Wissen Sie, was ich mich frage? Mein Blog hat einen humoristischen Charakter, aber darf ich wirklich lustig über philosophische Themen schreiben? Ich weiß, dass es bei uns so ist, falls jemand fragt, ob er etwas dürfe, reflexartig “natürlich” geantwortet wird. “Wer kann mir das schon verbieten?” Wir leben irgendwie in einem voluntaristischen Zeitalter. Aber das ist nicht, was ich meine. Was ich meine, ist etwas ganz anderes: Ich möchte wissen, ob es angemessen ist, so zu schreiben. Die Angemessenheit einer Sache interessiert mich, wissen Sie? Ob es würdig genug ist, so zu schreiben. Schließlich ist Philosophie die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Dingen überhaupt. Aber diese Dinge sind eben nicht lustig. Nun hat Aristoteles vor Kurzem über die lustige Komödie Folgendes geschrieben:
“Die Komödie ist, wie wir sagten, Nachahmung von schlechteren Menschen, aber nicht im Hinblick auf jede Art von Schlechtigkeit, sondern nur insoweit, als das Lächerliche am Hässlichen teilhat. Das Lächerliche ist nämlich ein mit Hässlichkeit verbundener Fehler, der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht, wie ja auch die lächerliche Maske hässlich und verzerrt ist, jedoch ohne den Ausdruck von Schmerz.” (Aristoteles’ Poetik 5, Übers. Manfred Fuhrmann)
Offenbar ist das Lustige in der Komödie auf eine eigentümliche Weise mit der Hässlichkeit und der Schlechtigkeit verbunden. Könnte es auch in diesem Blog der Fall sein? Mein Blog-Humor beschränkt sich einerseits auf lustige Beispiele (Ethik als Buffet) und Redewendungen (das Glück einer Gurke), unerwartete Gedankensprünge (laberrhabarber), dann darauf dass ich antike Philosophen zu modernen Fragestellungen so befrage, dass es zumindest nicht unwahrscheinlich ist, dass sie so abgebrüht etwas darüber sagen könnten (Platon über das Internet). Und schließlich hat man immer Freue daran, unwichtige Attribute der Protagonisten herauszuheben (Bärte, polierte Schienbeinschoner, eben alles, was zählt). Aber ist es angemessen, so über philosophische Fragen zu schreiben? Während Aristoteles eher die Ernsthaftigkeit in der Philosophie in den Vordergrund stellt – schließlich nennt er den Menschen mit gutem Charakter Spoudaios (übersetzt heißt das etwa: jemand, der etwas mit Ernst betreibt (vgl. z. B. Schottländer 1980: Der aristotelische Spoudaios)) – kennen wir die berühmte sokratische Ironie in Platons Dialogen (vgl. Vlastos 1987: Socratic irony), die offenbar das Gegenteil verfolgt. So regt sich beispielsweise Trasymachos, der Gesprächspartner des Sokrates, in der Politeia (337a) auf, weil Sokrates ihn mit seiner Art zu fragen und zu antworten nervt:
„Der lachte auf diese Worte hin lauthals und recht höhnisch heraus und sagte: ‘Bei Herakles, da ist sie, jene für Sokrates typische Ironie; ich wusste es ja und hatte es denen da gleich gesagt, dass du nicht antworten wolltest, sondern ironisch würdest und alles andere eher machtest als zu antworten, wenn dich einer etwas fragt.’” (Übers. Gottwein)
Bemerkenswert ist aber, dass Sokrates nur mit schlechten Gesprächspartnern trickreich umgeht. Wirklich lustig ist er, weil er mit seiner penetranten Art jeden zur Weißglut bringt, besonders bei Gorgias, Protagoras und auch mit dem genannten Trasymachos. Er scheint ein Talent dafür zu haben, die stolzen, aufgeblasenen Charaktere so zu reizen, dass sie zuerst platzen und dann anfangen nachzudenken. Aber im Gespräch mit der klugen Priesterin Diotima, mit dem begabten und interessierten Theaitetos oder mit dem viel älteren und weisen Parmenides suchen wir seine Ironie vergeblich. Er scheint sich also seinen Gesprächspartnern und den Situationen anzupassen.
Und nun? Welche Lehre ziehe ich daraus? Ist es unwürdig, so über Philosophie zu schreiben? Wenn das die einzige Annäherung wäre und es meinerseits kein Motiv gäbe, meine Leserinnen und Leser dazu zu bewegen, sich vielleicht in einem unerwarteten Moment an die eine oder andere Zeile hieraus zu erinnern und ohne die humoristische Komponente weiterzumachen, dann wäre es unwürdig. Ich aber glaube, ich kann wegen meiner guten Intention so weitermachen. Denn wenn ich nicht unterhaltsam schreiben würde, würde niemand mehr Lust haben, sich mit diesen philosophischen Inhalten auseinanderzusetzen. Diejenigen, die es ernst haben wollen und Zeit haben, sich intensiver mit der Philosophie auseinanderzusetzen, sind schließlich herzlich willkommen, die Ironie abzulegen und die Sache wirklich ernst zu betreiben, den Gedanken auf den Grund zu gehen, die Wahrheitsfindung zum eigenen Antrieb zu machen. In diesem Sinne und bis dahin aber hier ein Tipp für ein Buch, das Ihnen die Tränen in die Augen treiben könnte, falls Sie es möchten: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes.
Herzliche Grüße
D.
@philophiso
Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/506