leben bei den Toten. Kirchhöfe in den ländlichen Gesellschaften der Vormoderne (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 19), Münster 2007. Aktuell zu Sterbekulturen in der Frühen Neuzeit vgl. Thiessen, Hillard von: Das Sterbebett als normative Schwelle. Der Mensch in der Frühen Neuzeit zwischen irdischer Normenkonkurrenz und göttlichem Gericht, in: HZ 295 (2012), 625-659.
  4.  Burg, Christian von: “Das bildt vnsers Herren ab dem esel geschlagen”. Der Palmesel in den Riten der Zerstörung, in: Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte, hg. v. Peter Blickle (HZ Beihefte 33), München 2002, 117-141, hier 133.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/518

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Jahr der vermissten Schädel

Dieses Jahr tauchen allerorts vermisste Schädel von Königen auf: erst Richard III von England unter einem Parkplatz in Leicester, und jetzt Henri IV von Frankreich auf einem Dachboden. Nicht zu vergessen, ist natürlich die spannende Geschichte um Oliver Cromwell’s Schädel, wenn auch schon etwas älter und inzwischen hat auch dieser Kopf seine (vermutlich) letzte Ruhe gefunden.

Mal schauen, wer sonst noch so auftaucht!

Quelle: http://csarti.net/2013/02/jahr-der-vermissten-schadel/

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Einführungsvortrag in Colmar am 13. Februar 2013

Von Pierre Monnet, Studiendirektor an der École des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris und Direktor des Institut Français d’Histoire en Allemagne in Frankfurt (Main)

Les sciences historiques dans la coopération franco-allemande

Je tiens à remercier les organisateurs pour l’honneur qui m’est ainsi fait d’introduire par ce bref exposé le projet qui nous réunit aujourd’hui. Je m’exprime non seulement à titre de directeur d’un institut français de recherche en Allemagne mais aussi en qualité d’historien médiéviste et de spécialiste de l’histoire franco-allemande. C’est sous ce double paradigme du contenu historique d’une part et de la méthode scientifique de l’autre que je souhaiterais avancer quelques remarques générales aboutissant à souligner l’originalité de l’entreprise dont nous célébrons ce jour le lancement. Celle-ci me paraît en effet admirable non seulement par son ambition de connaissance mais aussi par sa manière de faire. Elle s’inscrit en vérité dans une logique qui situe la valeur ajoutée de son propos à la rencontre d’une mise en réseau de plus d’une vingtaine d’archives, de quatre régions, de deux consortiums et d’une approche qui entend faire du croisement des sources et des ressources une plus-value au service du savoir historique. Autrement dit ce projet interrégional et fédératif est une forme-sens puisqu’il parie sur la mise en commun de plusieurs institutions contemporaines pour faire apparaître une mémoire résultant elle-même de la circulation et de la production passées de l’écrit entre plusieurs institutions et régions historiques. Ainsi se noue me semble-t-il le dialogue qui peut intéresser le chercheur, entre une modernité consciente des enjeux de ses constructions sociales, territoriales et mémorielles et une prémodernité elle-même productrice de mémoire par la trace de l’écrit.

Mais il y a davantage encore, me parait-il, dans le projet exposé : il reflète comme je le crois un moment d’entrelacement entre la recherche français et allemand et une étape de la production et du transfert historiographiques entre ces deux pays.

 Il n’est sans doute pas utile dans cette enceinte de rappeler le rôle qu’a pu jouer l’histoire depuis des siècles dans la production et la diffusion de l’image de l’autre entre les Etats et les nations d’Europe, et singulièrement entre la France et l’Allemagne. Il conviendrait juste de rappeler combien la défaite de 1871, interprétée en France entre autres comme la produit d’une infériorité technologique et intellectuelle, a pu constituer un puissant aiguillon à la mise en place de chaires, d’institutions, de centres dédiés à l’édition de sources, à la constitution de corpus, à la rédaction de grandes collections destinées à faire reposer un grand récit d’histoire nationale sur une érudition puisée alors aux standards de la science germanique. Dans cette crise allemande de la pensée française pour reprendre le beau titre de l’ouvrage classique de Claude Digeon paru en 1959, l’histoire a bien été mobilisée, aux côtés de la géographie, dans ce qui fut à la fois, et c’est sans doute le grand paradoxe, une forme de concurrence des cerveaux mais aussi d’échanges et de transferts culturels d’une rare intensité. Jusqu’en 1933 et au-delà la science historique française lisait, recevait, jugeait la production historiographique allemande. Il suffira pour s’en convaincre, et incarner cette période, de rappeler la figure de Marc Bloch, historien médiéviste au destin intellectuel franco-allemand si tragique. Dans son discours demeuré célèbre appelant à une histoire comparée des sociétés européennes prononcé en 1928 lors du congrès international des sciences historiques d’Oslo, c’est aussi et c’est sans doute avant tout à la France et à l’Allemagne qu’il songeait. 1928, année de Briand et de Stresemann, de la détente entre les deux pays, année également de la réunion d’une commission d’historiens français et allemands destinée à s’accorder sur les points de jugement posant problème entre les deux pays, en vue peut-être sinon d’un manuel d’histoire commun, du moins d’une démarche d’élucidation raisonnée des conflits historiographiques et interprétatifs, et singulièrement à cette époque sur la première guerre mondiale qui n’avait alors pas encore 15 ans d’âge. Il va sans dire que dans ce domaine comme dans tous les autres1933 a constitué une rupture radicale et brutale renvoyant tout examen partagé et toute possibilité de coopération à l’après-guerre.

Après 1945, et si l’on songe à la coopération scientifique, linguistique et culturelle entre la France et l’Allemagne, au sein de laquelle s’inscrit par définition la matière historique, c’est évidemment la date de 1963 qui vient à l’esprit, puisqu’aussi bien l’on en célèbre cette année le demi-siècle. Pour légitime que soit sa commémoration, il est salutaire qu’elle n’occulte pas pour autant le rôle justement historique qu’ont pu tenit, dès après le 8 mai, des visionnaires dont un grand nombre avaient vécu dans leur chair et derrière des barbelés l’incompréhension et la haine entre les peuples et les religions. Que l’on songe ici à Schumann, Monnet, Rovan, Grosser, qui dès après 1945 ont insufflé l’esprit d’un premier dialogue politique, culturel et social entre les deux pays, reposant précisément sur le rapprochement des sociétés civiles auxquelles il revenait aux historiens d’expliquer, dans la longue durée, qu’un destin et des références communs les rassemblait plus qu’ils ne les séparaient. Il faut bien dire de ce point de vue que trois guerres récentes, avec leurs lots d’occupation de territoires, d’annexions, de prisonniers, de travailleurs forcés… avaient par la force créé une confrontation-fréquentation, une habitude contrainte de l’autre. Sous cet angle, 1963 est une date évidemment importante, essentiellement sur le plan politique, mais dont la symbolique consensuelle est une reconstruction postérieure qu’il convient de relativiser et de démythifier. L’impulsion donnée est certes décisive, à commencer par la création de l’OFAJ, mais elle n’aurait pas eu cette ampleur sans le concours parallèle, souterrain, modeste des deux sociétés civiles qui ont entretenu et développé un appétit pour l’autre, qui demeure à mon sens la clé de toute la relation franco-allemande, en 1963 comme en 2012-2013 : l’indifférence entre ces deux pays n’a jamais été une bonne chose, et il appartient bien aux historiens d’en démontrer les aspects mortifères, précisément parce que ces deux ensembles ne se ressemblent pas, n’ont pas et n’auront pas, Dieu soit loué, la même histoire, et que de ce fait il n’existe guère d’autre choix que la complémentarité ou l’écartement.

Reste que c’est bien après 1963 que, portés par la volonté politique et par les rituels de la réconciliation et des couples président-chancelier bien connus, des supports et facteurs importants du dialogue culturel et scientifique se sont créés. Que l’on songe aux trois lycées franco-allemands de Buc, Fribourg et Sarrebruck, à la chaine franco-allemande Arte en 1991-1992, à l’UFA créée en 1997… En matière historique, le rapprochement et les transferts qui existaient déjà avant 1945, se sont institutionnalisés par la création de l’Institut franco-allemand de Ludwigsburg en 1948, de l’Institut Historique Allemand de Paris en 1958, par la création dela Mission HistoriqueFrançaiseen Allemagne à Göttingen en 1977 devenue IFHA de Francfort en 2009, par la création du Centre Marc Bloch en 1992 à Berlin, par celle du Forum allemand d’Histoire de l’art en 1997, par celle du CIERA en 2001. L’ensemble de ces institutions consacrées à une recherche franco-allemande en histoire, à la mise en place de cursus communs d’études supérieures, pouvait et continue de pouvoir par ailleurs prendre appui sur un tissu de classes préparant de part et d’autre à l’Abibac créé en 1994 et désormais proposé dans 76 établissements français et 65 établissements allemands, sur un entrelacs de doubles diplômes dont 8 sur les 40 que compte aujourd’hui l’UFA en SHS sont exclusivement consacrés aux études historiques, et sur un réseau d’instituts français en Allemagne et allemands en France qui demeure, en dépit des restrictions budgétaires, le plus dense au monde entre deux pays. Que les programmes Abibac, et avec eux les classes européennes qui enseignant la discipline dite non-linguistique dans la langue de l’autre, prennent les sciences historiques comme cœur d’un enseignement croisé, bilingue et biculturel, et non pas le latin ou les mathématiques comme on aurait pu le penser puisque ces matières emploient par nature un langage commun, reflète donc à la fois la place que l’histoire a toujours tenue dans la fabrication de l’image de l’autre entre les deux pays depuis au moins les Lumières, mais surtout traduit le travail de décapage, d’actualisation et d’harmonisation réalisé par les communautés scolaires, pédagogiques, universitaires et scientifiques entre nos deux pays depuis plus de 50 ans. Quelques chiffres frappants peuvent en souligner l’acquis : 5000 lycéens inscrits dans les trois classes de lycée préparant l’Abibac, 8 millions de jeunes mobiles entre la France et l’Allemagne dans le cadre de 300.000 programmes d’échanges et 11.000 rencontres par an organisés par l’OFAJ depuis 1963, 14.000 étudiants français et allemands partant étudier chaque année dans le pays partenaire pour une durée d’études d’au moins un semestre, 37.000 étudiants ayant suivi un double diplôme de l’UFA depuis sa mis en place en 1999, 1.000 double diplômés par an, sans parler des quelque 300 cotutelles de doctorat et des trente collèges doctoraux franco-allemands placés sous le toit de cette institution, dont un tiers en SHS (parmi lesquels la moitié relève des études historiques), enfin une trentaine de projets de recherche doctorale et post-doctorale franco-allemande dans le cadre des appels d’offres communs ANR/DFG lancés depuis 2006 en SHS et dont un tiers en moyenne relève là encore des sciences historiques.

Le produit de ces échanges, de cette aventure propulsée par 1963, qui fut en même temps une méthode, est désormais assez connu : le manuel d’histoire franco-allemand, initié par un vœu émis en 2003 par le parlement des jeunes réuni à Berlin pour la célébration des 40 ans du Traité de l’Elysée, et décliné en trois volumes identiques au mot près en deux langues pour la seconde, la première et la terminale entre 2006 et 2011. Son pendant universitaire est d’ailleurs en cours de publication sous la forme de la collection de l’histoire franco-allemande en onze volumes piloté par le DHIP de Paris, commencée en 2005, destinée à couvrir la période allant de 800 à nos jours, et éditée en deux versions identiques français et allemande, prévue pour s’achever en 2014.

Conçu par une équipe binationale d’universitaires, d’enseignants, de pédagogues et d’éditeurs, le manuel d’histoire franco-allemand (et non pas d’histoire franco-allemande, c’est la démarche qui est commune et non pas l’histoire elle-même !) a été publié en trois tomes pour les classes de seconde/10e, première/11e et Terminale/12e des lycées entre 2006 et 2011. Sa réalisation montre qu’un manuel bilingue parfaitement semblable dans son contenu, sa maquette, sa documentation, sa cartographie, sa chronologie et situé au carrefour de 17 programmes différents (un programme français et 16 programmes régionaux allemands) est possible et introduit une véritable révolution méthodologique, historiographique et pédagogique en proposant non pas une histoire franco-allemande mais un regard franco-allemand sur une histoire partagée souvent plus pacifique en vérité que conflictuelle quand on la regarde sur le temps long,  c’est-à-dire observée à travers le prisme des convergences, des divergences et des interactions. Il s’agit là d’un exemple unique au monde, actuellement suivi par l’Allemagne et la Pologne, qui peut former modèle au niveau européen et déboucher sur un enseignement du fait européen dans les pays de l’Union, redonnant donc au couple franco-allemand sa valeur de laboratoire innovant pour lui-même et pour les autres et conférant à l’histoire une vertu d’aide à la compréhension des rapports entre les peuples.

Sans doute n’a-t-il finalement pas connu l’usage massif que l’on aurait pu en attendre. Mais il est notable qu’à défaut d’être un manuel régulier, il bénéfice dans de nombreuses classes d’histoire et de géographie d’usages braconniers et parallèles qui risquent même de lui conférer une longévité plus grande qu’un manuel ordinaire dont l’espérance de vie est lié aux programmes. On sait ainsi que le manuel est utilisé en DNL de classes européennes, en cours de langue, dans les facultés de pédagogie, et même d’histoire et de civilisation germanique en premier cycle du bachelor. Ces utilisations variées tendent à lui redonner les caractères qui me paraissent faire son originalité et lui conférer la fonction d’un bon reflet de ce que peut continuer à être une relation durable et réflexive entre deux sociétés et deux pays, autrement dit ce qui en fait sa plus-value, sa valeur ajoutée qui peuvent tenir en résumé dans les 7 points suivants :

  • L’importance du travail sémantique entre les deux langues, qui va au-delà de la simple traduction car on sait que l’équivalence de mots entre deux langues reflète des traditions culturelles et historiographiques diverses, tant des concepts aussi simples que nature, culture, religion ou Etat, ou même mémoire,  n’ont ni le même poids, ni la même portée.
  •  L’importance du renouvellement documentaire pour actualiser les savoirs patrimoniaux historiques que chaque pays possède, transmet et soumet au regard de l’autre. Espérons par exemple que le centenaire de 1914 en 2014 aboutira aussi par exemple à un tel renouvellement de la documentation commune.
  • L’importance des pages regards croisés qui relève de la méthodologie de l’histoire comparée, de l’histoire des transferts, de l’histoire croisée, pour examiner ce qu’il y a de commun, de ressemblant, de divergent, de complémentaire, d’interactif ou d’incompatible entre deux sociétés, à commencer par la place du militaire, le rôle des femmes, la défense de la langue, le poids accordé à l’Etat, le rôle des migrations et immigrations, la position vis-à-vis de la mondialisation, les choix énergétiques, l’évolution démographique, les structures territoriales entre fédéralisme et centralisme.
  • L’importance des imaginaires différents, des temporalités différentes puisque les deux pays n’ont pas les mêmes ruptures, à commencer par 1945 ou 1989, ce qui d’ailleurs conduit à penser que ce livre n’aurait pas été pensable avant 1989, c’est-à-dire avant la réunification de deux Etats allemands issus d’une histoire commune, qui introduit une sorte de fin du Sonderweg allemand au titre que pour la première fois dans son histoire ce pays a fait une révolution sans guerre ni changement de régime en aboutissant à une forme raisonnée et apaisée d’alignement entre Etat et nation.
  •  L’importance des traditions pédagogiques différentes entre une culture française de l’apprentissage et une culture allemande de la discussion.
  •  L’importance de l’enseignement du fait européen à partir de ce livre qui montre qu’il n’existe pas d’identité de l’Europe, mais des identités en Europe, en sorte que ce manuel possède aussi une vertu civique. Tout n’est pas européen dans l’histoire mais il y a à travers le prisme franco-allemand la reconnaissance de moments européens.
  •  L’importance de la leçon d’histoire qu’il délivre : l’histoire n’est pas seulement transmission de faits construits du passé, elle est aussi par nature récit actualisé des interprétations et des significations de ce passé aujourd’hui, qu’il soit mort ou vivant, manière de dire que le fait est inséparable de sa représentation.

De la sorte, le manuel d’histoire est le produit et le signe d’un dialogue qui, en histoire, se développe du secondaire au supérieur et dans les institutions de recherche entre les deux pays. Avec sa base de données de 1800 recensions et sa Revue annuelle l’IFHA y contribue sur le plan des publications, tout comme l’IHAP avec la revue Franciaet ses recensions, ou bien la revue électronique en SHS franco-allemande Trivium. Il existe aujourd’hui une génération de jeunes chercheurs français et allemands habitués à circuler, à monter des projets, tel le dernier en date intitulé ‘Saisir l’Europe », constitue comme une fédération de recherche franco-allemande en histoire unissant le CMB,la HU Berlin, l’IFHA,la JGU Francfort, l’IHAP, la MSH et le CIERA avec 18 doctorants et postdoctorants pour 5 ans. Il appartient à la feuille de route franco-allemande délivrée le 4 février 2010 par le conseil franco-allemand des ministres sous le titre « agenda 2020 » dont le chapitre 3, comportant 2 pages sur dix de la déclaration, concerne la recherche, l’innovation, l’éducation et l’enseignement supérieur.

Parmi les mesures annoncées à ce sujet, figurent les plans suivants d’action :

  • D’ici 2020, le nombre des cursus bilingues dans l’enseignement supérieur doit doubler.
  •  D’ici 2020, le nombre d’étudiants, d’étudiants en doctorat et de jeunes chercheurs participant à des programmes financés par l’Université franco-allemande doit doubler.
  • D’ici 2020, un Français sur deux ou un Allemand doit avoir visité au moins une fois l’autre pays.
  •  L’apprentissage de la langue du partenaire doit être encouragé et soutenu et le rapprochement des systèmes éducatifs poursuivi (manuels scolaires, programmes, certification, échanges d’enseignants et de cadres).
  • D’ici 2020, au moins 200 écoles maternelles bilingues franco-allemandes devront être créées.
  • Encouragées par l’introduction du manuel d’histoire franco-allemand, la France et l’Allemagne ont l’intention de préparer un manuel scolaire commun sur l’Europe et l’histoire de la construction européenne, ouvert à la participation d’autres partenaires européens.
  •  En matière de recherche et d’innovation, la coopération entre les organismes compétents (y compris les agences de financement de la recherche) doit s’intensifier, notamment dans le cadre européen, à commencer par la coopération entre la Deutsche Forschungsgemeinschaft et l’Agence Nationale de la Recherche, entre la Société Max Planck et le CNRS ; des programmes conjoints de recherche doivent être engagés, en commençant par le domaine médical (en particulier en ce qui concerne des maladies neuro-dégénératives comme la maladie d’Alzheimer) et avec l’objectif de créer à terme des laboratoires de recherche communs Carnot-Fraunhofer dans le cadre des pôles d’excellence à l’échelle mondiale.
  • La coopération franco-allemande déjà bien établie dans le domaine de la politique spatiale européenne sera poursuivie.

 Il me semble au total, car il faut bien conclure et boucler la boucle, que le projet Eucor, Icarus et Interreg sur les archives du Rhin supérieur qui nous rassemble et se place exactement dans le droit chemin de cette ambition à la fois politique, scientifique et régionale, raison pour laquelle il convient de lui souhaiter plein succès et longue vie.

 

Quelle: http://archives.hypotheses.org/166

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Donau-Farce von Richard Schuberth

Erscheint demnächst: Das neue Buch von Richard Schuberth, besprochen auf ORF ON.

Schuberth, Richard: Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses. Eine Donau-Farce. Klagenfurt: Drava, 2013. [Verlags-Info]

Eine Berliner Literaturkritikerin, ein deutscher Banker, ein Kärntner Volxmusiker namens Lois K@r@w@nkinger, das Eingeborenenmädchen Lagunica und der geistig behinderte, stets geile Mönch Teofil werden als Schiffbrüchige vom bärbeißigen Kapitän Zvonko an Bord seines Donauschiffs genommen. Da gesellt sich noch der Dichter, Supertyp und Balkanspezialist Trader Horn, ein moderner Old Shatterhand, hinzu. Er soll im Auftrag Angela Merkels den Brustpelz des weltberühmten Schriftstellers Dragutin Draculescu erbeuten, der sich zum Zaren ausgerufen und einen Zigeuneraufstand angezettelt hat. Wie sich herausstellt, nehmen alle Protagonisten des Stücks ihr je eigenes Interesse an Draculescu. Es folgt eine abenteuerliche Flussreise durch moskitoverseuchten und von barbarischen Walachen, Serben, Skythen und NGOs bewohnten Dschungel, ehe es in der rettenden Stadt Lepograd zum unerwarteten Showdown kommt ...
Trommeln vom anderen Ufer des großen Flusses beschließt eine Komödientrilogie, die satirisch die kulturindustriell gefilterte Wahrnehmung und Verwertung der Welt reflektiert. Dieses Mal ist es wieder eine östliche Welt, auf die westliche Geistesmenschen ihre kulturelle Libido und koloniale Gier richten. Noch bizarrer und noch dichter an sprachlichen Volten und Pointen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/264163584/

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Mein Dissertationsvorhaben – Erklärt für Nicht-Mediävisten

In den letzten Tagen ist mir bewusst geworden, dass das Potential eines Blogs wohl verschenkt ist, wenn es sich ausschließlich an das eigene Fachpublikum wendet. Daher habe ich hier mal mein Dissertationsvorhaben explizit für Nicht-Mediävisten niedergeschrieben.

Auch heute gilt das Mittelalter für Viele leider noch als ein weitgehend kulturfreier Raum, als Dunkles Zeitalter. Vor allem, was die Naturwissenschaften betrifft: Bis Columbus, so das gängige Vorurteil, dachten die Zeitgenossen westlich von Spanien die Erdscheibe runter zu plumpsen. Das stimmt natürlich nicht, wie ich hiermit beweise:

Auf diesem privaten Foto vom Schöpfungsportal des Freiburger Münster (mein persönliches Lieblingsdetail) sieht man links unten ein Sphärenmodell mit einem Globus im Zentrum.

Im Gegenteil, auch im Mittelalter gab es durchaus ein professionelles Interesse an den Abläufen der Natur. Wer hiervon einen kleinen Eindruck bekommen möchte, dem empfehle ich wärmstens die englische Übersetzung mit Kommentar zu Bedas De natura rerum von Wallis und Kendall.

Bis ins 12. Jahrhundert sind mit Blick auf die Naturwissenschaften (wobei das natürlich ein moderner Begriff ist, den man nicht unbesehen auf das Mittelalter anwenden sollte!) vor allem zwei Bereiche relevant:

  • Zum einen die sogenannte Komputistik, also Kalenderwissenschaft, die in den Klöstern auf hohem Niveau gepflegt wurde. Man muss sich vorstellen, zu dieser Zeit die Berechnung eines Kalenders, vor allem aber des wichtigen Osterfestes ganz schön viel astronomisches Know-how notwendig war. Einen kleinen Eindruck gewährt zum Beispiel diese Handschrift der UB Darmstadt
  • Zum anderen das Quadrivium, das zusammen mit dem Trivium die Sieben freien Künste bildete und eine Art Lehrplan des mittelalterlichen Unterrichts bildete. Es bestand aus den vier Fächern Arithmetik, Geometrie, Musik (ja, das war eine Naturwissenschaft!) und Astronomie. Dargestellt zum Beispiel in einer bekannten Abbildung im Hortus deliciarum

Die Mittelalterforschung weiß natürlich schon seit einer ganzen Weile, dass das man auch im christlichen Mittelalter intellektuell nicht ganz so weit hinterm Mond lebte. Einen wichtigen Anteil an dieser Erkenntnis hat dabei sicher der amerikanische Wissenschaftler Charles Homer Haskins, der 1927 ein Buch mit dem etwas trotzigen Titel The Renaissance of the Twelfth Century publizierte, in dem er auch für das Mittelalter, genauer dem 12. Jahrhundert, eine Renaissance vor der Renaissance postulierte.

Seit Haskins gilt es als gesichert, dass es in dieser Zeit einen allgemeinen intellektuellen Aufschwung gegeben hat, der sich unter anderem in Literatur, Recht, Theologie, Philosophie, Kunst, und Architektur niederschlug und der vor allem in den Domschulen und Städten Nordfrankreichs vonstatten ging.

Auffälligerweise, und hier setzt nun mein Projekt an, lässt diese ‚Erzählung‘ besonders zwei Aspekte außer Acht:

Diese Region gilt in intellektueller Hinsicht als weitgehend rückwärtsgewandt und konservativ, weil es zu dieser Zeit nur sehr wenig einflussreiche ‚deutsche‘ Autoren gegeben hat (Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe bekannter deutscher Autoren, die aber in der Regel in Frankreich lebten und schrieben).

Wenn man sich aber nicht nur die Produktion von Texten durch Autoren anschaut, sondern auch die Produktion von Handschriften – denn im 12. Jahrhundert mussten Texte ja noch mühsam von Hand kopiert werden – dann stellt man fest, dass gerade das Reich eine führende Stellung in dieser Produktion einnahm. Auch die alten Bibliothekskataloge geben Hinweise darauf, dass man hier modernes Wissen zumindest rezipiert hat, wenn man es schon nicht selbst verfasste.

Genau diese Vermutung möchte ich mir nun für den Bereich der Naturwissenschaften genauer anschauen. Anhand der Kataloge mittelalterlicher Bibliotheken und den erhaltenen Handschriften bzw. der Spuren, die die Zeitgenossen darin hinterlassen haben, erhoffe ich mir, Folgendes herauszufinden:

  • Was genau wurde wo gelesen und rezipiert?
  • Auf welchen Wegen verbreitete sich dieses Wissen?
  • Welchen Stellenwert hatte es?
  • Und wie genau ging man mit diesen Texten bzw. Handschriften um?
  • Und letztlich: Wie unterscheidet sich dieser Umgang von unserer modernen Einstellung zu diesem Wissen?

Wieso, mag der ein oder andere fragen, wieso der ganze Aufwand für ein paar handgeschriebene und veraltete Bücher? Weil ich glaube, dass es für eine Gesellschaft die so stark auf Wissen angewiesen ist, dass sie sich selbst als Wissensgesellschaft bezeichnet, wichtig ist, sich dem historischen Werden, aber auch den Brüchen ihres Wissens bewusst zu werden. Das eigene Wissens ist eben nicht universell gültig, sondern abhängig von der jeweiligen Kultur.

Vor allem beschäftige ich mich aber mit diesen Dingen, weil ich sie unglaublich spannend und faszinierend finde. Das sollte eigentlich reichen.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/22

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