Offene Archive – Offene Archivare?

Am 3. und 4. April 2014 fand im Hauptstaatsarchiv Stuttgart die Tagung „Offene Archive 2.1 – Social media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext“ statt. Doch eigentlich begann die Tagung schon früher. Auf dem (nicht nur) Tagungsblog http://archive20.hypotheses.org wurden vorab einige Abstracts der einzelnen Vorträge sowie einige Lebensläufe der Referenten bereitgestellt. Begleitend wurden über Twitter Interviews mit einigen der Referenten geführt.

Ein großes Dankeschön gilt dem Organisationsteam: Dr. Andreas Neuburger und Christina Wolf (Landesarchiv Baden-Württemberg), Dr. Joachim Kemper und Elisabeth Steiger (Stadtarchiv Speyer/ICARUS) und Thomas Wolf (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein).

Ca. 120 Teilnehmer waren nach Stuttgart gekommen. Doch es gab auch Teilnehmer, die nicht vor Ort waren. Sämtliche Vorträge und die sich anschließenden Diskussionen wurden per Livestream übertragen. Die im Tagungsraum installierte Twitterwall ermöglichte es den Teilnehmern vor Ort und zu Hause Gedanken mit einzubringen und sich parallel zu den Vorträgen auszutauschen. Smartphone und Netbook waren dementsprechend nicht nur geduldet, sondern auch willkommen. Das zu diesem Zwecke angebotene WLAN funktionierte allerdings nur bedingt.

Offen für Nutzer

Die Keynote hielt Kate Theimer. Das alte Modell, in dem Wissenschaftler das Archiv zwangsläufig aufsuchten und diese von Archivarinnen und Archivaren als primäre – ja wenn nicht gar einzig relevante – Nutzergruppe betrachtet wurden, trüge nicht mehr. Archive stünden zunehmend in einem gewissen Wettbewerb mit anderen Einrichtungen. Charakteristisch sei dabei – überspitzt formuliert – der Gedanke „If it’s not online I’m going to write about something else.“ Gewissermaßen unbeachtet blieben andere Nutzergruppen. Auch und gerade um diese sollten sich Archive bemühen. Theimers Gedanke eines „business model of archives“ stellt nicht mehr die Akten und die Informationen in den Mittelpunkt, sondern die Nutzer. Sich auf die Interessen und Fragestellungen einer breiten Nutzergruppe einzustellen und diese zu bedienen, ja die Nutzer förmlich auf das Archiv als Quelle zu stoßen sei der Weg, den es zu beschreiten gelte.

Doch Theimer blieb bei ihren Ausführungen über ein offenes Archiv nicht in der digitalen Welt hängen. Dass Archive auch analog und im direkten persönlichen Kontakt offen sein sollten und vor allem auch sein können, illustrierte Theimer durch ein Foto einer Art Pyjama-Party im Archiv.

Offen für Anregungen

Die Nachmittagssektion des ersten Tages bot den Tagungsteilnehmern vor allem Anregungen aus Bereichen, die (noch) nicht zwingend auf Anhieb mit der Archivwelt assoziiert werden. Gerade auf diesen Punkt machte Christoph Deeg aufmerksam. Deeg, der sich auf erfrischende Art und Weise für das Thema Gaming bzw. Gamification stark machte, wies deutlich darauf hin, dass eine Tagung, auf der nur Archivare mit Archivaren sprächen, wenig förderlich sei. Wir brauchen Einflüsse und Anregungen von außen. Nicht zuletzt auch von unsern Nutzern und potentiellen Nutzern. Provokant forderte Deeg auf, den nächsten Archivtag nicht zu besuchen, sollten dort keine Spielekonsolen aufgestellt werden. Käme die Archivwelt diesem Zuruf nach, so wäre der nächste Deutsche Archivtag sicherlich eine übersichtliche Veranstaltung.

Die Vorträge von Christoph Deeg und Marcus Bösch plädierten für die Nutzung des Spieltriebs. Das heißt nicht anderes als – um es mit Eugen Oker zu sagen – dem homo ludens eine Gasse direkt ins Archiv zu schlagen. Spielerische Elemente könnten nicht nur ein Motivator zur Archivnutzung sein, sondern auch die Einbindung der Nutzer in archvarische Tätigkeiten fördern, wie z.B. im Bereich Crowdsourcing.

Dass Archive in der Nutzung von Web2.0-Plattformen und -Möglichkeiten hinter anderen Bereichen bisher zurück bleiben zeigten die Beiträge von Tanja Praske und Alexander Ebel. Praske konnte aufzeigen, dass der Blog als wichtiges Kommunikationsmittel für Museen durchweg eine Erfolgsgeschichte ist. Ebel hingegen stellte die Nutzung von social media in der kirchlichen Arbeit vor: Von der digitalen Begleitung des Konfirmandenunterrichts über gemeinsame Gebete auf Twitter bis hin zu einer Twitterwall im Gottesdienst. Wenn die Museen ihre Arbeit und ihre Themen transparent via Blog präsentieren, warum dann nicht auch Archive? Wenn sogar im Gottesdienst eine Twitterwall steht und Konfirmaden mit Flickr arbeiten, warum dann nicht auch Archive?

Offen für Versuche

Dass solche Anregungen wertvoll und nötig sind, zeigte besonders deutlich Bastian Gillner. Er führte den Teilnehmern vor Augen, dass sich die konkreten archivarischen Arbeitsabläufe in den letzten Jahrzehnten kaum bis gar nicht verändert hätten und dies trotz völlig anderer Vorzeichen und Bedingungen. Zu diesen gehöre auch das Web2.0. Der Diskurs sei noch nicht wirklich in der Fachdiskussion angekommen, so Gillner. Einen goldenen Weg gibt es (noch?) nicht. Web2.0 lernt man nur durch Nutzung von Web2.0. Dazu gehört das Experimentieren; mit Erfolgen als auch mit Sackgassen als Ergebnis.

Offen für Vorbilder

Der zweite Tagungstag wurde eingeleitet durch Vorträge von Kolleginnen und Kollegen aus unseren Nachbarländern. Dabei stellte sich heraus, dass die Diskussion, wie sie im deutschen Archivwesen langsam zunehmend geführt wird, insbesondere in den Niederlanden und Dänemark etwas auf Unverständnis stößt. Die Vorbehalte und Bedenken bezüglich des Einsatzes von social media, die auch in den Diskussionen auf der Tagung hervortraten, scheinen bei unseren Nachbarn nur eine geringe Rolle zu spielen. Die Präsenz von Archiven und Archivmitarbeitern auf Plattformen wie Facebook, Twitter, Flickr oder Pinterest ist stärker und selbstverständlicher als Deutschland der Fall. Eben diese Selbstverständlichkeit fehlt im deutschen Archivwesen.

Offen für die Crowd

Das Thema Crowdsourcing nahm einen Großteil der Tagung ein. Die Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Archivsparten stellten dabei ihre Projekte vor. Bei diesen werden Nutzer vor allem in die Erschließungsarbeit mit einbezogen. So können sie beispielsweise helfen Fotos zu identifizieren und Texte zu transkribieren. Zwei Arbeitsfelder für die den Archiven zum einen oft die Gelder und zum anderen oft das Knowhow fehlen. Archive profitieren dabei jedoch nicht nur vom Input der Nutzer. Verwenden Archive hierfür u.a. stark frequentierte social media Plattformen, so ziehen sie auch ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit auf sich.

Offene Archivare

Dass das Web2.0 und insbesondere social media fester Bestandteil der Kommunikations- und Informationskultur unserer Zeit sind, blieb unbestritten. Allerdings gab es Vorbehalte ob der Sorge, dass nun alles ins Digitale dränge und dabei alles Analoge und Persönliche nun abgeschrieben werden solle. Mehrfach wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der Weg in das Web2.0 eine Ergänzung, keine Ablösung sei.

Noch immer gibt es auf diesem Weg einige Hindernisse, auch wenn schon ein gutes Stück des Weges gemacht ist. Noch immer halten sich insbesondere gegenüber social media Vorurteile: Zu viel Zeitaufwand, zu wenig Resonanz, zu viel unwichtige Informationen. Dem gegenüber stehen jedoch die entsprechenden Erfahrungswerte, die zeigen, dass der Einsatz von social media mit einem überschaubaren Zeitaufwand durchaus Früchte trägt. Voraussetzung dafür ist zweifelsohne das Begreifen von social media als Kommunikationsform und das beinhaltet auch „Belanglosigkeiten“ gewissermaßen als Trägermaße für die Information, die Botschaft. Social media ist vor allem eine Frage der Einstellung.

Die Evaluierung ist jedoch nicht leicht. Zwar gibt es unzählige Möglichkeiten des Monitorings, doch lässt sich mit solchen Tools die Frage, ob beispielsweise eine Archiv-Facebook-Seite an sich erfolgreich ist, kaum beantworten. Erfolg bemisst sich nicht nur an Followern und Kommentaren. Wie Neil Bates in seinem Vortrag sagte: „It’s not about traffic. It’s about reach.“

Der Schwarze Peter darf jedoch nicht einfach den Archiven, die in diesem Feld nicht aktiv sind zu geschoben werden. Mehrere Teilnehmer vor Ort und über Twitter wiesen auf die Schwierigkeiten hin, ein entsprechendes Engagement innerhalb der Verwaltung durchzusetzen. Die sich hier anschließenden Fragen und Lösungswege wurden leider nicht erörtert.

Offen in die Zukunft

Folgende Ergebnisse der Tagung haben sich m.E. herauskristallisiert:

  • Archivarinnen und Archivare sollten den Nutzer in den Mittelpunkt stellen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog mit dem Nutzer suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog auch mit Kreisen außerhalb des Archivwesens suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten ihre Archive öffnen; analog wie digital, wobei keines der beiden das jeweils andere ausschließt.
  • Archivarinnen und Archivare sollten sich trauen social media zu nutzen und damit zu experimentieren.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1658

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Links zur Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts (3): Wieder zwei Blogs. Und was für welche!

Nicht direkt zu 1848 diesmal, aber es muss ja der Titel vom letzten Mal nicht wörtlich wiederholt werden, um die „3“ in der Klammer zu rechtfertigen. Ganz neu sind sie auch beide nicht, sondern feiern im Mai 2014 jeweils ihr einjähriges Bestehen. Das sei als – wenn auch etwas fadenscheiniger – Anlass genommen, gerade jetzt auf zwei erfreuliche und wichtige Blogs hinzuweisen:

Aktenkunde

Unter diesem so schlichten wie aussagekräftigen Titel begleitet Holger Berwinkel (tätig im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes) seine Arbeit an einer Monographie zum Thema, na was wohl, Aktenkunde. Wer meint, das müsse spröde und langweilig sein, hat es noch nicht gesehen. Der Autor bietet unter anderem bibliographische Hinweise zu einschlägigen Standardwerken und neu erschienenen Aufsätzen; daneben Berichte dazu, wo Aktenkunde im politischen und medialen Tagesgeschehen wichtig ist – oder wäre, wenn die Beteiligten denn etwas davon wüssten; nicht zuletzt auch eingehende Beispielanalysen zu einzelnen Schriftstücken. Einige Aufmerksamkeit erhielt er vor kurzem mit seiner Diskussion der als Beweis für eine offenbar beliebte Verschwörungstheorie gehandelten „Kanzlerakte“ (Spoiler: nicht nur ist es eine Fälschung, sondern nicht einmal eine halbwegs kompetente). Eine persönliche Empfehlung vom Verfasser dieser Zeilen ist aber dieser Beitrag, in dem Berwinkel zeigt, was auch einem auf den ersten Blick eher zum Schmunzeln verleitenden Schriftstück abzugewinnen ist.

Ganz im Ernst aber: Dass Aktenkunde selbst unter den ohnehin immer weiter zurückgedrängten historischen Grund- (nicht: Hilfs-) wissenschaften meistens eher einen Platz in der zweiten Reihe bekommt, ist umso weniger zu rechtfertigen, als Akten zu den wichtigsten Quellen der neueren und neuesten Geschichte zählen und von weit mehr HistorikerInnen regelmäßig benutzt werden als nahezu jeder andere Quellentyp. Dass es sich nicht von selbst versteht, wie mit ihnen umzugehen ist, ist das Allererste, was Lesende aus Holger Berwinkels Blog mitnehmen sollten. Das klassische discrimen veri ac falsi ist für einen (angeblichen) maschingeschriebenen Bericht von 1992 mitunter ebenso notwendig wie für eine (vorgebliche) Urkunde Ludwigs des Frommen und erfordert ebenso spezialisierte Kenntnisse1. Darüber hinaus kann und sollte eine vertiefte Erforschung amtlichen Schriftguts auch für die Kulturgeschichte des Politischen fruchtbar gemacht werden, die inzwischen schon länger weiß, dass Verwaltung auf allen Ebenen zu ihren unverzichtbaren Untersuchungsgebieten gehört. Und natürlich ist sie auch für die Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt eine conditio sine qua non. Wenn diese Edition später einmal Kopfregesten hat, über die die Verfasser der Schriftstücke nicht gequält lachen müssten, wovon kann das nur kommen? Richtig: von der Aktenkunde.

Übergangsgesellschaften

Der Untertitel dieses Blogs lautet „Ländliche Politik in der europäischen Moderne – ein Forschungsprojekt“, womit im Grunde schon klar sein sollte, warum es einen Link von „Achtundvierzig“ nach dort braucht. Autorin ist Anette Schlimm, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig ist. Ihr Projekt selbst heißt „Übergangsgesellschaften. Zur Politik und Politisierung ländlicher Gesellschaften in Mitteleuropa, ca. 1850–1950“ und wird von ihr in diesem Beitrag besser beschrieben, als das hier geschehen könnte. Nur ein paar Eckpunkte: mit dem „Übergang“ ist jener von der Agrar- zur Industriegesellschaft gemeint, der „längst nicht nur die Wirtschaftsweise“ betraf, sondern „alle Bereiche des Lebens“ – allerdings „im politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Bereich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was zu Ungleichzeitigkeiten, Spannungen und Konflikten führte“. Das Projekt fragt nach der Mikroebene ländlicher Gesellschaften im Verhältnis zu dieser Makroebene der gesamtgesellschaftlichen Transition, und insbesondere nach der Politik ländlicher Gemeinden. Diese werden sowohl als Akteure als auch als Räume des Politischen begriffen – gleichzeitig. Das ist für den Berichterstatter besonders faszinierend, zumal er selbst schon einmal (ohne Kenntnis dieses Projekts und wohl etwas naiv) auf die Idee gekommen ist, dass sich Gemeinden im Zuge des Übergangs von der ständisch-vormodernen Gesellschaft in die moderne Staatlichkeit tendenziell von Akteuren zu Räumen gewandelt hätten2. Das war natürlich überspitzt …

Die drei Ziele des Projekts lauten:

1. Den „Einfluss von Selbstverwaltungstraditionen und -formen auf Politisierungsprozesse“ untersuchen (gespannt ist Berichterstatter darauf, wie Politisierung definiert wird!);

2. „ländliche Gemeinden als wichtige[n] Bestandteil gesamtgesellschaftlicher Mobilisierungsprozesse sichtbar“ machen (dringend nötig: Die Annahme, dass Stadt und Moderne deckungsgleich sind, ist so ubiquitär und so forschungsleitend, dass sie zu Einseitigkeiten und Ausblendungen aller Art geführt hat und es weiterhin tut);

3. Methoden der global studies auf eine europäische Region anwenden (auch das höchst lobenswert; in der Kulturgeschichte des Politischen heißt das Modewort dafür „ethnologischer Blick“, und das sollte nicht bloß immer wieder beschworen, sondern methodologisch ernst genommen werden).

Das Blog bringt unter anderem Lektüren, Veranstaltungshinweise (eine eigene Tagung „Herrschaft vor Ort3  hat auch schon stattgefunden), nicht zuletzt Berichte über Rechercheergebnisse und Rechercheerlebnisse (Kategorien „Fundstücke“, „Exkursionen“), stets in einer ansprechenden, lebendigen Schreibweise. Einen persönlichen Lieblingsbeitrag hat der Schreiber dieser Zeilen auch auf diesem Blog. Die Präferenz dürfte sich von selbst erklären.

  1. Nota bene: Es ist vermutlich kein Zufall, dass Holger Berwinkel selbst ausgebildeter Mediävist ist. Dissertiert hat er noch zu einem Thema, das ihm eher keinen Link von unserem Blog verschafft hätte: BERWINKEL, Holger: Verwüsten und Belagern. Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand  (1158–1162) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 114), Tübingen 2007.
  2. STOCKINGER, Thomas: Dörfer und Deputierte. Die Wahlen zu den konstituierenden Parlamenten von 1848 in Niederösterreich und im Pariser Umland (Seine-et-Oise) (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 57), Wien – München 2012, 358.
  3. Zwischendurch mal ein winziger Kritikpunkt: Die inflationäre Verwendung des Ausdrucks „vor Ort“ ärgert den Schreiber dieses schon seit geraumer Zeit, und er würde Lokalgeschichte zu gern einmal anders beworben sehen.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/560

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Digitale Kunstgeschichte in der Schweiz: Voraussetzungen und Perspektiven

Das digitale Zeitalter hat die Disziplin der Kunstgeschichte nachhaltig verändert. Primärquellen aus Archiv- und Bibliotheksbeständen werden laufend digitalisiert und sind in zunehmendem Mass online auffindbar. Immer mehr digitale Repositorien bieten den Forschenden Informationen zu Personen, Institutionen und Kunstwerken.

Das SIK-ISEA (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft) organisiert in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich und mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich zu diesem Thema eine internationale Arbeitstagungin Zürich..

Datum: 26.–27.6.2014

Programm: Donnerstag, 26. Juni 2014

11.00–11.15 Uhr: Begrüssung / Einführung
11.15–12.00 Uhr
Prof. Dr. Anna Schreurs-Morét
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Keynote (30 Min.) mit Diskussion (15 Min.)

12.00–13.00 Uhr: Mittagspause
13.00–15.00 Uhr
Parallel durchgeführte, protokollierte Workshops (Modul 1)

Open Access
-Moderation: Dr. Dirk Verdicchio, Koordinator Open Access,
Universität Bern, Universitätsbibliothek
-Co-Moderation: Dr. iur. Kai-Peter Uhlig, Rechtsanwalt, Zürich

Digital Workspace
-Moderation: Dr. Sonja Palfner, Projektleiterin E-Science Interfaces
-Co-Moderation: Dr. Heike Neuroth, Leiterin der Gruppe Forschung und
Entwicklung, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen

Normdaten
-Moderation: Dr. Christian Bracht, Direktor Bildarchiv Foto Marburg
-Co-Moderation: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale
Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und Kunsthistorisches
Institut (Universität Zürich)

Digitalisierung und Methodologie
-Moderation: Prof. Dr. Martin Warnke, Professor für Digitale Medien und
Kulturinformatik, Leuphana Universität, Lüneburg
-Co-Moderation: lic. phil. Michael Schmid, Leiter Schweizerisches
Kunstarchiv, SIK-ISEA, Zürich

15.00–16.00 Uhr: Pause
16.00–17.30 Uhr
Plenum: Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops von Modul 1 (je 20
Minuten) mit Diskussion

Open Access: Dr. Dirk Verdicchio
Digital Workspace: Dr. Sonja Palfner
Normdaten: Dr. Christian Bracht
Digitalisierung und Methodologie: Prof. Dr. Martin Warnke

17.30–18.00 Uhr: Pause
18.00–19.00 Uhr
Abendvortrag

Prof. Dr. David Gugerli
Professur für Technikgeschichte, ETH Zürich
“Korrespondenzen der digitalen Gesellschaft. Wie die Welt in den
Computer kam”

19.00 Uhr: Ende des ersten Tagungstages

Freitag, 27. Juni 2014
9.00–9.45 Uhr
Prof. Dr. Hubertus Kohle
Ludwig Maximilians-Universität München
Keynote (30 Min.) mit Diskussion (15 Min.)

10.00–12.00 Uhr
Parallel durchgeführte, protokollierte Workshops (Modul 2)

Big Data
-Moderation: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale
Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und Kunsthistorisches
Institut Universität Zürich)
-Co-Moderation: Dr. Christian Bracht, Direktor Bildarchiv Foto Marburg

Archive und Sammlungen
-Moderation: lic. phil. Michael Schmid, Leiter Schweizerisches
Kunstarchiv, SIK-ISEA, Zürich
-Co-Moderation: Prof. Dr. Martin Warnke, Professor für Digitale Medien
und Kulturinformatik, Leuphana Universität, Lüneburg

Digitalisierung und Recht
-Moderation: Dr. Kai-Peter Uhlig, Rechtsanwalt, Zürich
-Co-Moderation: Dr. Dirk Verdicchio, Koordinator Open Access,
Universität Bern, Universitätsbibliothek

Nachhaltigkeit
-Moderation: Dr. Heike Neuroth, Leiterin der Gruppe Forschung und
Entwicklung, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen
-Co-Moderation: Dr. Sonja Palfner, Projektleiterin E-Science Interfaces

12.00–13.30 Uhr: Mittagspause
13.30–15.00 Uhr
Plenum: Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops von Modul 2 (je 20
Minuten) mit Diskussion

Big Data: Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ
Archive und Sammlungen: lic. phil Michael Schmid
Digitalisierung und Recht: Dr. Kai-Peter Uhlig
Nachhaltigkeit: Dr. Heike Neuroth

15.00–16.00 Uhr: Pause
16.00–17.00 Uhr
Roundtable mit Diskussion im Plenum
Moderation: Prof. Dr. Anna Schreurs, Prof. Dr. Hubertus Kohle, Vertreter
der Organisatoren

Verabschiedung der Erklärung “Acht Punkte zu einer digitalen
Kunstgeschichte” / “Eight Points Towards a Digital Art History”

17.00–18.00 Uhr: Aperitif
18.00 Uhr Ende der Tagung

Vorträge / Moderation
Christian Bracht, Dr. phil.
Direktor, Bildarchiv Foto Marburg

Roger Fayet, Dr. phil.
Direktor, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA),
Zürich

David Gugerli, Prof. Dr.
Professur für Technikgeschichte, ETH Zürich

Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ
Leiter Digitale Kunstgeschichte, Institut gta (ETH Zürich) und
Kunsthistorisches Institut (Universität Zürich)

Hubertus Kohle, Prof. Dr.
Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte,
Ludwig-Maximilians-Universität München

Heike Neuroth, Dr. rer. nat.
Leiterin der Gruppe Forschung und Entwicklung, Niedersächsische Staats-
und Universitäts-bibliothek Göttingen

Matthias Oberli, Dr. phil.
Abteilungsleiter Kunstdokumentation, Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), Zürich

Sonja Palfner, Dr. phil.
Projektleiterin E-Science Interfaces, Friedland-Weichensdorf

Michael Schmid, lic. phil.
Leiter Schweizerisches Kunstarchiv, Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschaft (SIK-ISEA), Zürich

Anna Schreurs-Morét, Prof. Dr.
Professur für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit,
Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Kai-Peter Uhlig, Dr. iur.
Rechtsanwalt, Zürich

Dirk Verdicchio, Dr. phil.
Koordinator Open Access, Universität Bern, Universitätsbibliothek Bern

Martin Warnke, Prof. Dr.
Professur für Digitale Medien und Kulturinformatik, Leuphana
Universität, Lüneburg

Tristan Weddigen, Prof. Dr.
Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Neuzeit, Universität Zürich

Konzept und Organisation:
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA)
Dr. Roger Fayet, Direktor
Dr. Matthias Oberli, Abteilungsleiter Kunstdokumentation
lic. phil. Michael Egli, Leiter Datenbanken
lic. phil. Regula Krähenbühl, Leiterin Wissenschaftsforum

Universität Zürich, Kunsthistorisches Institut
Prof. Dr. Tristan Weddigen

ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta
(D-ARCH)
Thomas Hänsli, dipl. arch. ETHZ, Leiter Digitale Kunstgeschichte /
Digitale Diathek

Die Tagung haben – neben anderen – unterstützt
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW)
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung (SNF)

Tagungsort
SIK-ISEA, Zollikerstrasse 32 (Nähe Kreuzplatz), CH-8032 Zürich
T +41 44 388 51 51 / F +41 44 381 52 50
sik@sik-isea.ch, www.sik-isea.ch

Deadline zur Registrierung: 13. Mai 2014

Teilnahme und Anmeldung
Von den Teilnehmenden wird eine aktive Mitarbeit in je einem Workshop in den Modulen 1 und 2 erwartet. Tagungssprache ist Deutsch.  Bitte melden Sie sich an bis am 13. Juni 2014 (per Post, per E-Mail oder per Fax an die oben angegebenen Koordinaten) und geben Sie uns Ihre Workshop-Präferenzen sowie Ihren Arbeitsschwerpunkt bekannt.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Die Platzzahl ist beschränkt.

Weitere Informationen: http://www.sik-isea.ch/Aktuell/Veranstaltungen/tabid/116/activeid/1560/Default.aspx

Programm und Abstracts
www.sik-isea.ch/digital-art-history

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3441

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Bewilligt! Unser Call4Papers für die Ad-hoc-Gruppe zum Thema: „Krise der Kommunikation: Wo bleibt der soziologische Diskurs?“ beim DGS-Kongress 2014 (Deadline: 10.05.2014)

Unter dem Stichwort „Kommunikationskrisen der Soziologie“ möchten wir der Unterrepräsentation der Soziologie im wissenschaftlichen Diskurs und in der Öffentlichkeit nachgehen. Wir wollen zu den Anfängen der Soziologie zurückblicken und uns fragen, welche Funktion sich die Gründer für die Soziologie versprachen … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6630

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Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms

 

LehrerInnen und auch Studierende sind ob mancher theoretischer Diskussionen in der Geschichtsdidaktik nicht selten verwundert bis verärgert. Die Frage nach der Relevanz einer oftmals abgehoben erscheinenden Wissenschaft ist tatsächlich nicht immer unberechtigt. Selbstverständlich besitzt zwar der Diskurs über Theorien, die Grundlagenforschung, ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit. Allerdings hapert es eben an der praktischen Umsetzung. Es stünde daher der Geschichtsdidaktik gut an, den “Elfenbeinturm”, in dem sie sich gerne selbst feiert, gelegentlich zu verlassen. 

 

“Mit Worten läßt sich trefflich streiten”

Michael Sauer hat an dieser Stelle erst kürzlich das “E=mc2″ der Geschichtsdidaktik, wie Martin Lücke die Formel “Sinnbildung über Zeiterfahrung” bezeichnet hat, kritisch hinterfragt. Die Reaktionen darauf blieben freilich nicht aus, ein Rekord an Kommentaren war zu verzeichnen. Im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts ist dies freilich zu begrüßen, dennoch ist die große Anzahl an Stellungnahmen auch symptomatisch für eine Didaktik, die den Weg in die Praxis offenbar nur schwer bzw. oftmals gar nicht findet. Wie kann es ansonsten sein, dass ein Beitrag über Methodik, wie er von Christoph Kühberger geliefert wurde, kaum zu Stellungnahmen angeregt hat. Immerhin weist aber auch Monika Fenn mit ihrem Beitrag zum conceptual change den Weg in eine pragmatische Geschichtsdidaktik. Wie ein solcher Weg nun beschritten werden soll, ist aber noch ausführlich zu diskutieren.

Sichern, abseilen, Wege finden …

Der Redaktionssitz von Public History Weekly befindet sich in der Schweiz, und so ist die Metapher des alpinen Abstiegs durchaus passend: GeschichtsdidaktikerInnen müssen sich sichern (theoretisch fundieren), müssen sich abseilen und Wege in die Niederungen finden (die Theorie durch die Entwicklung einer Methodik, durch das Ausprobieren adäquater Methoden sowie schließlich durch den Lackmustest in der Praxis verifizieren oder letztlich auch modifizieren). Alle theoretischen Diskussionen der letzten Jahre zielen darauf ab, das traditionelle Instruktionsparadigma durch die Ermöglichung von “kooperativen Deutungsprozessen” (Jürgen Habermas), durch das interpretative Paradigma, das wechselseitige Verständigung vorsieht, abzulösen. Dabei ist darauf zu achten, historisches Lernen vor allem in die Lebenswelten der Lernenden einzubetten und es als bedeutungsvoll für die eigene Lebenswelt erkennbar zu machen (konzeptuelles Lernen, Prozessorientierung, Adressaten- und Lebensweltorientierung) sowie den aktiv-handelnden Umgang mit Lerngegenständen zu ermöglichen (Handlungsorientierung).

Geschichtsdidaktische Lernverfahren

Zugegeben: Diese Überlegungen klingen genauso kompliziert wie die Diskussionen über Geschichtsbewusstsein, Sinnbildung über Zeiterfahrung oder über die diversen Kompetenzmodelle, die in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt haben. Aber sie gehören eben auch zur theoretischen Diskussion und sind daher durchaus notwendig. Für die Praxis lassen sie sich verständlich machen, wenn wir sie zum Beispiel in die geschichtsdidaktische Trias der darbietenden, erarbeitenden und forschend-entdeckenden Lernverfahren einbetten: Die Geschichtsdidaktik muss Methoden verwenden und Lernarrangements entwickeln, die einerseits die Vermittlung von Informationen ermöglichen und andererseits die Individuen miteinbinden, indem deren unterschiedliche Voraussetzungen berücksichtigt, Multiperspektivität gefördert und deren Kompetenzen geschult werden. Alle drei Lernverfahren sind ineinander verschränkt zu betrachten: Sowohl fertige “Unterrichtsprodukte” als auch die Handlung als didaktischer Eigenwert müssen gleichberechtigt nebeneinander, zugleich aber je nach Lehr- und Lernzielen auch in eine Hierarchie gestellt werden. Als zentral gilt dabei folgende Maxime: Alle entwickelten Methoden und Lernarrangements sind nicht nur in einen theoretischen Kontext einzubinden, sondern zugleich – durch die Entwicklung von Unterrichtsbeispielen und im Idealfall durch ihre Erprobung und Evaluierung – in die Praxis zu transferieren.

Die Praxis als Zentrum der Geschichtsdidaktik?

Wenn hier die Praxis als Zentrum der Geschichtsdidaktik bezeichnet wird, so ist freilich keineswegs ihre Reduzierung auf eine schlichte Anwendungslehre gemeint, die vor allem durch Praxis, d.h. durch und im Unterricht entwickelt wird. Vielmehr wird darunter die praktische Erprobung theoretisch-methodischer Überlegungen verstanden, die auch empirisch begleitet werden sollte. Schließlich muss erneut der Aufstieg in die Höhen der Theorie gewagt werden, der Weg in den Elfenbeinturm, der dann aber umso mühsamer ausfällt, zumal die “Mühen der Ebene”, die Erkenntnisse, die in der “harten” schulischen Realität erworben wurden, in die Theorie einzuarbeiten sind. Dabei besteht zwar die Gefahr, dass manche theoretischen Konstrukte relativiert werden müssen. Aber wie heißt es in dem Song “Scheitern ist schön” von ‘Fiasco Électrique’? “Auch der Bauchfleck will gelernt sein / Wenn das Misslingen dich zerbricht / Denn schöner scheitert zumeist jener / Der es bedingungslos verficht”. Aus dem schönen und bedingungslosen Scheitern kann ja letztlich auch Produktives entstehen. Vielleicht muss die Geschichtsdidaktik dann auch nicht mehr ständig, wie Michele Barricelli in einem früheren Beitrag in Public History Weekly beklagt hat, in Verteidigungshaltung gegenüber den LehrerInnen und Studierenden gehen.

 

 

Literatur

  • Günther-Arndt, Hilke (Hrsg.): Geschichtsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, 4. Auflage, Berlin 2012.
  •  Völkel, Bärbel: Handlungsorientierung im Geschichtsunterricht, 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2008 (Methoden historischen Lernens).
  •  Wenzel, Birgit: Kreative und innovative Methoden. Geschichtsunterricht einmal anders, 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2011 (Methoden historischen Lernens).

Externe Links

 


Abbildungsnachweis

© Zenodot Verlagsgesellschaft mbH / Wikimedia Commons. Lizenzfreie Darstellung des Gemäldes ‘Meditierender Philosoph’, vermutlich Rembrandt (1632). Ausgestellt im Musée de Louvre, Richelieu, 2. Stock, Saal 31.

Empfohlene Zitierweise
Hellmuth, Thomas: Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms. In: Public History Weekly 2 (2014) 16, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1931.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

The post Geschichtsdidaktik im Schatten des Elfenbeinturms appeared first on Public History Weekly.

Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-16/geschichtsdidaktik-im-schatten-des-elfenbeinturms/

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Kurt Schwitters: Die Sammelkladden. Bleichsucht und Blutarmut

Blutarmut

Bleichsucht und Blutarmut” steht auf der Kladde im Halbkreis ausgeschnitten. Und unten: “Fort mit den TÄTOWIERUNGEN“.

In dieser Sammlung finden sich die Briefe, Postkarten und Zeitungsausschnitte, die Kurt Schwitters in den Jahren 1919-21 sammelte, zusammenklebte und verMERZte. Ausserdem sind einige Skizzen der Antworten des MERZ-Künstlers (und seiner Frau) enthalten.

Bereits diese, relativ kleine Sammlung (unter 60 Blätter) zeugt das rege Leben, fulminante Aktionen und Unverständnis des Publikums. Man kann die Inhalte in mehrere Gruppen kategorisieren:

Dadaisten. 

Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck, Tristan Tzara – die Korrespondenz sprudelt (wenn auch einseitig, da die Antworten von Schwitters in dieser Kladde kaum enthalten sind). Tzara, Serner sind von Schwitters Arbeiten begeistert, nehmen mit ihm Kontakt auf und möchten ihn im finanziell geplagten Band “Der Zeltweg” veröffentlichen.

Die “Status Quo”-Entwicklungen, die den kanonischen Stereotypen teilweise widersprechen. Richard Huelsenbeck, der oft in Schwitters’ Biographien als sein Counterpart dargestellt wird, ist dem MERZer wohlwollend gesonnen. Klar, gibt es Differenzen, klar, es wird an ihrer Freundschaft gerüttelt. Doch ist Huelsenbeck fernab seiner zugesprochen nihilistischen Pose. Er schreibt freundlich und bestimmt:

Sie wissen dass ich Ihnen durchaus sehr freundschaftlich gegenüber stehe. Ich finde auch, dass der gewisse Gegensatz, den Sie und ich zwischen unseren Tendenzen feststellen konnten, uns nicht hindern dürfe, gemeinsam gegen den gemeinsamen Feind, Bourgeoisie und Banausentum vorzugehen (Bl. 11r, Sammelkladden, S. 18)

Raoul Hausmann pflegt zwar gute (ja beste) Freundschaft mit Schwitters, will aber mit der expressionistischen “Sturm-Gallerie” (in welcher Schwitters ausstellte) und seinem Initiator Herwarth Walden nichts zu tun haben und wird auf Dauer zickig:

Ist Herr Walden für mich so belanglos, dass ich Dir aus diesem Grunde versichern kann, dass ich mein Blatt damit nicht belästigen werde. (Bl 1, Sammelkladden, S. 8)

Man sieht, es brodelt nur so vor Differenzen und Diskrepanzen zwischen Freundschaft und dem künstlerischen Schaffen, man zieht sich gegenseitig aus gemeinsamen Projekten zurück, um im nächsten Moment wieder zu kooperieren. Und Schwitters bleibt loyal gegenüber seinen Aussteller und Verleger, aber auch vertritt er Interesse seiner Dada-Freunde und empfiehlt sie überall weiter.

Verleger, Aussteller.

Das sind meistens Geschäftsbriefe, Ideen, Projektandeutungen. Man liest zwischen den Zeilen die Problematik, den schwer zugänglichen Avantgardisten zu vermarkten, in Zeiten der Nachkriegsinflation und knapper Kassen. Man bleibt aber erfinderisch.

Schwitters’ Verleger Steegemann beispielweise realisiert eine der ersten Viralen Campagnen zu dem Gedichtband “Anna Blume”: er lässt auf den Wänden Hannovers in einer Guerilla-Aktion Plakate mit Zehn Geboten kleben, und eine Woche darauf werden die Gebote mit dem eigentlichen Gedicht überklebt. Die Öffentlichkeit rastet aus, speit und wird auf die Palme gebracht. Man reisst die Plakate ab, man überschreibt die Plakate mit eigenen Texten, Parodien, Sarkasmen, die besten davon werden wiederum von Steegemann in seiner Zeitschrift “Der Marstall” veröffentlicht.

Es ist eindeutig eine  fröhliche und aggressive Taktik, das Spießbürgertum aus ihren Schlafsesseln auszurütteln. Das Publikum wird echt sauer.

Publikum (negativ).

Hier sind (wohl nicht alle, aber einige aussagekräftige) Exemplare der Reaktionen auf Schwitters Schaffen präsentiert. In Möchtegern-Parodien versucht man, dem Autor zurückzuzahlen, wie dieser Anonymer:

Liebes Anna Blume Tier
ich liebe Dir.

Du scheinst nicht mehr ganz richtig zu sein. In Ilten [psychiatrische Heilanstalt,- V.A.] ist noch eine Zelle frei (Bl. 37, Sammelkladden, S.44)

Auf die psychische Unzurechnungsfähigkeit versuchen viele Kritiker das ganze Schaffen Schwitters zu reduzieren. Sie sind verletzt in ihrer Kant’schen Mündigkeit, denn ihr Vernunft kann mit den Texten und MERZ-Bildern nichts anfangen. Und das nervt. Gewaltig.

Publikum (wohlwollend)

Doch nicht alle sind in ihrer eigenen Rationalität verletzt. Es gibt begeisterte, die auf der gleichen Wellenlänge mit Schwitters leben.

Da schreibt der Facharzt für innere Krankheiten, Dr. Rubin, der ein MERZ-Bild in seiner Praxis auf die Wand hängen lässt:

Als ich nach einiger Zeit ins Zimmer trat, hörte ich sowohl von meiner Frau als auch von unserem Fräulein Ausrufe des Entzückens. Offen gestanden: ich war platt! [...] Was die Damen entzückte, war nun nicht das >>merz<<liche der Bilder sondern der durch Farben- und Rahmenwahl gelungene freudige Gesamtwert. (Bl. 46 r, Sammelkladden, S. 51)

Das ist charakteristisch für Schwitters’ Oeuvre: er ist, in Gegensatz zu Berliner Dadaisten, ein Allround-Schaffender, er steht mit einem Fuss im bürgerlichen, mit dem anderen im anarchistisch-avantgarden. Nicht, dass er sich nicht entscheiden kann – er hat sich schon längst entschieden. Er kann das Publikum mit ungewöhnlichen Massnahmen empören, er kann das Publikum aber auch mit klassischen Motiven einlullen. (Es kulminierte in seiner traurigen Endphase, als Schwitters auf der norwegischen Insel  Hjertøya in einer einsamen Hütte sein Merzbau für sich allein realisierte, und gleichzeitig zum Überleben klassische Landschaftsbilder an das breite norwegische Öffentlichkeit verkaufte, das Publikum, das seine MERZ-Kunst in keinster Weise verstehen konnte.). Er kann aber auch mit einem Werk mehrere Zielgruppen auf einmal treffen und begeistern. Diese Multikompatibilität und Vielseitigkeit (ja stilistische Flexibilität) war einer der Hauptpunkte der Konflikte mit Berliner Dada, als Huelsenbeck den Merz-Künstler Kaspar Davin Friedrich der dadaistischen Revolution nannte und für die bürgerliche Verankerung kritisierte. Aber Schwitters verleugnete es nicht einmal, und distanzierte sich von DADA. Schwitters ist nicht DADA, er ist MERZ. Er hat das Bürgerliche infiltriert und praktiziert die Implosion einer bürgerlichen Gesellschaft.

Auf andere wirkt Schwitters’ Schaffen fast transzendental. Der Grafiker Georg Arndt schreibt:

Ich habe mich gefragt, woraus die starke und unmittelbare Wirkung Ihrer Bilder resultiert und gerate im Verlegenheit: Ich weiss es nicht, – ich fühle nur, dass es so ist, – Also ein mystischer Vorgang! (Bl. 20 r, Sammelkladden, S. 26)

Eine weitere – höchst affirmative und sympathische Reaktion – findet sich im Brief einer 15-jährigen Sophia Falk, die Anna Blume zeichnete, und zwar so, dass man das Bild von beiden Seiten (wie im Gedicht) sehen=lesen konnte:

Das Bild entspricht (meiner Meinung nach) wirklich Ihrem Gedicht. Sie brauchen nämlich nur das Bild von der anderen Seite gegen das Licht halten, und Anna [Bl. 50 v] ist >>von hinten, wie von vorne<< (Bl. 50 r, Sammelkladden, S. 54)

Das Bild finden Sie übrigens in der Illustration zu meinem vorherigen Eintrag.

Publikum (verwirrt)

Diese Gruppe versucht, vor allem “Anna Blume” zu verstehen. Diese Rezipienten wollen’s, können’s aber nicht. Sie werden nicht empört oder erzürnt, sondern eher verzweilfelt, und wenden sich an Schwitters mit Hilferufen, endlich das Gedicht zu erklären:

[...] Zunächst einmal die Frage, wer ist überhaupt Anna Blume? Was verstehen Sie unter 27 Sinnen, ich kenne nur 5? [...] Was he[ißt] ungezähltes Frauenzimmer? (Bl. 44, Sammelkladden, S. 49)

Vielleicht haben Sie den Drang mich aus diesem [...] Wirrwarr zu befreien, indem Sie mir den Weg andeuten, den ich zu beschreiten habe, um Sie [...] zu verstehn. Ich möchte fast sagen, ich hoffe bestimmt darauf, dass Sie mir antworten (Bl. 49 r., Sammelkladden, S.54)

Man merkt buchstäblich, wie Hirnschmalz schmelzt, wie Verzweiflung ihren Raum findet, doch die Leser geben nicht ab.

Leider sind die Antworten in dieser Sammelkladde nicht präsent. Es ist aber ein Briefentwurf von Helma Schwitters enthalten. Die Frau des Künstlers, eine wahre Heldin, Muse und Unterstützerin, schrieb in Schwitters’ Abwesenheit über die “Nebensächlichkeit der Technik” im Schaffen ihres Mannes. Dies sei für Schwitters Kunst unwichtig, sondern das Ganze:

Es ist ja auch vollkommen gleichgültig, ob der Künstler das Gepappe wieder übermalt [...] sehen Sie doch nicht hinter Einzelheiten, sehen und fühlen Sie doch die Kunst, die Kunst die unaussprechlich dahinter steht. [...] Nichts ist wert[]los, das Geringste und Hässlichste hat die Berechtigung Grundstein zum Schönen und Edelsten zu werden. [...] [Mein Mann] versucht aufbauend ihnen [den Menschen - V.A.] zur Freudigkeit an den Nichtigkeiten des Lebens, die alle zusammen doch wieder ein großes, herrliches Welterleben geben, zu verhelfen (Sammellkladden, S. 58)

Sie trifft ganz genau den Kern der Schwitters’schen Philosophie: kein Element seines Schaffens ist unwichtig, alles wird gegeneinander gewertet, alles ist zu einem Zwischenspiel, zu einer materiell-ideellen Interaktion verwoben und schaft somit ein Gesamtkunstwerk, das man nicht in Einzelteile auseinanderbauen sollte, wenn man dieses Gesamtkunstwerk denn wirklich begreifen möchte.

Interessant ist bei Bleichsucht und Blutarmut die Auswahl der Texte, die Schwitters selbst zusammenstellte – Skizze des Briefes seiner Frau, DADA-Korrespondenz, wütende Anonymbriefe, ein paar eigener Briefentwurfe – das alles wiedergibt die Unstabilität, Explosivität der Epoche, seiner aktiven Zeit als Künstler inmitten von Kulturfronten und Gesellschaftsumbrüche. Das werden wohl die weiteren Sammelkladden ebenso demonstrieren. Werden wir sehen.

S. auch weitere Teile der Rezension von “Kurt Schwitters. Die Sammelkladden 1919-1923″.

 

Quelle: http://merzdadaco.hypotheses.org/80

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Der Freitag über Bertrand Taverniers „Das Leben und nichts anderes“

Zur Geschichte des Suchens und Findens zählt auch die Geschichte der Personensuche nach Kriegen, darunter die Suche nach vermißten Soldaten. Ein Film, der einen solchen Suchdienst nach dem 1. Weltkrieg thematisiert, ist Bertrand Taverniers "Das Leben und nichts anderes"; der Freitag bespricht ihn in seiner aktuellen Ausgabe.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/838751380/

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Neuer Wein in neuen Schläuchen

Ausnahmsweise Werbung in eigener Sache an dieser Stelle – weil das behandelte Thema im Interessen- und Aktionsradius des Arbeitskreises liegt:

Klaus Ceynowa / Lilian Landes: Neuer Wein in neuen Schläuchen. Von Wissenschaftlern, die nicht nur anders publizieren, sondern auch anders schreiben werden”, erscheint in: Bibliothek. Forschung und Praxis, 2014. Als Preprint online verfügbar (leider nur bis zur Printpublikation im Juli 2014).

Vielleicht wäre das dhmuc.-Blog ja der geeignete Ort, um die Thesen des Artikels zu diskutieren?

Quelle: http://dhmuc.hypotheses.org/121

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Alles neu zu durchdenken? Archivische Bewertung im digitalen Zeitalter

ArchivpflegeCover80_14 

Was hat die Halskette der Kanzlerin mit digitaler Archivierung zu tun?  Diese und andere Fragen versuchen die Beiträge des Deutsch-Niederländischen Archivsymposiums 2013 zu klären. Wir starten hier die Reihe der Fachbeiträge im Blog. (Alle Beiträge vor diesem Hintergrund finden sich auch in der neuen Archivpflege 80/2014)

 

 

 

Alles neu zu durchdenken? Archivische Bewertung im digitalen Zeitalter (Dieser Beitrag wurde auf dem Deutsch-Niederländischen Archivsymposium in Arnheim gehalten und mit Fussnoten ergänzt.)

von Robert Kretzschmar

Am 1. September hatten wir im Bundestagswahlkampf das Fernseh-Duell zwischen Frau Merkel und Herrn Steinbrück. Binnen kurzer Zeit wurden 6.800 Tweets zur Halskette der Kanzlerin in die Welt geschickt – in eine digitale Welt, für die das Phänomen typisch ist. Insgesamt gab es 230.000 Tweets zum TV-Duell.[1]

Quelle: Twitter/http://loomings-jay.blogspot.de/

Sollen Archive Tweets dauerhaft dokumentieren? Die Frage ist nicht ausdiskutiert. Mancher Kollege hat sich jüngst eher ablehnend dazu geäußert.[2] Ich meine: Da unsere Welt heute sehr von kommunikativen Prozessen dieser Art geprägt ist, müssen wir das in das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft aufnehmen, kollaborativ und in angemessener, sehr verdichteter Weise. Hier besteht für mich Diskussions- und Handlungsbedarf.

So haben wir uns auch jüngst im Landesarchiv Baden-Württemberg in Abstimmung mit dem Stadtarchiv Stuttgart und der Württembergischen Landesbibliothek dazu entschlossen, private Blogs zu sichern, die im Kontext der Auseinandersetzungen um den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs (Stuttgart 21) entstanden sind.[3] Diese Entscheidung wurde aus der Überzeugung heraus getroffen, dass hier Vorgänge von landespolitischer Bedeutung greifbar sind, die wir nicht nur über amtliches Schriftgut im Archiv abbilden sollten. Als dann im Sommer in Baden-Württemberg ein neuer Generalstaatsanwalt berufen wurde und die Presse über ihn recherchierte, stieß sie in unserem Website-Archiv auf eine Liste, in die er sich als Befürworter von Stuttgart 21 eingetragen hatte. Das war natürlich eine Meldung wert[4] – Langzeitverfügbarkeit digitaler Dokumente für einen kurzfristigen Informationswert der Presse.

Fast eher schon zum klassischen Schriftgut gehören E-Mails, auch wenn sie in der Praxis archivischer Überlieferungsbildung vielfach noch außerhalb gezielter Aktivitäten zur Überlieferungs- und Theoriebildung geblieben sind. Die Archivwissenschaft hat sie bisher kaum beachtet. Das liegt vermutlich daran, dass die E-Mail zwischen Ebenen der mündlichen und schriftlichen Sphäre changiert und nicht so recht in archivarische Weltbilder passt.

Welche Bedeutung das E-Mail-Account eines Ministerpräsidenten gewinnen kann, hat aber im Sommer ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe bestätigt.

Ihm zufolge müssen E-Mails des früheren Ministerpräsidenten Mappus, die auf seinem dienstlichen Rechner zu Sicherungszwecken kopiert worden waren, unter Beachtung des Datenschutzes zwar gelöscht, zuvor aber dem Landesarchiv angeboten werden. Der ehemalige Ministerpräsident hatte auf Löschung dieser E-Mails geklagt. Die Presse hat darüber berichtet.[5] Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sondern aktuell Gegenstand eines Berufungsverfahrens.[6]

In unser Digitales Archiv, das 2001 seine Arbeit aufgenommen hat und seit 2012 im Regelbetrieb läuft,[7] haben wir in den letzten Jahren wiederholt ganze E-Mail-Accounts aus der politischen Leitungsebene übernommen. Ausschlaggebend dafür war der Befund, dass in den Behörden relevante E-Mails nicht selbstverständlich in den Geschäftsgang und zu den Akten gegeben werden – eine Realität, auf die wir reagieren müssen, auch wenn wir natürlich gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit die geregelte Aktenführung einfordern. So war der Ausgangspunkt einer konkreten Übernahme die folgende Aussage eines Ministerialbeamten: Nehmen Sie mein E-Mail-Account. Dort finden Sie alles Wichtige. Die Akten können Sie vernichten. Die sind ohnehin unvollständig

Insgesamt sichert unser Digitales Archiv aber vor allem digitale Überlieferungen aus geregelten Prozessen staatlicher Einrichtungen: Daten aus dem Umweltinformationssystem und zur Lebensmittelüberwachung, Geobasisdaten der Landesvermessung, eine Straßendatenbank und eine Lehrerdatenbank, digitalisierte Hochbaupläne der Bundesbahndirektion oder auch Einzelfälle digitaler Ermittlungsakten der Polizei. Das alles sind nur Beispiele.[8]

Die Bewertung ist dabei eingebettet in unser Konzept einer integrativen Überlieferungsbildung aus analogen und digitalen Unterlagen.[9] Auch dazu ein Beispiel: 2012 hat das neu geschaffene Ministerium für Integration eine systematische Bestandsaufnahme der Einbürgerungsverfahren in Baden-Württemberg durchgeführt. Ausgewertet wurden dazu Fragebögen von 1.057 Eingebürgerten und 44 Einbürgerungsbehörden. Sehr zeitnah – schon wegen der Löschpflichten – haben wir die elektronisch erfassten Auswertungen in das Landesarchiv übernommen und die Bögen zur Vernichtung freigegeben. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die mehrdimensionalen Nutzungsmöglichkeiten der Daten.[10]

Insgesamt ist unser Digitales Archiv auf alle Arten digitaler Überlieferungen ausgerichtet, also auf Dokumenten-Management-Systeme (DMS), elektronische Aktenführung, Hybrid-Akten, ersetzendes Scannen, elektronische Fachverfahren und Informationssysteme, E-Mail-Accounts, Datensammlungen, Webseiten und soziale Netzwerke (Web. 2.0, Blogs, Twitter). In der Praxis sichern wir aktuell vor allem Daten aus Fachverfahren.[11] Das liegt daran, dass die elektronische Aktenführung in Baden-Württemberg eher zögerlich eingeführt wird. Und social media archivieren wir nur sehr gezielt als Ergänzungsdokumentation. Insofern ergab sich der Fokus unserer aktuellen Übernahmen einerseits aus der gegebenen Situation in der Verwaltung, andererseits aber auch aus traditionellen Grundsätzen der Überlieferungsbildung.

Archivische Überlieferungsbildung im digitalen Zeitalter. Alles neu zu durchdenken? Ausgehend von unserer Praxis – ich komme später auf die Beispiele zurück – möchte ich hierauf eine Antwort geben. Ich werde zunächst etwas zum Stand der Bewertungsdiskussion in Deutschland sagen – allgemein und im Blick auf digitale Unterlagen, um dann darauf basierend ein paar Überlegungen anzustellen und abschließend ein Fazit ziehen.

 Anmerkungen zum Stand der Bewertungsdiskussion in Deutschland

Der aktuelle Stand der Bewertungsdiskussion wird 2014 wieder vermittelt werden in einer Fortbildungsveranstaltung der Archivschule Marburg, deren Ankündigung vor kurzem erfolgt ist. Ziel dabei ist, Konzepte zur archivischen Dokumentation der Gesamtgesellschaft vorzustellen.[12] Dass dies das Ziel archivischer Bewertung ist, darüber besteht, so hoffe ich, in Deutschland heute weitgehend Konsens. Nach der kontroversen Diskussion der neunziger Jahre[13] haben wir uns in Deutschland ja doch in den letzten Jahren weitgehend auf gemeinsame Sicht- und Vorgehensweisen verständigt wie auch auf das Ziel einer multiperspektivischen Überlieferungsbildung,[14] denn sie ergibt sich aus einer archivischen Dokumentation der Gesamtgesellschaft. Die Diskussion ist freilich nicht abgeschlossen, aber das ist auch gut so, weil man die Zielsetzungen, Strategien, Grundsätze und Methoden laufend reflektieren muss.

In der Ankündigung der Archivschule Marburg sind zentrale Punkte benannt, von denen die Diskussion in der letzten Zeit bestimmt war. Ich greife drei heraus.

  1. Vertikale und horizontale Bewertung als eine Methode zur Verdichtung
  2. Überlieferungsbildung im Verbund als Strategie
  3. Das Dokumentationsprofil als ein Konzept für Ziele und Wertmaßstäbe der Überlieferungsbildung, wie es in der Ankündigung heißt.

 

Die sogenannte vertikale und horizontale Bewertung dient bei inhaltlichen Überschneidungen verschiedener Überlieferungen als Folge der Beteiligung verschiedener Stellen dem Abgleich, wo die Überlieferung mit der größten Aussagekraft entsteht.[15] Überlieferungsbildung im Verbund sieht vor, dass sich verschiedene Archive abstimmen, um ein möglichst breites und differenziertes Abbild bestimmter Lebensbereiche und Phänomene zu erzielen.[16] Unverzichtbar sind dafür Zieldefinitionen und Dokumentationsprofile als Arbeitsgrundlage einzelner oder mehrerer Archive auf dem Feld der Überlieferungsbildung.[17]

Ich glaube, dass man in der Praxis sehr weit kommt, wenn man entsprechend vorgeht, also Ziele definiert, Profile entwickelt und sich mit anderen Archiven abstimmt und im Einzelnen analysiert, wo welche Überlieferungen von hoher Aussagekraft vorliegen oder generiert werden. Dabei wird man im einen Fall von der Überlieferung selbst ausgehen, im Idealfall aber gezielt ganze Lebens- und Überlieferungsbereiche betrachten. Schon deshalb sind die Vorgehens- und Betrachtungsweisen auch komplementär zu verstehen. In der Praxis geht es nicht um die Frage horizontale/-vertikale Bewertung oder Dokumentationsprofil, vielmehr ergänzt sich beides. So wie es bei der Betrachtung des Dokumentationswertes auch nicht heißen darf Evidenzwert oder Informationswert, sondern beides abgeprüft werden muss.

Und so ergänzen sich auch provenienzorientierte und inhaltsbezogene Vorgehensweisen. Die Polarisierung in zwei Stränge, wie sie jüngst sehr anschaulich auf einem Poster der Fachhochschule Potsdam dargestellt wurde,[18] war das Konstrukt einer heute doch völlig überholten und in weiten Teilen doch auch spezifisch deutschen Bewertungsdiskussion. Ich hoffe, dass sie überwunden ist, und sehe die beiden Stränge auch aktuell zusammenlaufen – in der Praxis wie auch in der Theorie. Sehr schön hat das vor kurzem Andreas Pilger 2012 in einer Sektion auf dem 49. Deutschen Historikertag in Mainz in seinem Referat zum Stand der archivischen Bewertungsdiskussion in Deutschland akzentuiert.[19] Insgesamt sind wir in den letzten Jahren in der Bewertungsdiskussion sehr fruchtbar vorangeschritten. Das wird besonders an der Neuauflage des „Klassikers“ von Matthias Buchholz deutlich, der dies in einem Nachtrag zur ersten Auflage mit einem Resümee der Diskussion für den Zeitraum 2001 bis 2011 detailliert dargestellt hat; es zeigt sich schon darin, dass der Nachtrag allein über 50 Seiten umfasst.[20]

Im Ergebnis haben wir insgesamt eine sehr gute theoretische Basis, auch wenn im Detail freilich noch manches weiter zu durchdenken bleibt. So sind sicher noch einige terminologische Unstimmigkeiten mit dem Ziel einer breiten fachlichen Verständigung zu klären. Dies beginnt bei den Begriffen Dokumentationsprofil und Archivierungsmodell; das sei hier nur angedeutet.[21]

Auch sei nur angedeutet, dass wir die Konsequenzen unseres aktuellen Selbstverständnisses[22] für die Bewertung bedenken müssen. Wenn wir die Transparenz des Verwaltungs- und Regierungshandelns gewährleisten wollen, dann müssen wir dies – so denke ich – noch sehr viel genauer im Blick auf die Überlieferungsbildung reflektieren.[23] Das gilt auch für unsere Rolle in der Erinnerungskultur jenseits der historischen Forschung.[24] Und bei all dem werden auch Möglichkeiten einer partizipatorischen Einbeziehung von Nutzergruppen zu prüfen sein.[25]

Insgesamt sehe ich aber weniger Theorie- als Anwendungsdefizite. Aus meiner Sicht besteht großer Handlungsbedarf, die guten Strategien, Grundsätze und Methoden auch konsequent unter breiter Beteiligung vieler Archive umzusetzen.

Dies gilt für die Überlieferungsbildung im Verbund wie auch für die Ziele der Bewertung im Konkreten und die Entwicklung von Dokumentationsprofilen.[26]

Wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass wir seitens der Landesarchive, z.B. bei uns in Baden-Württemberg, schon seit langem systematisch Papiere zur Bewertung erarbeitet haben,[27] dass gerade das Landesarchiv-Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren seine Vorgehensweisen und Bewertungen sehr systematisch bearbeitet und publiziert hat,[28] dass auch vom Historischen Archiv der Stadt Köln jetzt geradezu beispielhaft ein umfassendes Dokumentationsprofil vorgelegt wurde[29] und dass vor allem verschiedene Arbeitsgruppen in Deutschland immer wieder übergreifend für bestimmte Überlieferungsbereiche grundlegende Ergebnisse erzielt haben.[30] Und da werden jetzt auch zunehmend digitale Überlieferungen einbezogen.

Stand der Bewertungsdiskussion über digitale Unterlagen in Deutschland

 Damit zu der Frage: Welchen Stand haben wir da im Blick auf die Bewertung erreicht? Hier sind wir in Deutschland noch sehr in den Anfängen. Beim Aufbau digitaler Archive standen in den letzten Jahren weniger Fragen der Bewertung im Vordergrund als technische und organisatorische Aspekte.[31] Das hatte auch seine völlige Berechtigung, denn diese Dinge waren und sind zum Teil noch zunächst zu klären.[32] Oft waren es in den Archiven auch nicht die traditionellen Überlieferungsbildner, von denen digitale Archive aufgebaut wurden, sondern jüngere Kolleginnen und Kollegen ohne einen langjähren Erfahrungshorizont der Bewertung. So entstanden in den Archiven verschiedene Welten für die Arbeitsfelder der digitalen Archivierung und Überlieferungsbildung, mit unterschiedlichen Fachsprachen, wodurch die Kommunikation nicht gerade erleichtert wurde. Die Zahl der Publikationen zur Bewertung digitaler Unterlagen ist dementsprechend auch noch relativ überschaubar. Wer zur Bewertung digitaler Unterlagen etwas wissen wollte, musste lange Zeit die internationale Fachliteratur rezipieren. Erste, noch sehr allgemeine Hinweise fanden sich im nestor-Handbuch aus dem Jahr 2006, für das eine neuere Version 2.0 vom Juni 2009 vorliegt.[33]

Es gibt jedoch deutliche Anzeichen, dass sich aktuell forciert ein Generationenwechsel vollzieht und digitale Überlieferungen zunehmend bewertet werden. Ich denke, wir stehen an der Schwelle zu einer vertieften Befassung mit dem Thema und einer breiter praktizierten Bewertung digitaler Unterlagen. Für den Bereich der Statistik hat eine Arbeitsgruppe der Archivreferentenkonferenz geradezu Pionierarbeit geleistet, indem sie 2008 520 elektronische Statistiken der Statistischen Ämter bewertet und Empfehlungen dazu ausgesprochen hat. 67 Statistiken wurde bleibender Wert beigemessen.[34] Es gibt weitere Beispiele dieser Art für ganz bestimmte Überlieferungsbereiche mit sehr konkreten Analysen, so zum Beispiel ganz aktuell der Entwurf eines umfassenden Papiers zur Überlieferung der Arbeitsverwaltung, das eine Arbeitsgruppe der Archivreferentenkonferenz erstellt hat.[35]

Gerade in den letzten Monaten hat sich auch der Arbeitskreis Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. sehr grundsätzlich mit der Bewertung elektronischer Fachverfahren befasst, ein Papier dazu erarbeitet und zur Kommentierung gestellt; am 7. November 2013 fand dazu im Landesarchiv Baden-Württemberg in Stuttgart ein Workshop statt.[36]

Als grundlegenden Beitrag zur Bewertung digitaler Unterlagen ist vor allem das Referat von Christian Keitel zu nennen, das er 2009 auf dem 79. Deutschen Archivtag in Regensburg unter dem programmatischen Titel Benutzerinteressen annehmen und signifikante Eigenschaften festlegen. Eine neue Aufgabe für Archivare gehalten hat.[37] Auch wenn das auf dem Archivtag in Regensburg damals kaum wahrgenommen wurde, waren damit im Einklang mit der internationalen Diskussion die Begriffe benannt, die in den folgenden Jahren immer wieder im Zentrum von Bewertungsanalysen zu digitalen Unterlagen standen. Es liegen zwischenzeitlich mehrere Publikationen mit Analysen signifikanter Eigenschaften vor.[38] Hier ist etwas Grundsätzliches in Gang gekommen. Nur in einem Satz: Signifikante Eigenschaften sind die Merkmale einer digitalen Überlieferung, die sie in ihrer ursprünglichen Entstehungsumgebung hatte und die in jedem Fall erhalten werden sollen, in allen Ausprägungen über alle Migrationen hinweg – in der Annahme, dass man damit zu erwartenden Interessen von Nutzern entspricht. Bei Fachverfahren geht es dabei zum Beispiel um Recherchierbarkeit, Verknüpfbarkeit, Aggregierbarkeit und die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung der Daten; ich zitiere aus dem aktuellen Papier des VdA-Arbeitskreises, das diesen Punkt näher ausführt.[39]

Soweit ganz grob der Diskussionsstand. Noch einmal: ich denke, wir stehen aktuell an der Schwelle zu einer vertieften Befassung mit dem Thema und einer breiter praktizierten Bewertung digitaler Unterlagen. Nicht zuletzt ist die thematische Ausrichtung dieses Symposiums selbst ein Beleg dafür.[40]

Alles neu zu durchdenken?

Von da aus zurück zu meiner Fragestellung: Alles neu zu durchdenken?

Dazu sehe ich keinen Anlass. Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir eine sehr gute Basis haben, digitale Unterlagen in die Überlieferungsbildung einzubeziehen. Entscheidend ist dabei für mich, dass wir integrative Strategien entwickeln müssen für konventionelle und für digitale Überlieferungen.

Im Landesarchiv Baden-Württemberg verfolgen wir bewusst einen solchen Ansatz, der schon in der strategischen Grundlegung unserer Aktivitäten von 2007 ausformuliert ist.[41] Wir haben sehr früh die digitale Archivierung einbezogen in die regelmäßigen Besprechungen unserer abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung (AGÜ).[42] Und organisatorisch haben wir in den Archivabteilungen des Landesarchivs die Bewertung digitaler Unterlagen gezielt verankert in den herkömmlichen Referaten für Überlieferungsbildung. Das heißt, dieselben Leute bewerten integrativ konventionelle und digitale Unterlagen einer Provenienz. Und treffen dann – um dieses Beispiel wieder aufzunehmen – die Entscheidung, statt der Erhebungsbögen auf Papier die digitalen Daten zur Einbürgerung zu sichern.

Damit ist die Bewertung digitaler Unterlagen einbezogen in die Entwicklung von Zieldefinitionen für die Bewertung bestimmter Bereiche, von Dokumentationsprofilen, von Überlegungen zu einer Überlieferungsbildung im Verbund und Verdichtungen auf der Grundlage vertikaler und horizontaler Bewertung. Die komplementären Strategien, Betrachtungsweisen, Grundsätze und Methoden erweisen sich als tragfähig; die laufende Evaluation versteht sich wohl von selbst. So ist die Archivierung von Websites eingebettet in Konzepte zur Ergänzungsdokumentation – dies gilt für das Beispiel der Blogs zu Stuttgart 21 und bleibt entsprechend für social media einmal grundsätzlich zu überdenken, in Verbindung mit Dokumentationsprofilen und einer Überlieferungsbildung im Verbund.

Wir haben uns in Stuttgart mit vielen Gedächtnisinstitutionen zusammengesetzt, um eine arbeitsteilige Dokumentation zu Stuttgart 21 zu erreichen.

Selbstverständlich haben digitale Unterlagen spezielle materialspezifische Eigenheiten, die zu berücksichtigen sind und zu veränderten Vorgehensweisen und Modellbildungen führen. Die Loslösung der Information vom Träger, die digitale Mehrdimensionalität verlangen spezifische Betrachtungsweisen und Analysen, die in der Literatur im Einklang mit der internationalen Diskussion[43] angesprochen sind,[44] sicher aber in Deutschland noch vertiefter Betrachtung bedürfen. Die Überlegungen, die mit dem Begriff der signifikanten Eigenschaften verbunden sind, mögen dafür stehen; [45] anders als bei konventionellen Unterlagen müssen wir unter Umständen eine Wahl treffen, welche Eigenschaften über den gesamten Archivierungsprozess hinweg erhalten werden sollen. Anders als konventionelle Unterlagen müssen digitale Informationsobjekte als Gegenstand der Bewertung oft auch zunächst einmal in einem ersten Schritt abgegrenzt werden. Dieselben Informationen finden sich zudem heute dank der einfachen Kopiermöglichkeiten oft gleichzeitig an mehreren Orten. Manchmal wurden diese Informationen weniger oder mehr geändert, manchmal auch nicht. Es entstehen also verschiedene Informationskomplexe, die sich teilweise überdecken und miteinander zu vergleichen sind. Und bei Fachverfahren stellt sich die Frage, welche Felder und welche Tabellen wir erhalten wollen. In all diesen Dingen müssen wir in den nächsten Jahren Erfahrungen sammeln.

Denn all das ist in der Tat neu. Und die Archive werden dabei sehr viel stärker als bei herkömmlichen Unterlagen zu Gestaltern der Überlieferung.[46] Sie müssen – schon wegen der Kosten, die mit der dauerhaften Verfügbarkeit verbunden sind –  dabei auch sehr viel stärker als bisher die zukünftige Nutzung im Blick im haben. Welche Funktionalitäten, welche Eigenschaften sollen bzw. müssen erhalten bleiben? Denkbare Nutzungen denkbarer Nutzergruppen sind in Betracht zu ziehen, Nutzungspakete anzudenken. Für die Überlieferung der Arbeitsverwaltung hat die schon erwähnte Arbeitsgruppe vorgesehen, dass aus einer zentralen Datenbank heraus bestimmte Dossiers erzeugbar sein sollen, mit denen die Arbeitsverwaltung zum Teil selbst nie gearbeitet hat.[47] Das ist ein Spezifikum digitaler Überlieferung. Das erfordert neue Sichtweisen von uns und unserem Selbstverständnis

Überlieferung bilden, sprich: Überlieferung gestalten ist aus archivgeschichtlicher Perspektive aber schon seit langem ein gestalterischer Prozess, der über das reine Sichern von beweiskräftigen Unterlagen und Überresten hinausgeht. Allein die Auswahl hatte schon immer zukünftige Nutzer und Nutzungsmöglichkeiten im Blick; in der Diskussion über die Bewertung massenhafter gleichförmiger Einzelallakten war das zum Beispiel ein zentraler Gesichtspunkt.[48] Neu ist nur die Dimension dieses Aspekts. Spätestens seitdem in Archiven über Methoden der Auswahl und Verdichtung nachgedacht wird, changiert archivische Überlieferung quellenkundlich zwischen Überrest und Tradition, wie ich 2011 auf einem Kolloquium in Berlin etwas näher ausgeführt habe.[49] Je stärker wir als Archivare im Ausgangsmaterial – in den Überresten – Eingriffe vornehmen,[50] desto deutlicher nähert sich das Archivgut der Tradition an. Wir bilden Überlieferung, und gestalten damit Möglichkeiten zur Forschung und der Erinnerung.

Im digitalen Zeitalter wird diese Tendenz verstärkt. Um die aktuelle Diskussion über die Bewertung von Fachverfahren auszugreifen: Zur Auswahl der Unterlagen als solche tritt die Auswahl der Felder und Festlegung der signifikanten Eigenschaften.[51]

Andererseits kann aber auch die reine Bewahrung elektronischer Unterlagen zur Rechtssicherung der Bürgerinnen und Bürger im digitalen Zeitalter eine ganz neue Dimension gewinnen. Ein Beispiel dafür ist die elektronische Grundakte, die wir seit 2012 in Baden-Württemberg im neu eingerichteten Grundbuchzentralarchiv auftragsgemäß für die Verwaltung als unbefristet zu erhaltende Unterlage verfügbar halten; der Bestand hat hier aus quellenkundlicher Sicht Überrest-Charakter in Reinform.[52]

Umso mehr Bedeutung gewinnen gerade dann aber auch heute Zieldefinitionen und Dokumentationsprofile. Ich sehe das digitale Zeitalter als eine besondere Chance, archivische Überlieferung noch einmal sehr viel bewusster zu gestalten, sehr zeitnah (wie bei den eingangs erwähnten Einbürgerungsdaten) und im Idealfall prospektiv; das muss ich hier in diesem Kreis wohl nicht näher ausführen.[53]

Ich möchte vielmehr auf meinen früheren Punkt zurückkommen. Beachten müssen wir bei all dem viel stärker noch als bisher die verschiedenen Funktionalitäten des Archivs nach unserem heutigen archivarischen Selbstverständnis. Die strittigen E-Mails des früheren Ministerpräsidenten Mappus: Sie sind – bezogen auf die Person – vermutlich historische Dokumente von hoher Aussagekraft für die Persönlichkeit. Sie sollen zugleich aber auch retrospektiv die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns ermöglichen. Das sind unterschiedliche Zweckbestimmungen, die wir uns bei der Bewertung im Einzelfall bewusst machen müssen.

Nicht zuletzt sind in den fraglichen E-Mails geradezu archetypisch – und das wäre ein weiterer Evidenzwert – Veränderungen in der Kommunikation und Aktenführung einer Regierungszentrale zu Beginn des 21. Jahrhunderts greifbar.

Dass alle relevanten Unterlagen, einschließlich der E-Mails, Teile einer geregelten und Aktenführung sein müssen, konnten wir in der Diskussion darüber gegenüber Politik und Verwaltung sehr grundsätzlich thematisieren. Ich hoffe, mit nachhaltiger Wirkung.

Realiter, und da müssen wir uns nichts vormachen, leben wir aber in einer Zeit des medialen Übergangs, in der die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Prozessen zunehmend lückenhaft geworden ist. Der eingangs zitierte Ministerialbeamte, dessen E-Mail-Konto wir komplett übernommen haben, hat das explizit ausgesprochen. Daraus ist für mich zweierlei abzuleiten. Erstens: Natürlich müssen wir weiterhin versuchen, über das Records Management eine geregelte Aktenführung durchzusetzen und im digitalen Zeitalter entsprechende Anforderungen in den Systemen implementieren; auch das muss ich hier in diesem Kreis sicher nicht näher ausführen.[54] Wir müssen aber – zweitens – die digitalen Spuren auch so, wie sie jetzt entstanden sind und laufend entstehen, bewerten, um dem Ziel gerecht zu werden, unsere Zeit des medialen Übergangs mit all ihren Irregularitäten und Verwerfungen in der Aktenführung zu dokumentieren.[55] Darüber vermisse ich noch eine vertiefte Fachdiskussion. Neben normative Sichtweisen und Vorgaben aus archivarischer Sicht müssen deskriptive Analysen treten – als Grundlage gezielter Überlieferungsbildungen.[56] Auch in diesem Punkt sind komplementäre Sichtweisen unabdingbar. Und unverzichtbar wird dabei auch der Rekurs auf eine zu aktualisierende Archivalienkunde sein; das ist zwar ein anderes Thema, es hat aber durchaus Schnittmengen mit der archivischen Überlieferungsbildung, die hier zumindest angedeutet sein sollen.[57]

Fazit

Ich komme zu einem Fazit in 5 Punkten.

  1. Für die Überlieferungsbildung im digitalen Zeitalter müssen wir keineswegs alles neu durchdenken. Vielmehr besteht Anlass, die Bewertung digitaler Unterlagen auf der Grundlage des aktuellen Diskussionsstands in integrative Konzepte für herkömmliche und digitale Unterlagen einzubeziehen
  2. Die soweit entwickelten Vorgehensweisen, Strategien, Grundsätze und Methoden sind im digitalen Zeitalter noch sehr viel konsequenter anzuwenden.
  3. Vertiefter Betrachtung verdient dabei im Blick auf die jeweilige Zweckbestimmung der Überlieferungsbildung die Anbindung an das aktuelle Selbstverständnis archivischer Arbeit.
  4. Die materialspezifischen Gesichtspunkte sind bei der Einbeziehung digitaler Überlieferung zu berücksichtigen. Der Archive werden dabei nochmals verstärkt zu Gestaltern von Überlieferung.
  5. Unabhängig von dem wichtigen Ziel, eine geregelte Aktenführung durchzusetzen, muss das digitale Zeitalter, so wie es aktuell seine Spuren hinterlässt, dokumentiert werden.

 

Schließen möchte ich mit einem Appell: Wir stehen an der Schwelle zu einer vertieften Beschäftigung mit der Bewertung digitaler Unterlagen. Wir sollten dies zum Anlass nehmen, die Überlieferungsbildung insgesamt zu optimieren. Ich jedenfalls erhoffe mir hiervon einen positiven Schub.

Prof. Dr. Robert Kretzschmar

Landesarchiv Baden-Württemberg

robert.kretzschmar@la-bw.de

[1] http://www.tagesschau.de/inland/merkel-kette100.html [Stand: 11.12.2013, gilt ebenfalls für alle nachfolgenden Hinweise auf Internetseiten].

[3] Johannes Renz, Aus Gegenwart wird Zeitgeschichte. Landesarchiv sichert Weblogs zum Thema „Stuttgart 21“, in: Landesarchiv Baden-Württemberg. Archivnachrichten 47 (2013), S. 39.

[6] Bei Abschluss des vorliegenden Manuskripts war das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen.

[7] Christian Keitel, Digitale Archivierung beim Landesarchiv Baden-Württemberg, in: Archivar 63 (2010), S. 19-26.

[8] Vgl. die Aufstellung der Bestände mit elektronischen Unterlagen unter http://www.landesarchiv-bw.de/web/50811.

[9] Dies ist in der Digitalisierungsstrategie des Landesarchivs verankert; vgl. Robert Kretzschmar, Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der digitalen Welt. Einführung und Textabdruck, in: Archivar 61 (2008), S. 14-19, hier bes. S. 16, auch online unter  http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/2008/ausgabe1/Archivar_2008-1.pdf.

[10] Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Kanzleiakten Az. 7-751-1601-IntM/Bn/Et.

[11] Vgl. dazu Christian Keitel, Eine andere Art der Dokumentation. Anmerkungen zur Bewertung umfassender Informationssysteme; http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/52529/Workshop_Keitel_andere_Art.pdf.

[12] Vgl. die Beschreibung des Kurses AK 11 „Überlieferungsbildung – Ziele, Methoden, Verfahren“ unter http://www.archivschule.de/uploads/Fortbildung/2014/Fobi_2014_web1.pdf.

[13] Robert Kretzschmar, Die „neue archivische Bewertungsdiskussion“ und ihre Fußnoten. Zur Standortbestimmung einer fast zehnjährigen Kontroverse, in: Archivalische Zeitschrift 82 (1999), S. 7-40.

[14] Robert Kretzschmar, Multiperspektivische Überlieferungsbildung in Archiven. Ziele und Methoden, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Überlieferungskultur. Wie viel Vergangenheit braucht die Gegenwart? Wie viel Gegenwart braucht die Zukunft?, Karlsruhe 2010, S. 123-139.

[15] Robert Kretzschmar, Vertikale und horizontale Bewertung. Ein Projekt der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, in: Der Archivar 49 (1996), Sp. 257-260.

[16] Robert Kretzschmar, Historische Gesamtdokumentation? Überlieferungsbildung im Verbund?, in: Christoph J. Drüppel/Volker Rödel (Hrsg.), Überlieferungssicherung in der pluralen Gesellschaft (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 11), Stuttgart 1998, S. 53-69.

[17] Irmgard Christa Becker, Dokumentationsprofile als Grundlage kommunalarchivarischer Bewertung; http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/52523/Workshop_Becker_Dokumentationsprofile.pdf.

[18] Vgl. das Poster „Archivische Bewertung. Eine deutsche Diskussion seit den 1990er Jahren“; http://iw.fh-potsdam.de/fileadmin/FB5/lehrende_uploads/schwarz/Studienprojekte/FHP-Poster-Bewertungsdiskussion-seit-1990.pdf.

[19] Andreas Pilger, Grundsätze, Methoden und Strategien der Überlieferungsbildung in Archiven, in: Robert Kretzschmar/Rainer Hering (Hrsg.), Zeitgeschichte, Archive und Geheimschutz. Beiträge einer Sektion auf dem 49. Deutschen Historikertag 2012 in Mainz, Stuttgart 2013, S. 40-49. – Irmgard Christa Becker, Effizienzsteigerung in der Überlieferungsbildung – Dokumentationsprofile und Archivierungsmodelle, in: Rainer Hering (Hrsg.), 5. Norddeutscher Archivtag 12. und 13. Juni 2012 in Lübeck (bibliothemata 26), Nordhausen 2013, S. 195-206, hier S. 195 hat jüngst in diesem Sinne Dokumentationsprofile und Archivierungsmodelle als „zwei große Konzeptfamilien“ unterschieden, die sich für die kommunalen und staatlichen Archive in der Bewertungsdiskussion herauskristallisiert haben, ohne sich wechselseitig auszuschließen.

[20] Matthias Buchholz, Archivische Überlieferungsbildung im Spiegel von Bewertungsdiskussion und Repräsentativität (Landschaftsverband Rheinland LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Archivhefte 35), 2., überarbeitete Auflage, Köln 2011, hier S. 151-209.

[21] Zur Terminologie in diesem Zusammenhang vgl. Robert Kretzschmar, Handlungsebenen bei der archivischen Bewertung. Strategische Überlegungen zur Optimierung der Überlieferungsbildung, in: Archivalische Zeitschrift 88 (2006), S. 481-509, hier S 494 ff. – Ein jüngstes Beispiel für Dokumentationsprofile hat Karsten Kühnel für das Universitätsarchiv Bayreuth publiziert; http://www.uni-bayreuth.de/universitaetsarchiv/downloads/Dokumentationsprofil_oeffDisk.pdf.

[22] Karsten Uhde (Hrsg.), Berufsbild im Wandel – Aktuelle Herausforderungen für die archivarische Ausbildung und Fortbildung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 43), Marburg 2005, S. 99-126; Robert Kretzschmar, Aktuelle Entwicklungstendenzen des archivarischen Berufsbilds, in: Archivar 63 (2010), S. 356-360.

[23] Robert Kretzschmar, Quellensicherung im institutionellen Rahmen. Zur Macht und Ohnmacht der Archive bei der Überlieferungsbildung, in: Rainer Hering/Dietmar Schenk (Hrsg.), Wie mächtig sind Archive? Perspektiven der Archivwissenschaft (Veröffentlichungen des Landesarchivs Schleswig-Holstein 104), Hamburg 2013. S. 45-63, hier S. 51 f.

[24] Ebd.

[25] Clemens Rehm, Kundenorientierung – Modewort oder Wesensmerkmal der Archive? Zur Transparenz und Partizipation bei der archivischen Überlieferungsbildung, in: Hans Schadek (Hrsg.), Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das Dienstleistungsunternehmen Archiv auf dem Prüfstand der Benutzerorientierung. Vorträge des 61. Südwestdeutschen Archivtags am 26. Mai 2001 in Schaffhausen, Stuttgart 2002, S. 17-27; Pilger, wie Anm. 20, S. 48.

[26] Kretzschmar, Handlungsebenen, wie Anm. 22, S. 503 ff.

[27] Robert Kretzschmar (Hrsg.), Historische Überlieferung aus Verwaltungsunterlagen. Zur Praxis der archivischen Bewertung in Baden-Württemberg (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 7), Stuttgart 1997.

[28] Martina Wiech, Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen. Ein archivfachliches Konzept des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, in: Der Archivar 58 (2005), S. 94-100, auch online http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/2005/Archivar_2005-2.pdf; Martina Wiech, Strategische Herausforderungen an das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen auf dem Bereich der Überlieferungsbildung – Probleme und Lösungsansätze, in: Frank M. Bischoff/Robert Kretzschmar (Hrsg.), Neue Perspektiven archivischer Bewertung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg/Institut für Archivwissenschaft 42), Marburg 2005, S. 71-79.

[29] Dokumentationsprofil für das Historische Archiv der Stadt Köln. Stand: März 2013; http://www.archive.nrw.de/kommunalarchive/kommunalarchive_i-l/k/Koeln/BilderKartenLogosDateien/Dokuprofil.pdf.

[30] Vgl. z.B. die Empfehlung Überlieferungsbildung bei Unterlagen der Standesämter; http://www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de/empfehlungen/Empfehlung_Personenstandswesen.pdf.

[31] Dies wird schon bei einer Durchsicht der Publikationen des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ deutlich, dessen Tagungsergebnisse im Netz unter http://www.staatsarchiv.sg.ch/home/auds.html greifbar sind, wie Christian Keitel am 7. November 2013 auf dem Workshop der Arbeitskreises „Archivische Bewertung“ im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. in Stuttgart aufgezeigt hat.

[32] Aus der Fülle der Literatur sei zum aktuellen Diskussionsstand nur hingewiesen auf Christian Keitel/Kai Naumann, Digitale Archivierung in der Praxis. 16. Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ und nestor-Workshop „Koordinierungsstellen“ (Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 24), Stuttgart 2013 und Kai Naumann/Peter Müller: Das neue Handwerk. Digitales Arbeiten in kleinen und mittleren Archiven. Vorträge des 72. Südwestdeutschen Archivtags am 22. und 23. Juni 2012 in Bad Bergzabern, Stuttgart 2013.

[33] Heike Neuroth/Achim Oßwald/Regine Scheffel/Stefan Strathmann/Mathias Jehn, nestor Handbuch. Eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung. Version 2.0 Juni 2009, Boizenburg 2009, auch online unter http://nestor.sub.uni-goettingen.de/handbuch/nestor-handbuch_23.pdf. Die einschlägigen Abschnitte zur Bewertung haben Christian Keitel sowie Andrea Hänger, Karsten Huth und Heidrun Wiesenmüller verfasst (Kapitel 2.4 und 3.5).

[34] ARK-Arbeitsgruppe Bewertung von Statistikunterlagen. Abschlussbericht Mai 2008, hier S. 40; http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/fachinformation/ark/200805_ark_ag_statistikunterlagen_abschlussbericht.pdf.

[35] Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder. Arbeitsgruppe „Arbeitsverwaltung“. Bewertung der elektronischen Akten im Bereich SGB III und der Familienkasse (Strategiepapier) (Stand: 21.08.2013); unveröffentlicht.

[36] Bewertung elektronischer Fachverfahren. Diskussionspapier des VdA-Arbeitskreises „Archivische Bewertung“ (Stand: 5. September 2013); http://www.vda.archiv.net/aktuelles/meldung/257.html.

[37] Christian Keitel, Benutzerinteressen annehmen und signifikante Eigenschaften festlegen. Einige neue Aufgaben für Archivare, in: Archive im digitalen Zeitalter. Überlieferung – Erschließung –

Präsentation. 79. Deutscher Archivtag 2009 in Regensburg. Redaktion: Heiner Schmitt (Tagungsdokumentation zum Deutschen Archivtag 14), Fulda 2010. S. 29-42.

[38] Verwiesen sei hier nur auf den Leitfaden zur digitalen Bestandserhaltung. Vorgehensmodell und Umsetzung. Version 1.0. Verfasst und herausgegeben von der nestor-Arbeitsgruppe Digitale Bestandserhaltung. nestor-materialien 15; http://files.d-nb.de/nestor/materialien/nestor_mat_15.pdf und – als ein Beispiel konkreter Betrachtungen einzelner Bereiche – auf die Abschlussarbeit von Nicole Sachmann von 2010 an der FH Potsdam mit dem Titel Das OAIS-Referenzmodell in der Praxis: Ein Konzept zur Archivierung des BR-Intranets; http://fiz1.fh-potsdam.de/volltext/diplome/10599.pdf. Gerade 2013 ist die archivfachliche Diskussion über signifikante Eigenschaften auch auf Tagungen aufgegriffen worden; vgl. den Tagungsbericht von Katharina Tiemann: Tagung „Bewertung und Übernahme elektronischer Unterlagen, in: Archivar 66 (2013), S. 483 f.; Christoph Schmidt, Signifikante Eigenschaften und ihre Bedeutung für die Bewertung elektronischer Unterlagen, in: Bewertung und Übernahme elektronischer Unterlagen – Business as usual?, Beiträge des Expertenworkshops in Münster am 11. und 12. Juni 2013 (Texte und Untersuchungen zur Archivpflege 28), Münster 2013, S. 20-29.

[39] Wie Anm. 37, S. 3 (unter Punkt 7).

[40] Dasselbe gilt für die Anm. 39 erwähnte Tagung, die am 11.06.2013 in Münster stattfand.

[41] Wie Anm. 10.

[42] Die Arbeitsgruppe ist der Ort halbjährlicher Besprechungen der zuständigen Referentinnen und Referenten sowie Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den einzelnen Archivabteilungen des Landesarchivs. Von ihr werden regelmäßig auch Unterarbeitsgruppen für bestimmte Projekte eingesetzt.

[43] Vgl. dazu jetzt Adrian Brown, Practical digital preservation. A how-to guide für organizations of any size, London 2013, bes. S. 109-127.

[44] Zum Folgenden vgl. Keitel (wie Anm. 38).

[45] Wie Anm. 39; vgl. besonders den Tagungsbericht von Tiemann.

[46] Aus der internationalen Diskussion sei dazu nur verwiesen auf Richard J. Cox, Appraisal and the Future of Archives in the Digital Era; http://d-scholarship.pitt.edu/5865/1/Appraisal_and_the_Future_of_Archives_in_the_Digital_Era.pdf, bes. S. 24 f.

[47] Wie Anm. 36. Dieser Aspekt wurde auch bei der Behandlung des Entwurfs am 25. September 2013 auf der 117. Archivreferentenkonferenz in Saarbrücken kurz besprochen.

[48] Auf Belege dazu sei hier verzichtet.

[49] Vgl. Kretzschmar, Quellensicherung im institutionellen Rahmen, wie Anm. 24, hier S. 53 ff. Zur Thematik bereite ich einen weiteren Beitrag vor, der voraussichtlich im Archivar Heft 3/2014 erscheinen wird. Zur quellenkundlichen Bestimmung archivalischer Überlieferung vgl. jetzt auch Dietmar Schenk, „Aufheben, was nicht vergessen werden darf“. Archive vom alten Europa bis zur digitalen Welt, Stuttgart 2013, S 139 ff.

[50] Schenk, ebd., bes. S. 173 ff. hat zur Betrachtung dessen sehr überzeugend den Begriff der „archivarischen Intervention“ eingeführt.

[51] Vgl. dazu auch die grundsätzlichen Ausführungen von Schenk, ebd., S. 198 ff.

[52] Zum Grundbuchzentralarchiv vgl. demnächst den Beitrag von Michael Aumüller/Clemens Rehm/ Karen Wittmershaus, der im Archivar Heft 1/2014 erscheinen wird.

[53] Dass die archivische Überlieferungsbildung heute weitgehend prospektiv erfolgen muss, darüber dürfte in archivarischen Fachkreisen Konsens bestehen. Das ist (doch dies sei hier nur angedeutet) jedoch nicht ausschließlich eine Folge des digitalen Zeitalters. Vielmehr war dieser Gesichtspunkt schon bei der Entwicklung von Archivierungsmodellen für Unterlagen auf Papier in der Bewertungsdiskussion herausgestellt worden.

[54] Auf Literaturangaben zum Themenkomplex Records Management sei hier verzichtet.

[55] Darauf habe ich zuletzt auch in der abschließenden Podiumsdiskussion bei der Verabschiedung von Prof. Dr. Wilfried Reininghaus aus dem Amt des Präsidenten des Landearchivs Nordrhein-Westfalen aufmerksam gemacht.

[56] Vgl. auch Robert Kretzschmar, Auf dem Weg in das 21. Jahrhundert: Archivische Bewertung, Records Management, Aktenkunde und Archivwissenschaft, in: Archivar 63 (2010), S. 144-150.

[57] Robert Kretzschmar, Hilflose Historikerinnen und Historiker in den Archiven? Zur Bedeutung einer zukünftigen archivalischen Quellenkunde für die universitäre Forschung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 147 (2011), S. 133-147.

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/630

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