Marc-Simon Lengowski Der Erfolgsautor Daniel Kehlmann skizzierte vor gut einem Jahr in seinem Theaterstück „Der Mentor“ die klassische Konstellation des Mentorings: Ein bekannter und erfahrener Schriftsteller soll einem jungen Nachwuchstalent den Weg zu beruflichem Erfolg zeigen. Was Kehlmann nach allen … Continue reading
aventinus media Nr. 14 [31.01.2014]: Regionalgeschichtliches Portal „Rhein-Maas-Net“ (RMnet) der Universität Trier
Zur Verwaltungssprache der frühen Neuzeit (Literaturanzeige)
Klaus Margreiter, Das Kanzleizeremoniell und der gute Geschmack: Verwaltungssprachkritik 1749-1839, Historische Zeitschrift 297 (2013) S. 657-688. (Abstract)
Am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer gibt es ein Forschungsprojekt mit dem Titel: “Geschichte der europäischen Verwaltungssprachen und ihrer Reformen, 1750-2000“. Aus diesem weiten Feld hat die HZ jetzt ein sehr konkretes und beachtenswertes Ergebnis veröffentlicht. Dass es ein verwaltungsgeschichtlicher Aufsatz in die HZ schafft, ist bemerkenswert genug. Margreiter schreibt brillant und liefert auch der Aktenkunde viel Bedenkenswertes aus einer originellen Perspektive.
Es geht um die “Verwaltungssprache [als] Abbild der Organisationskultur der Behörden, ihrer Werte und der Einstellungen der Angehörigen” (660). Der Einsatz dieser Fachsprache als Teil des Kanzleizeremoniells war ein Element, das die Verwaltungspraxis gegen Veränderungen stabilisierte. Auch durch gewollte Unverständlichkeit war sie ein Mittel zur symbolischen Vergegenwärtigung arkaner monarchischer Macht.
Im späten 18. Jahrhundert wollte die entstehende Bürgergesellschaft das nicht mehr hinnehmen. Margreiter beschreibt die bürgerlich-aufgeklärte Kritik am Kanzleistil überzeugend als Kampf um die kulturelle Hegemonie gegen die “Beamten als kryptisch säuselnde Priester der Herrschaft” (667), die tragenden Säulen der vormodernen Herrschaftsformen. Vorgebracht wurde eine ästhetisch ausgerichtete Kritik, die von einer intellektuellen Elite ausging, in abgeschwächter Form allerdings auch von den Autoren praktischer Lehrbücher des Kanzleistils (also von Insidern) aufgenommen wurde. Sich richtete sich im Einzelnen gegen
- das unharmonische, oft aus Formularbüchern zusammengewürfelte und mit Fachbegriffen und umgangssprachlich überholten Ausdrücken durchsetzte Sprachbild,
- die Neigung der Beamten zu Pleonasmen und verschachtelten Perioden,
- die üblichen, als kriecherisch empfundenen Ergebenheitsbekundungen (Kurialien) und Titelhuberei im amtlichen Schriftverkehr.
Die Sprachreformer wollten der Obrigkeit auch auf dem Papier aufrecht gegenüberstehen und im Übrigen ohne Anstrengungen verstehen können, was Ihnen das Amt da schrieb. Was nicht nur verständlich, sondern auch immer noch aktuell sein mag.
Sicher hatte die Verwaltung auch ideologische Gründe zur Reformunlust. Die Arkansphäre wollte man sich bewahren. Margreiter präpariert aber säuberlich auch die systemimmanenten, unideologischen Motive heraus: Die Verwaltungssprache muss gerichtsfest sein. Deshalb ging man ungern von bewährten Formeln ab. Abgesehen davon sparte der Gebrauch von Formularbüchern Zeit und Mühe. Die Übernahme des Sprachgebrauchs durch Verwaltungsanwärter stellte (und stellt) außerdem eine wichtige Etappe ihrer Sozialisation dar und prägt den Korpsgeist der Beamtenschaft. – Soweit Margreiter.
Mit Formelbüchern, Kurialien und Titeln sind wir mitten im Gebiet der Analytischen Aktenkunde, die sich mit den inneren Merkmalen neuzeitlicher Schreiben befasst. Die aufgeklärte Sprachkritik zählt (neben äußeren Faktoren wie der Innovationskraft der napoleonischen Verwaltung) zu den Triebkräften hinter der Bereinigung des Kanzleizeremoniells zu Anfang des 19. Jahrhunderts, die Aktenkundler als Entstehung des “Neuen Stils” bekannt ist. Die Geschichte der Verwaltungssprache dient der Aktenkunde darum wie die ganze Verwaltungsgeschichte als Hilfsdisziplin.
Umgekehrt könnte sich die Aktenkunde in die Erforschung der Verwaltungssprache produktiv einbringen. Margreiter hat auch aktenkundliche Arbeiten rezipiert, aber eher punktuell. Auf S. 678 entgeht dem Leser die Pointe der gescheiterten preußischen Reform von 1800: Nicht nur, dass Hardenberg Kernargumente der Sprachreformer explizit teilte – auch Friedrich Wilhelm III. zeigte sich aufgeschlossen. Wenn aber selbst der König keinen Autoritätsverlust durch die Abschaffung alter Zöpfe fürchtete, erscheint die Ablehnung durch die Mehrzahl der obersten Beamten doch wieder als “hysterische Überreaktion”. (Margreiter zitiert in Anm. 76 nur Haß 1909, übrigens mit falschen bibliographischen Daten; der locus classicus wäre Granier 1902).
Fruchtbringend könnte es sein, Reformeifer und -unlust gesondert für einzelne Sphären der Verwaltungsschriftlichkeit zu untersuchen. Die Kritik der Sprachreformer richtete sich in erster Linie natürlich auf die Korrespondenz zwischen der Obrigkeit und den Untertanen. Man könnte sich auch fragen, ob die Obrigkeit in dem Maße auf den Kurialien bestand, wie die Untertanen dies antizipierten. Auch das ist ein epochenübergreifendes Phänomen: Ich erhielt einmal einen Archivanfrage von einem Doktoranden unserer Tage, der ohne jede Spur von Ironie mit den Worten schloss: “In der Hoffnung, mit meinem Ansinnen keine Fehlbitte zu tun, bin ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr …” (Der Devotionsstrich fehlte, da per E-Mail suppliziert wurde.)
Man würde wohl sehen, dass Kurialien und Titel von der Verwaltung selbst und insbesondere im innerdienstlichen Schriftverkehr als Problem betrachtet wurden, da der Popanz die Aufgabenerledigung verzögerte (dazu u. a. Polley 1994, zit. in Anm. 62). Reformeifer speiste sich nicht allein aus dem Eindringen ideologischer Elemente des bürgerlichen Zeitalters in die Beamtenschaft, die in das Gewand der Sprachreform gehüllt waren, sondern auch aus pragmatischen Motiven.
Nun war dies nicht Margreiters Thema. Er behält konsequent den Blickwinkel eben dieser Sprachreformer bei und kommt damit zu einem erhellenden und anschlussfähigen Ergebnis. Auf weitere Beiträge dieser Art aus dem Speyerer Forschungsprojekt bleibt zu hoffen!
Literatur
Granier, Hermann 1902. Ein Reformversuch des preußischen Kanzleistils im Jahre 1800. Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 15, S. 168–180. (Online)
Haß, Martin 1909. Über das Aktenwesen und den Kanzleistil im alten Preußen. Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 22, S. 521–575. (Online)
Polley, Rainer 1994. Standard und Reform des deutschen Kanzleistils im frühen 19. Jahrhundert: Eine Fallstudie. Archiv für Diplomatik 40, S. 335-357.
Digitaler Toolkasten – 01/2014
In dieser Ausgabe des “Digitalen Toolkasten”-Newsflash berichten wir wieder vom Fortgang unserer Aktivitäten am Fachbereich Sozialwesen und zur Weiterbildung “Soziale Medienbildung”. Fachbereich Sozialwesen feiert 15 Jahre E-Learning Am Freitag, den 17. Januar 2014 fand an der Hochschule Fulda die Festveranstaltung “15 Jahre E-Learning im Fachbereich Sozialwesen” statt. Im Student-Service-Centers (SSC) trafen sich zahlreiche Professoren, Mitarbeiter, Lehrende, Studierende und Interessierte, um die spannenden Entwicklungen der Studienangebote am Fachbereich Sozialwesen zu feiern. Die Veranstaltung begann um 11 Uhr mit der Begrüßung durch die Dekanin Prof. Dr. […]
Happy Birthday DHd-Blog: Neues Design zum zweiten Geburtstag
Den DHd-Blog gibt es jetzt schon seit rund zwei Jahren – Zeit für einen Tapetenwechsel. Ab heute erstrahlt der Blog dank unseres Designers Patrick Heck in frischem Grün. Wir hoffen, dass das ansprechendere Äußere die Lesbarkeit und Navigation noch leichter macht und gleichzeitig unsere Autorinnen und Autoren anspornt, den Blog weiterhin in bewährter Qualität zu bereichern, Diskussionen anzuregen, zu informieren und zu reflektieren.
75 Beiträgerinnen und Beiträger aus rund 60 Institutionen und Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben seit Januar 2012 mit über 325 Artikeln und zahlreichen Kommentaren für einen regen Austausch über Digital Humanities-Themen im deutschsprachigen Raum gesorgt. Herzlichen Dank dafür!
Wir freuen uns auch 2014 wieder über Beiträge zu aktuellen Themen und Entwicklungen, Veranstaltungshinweise und Stellenanzeigen, Information und natürlich Diskussion!
Das DHd-Blog-Team
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2926
Hieronymus zu Gen 4,6
Hieronymus beschäftigt sich im 4. Kapitel seines Buches mit einer schwierigen Stelle aus der Erzählung von Kain und Abel. Ihn interessiert dabei die Frage, warum »die Sünde« im Hebräischen in einem anderen Genus steht, als eigentlich zu erwarten wäre.
Vers. 6) »Et dixit Dominus ad Cain: Quare concidit vultus tuus? Nonne si recte offeras, non recte autem dividas, peccasti? Quiesce, ad te conversio eius, et tu dominaberis eius«. Necessitate compellimur in singulis diutius immorari. Siquidem et nunc multo alius in Hebraeo, quam in Septuaginta translatoribus, sensus est. Ait enim Dominus ad Cain: »Quare irasceris, et quare concidit vultus tuus? Nonne si bene egeris, dimittetur tibi, et si non bene egeris, ante fores peccatum tuum sedebit? et ad te societas eius: sed tu magis dominare eius«. Quod autem dicit, hoc est: »Quare irasceris«, et invidiae in fratrem livore cruciatus, vultum dimittis in terram? »Nonne si bene feceris dimittetur tibi omne delictum tuum«: sive ut Theodotion ait, acceptabile erit: id est, munus tuum suscipiam, ut suscepi fratris tui? »Quod si male egeris: illico peccatum ante vestibulum tuum sedebit«, et tali ianitore comitaberis. Verum quia liberi arbitrii es: moneo ut non tibi peccatum, sed tu peccato domineris. Quod autem in Septuaginta interpretibus fecit errorem, illud est: quia peccatum, id est, ATTATH (חטאת) in Hebraeo generis masculini est, in Graeco feminini. Et qui interpretati sunt, masculino illud (ut erat in Hebraeo) genere transtulerunt.
(Gen 4,6) »Und der Herr sprach zu Kain: ‘Warum verfällt dein Angesicht? Hast du nicht, wenn du zwar recht opferst, aber nicht teilst,* gesündigt? Sei ruhig,auf dich richtet er sich und du wirst von ihm beherrscht werden’«. Wir sind (hier) notwendigerweise gezwungen, lange Zeit bei den Einzelheiten zu verweilen, da ja nun die Bedeutung im Hebräischen um vieles anders ist, als bei den Siebzig Übersetzern. Denn der Herr sagt zu Kain: »Warum wirst du zornig, und warum verfällt dein Angesicht? Wird dir nicht, wenn du gut handelst, vergeben werden, und wenn du nicht gut handelst, wird dann nicht deine Sünde vor der Tür sitzen? Auf dich zielt seine Gesellschaft, aber du wirst eher von ihm beherrscht werden.« Folgendes aber sagt er: »Warum bist du zornig?« und warum senkst du, gepeinigt und blau vor Neid** auf den Bruder dein Angesicht zur Erde? »Wird dir nicht, wenn du gut handelst, jede Schuld vergeben werden?«: oder wie Theodotion sagt, es wird willkommen sein; das bedeutet: ich werde deine Opfergabe annehmen, wie ich (die) deines Bruders angenommen habe. »Darum: wenn du schlecht gehandelt hast: sogleich wird die Sünde vor deinem Eingang sitzen«, und du wirst durch eine solche Türhüterin begleitet werden. Da du aber einen freien Willen hast: ich erinnere dich daran, dass die Sünde nicht dich, sondern du die Sünde beherrschen sollst. Dass aber die Siebzig Übersetzer einen Fehler gemacht haben, zeigt Folgendes: Sünde – das heißt chattāāh – ist im Hebräischen maskulin, im Griechischen feminin. Und die, die ausgelegt haben, übersetzten es (wie es im Hebräischen war) als Maskulinum.
* LXX versucht, mit dem im Hebräischen nicht vorkommenden Ausdruck »wenn man richtig darbringt, aber nicht richtig teilt« zu erklären, warum Gott das Opfer Kains nicht annahm. Augustinus, der die LXX Fassung auslegte, schreibt dazu im Gottesstaat: »Es ist nicht klar, warum und wovon das gesagt ist, und die Dunkelheit dieser Stelle hat zu vielerlei Auffassungen geführt in dem Bestreben der Ausleger der Heiligen Schrift, sie nach der Glaubensregel zu deuten.« (Gottesstaat, XV,7) Die ganze Auslegung Augustins ist hier nachlesbar.
** Im Deutschen: grün vor Neid