Citizen Humanities

Mehr Menschen - mehr Daten - mehr Erkenntnisse

Mehr Menschen – mehr Daten – mehr Erkenntnisse

Kürzlich wurde ich gefragt, was Citizen Science mit Wissenschaft zu tun habe. Wiebke Rettberg von Wissenschaft im Dialog hat für mein Wissenschafts-KM-Magazin einen tollen Beitrag darüber geschrieben, den ich um Beispiele aus Geisteswissenschaften und Museen ergänzt habe. Dabei geht es neben der Sammlung von wissenschaftlich verwertbaren Daten vor allem darum, sich mit Citizen Science als schöner, kreativer und zugleich ergebnisreicher Weg zu öffnen, transparenter werden und den Mehrwert einer Wissenschaftsdisziplin der Öffentlichkeit aufzuzeigen. International gibt es schon einige erfolgreiche Beispiele, in Deutschland werden entsprechende Projekte v.a. über die Plattform „Bürger schaffen Wissen“ koordiniert. Sie dient der Präsentation von Projekten, ist ein Austauschforum, entwickelt Leitfäden und Workshops für Wissenschaftler und interessierte Bürger. 

„Citizen Science“ meint die Zusammenarbeit von Laien und Forschern an wissenschaftlichen Fragestellungen. Für Themen und Formate fast jedes Wissenschaftsbereiches – und gerade für die Archäologie – gibt es Interessierte, die sich intensiv mit Details auseinandersetzen und über versierte Kenntnisse verfügen. Für geisteswissenschaftliche Datenerhebungen in neuen Größenordnungen, forschende Kultureinrichten, Museumsdepots mit verborgenen Schätzen oder Häuser, die ihre Sammlungen digitalisieren wollen, bieten sich damit neue Möglichkeiten. Apps und Online-Angebote vereinfachen die Koordination und Kommunikation der Beteiligten und schaffen eine neue Flexibilität, zum Beispiel die Unabhängigkeit von Standorten.

Vorübergehender Hype oder ein neues Verständnis von Wissenschaft?

Viele wissenschaftliche Fragestellungen neuer Größenordnungen wären ohne die breite Beteiligung von Freiwilligen nicht zu bearbeiten. Dabei geht es aber nicht nur um rein pragmatische Machbarkeitsaspekte, sondern vor allem um eine neue Wertschätzung. Viele Menschen setzen sich als Laien intensiv mit fachlichen Themen auseinander, weil sie wissbegierig sind und Freude daran haben. Sie sammeln so nicht nur Fachwissen, sondern auch Erfahrungen und spezifisches Wissen über lokale Begebenheiten – man denke nur an Reenactment oder ehrenamtliche Denkmalpfleger. Das ist eine gesellschaftliche Ressource, die Forschung und Kulturbetrieben zugute kommen kann, bisher aber kaum den notwendigen Raum erhalten hat. Die Leidenschaft für ein Thema oder der Spaß am Mitmachen ist dabei nicht zu verwechseln mit Oberflächlichkeit.

Wie funktioniert ein Citizen Science-Projekt?

Die Antwort darauf ist so komplex wie einfach: Jedes Projekt muss seinen eigenen Weg finden, in Abhängigkeit von der Fragestellung, der gewünschten Mitarbeit, aber auch unter Berücksichtigung von Faktoren wie Budget, Zeit, räumliche Kapazitäten und Verortung. Die Beteiligung der Bürger kann dabei unterschiedlich ausfallen:

  • Kooperation: Bürger stellen zum Beispiel die Rechenleistung ihres heimischen Computers oder ihres Smartphones zur Verfügung. Die Beteiligung des Einzelnen ist minimal und beschränkt sich auf das Bereitstellen von Ressourcen.
  • Kollaboration: In solchen Projekten sammeln Bürger aktiv Daten und tragen damit zur Forschung bei.
  • Koproduktion: Bürger forschen gemeinsam mit Wissenschaftlern. Je nach Komplexität sind dafür Schulungen oder ein bestimmtes Vorwissen nötig.
  • Ko-Design: Wissenschaftler und Bürger arbeiten auf Augenhöhe zusammen, um neue Forschungsfragen zu definieren oder Projekte zu konzipieren.

Gut gemacht! – Engagement braucht Anerkennung

Wenn man sich für ein Citizen Science Projekt engagiert, möchte man dafür wertgeschätzt werden. Man möchte regelmäßig über Neuigkeiten informiert werden, sich mit Wissenschaftlern austauschen, Einblicke in den Forschungsprozess, Methoden und Fragestellungen erhalten und erfahren, welches Ergebnis die gemeinsame Forschung erbracht hat. Daher bedarf jedes Projektdesign einer gut durchdachten Kommunikationsstrategie. Dies ist ein großer Pluspunkt von Citizen Science. Das Prinzip der transparenten Rückkopplung ist ein Schritt in Richtung „Open Science“ und „Open Culture“: Eine Öffnung für den Austausch mit Bürgern, die mit einer Demokratisierung von Wissen, neuen Besuchern und Unterstützern einhergeht und auf das Bedürfnis nach Partizipation und Mitsprache reagiert.

Citizen Science-Beispiele

Citizen Science-Anwendungen beruhen oft auf spielerischen Prinzipien, die darauf abzielen, ein breites Publikum zu erreichen und mit Spaß zum Mithelfen und Mitforschen zu bewegen. Spiele dieser Art bezeichnet man als „games with a purpose” (GWAP). Die meisten gehören in die Rubrik „Kollaboration“, d.h. die Teilnehmer sammeln Daten zu einer Fragestellung, die Wissenschaftler entwickelt haben und in deren Kontext sie die Informationen auswerten. Das Potenzial nutzen international bisher v.a. Museen für ihre hauseigene Forschung, da sie mit der eigenen Sammlung die Basis für entsprechende Projekte quasi schon im Haus haben.

Gerade aufgestanden, Radio an und schon hat sich ein Lied im Kopf festgesetzt. „Ohrwürmer“ sind der Forschungsgegenstand im Projekt #Hookedonmusic der Universität Amsterdam. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Erkenntnisse über unser musikalisches Gedächtnis neue Impulse für die Behandlung von Alzheimer und Demenz liefern können. Dafür haben sie in Kooperation mit dem Manchester Science Festival und dem Museum of Science & Industry Manchester ein Online-Spiel entwickelt, mit dem sie Daten zum Erkennen von Musik unter Beteiligung einer möglichst großen Anzahl an Menschen erheben wollen. Diese sollen dazu motiviert werden, indem sie mit jeder richtigen Antwort Punkte sammeln und sich über eine Bestenliste mit anderen Spielern messen können.

Das Ethnologische Museum Berlin hat gemeinsam mit Fraunhofer Fokus die Open-Source-App „tag.check.score.“ entwickelt, um seine große digitale Bildersammlung zu verschlagworten. Dieser fehlten zusätzliche Informationen darüber, wo die Bilder aufgenommen wurden oder was darauf abgebildet ist. Deshalb entschloss man sich, diese Aufgabe in ein Spiel zu verpacken. Neben banalen Begriffen wurde dabei Fachwissen von interessierten Laien ebenso eingebracht, wie von Mitarbeitern anderer ethnologischer Museen oder Studierenden. Die entstandene Schlagwort-Sammlung von mehreren Millionen Wörtern wird nun zur wissenschaftlichen Weiterverwendung aufbereitet. Damit bedeutet das Projekt für das Museum eine große Zeitersparnis, eine Absicherung durch das programmierte mehr-Augen-Prinzip und einen großen Benefit in puncto Besucherbindung.

Auch das Online-Spiel „ARTigo“ greift auf dieses Prinzip zurück und erweitert die kunsthistorische Analyse von Bildern durch Annotationen nicht-wissenschaftlicher Spieler. Basis ist die Kunstsammlung der Ludwigs-Maximilian-Universität München. Die Qualitätskontrolle besteht auch hier in einem automatisierten Gegencheck, der Begriffe und Beschreibungen nur dann in die Datenbank übernimmt, wenn sie mehrfach genannt wurden. Ziel der Projektinitiatoren war es auch zu schauen, wie Menschen kunsthistorische Bilder verschlagworten. Dieses Wissen soll auf Suchoptionen für Bilddatenbanken im Netz angewandt werden. Der Erfolg des Projektes animierte auch andere Häuser dazu, die eigene Sammlung in ARTigo einzufügen.

Das Projekt „micropasts“, unterstützt vom Council for British Archaeology (CBA) und dem Archaeology Data Service (ADS), wird vom British Museum und dem Portable Antiquities Scheme gemeinsam verwaltet. Dabei steht im Mittelpunkt, neue Daten über die Vergangenheit der Insel mithilfe aktiver Teilnehmer zu sammeln – beispielsweise die genaue Lage archäologischer Fundorte anhand von Grobinformationen auf Fundkarten oder Fotos, aber auch Informationen zu unbekannten Stücken aus den Archiven. In einem anderen Projekt bittet das Museum die Teilnehmer, alte Handschriften anhand hochauflösender Bilder zu transkribieren oder eigene Fotografien von historischen Stätten oder Objekten einzureichen. Das Ziel ist es dabei in erster Hinsicht, die Menschen für die Bedeutung historischer Orte und Funde, aber auch für das immaterielle Kulturerbe zu sensibilisieren, indem man sie selbst damit arbeiten lässt. In ähnlicher Weise lässt der neben Wissenschaftlern auch von Laien befüllen, die sich mit privat mit archäologischen Funde beschäftigen. Alle Kooperationsprojekte der beiden Einrichtungen sind dabei wissenschaftlich äußerst erfolgreich und erfreuen sich zugleich großer Beliebtheit – nicht zuletzt, weil das British Museum und das Scheme auch hervorragende kreative und für den archäologischen Bereich wirklich vorbildliche Social Media-Arbeit leisten.

Auch die Dissertation von Sascha Förster zu Nachkriegskindern, ist ein schönes Beispiel für Forschung auf Basis von “Big Data”, die ohne Crowdsourcing bzw. Citizen Science in diesem Umfang kaum von einem Forscher allein hätten generiert werden können. Alles dazu kann man hier nachlesen.

Und zu guter Letzt hab ich selbst ein kleines Projekt ins Leben gerufen, dabei geht es darum, Links und Infos zur Social Media-Nutzung in der Archäologie in Deutschland zu sammeln. Aber auch über Ideen oder Hinweise zu Projekten aus dem Ausland oder aus anderen Bereichen freue ich mich.

                                                                  

WIEBKE RETTBERG beschäftigte sich mit dem Thema Partizipation seit ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg. Als Projektmanagerin ist sie derzeit bei Wissenschaft im Dialog (WiD) tätig und setzt sich in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Museum für Naturkunde Berlin mit dem Thema Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft auseinander.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1486

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Barcamps für die Wissenschaft und das THAT-Camp

Historiker-BarcampIrgendwann während der re:publica oder auf einem der stARTcamps dachte ich, dass Barcamps als Form des persönlichen Austausches auch in der Wissenschaft eine schöne Sache wären. Diese Idee ist nicht neu, aber zumindet in den deutschen Geisteswissenschaften auch noch nicht wirklich angekommen. Umso passender, dass im Zusammenhang mit dem diesjährigen Historikertag ein THAT (The Humanities and Technology) Camp stattand.

Bar-was? Ist das was? Kann das was?

Ein Barcamp, auch Unkonferenz genannt, ist eine Form des Treffens und Dialoges zu einem bestimmten Thema – eine Art Expertenkreis. Dabei steht die Teilnahme jedem Interessierten offen und hat, ähnlich einer klassischen Tagung, ein strukturiertes Programm in Form von Sessions. Diese werden aber nicht vorher durch Call for Papers o.Ä. inhaltlich nach fachlichen Kriterien ausgewählt und von Vortragenden bestritten. Vielmehr kann sich jeder Teilnehmer überlegen, welche Aspekte des Rahmenthemas ihn interessieren. Zu Beginn des Barcamps werden diese vorgestellt und daraus der Sessionplan entwickelt. Das Programm entsteht also spontan aus den Ideen vor Ort. Meist finden mehrere Sessions parallel statt, sodass innerhalb des Rahmenthemas eine breite Palette an Unterthemen abgedeckt wird und jeder Teilnehmer die besuchen kann, die ihn interessieren.

Eine Session ist, im Gegensatz zu einem Konferenzpanel, kein Vortrag, sondern ein Austauschsforum. Dieses kann einführende Informationen etwa zu einem Projekt beinhalten, die dann diskutiert werden. Es kann aber auch darum gehen, zusammen  die Lösung für ein Problem zu finden, sich Dinge erklären zu lassen oder Ideen zu sammeln. Der Gestaltungsrahmen ist völlig frei. Dies bringt im Gegensatz zu einer klassischen Tagung den Vorteil, dass nicht die Präsentation der eigenen Projekte (und der eigenen Person), sondern der fachliche Austausch im Mittelpunkt steht. Die Diskussionen gewinnen an Länge und Tiefe, auch Neulinge im Thema können ungehemmt Fragen stellen und beitragen, fachliche Expertise oder Titel sind nicht ausschlaggebend, um eine Session zu halten. Eine Seminaratmosphäre ohne Bewertung.

Das Internet, Konferenzen und Barcamps

Sessions_Thatcamp_14

Sessionplan vom THATcamp

Genauso war es beim THATcamp (das ich leider nur einen Tag besuchen, aber den zweiten zumindest auf Twitter unter dem Hashtag #thatcampgoe mitverfolgen konnte). Zwischen den aktiven Teilnehmern der Geschichts-Bloggosphäre, die sich u.a. über de.hypotheses.org und Twitter aktiv vernetzt, tummelten sich auch Barcamps-Newbies. Die Mehrheit hatte einen Bezug zum Thema Digital Humanities, sodass die recht anspruchsvollen Sessionthemen (Datenvisualisierung, Rechte im Netz, Vorratsdatenspeicherung, Social Mediat, Semantic Web, digitale Zusammenarbeit oder digitales Publizieren) mehrheitlich intensive Diskussionen mit sich brachten. Sie wurden auch auf Twitter (#thatcampgoe) fortgesetzt.

Gerade hier zeigte sich auch, warum Twitter ein hervorragendes Medium für Fachkonferenzen ist: die aktuelle Diskussion lässt sich durch die Twitterer gut, kurz und übersichtlich für diejenigen darstellen, die nicht vor Ort sind. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, ihre eigenen Gedanken einzubringen, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen zu bekommen und auf neue Fachleute mit interessanten Projekten aufmerksam zu werden. Außerdem ist es einfacher, die Veranstaltung mitsamt der Diskussionen und der Teilnehmer im Nachgang zu dokumentieren und nachzulesen als mit Tagungsbänden.

Und ohne Internet?

Barcamps gibt es in der Zwischenzeit zu verschiedensten Fachthemen, die meisten haben einen Bezug zum Internet, wie die stARTcamp-Reihe zu Kunst und Kultur im digitalen Raum oder eben die THATcamps zu den Digital Humanities. Da Barcamps aus der Online-Szene kommen, verwundert das nicht. Es bedeutet aber auch nicht, dass sie dort bleiben müssen. Das Format ist so frei, dass es auf jedes Thema übertragen werden kann. Auch Forschungsbereiche können damit abgedeckt werden.

Der Mehrwert eines Barcamps gegenüber einer klassichen Konferenz zeigte sich (zumindest mir) auch bei THATcamp und Historikertag. Auch bei zweiterem gab es einen Schwerpunkt zu den Digital Humanities, einmal im Allgemeinen, präsentiert von der AG Digitale Geschichtswissenschaft (#digigw14), aber auch zu Schwerpunkten wie der Digitalisierung in den Altertumswissenschaften (#digialtwi14). Beide waren von interessanten Vorträgen zu verschiedensten Themen geprägt, die anschliessenden Fragerunden aber zeitlich relativ eng und wenig dialogisch. Die Skepsis gegenüber vielen Facetten der Digitalisierung und vor allem den Social Media wurde in den Fragen dort wesentlich deutlicher als beim THATcamp. Wahrscheinlich waren beim Historikertag schlicht mehr Zuhörer mit weniger Erfahrungen im Web anwesend, die Möglichkeiten für tiefere Diskussionen zwischen ihnen und den anwesenden Fachbloggern und Twitterstorians blieben durch das Format aber begrenzt.

Nun überrascht es nicht, dass an einem Barcamp zu Humanities und Technology  weniger klassische Historiker teilnehmen als einer Fachtagung. Insgesamt zeigte auch die Twitter-Timeline zum Historikertag (#histag14) einen wesentlich geringeren Anteil an Twitterern als beim THATcamp. Einen Blick auf das Format zu werfen, lohnt aber auch ohne digitalen Background, weil es genau jenen Aspekt an klassischen Tagungen aufgreift und erweitert, der meist am produktivsten ist: den Austausch in der Kaffepause.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1412

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Neuland und die Jahrestagung des Deutschen Archäologen-Verbandes (DARV)

Original: Ausgrabungen Haltern am See. Quelle: LWL-Archäologie für WestfalenArchäologie und Politik – ein facettenreiches und spannendes Thema für die Jahrestagung des DARV im Juni in Münster. Ebenso vielfältig war das Programm. Über Beispiele für den Einfluss von Kriegen und Krisen auf die archäologie Arbeit wurde ebenso gesprochen, wie über Lobbyarbeit und Kommunikation mit und über Archäologie. Dabei ließ mich der Vortrag von Frank Marcinkowski, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster über die Folgen (!!) “dieses Internet” für die wissenschaftliche und Öffentlichkeitsarbeit sprachlos zurück – und auch sonst macht er sich in der Wissenschaftskommunikation nur wenig Freunde. Seine Thesen zeigen, gegen welche Vorurteile, einseitigen Annahmen und damit Hürden von Seiten der (Geistes-)Wissenschaft vor allem die digitale Kommunikation ankämpft.1

Vorschläge für ein besseres Verhältnis zwischen Archäologie, Politik und Kommunikation gab es schon beim Einführungsvortrag der Tagung: stärker über Fachgrenzen hinaus zu denken, den Mehrwert für die Gesellschaft zu formulieren und neue (gesellschaftliche) Aspekte einzubeziehen sollen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit sein – sowohl in Bezug auf die Reflektion der eigenen Methodiken als auch des Selbstverständnisses des Faches – und sind notwendig, um in einen Dialog mit politischen Entscheidern und der Öffentlichkeit zu treten. Nur so kann ein Verständnis für die eigenen Bedürfnisse geweckt werden, das notwendig ist für jede Form der Unterstützung.

Neuland – ein Forschergenerationenproblem?

Neue Ideen, besonders in Bezug auf strukturelle Veränderungen bei Forschung und Kommunikation, werden häufig schon von Studenten abgetan. Einen perfekten Weg zum Erfolg in jeglicher Art von geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es nicht, wohl aber viel Konkurrenz und hohen Druck. Den Weg zu gehen, der schon bei den Generationen zuvor funktioniert hat, scheint dabei am sichersten. Das gilt für den Umgang mit der Öffentlichkeit, die Qualitätssicherung und den Reputationsaufbau – Feststellungen, die von Seiten des Fachpublikums weitgehend benickt und noch einmal bestärkt wurden, als am Ende der Tagung die neuen Medien im speziellen thematisiert wurden.

Neuland – neue Medien, neue Öffentlichkeiten, neue Erwartungen

Genau hier, so zeigte sich im Abschlussvortrag von Marcinkowski, sitzt das Problem: Für die Kommunikation der Archäologie mit der Öffentlichkeit waren bis heute vor allem die archäologischen Museen zuständig und in geringerem Umfang die Presseabteilungen der Forschungseinrichtungen, die Wissenschaftler selbst wurden nur von Zeit zu Zeit von einem Journalisten zu einem bestimmten Projekt befragt.

Marcinkowski präsentierte in seinem Vortrag die Ergebnisse einer Studie über die Veränderungen des Umgangs der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik, u.a. durch das Social Web. Hinter dieser Studie, bei der bis 2011 1.600 deutsche Wissenschaftler – und ausschließlich diese! – aus 16 akademischen Disziplinen befragt wurden, steht ein Projekt der Uni Münster zusammen mit dem Wissenschaftsforscher Hans-Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich.2 Peters unterscheidet sich in seinem Grundtenor aber von der Interpretation Marcinkowskis, wie sie bei der Jahrestagung des DARV präsentiert wurde. Marcinkowskis Thesen im Wesentlichen:

  • Heute hat jeder, auch die Wissenschaft, das Gefühl, mehr öffentliche Aufmerksamkeit und bessere Kommunikation, vor allem im Netz, wären Lobbyarbeit und können Probleme wie fehlende Aufmerksamkeit, Anerkennung oder sinkende Fördergelder lösen
  • Aber Öffentlichkeit und Wissenschaft haben im Grunde keine Beziehung zueinander, es sind unterschiedliche Welten mit verschiedenen tradierten Verhaltensweisen, die sich weder überschneiden noch mehr als nötig einander annähern sollten
  • Kommunikation sorgt nicht für die Generierung von Wissen, sondern gefährdet im Gegenteil die Qualität von Forschung
  • Wissenschaftler sind genötigt, sich anders zu verhalten, wenn sie von außen beobachtet werden
  • Kommunikation im Netz zeigt keine Wirkung, Wissenschaftler sollen lieber ab und an mit Journalisten etablierter Medien wie dem Fernsehen oder der Zeitung sprechen3

Einige dieser Feststellungen sind sicher nicht gänzlich falsch. Mit mehr medialer Resonanz geht oft der Wunsch nach stärkerer Unterstützung einher. Das unterschiedliche Funktionieren der Sphären von Medien, Politik und Wissenschaft sorgt aber dafür, dass dem oft nicht so ist. So hatte die Petition gegen die Streichung der Finanzmittel der Denkmalpflege in NRW großes mediales Feedback und 27.000 Unterschriften hervorgebracht, an den Plänen der Landesregierung aber nichts geändert, weil die Entscheidungsfindung hier bereits stattgefunden hatte. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine Beziehung zwischen der – sich wandelnden – Sphäre der medialen Kommunikation / der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gäbe. Ihre Funktionsweise sollte die Archäologie als immer stärker privatisierte Zunft kennen, da sie bei  Ausgrabungen, aber auch der Bewahrung und Vermittlung von Denkmalen immer mehr von Unterstützung, privaten Geldern, touristischen Einnahmen und damit Aufmerksamkeit abhängig ist.

“Lassen Sie dieses Internet!”

Die von Marcinkoskwi vorgestellte Studie repräsentiert nur die Sicht der Wissenschaftler selbst. Eine nicht unwichtige Tatsache, um die Objektivität der Aussagen einer solchen wissenschaftlichen Untersuchungen einzuschätzen. Bei seiner Interpretation und Präsentation der Ergebnisse mangelte es aber am Versuch einer Objektivierung, beispielsweise durch eine Gegenüberstellung mit der Sicht der “Gegenseite”. Sein Ergebnis war denn, die Wissenschaft dürfe sich zugunsten ihrer Qualität nicht auf die Mediatisierung der Kommunikation und schon gar nicht auf das Internet einlassen, das nur von der eigentlichen Aufgabe, der Forschung ablenke, nicht aber die gewünschte Aufmerksamkeit bringe. Besser sei es, im Elfenbeinturm zu bleiben, anstatt einem “Forschungsmainstream” zu verfallen.

Nun sind wissenschaftliche Qualität und öffentliche Aufmerksamkeit natürlich nicht dasselbe. Das möchte auch niemand. Auch wird nicht erwartet, dass sich Forscher nur noch Themen aussuchen, die medientauglich sind – obwohl 16% das nach Marcinkowski bereits tun, Tendenz steigend. Vielmehr kann ein guter Kommunikator aus jedem Thema eine spannende Geschichte machen. Interessant ist an den Aussagen der Studie aber, dass die Anworten der Wissenschaftler die Vorstellung zeigen, gute, klassische, unbeeinflusste Forschungsfragen stünden schlechten, von aktuellen Entwicklungen beeinflussten gegenüber. Ist es nicht eher so, dass Forschung immer vom Zeitgeschehen beeinflusst war, dass die Aufgabe von Forschung auch darin besteht, Zeitgeschehen aus dem Blickwinkel der Disziplin zu beleuchten oder ihr neue Aspekte eröffnet, ohne dass dies den Verlust der fachinternen Qualitätsstandards bedeutet. Dies scheint eine Angst bei Forschern aller Hierarchieebenen zu sein, wie sich auch bei der Diskussion um Open Access und Social Media während des Historikertages zeigte.

Auch Marcinkowski sieht hier das Problem. Auf Blogs oder in Online-Zeitschriften können Ergebnisse ohne Begutachtung veröffentlicht werden, ebenso wie Informationen über gescheiterte Projekte, die der Reputation schaden. Lobbyarbeit hingegen könne man damit nicht betreiben. Dabei ist auch die Gleichsetzung von Lobby und Öffentlichkeit und beider Kommunikationswegen vereinfacht. Verschiedene Zielgruppen brauchen verschiedene Kommunikationswege, natürlich lässt sich durch einen Blogbeitrag – ebenso wie durch einen Zeitungsartikel – allein keine Lobby aufbauen. Dafür braucht es gute persönliche Kontakte, die das Internet nicht ersetzen kann oder soll, die hier aber aufgebaut und gepflegt werden können.

Vereinfachung, Dramatisierung, Überhöhung

Auch bei der Kommunikation von wissenschaftlichen Inhalten über etablierte Medien gibt es oft Vorbehalte. Sie betreffen vor allem die Art, wie Ergebnisse dort präsentiert werden: um den Kontext zum Heute herzustellen und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, vereinfachen, dramatisieren und überhöhen Journalisten. Kommunikation im Internet aber braucht Journalisten als Instanzen des “Übersetzens” nur noch bedingt. Vielmehr können Fachleute dort verstärkt selbst zu Wort kommen. Damit kann auch auf ein zunehmendes Interesse von Seiten der Öffentlichkeit an der Wissenschaft selbst reagiert und mit interessierten Laien in Dialog getreten werden. Zugleich lässt sich besser kontrollieren, welches Image eines Faches, Projektes oder Wissenschaftlers selbst vermittelt wird.

Der Artikel von Peters zur Studie macht ein weiteres Problem deutlich, das von Marcinkowski unerwähnt blieb. Wissenschaftliche communities möchten oft nicht in Dialog nach außen treten. 34% sehen ihre Disziplin und ihr Fachwissen nicht als Teil der Allgemeinbildung und trauen der Öffentlichkeit nicht zu, mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen. Sie möchten es auch nicht, weil solche Gespräche den wissenschaftlichen Standards nicht entsprechen. Diese sind innerhalb der Wissenschaft aber auch Bemessungsgrundlage für den Wert einer Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Anders steht es um die digitale Kommunikation mit Fachlaien – in der Archäologie zum Beispiel freiwilligen Denkmalpflegern oder Reenactorn. Die Möglichkeit, im Netz Communities zu speziellen Themen zu bilden, wird begrüßt, die Allgemeinheit damit aber wieder ausgeschlossen. Zugleich wird angenommen, eine besser gebildete Öffentlichkeit habe einen positiven Einfluss auf die Wertschätzung und Finanzierung von Wissenschaft. Die mögliche Einflussnahme von Laien auf Forschungsprozesse und Forschungspolitik wird aber negativ bewertet. Das Dilemma ist deutlich.

“Gehet hin und lehret!”

Trotz Marcinkowskis abschreckendem Vortrag machte gerade das Thema der Jahrestagung, “Archäologie und Politik”, in verschiedensten Vorträgen deutlich, warum Archäologen kommunizieren sollten: weil Archäologie noch immer ein politisches Machtmittel ist. Archäologen betreiben Ausgrabungen nicht mehr als Landnahme in Fortsetzung des Kolonialismus. Stattdessen muss man vielmehr auch Diplomat sein, mit Behörden und Einheimischen gleichermaßen auf Augenhöhe kommunizieren, die eigenen Bedürfnisse ebenso vermitteln, wie die Interessen des anderen verstehen können. Eine Übersetzungsarbeit also, die jener gegenüber den Medien nicht unähnlich ist.

So vermittelt die Orientabteilung des DAI, wie Margarete von Ess berichtete, im Irak den Einheimischen die Grundlagen wissenschaftlicher Dokumentation und die Bedeutung von Funden und Fundstätten, unabhängig von Religion oder staatlicher Ideologie. In Rumänien kämpfen Archäologen gegen die Zerstörung des historischen Bergbaugebietes Rosia Montana und damit auch gegen ein von der Regierung unterstütztes Großunternehmen. Erfolgreiche öffentliche Kommunikation führte hier dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung sich hinter die Archäologen stellte, sodass das Projekt zumindest auf Eis gelegt wurde.

Zwar hat eine ähnliche Form der Aktivierung aller Kommunikationskanäle beim Beispiel NRW nicht funktioniert, hierbei spielten aber die verschiedenen Zeitmechanismen von Politik und Medien eine Rolle. Dauerhafte konstanteKommunikation, Memopolitik oder das Aufzeigen der Ursprünge und Hintergründe hinter neuen Errungenschaften (man denke an Suchmaschinen und die Erkenntnisse der Linguistik und Philologien) können aber dabei helfen, dass Themen nicht erst kurzfristig und spät auf die mediale und politische Agenda kommen, sondern unterschwellig präsent, Grundlagenwissen und Verständnis vorhanden sind. Dieser Rückschluss wurde bei der Jahrestagung des DARV nur bedingt gezogen. Notwendig ist dafür nicht, Forschungsthemen zu ändern oder fachliche Qualität aufzugeben. Manchmal reicht ein neuer Blick auf das eigene Fach unabhängig von innerfachlicher Konkurrenz, interuniversitärem Wettkampf oder “collateral damage of publicity”. Ich war noch nie Freund von Kriegsmetaphern.

                                                                                                            

Nach einem ähnlichen Vortrag von Marcinkowski, gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Kohring, mit dem Titel “Wie schädlich ist Wissenschaftskommunikation?” beim Workshop der VolkswagenStiftung “Image statt Inhalt? – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen” hat auch Jens Rehländer seine Thesen einer kritischen Betrachtung unterzogen.

2 Die Ergebnisse wurden u.a. publiziert in Hans-Peter Peters, Gap between science and media revisited: Scientists as public communicators, in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), 110/ 2013, Suppl 3. Der gesamte Artikel kann hier gelesen werden.

3 Vgl. hier die kürzliche Aufforderung – nicht von Marcinkowski -  Wissenschaftler auf Twitter sollten lieber an Fachpublikationen arbeiten.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1372

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Update zu Mobile History. Neue Apps für Historiker und Geschichtsinteressierte

Die New York Times hat unter dem Titel “Gateways to the Classical World” Ende August eine Übersicht zu neuen, englischsprachigen iPad-Apps zur antiken Geschichte und den zugehörigen Sprachen veröffentlicht. Die meisten von ihnen dienen Geschichtsinteressierten – die es natürlich nie genug geben kann. Dabei sind aber auch einige Projekte, die für Historiker interessant sein können, wie Lexika, Wörterbuch oder ein Kartenwerk der antiken Welt, mit denen ein Schritt in Richtung der wissenschaftlichen Nutzung von Apps (siehe Mobile History Teil I) und E-Books (siehe Social Reading für die Wissenschaft) getan ist.The Barrington Atlas of the Greek and Roman World. Während das seit 2000 erhältliche gedruckte Werk bei 425 Dollar liegt, kostet die iPad-App bloß 19,99. Der Atlas umfasst den Zeitraum von 1600 Jahren, enthält umfangreiches Textmaterial und 102 Karten. Der Vorteil der App liegt dabei, neben dem Preis, zum einen in der hohen Auflösung der Bilder von bis zu 800% im Vergleich zur gedruckten Version. Auch die Suchfunktion vereinfacht das Arbeiten mit den Karten. Das Ortsverzeichnis umfasst mehr als 20.000 Standorte.

Virtual History Roma wirft für einen ebenfalls kleinen Preis einen Blick auf das alte Rom durch ein drehbares 3D-Modell, farbige Abbildungen und Fotos von den Ruinen. Neben den Bildern führen kurze Textblöcke den Leser durch die Geschichte des Römischen Reiches mit einer kurzen Beschreibung seiner Kunst, Architektur und Politik. Hinzu kommen interaktive Elemente, wie Videos, eine Schritt-für-Schritt-Demonstration zum Bau einer Römerstraße oder eine 360-Grad-Luftaufnahme der Stadt mit Vogelflug-Optik.

Führ nicht einmal 4 Dollar führt die App Ancient Greece junge Interessierte in die griechische Welt der Götter und Sterblichen ein. Sie nutzt ebenfalls die multimediale Vielfalt von Fotos, Animationen und Videos, um die wichtigsten Aspekte der griechischen Kultur abzudecken. Hinzu kommen aber Spiele, also Gamification-Aspekte, die die Motivation für die Beschäftigung mit dem Thema durch Spaß erhöhen sollen. Der begleitende Text ist kurz, aber informativ, und birgt eine breite Palette von bekannten Themen der antiken Welt.

Die SPQR- und Ancient Greek-Wörterbuch-Apps helfen all jenen, die für wenig Geld etwas digitale Hilfe bei der Bewältigung der antiken Sprachen suchen. Grammatik- und Wortschatz-Tests, Lexika und eine E-Bibliothek mit Werken von bekannten Autoren zum Lesen und Übersetzen unterstützen aber nicht nur Studenten. Die Wörterbücher oder die Möglichkeit, den Originaltext direkt mit einer Übersetzung der Loeb Classical Library vergleichen zu können, hilft auch Historiker oder Archäologen bei der Quellenarbeit oderist auf einer Ausgrabung sehr praktisch. Das gilt gleichermaßen für reine Lexikon- oder Wörterbuch-Apps. Davon gibt es mehrere kostenlose oder kostengünstige für iOS und Android, wie Ancient Greek Lexikon and Syntaxoder die kostenlose Logein App (web version auf logeion.uchicago.edu) der Universität von Chicago, die mehr als ein Dutzend griechische und lateinische Wörterbücher und Nachschlagewerke vereint.

Leider hatte ich noch nicht die Gelegenheit, alle Apps zu testen, deswegen freue ich mich über Erfahrungsberichte und Hinweise, zum Beispiel über die verwendeten Quellen. Spannend wäre auch, ob solche Lexika ähnlich einer Fachwikipedia regelmäßig aktualisiert werden – gerade für die Forschung ein wichtiger Aspekt, der sich bei digitalen Inhalten wesentlich leichter umsetzen lässt, als im Print mit Ergänzungsbänden. Um es mit dem Autor zu halten: „The Greeks and Romans recorded their worlds on papyrus and tablets made of wax or clay, and there’s a satisfying sense of continuity when you study their ­millenniums-old ideas on 21st-century tablets made of glass and metal.“

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1384

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Die Terra Digitalis und die Wissenschaft der Zukunft

Cover_WissenschaftFür einen Historiker sind gesellschaftliche Veränderungen absolut faszinierend. Das gilt nicht weniger für die noch wenig historische Digitalisierung. Sie kommt einem medialen und gesellschaftlichen Umbruch a la Gutenberg gleich – und er war für den Beginn der Moderne, also eines neuen Zeitalter, nicht wenig mitverantwortlich. Wie bei Gutenberg vor gut 600 Jahren sind auch diesmal technische und  wissenschaftliche Erkenntnisse die Grundlage der Veränderung. Nicht zum ersten mal revolutioniert die Wissenschaft derzeit also die Gesellschaft – und damit auch sich selbst. Für die Historikerin und die Fachkommunikatorin in mir war es deswegen eine Herzenssache, mein zweites KM Magazin der Zukunft der Wissenschaft widmen zu können.

Nun sind die Zukunft der Wissenschaft und die Auswirkungen der Digitalisierung auf sie kein weißer Fleck auf der Landkarte mehr. Die ersten Tendenzen, die Schlagwörter der Digitalisierung, betreffen das Wissenschaftssystem genauso wie die Gesellschaft: Big Data, neue Kommunikationsformen, der Ruf nach mehr Transparenz und Offenheit, aber auch nach mehr Kreativität und Blicken über den Tellerrand. Werden sie in einigen wissenschaftlichen Bereichen schon länger umgesetzt, sind sie zumindest zum Teil für andere u.a. aufgrund der zunehmenden Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Disziplinen noch neu.

Deswegen war es die Idee hinter dem Magazin, anhand von Interviews und Beispielsprojekten zu zeigen, was gute Wissenschaft in der Zukunft ausmacht und was sie bewirken kann. Ein Aspekt sticht dabei immer wieder heraus: Interdisziplinarität. Die Zusammenarbeit von Forschern verschiedenster Disziplinen und Wissenschaftsbereiche an einer Fragestellung beflügelt die Suche nach Antworten und Lösungswegen ungemein, das bestätigen alle Beispiele. Denn wenn es um die Umsetzbarkeit von Zukunftsvisionen geht, spielen nicht nur technische Möglichkeiten, sondern auch soziale Entwicklungen und historisch-kulturelle Einflüsse eine entscheidende Rolle. Eine Chance für die Geisteswissenschaften, zu zeigen, wie ihre Ergebnisse für die Gesellschaft anwendbar sind. Auch wenn Grundlagenforschung weiterhin wichtig bleibt, steht doch die Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen immer mehr im Mittelpunkt der Ansprüche, die an das Wissenschaftssystem gestellt werden. Interdisziplinarität ist nach den Standards einzelner Fächer schwer zu bewerten, Anwendbarkeit hingegen schon. Sie gehört deshalb zu den Punkten, nach denen immer öfter über Fördergelder – und damit scheinbar Forschungsqualität – entschieden wird. Gerade für die Geisteswissenschaften ist das ein Problem und eine Chance zugleich. Die für das Magazin ausgewählten Beispiele haben fast alle auch geisteswissenschaftliche Aspekte und entwickeln Ergebnisse, die in technologischer, sozialer oder struktureller Hinsicht den Alltag verändern werden.

Zu den Projekten, die in Text- oder Bilderform vorgestellt werden, gehören CitizenScience, 3D-Druck, das MIT Senseable City Lab oder die MPI-Forschung rund um Graphen. Leider nur im Bild vertreten ist unternehmensinterne Forschung. Sie ist primär auf anwendbare Ergebnisse in hoher Qualität ausgerichtet, denn das Interesse der Unternehmen liegt in der späteren Umsetzung in konkrete innovative Produkte. Zugleich ist sie durch ihre Unabhängigkeit von Drittmitteln und Förderanträgen aber oft auch kreativer, vielfältiger und visionärer als ihr universitäres Pendant. So beschäftigt sich Forschung in Unternehmen auch damit, wohin Mobilität, Vernetzung, veränderte Infrastrukturen, Kommunikation und digitale Informationen die Gesellschaft führen werden. Google, Lego, Siemens oder Walt Disney investieren jährlich viele Millionen in interdisziplinäre Projekte und eigene Lehrstühle, die Sprach- und Erziehungswissenschaftler, Soziologen, Kommunikations- und Medienwissenschaftler, IT-Experten, Architekten, Ingenieure oder Neurobiologen vereinen.

Trotzdem der spannenden Ideen und wissenschaftlichen Herangehenweisen, die die Unternehmen verfolgen, war es ein DFG-Projekt, das mich zum Cover und Editorial für das Heft inspiriert hat. “Terra Digitalis“, ebenfalls interdisziplinär ausgelegt, verdeutlicht die wichtigsten Punkte der Digitalisierung für die Gesellschaft anhand einer Karte der noch dünn besiedelten digitalen Welt: Mobilität, Kommunikation, Information. Sie ist eine schöne Metapher auch für den Weg der Wissenschaft in dieser digitalen Welt, die sie mitkreiert und von der sie auch selbst verändert wird.

Gerade weil spezifisch geisteswissenschaftliche Forschungen, die Digital Humanities und weitgehend auch die Wissenschaftskommunikation nur am Rand des Magazins vorkommen, hoffe ich, dass es euch ebenso zu neuen Ideen anregt wie mich – ganz im Sinne der Interdisziplinarität. Das KM Magazin “Wissenschaft” könnt ihr hier kostenlos downloaden.

P.S. Speziell für die Mittelalter-Historiker gibts zum Aufregen und Diskutieren im Magazin auch den zweiten Teil der These, das Internet führe uns zurück ins Mittelalter. Der Beitrag ist aber nicht im Schwerpunktteil Wissenschaft verortet :)

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1355

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Mai:publica oder mein Social Mai. Teil I – die re:publica

ein passendes Motto für die re:publica

ein passendes Motto für die re:publica

Wenn re:publica und MAI-Tagung zusammen kommen (vor allem nach einem schönen langen Ostsee-Wochenende), ist nicht nur garantiert der Winter vorbei. Frühlingsgefühle mit bester Laune, kribbeliger Aufregung und vielen Social-Input-Schmetterlingen sind garantiert. Ich gebe mir alle Mühe, die Anregungen in den nächsten Wochen ausprobieren und verbloggen zu können. Vorher aber die wichtigsten Eindrücke der beiden Mailights. Zuerst – und endlich – die der re:publica, die vom 06. bis 08. Mai in der Station in Berlin stattfand.

Re:publica – Snowden und Gesellschaft

In meinem zweiten re:publica-Jahr war ich auf das, was da kommen sollte, etwas besser vorbereitet. Da das „Klassentreffen der Nerds“ aber im achten Jahr wieder gewachsen ist, hieß es bei 6000 Teilnehmern und 250 Speakern: Don’t panic, App durchforsten, Favoriten wählen und notfalls alles über den Haufen werfen – die Sessions landen ja alle als Video im Netz.

Eigentlich ist „Treffen der Nerds“ eine ziemlich unpassende Bezeichnung für eine bunte Mischung aus Marketing-Menschen, Fachkommunikatoren, Wissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen, Medienmachern, Kreativen und natürlich auch Programmierern. In der Zwischenzeit trifft es Netzgemeinde besser – auch wenn Sascha Lobo bezweifelt, dass es diese gibt – denn die Besucher der re:publica haben gemeinsam, dass sie kaum mehr zwischen on- und offline trennen und sich der Risiken und Möglichkeiten des Netzes bewusst sind. Auch der Name (lat. res publica – öffentliche Sache) zeigt, dass hier eine Verbindung zwischen Internet und Gesellschaft geschaffen werden soll. Nach den Enthüllungen Snowdens wurde nun auch der zentrale Blick auf die größeren Kontexte wie Netzpolitik, die digitale Gesellschaft (spannend die evolutionspsychologische Perspektive darauf von Frank Schwab und Astrid Carolus) und natürlich Big Data gerichtet. Aspekte, die das private Leben genauso betreffen, wie das berufliche und gesellschaftliche. Eng daran geknüpft ist die neue Vielfalt der (Fach-)Kommunikation – mein Lieblingsthema und einer der Gründe, die re:publica wieder zu besuchen.

Special Interests und gute Geschichten

Science-Fiction - nicht nur für die "Nerds" unter den Historikern spannend

Science-Fiction – schöne erzählte Wissenschaftsgeschichten, nicht nur für die “Nerds” unter den Historikern spannend

Oft ist das tiefergehende Interesse für Wissenschaftsthemen bei denen, die sich nicht beruflich damit beschäftigen, ein Hobby. Im Netz lassen sich für solche Special Interests leicht Gleichgesinnte finden. Ein schönes Beispiel war die zu recht hochgelobte Session zum Twitter-Projekt „@9Nov38“ von Charlotte Jahnz und Moritz Hoffmann. Sie konzipierten für den 75. Jahrestag der Reichskristallnacht anhand von Originaldokumenten eine Geschichte in Tweets, die über 11.000 Follower erreichte. Sie und das große Medienfeedback sind eine wunderbare Motivation, sich an solche Projekte zu speziellen Themen heranzutrauen. Die Leidenschaft dahinter eignet sie sich besonders, um Begeisterung auch bei anderen zu wecken. Im Fall von 9Nov38 war es gerade die Verknüpfung gut erzählter Geschichten mit originalen Dokumenten und den dahinter stehenden Personen, die Authentizität, die den Lesern besonders gefallen hat.

Geschichten gehören zu den grundlegenden Kulturgütern der Menschen, wenn sie gut erzählt sind, vermitteln sie Werte und Wissen in einer Form, die man sich leicht auch über lange Zeit merken kann. Das hat seine Wirkung heute nicht verloren, wie man an guten Büchern, Filmen, Serien oder auch im Journalismus sieht. Neue digitale Erzählmöglichkeiten, wie das sogenannte Scrollytelling, können auch historische anspruchsvolle und kritische Inhalte so aufbereiten, dass sie als empfehlenswert wahrgenommen werden: längere Texte, angereichert mit Bildern, Tönen und Videos, eingeteilt in Kapitel mit verschiedenen Kapiteln. Näher kann man einem multimedialen Buch derzeit kaum kommen. Schön ist das Beispiel Killing Kennedy. Als neues kostenloses Tool hierfür stellten auf der re:publica Stefan Domke und David Ohrndorf das vom WDR entwickelte Pageflow vor.

Auch die Entwicklung der Forschung selbst war Thema. In „Hacking History“ beispielsweise sprach Oona Leganovic davon, dass sich durch die Vielzahl der Daten weder die Fragestellungen, noch die Auswertungen oder gar die Vermittlung entsprechender Erkenntnisse bisher wirklich verändert haben. Sie entwarf ein Zukunftsszenario, indem auch die Öffentlichkeit leicht an der Generierung entsprechender Daten teilhaben kann, zum Beispiel durch die intensive Beschäftigung mit einem Hobby erlangten Fachwissens. Dem nahm sich auch das science:lab an, dass u.a. von Wissenschaft im Dialog mit einem eigenen Stand betreut wurde, oder Martin Ballaschk, der einen guten Einblick in die Zielgruppe und Möglichkeiten von Wissenschaftsblogs bot.

Wie sich Fachwissen und Geschichten gut vereinen lassen, zeigte schließlich der überfüllte Publikumsraum beim ScienceSlam, einem Wettkampf um die publikumsnahe Vermittlung eigener Forschungsthemen (leider mit nur einem Geisteswissenschaftler), bei dem sich die Besucher mit Sprachspielen und Wortwitz auch an eher trockenen Themen erfreuen. Gleiches gilt für die Session von Wibke Ladwig, „Ein blindes Huhn ist kein Ponyhof“. Sie machte Lust auf Literatur, Sprachgeschichte, Goethe, Shakespeare und die unterhaltsame Auseinandersetzung mit Wortschatz im Netz.

Die auf der re:publica vorgestellten Tools helfen nicht nur, Menschen zu begeistern, sondern auch, die eigene Arbeit mit neuen Augen zu sehen. Das gilt auch social Frühlingsgefühle dank Vernetzung und schönen Fachsimpeleien im re:publica-Innenhof mit netten Menschen wie Iris Wessolowski, Sascha Förster, Marc Scheloske, Thorsten Witt oder Ines Dorian Gütt bei Kaffee und Sonnenschein.

Und als kleines Schmankerl am Schluss: Wer findet den Fehler? :)

eine herrliche Lektüre nicht nur live on stage: der Bildblog

eine herrliche Lektüre nicht nur live on stage: der Bildblog

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1301

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guter, schlechter, blinder, leidenschaftlicher Ehrgeiz

Augustus - der Erhabene

Augustus – der Erhabene

In einem geistes- oder kulturwissenschaftlichen Studium wird schon früh deutlich, dass Ehrgeiz, ebenso wie Fachwissen, eine Grundvoraussetzung ist, um voran zu kommen. Auch bei Schwankungen der eigenen Motivation muss der Ehrgeiz gepflegt werden, denn die Konkurrenz und der Druck sind groß, die Stellen rar, Leidenschaft und innerer Antrieb notwendig. Obwohl also Ehrgeiz als Thema, zumindest hab ich es lange so wahrgenommen, immer unterschwellig da ist, setzt man sich nur selten intensiver damit auseinander. Deswegen war es sehr spannend und aufschlussreich für mich – und ist es hoffentlich auch für euch – in meinem ersten selbstkonzipierten KM Magazin Ehrgeiz von verschiedensten Seiten zu beleuchten. Durch die Recherche, die Gespräche mit den Autoren und natürlich die Texte selbst konnte ich viel über die verschiedensten Aspekten lernen: über Psychologie und das persönliche Ego, über Passionen, berufliche Strukturen, Lebenswege und auch die Gesellschaft selbst.

Passion, Motivation, Ambition, Streben

In der Mehrheit der europäischen Sprachen bedeutet Ehrgeiz Ambition oder Motivation. Die Ehrgeizigen wollen etwas bewegen oder werden von etwas bewegt, sie sind geprägt von Idealismus und Begeisterung. Der etymologische Ursprung von Geiz meint Streben oder Passion – also nicht, mit Ehre zu geizen, sondern, danach zu streben. Die wirklich schöne Einleitung ins Thema beschäftigt sich denn auch mit der Evolution von Ehrgeiz als Teil des menschlichen Daseins. Das Interesse an Laufbahnen in der “brotlosen” Kunst lässt sich ohne diesen Ansporn kaum erklären. Ehrgeiz ist hier der Antrieb zur Selbstverwirklichung einer Leidenschaft und manchmal auch die Suche nach Antworten. In der Vielfalt der Themen, mit denen man sich als Geisteswissenschaftler beschäftigt – Philosophie, Geschichte, Politik, Gesellschaft, Kunst – ergeben sich immer wieder neue Ansätze, die Welt zu verstehen und Löungswege für aktuelle Probleme und Veränderungen zu finden.

Aber es gehört auch dazu, dass man für finanzielle Mittel und die Zustimmung der Geldgeber und Öffentlichkeit kämpfen muss. Ehrgeiz hat dann auch negative Facetten. In der Umgangssprache wird er oft mit der Übermäßigkeit von Wirtschaftsmagnaten oder Politikerboni in Verbindung gebracht. Doch auch in Wissenschaft und Kultur steht Ehre immer öfter für indivuelle Anerkennung oder die Durchsetzung der eigenen Meinung. Etwas veraltet klingend, sollte sie aber vielleicht wieder öfter in ihrem ursprünglichen Sinne in den Mittelpunkt gestellt werden: das Ansehen und die Achtung aufgrund von moralischen Werten, die in einer Gesellschaft oder einem Berufsstand gelten. Die Bemühung, offen zu sein und sich weiterzuentwickeln, zu Erkenntnissen nicht nur für das eigene Ansehen, sondern auch für die Gesellschaft zu kommen und nicht zuletzt Transparenz nach innen und nach außen sind solche erstrebenswerten Werte des modernen Wissenschaftbetriebes sein.

Caesar und Augustus

Caesar

Caesar

Ehrgeiz ist janusköpfig. Er steht – wie in der römischen Antike Caesar und Augustus – für den Unterschied zwischen dem Antrieb, besser zu sein als die anderen, und jenem, ehrwürdig sein zu wollen. Caesar ging über Leichen, um seine Ziele zu erreichen, und missachtete dabei vor allem den gesellschaftlich als richtig anerkannten Weg und die Werte, auf die man in Rom nun mal besonderen Wert legte. Auf sein Ziel zustürzend, verlor er die Steine dabei aus dem Blick und fiel. Augustus ging das geschickter an. Für ihn war, zumindest nach außen, das Ziel nicht der indivuelle Status, sondern das Wohl des Staates und damit die Ehre. Volk und Senat von Rom konnten sich damit denn auch eher anfreunden. Das ist zwar ein bisschen vereinfacht dargestellt – die Umstände waren nicht ganz unschuldig an den Karrieren der beiden – trotzdem hat die ehrgeizige Geschichte dieser beiden ihre Gültigkeit nicht verloren. Im Laufe einer Karriere schwankt man zwischen beiden Arten von Ehrgeiz,  die Anforderungen sind von Beginn an hoch. Wer nur nach Idealen und nicht ein wenig nach Macht und Einfluss strebt, bleibt auf der Strecke. Wissenschaftler sind stets auch gegenseitige Konkurrenz.

Manchmal scheint es, als sind gerade in den Geisteswissenschaften oft auch Stillstand und das Festhalten am Gegebenen an der Tagesordnung. Obwohl Leidenschaft hier einen großen Stellenwert hat, sucht man unter stetigem Druck gern nach dem idealen, sicheren Karriereweg und verliert dabei ein bisschen das eigene Ziel und die eigenen Vorstellunen aus den Augen. Auch diesem blinden Ehrgeiz ist ein Beitrag im Heft gewidmet, der einer spannenden Diskussion mit der Autorin folgte. Für das Ansehen wissenschaftlicher Arbeit und die Qualität der Ergebnisse ist es aber gerade der passionierte Ehrgeiz für die Sache, der gepflegt werden muss. Nur er kann den ehrwürdigen, fairen Wettkampf um Ideen, Ideale und Werte anregen, bei dem im das Streben nach Anerkennung über sich herauswächst.

Nicht zuletzt kann Ehrgeiz auch Spaß machen und ist ein zentraler Teil des Abenteuerdranges. Deswegen ist es umso spannender, dass Tanja Neumann auch etwas über Gamification geschrieben hat. Ich hoffe ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen wie ich und freue mich über Feedback, denn ohne bringt keine Form von Ehrgeiz etwas :)

Das Magazin könnt ihr euch hier kostenlos und vollständig als PDF herunterladen.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1268

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11 Fragen & ein Best Blog Award – im Frühling fliegen die Blogstöckchen tief

bestblogaward-298x300Viele erste Male für meinen Blog. An einem schönen Frühlingswochenende in Münster habe ich bei meinen ersten Bloggertreffen und (nicht ersten) stARTcamp Sandra und Robert vom virtuellen Migrationsmuseum kennengelernt. Nach barcamp-typischem, supernettem Input freut es mich nun sehr, dass das erste Mal ein Blogstöckchen und gleich dazu ein „Best Blog Award“ von den beiden zu mir geflogen kamen. Leider hab ich die neuen Fragen zu spät gelesen und mir schon die Finger wund getippt, deswegen hier eine Mischung aus den Fragen an und denen von euch. Ich hoffe ich kann mit meinen elf Antworten trotzdem der großen Ehre gerecht werden :)

1. Worüber schreibst Du in Deinem Blog?

Das hängt immer ein bisschen von meiner Tagesform ab und von den Themen und Ideen, die ich mir bei der Recherche in Timelines, Blogfeeds und Gesprächen so kommen. Meistens schreibe ich über Social Media in Kultur und Geisteswissenschaften. Besonders die Kommunikation zwischen den „schönen Künsten“ und dem außeruniversitären Rest der Welt liegt mir dabei am Herzen, weil ich als Althistorikerin immer wieder die Relevanz meines Faches erklären muss und mich das schon traurig stimmen kann. Deswegen „klaue“ ich viele Ideen von den Kulturlern –­­ mit denen ich meinen Arbeitsalltag teile und die sich in Sachen Netz immer wieder tolle neue Sachen einfallen lassen ­­­­­– und schaue, was sich davon auch für die Welt der Unis, Forschungsinstitute und des Fachjournalismus anwenden lässt. Und natürlich schreibe ich über Veranstaltungen wie die re:publica und stARTcamps, bei denen ich tolle Leute wie Robert und Sandra und viele andere kennengelernt habe.

2. Hast du einen Artikelfavoriten im Blog? Wenn ja, warum?

Der erste für den Blog geschriebene Beitrag war eine echte Herzenssache. Ich saß seit ein paar Wochen in Berlin im Social-Media-Kurs und entdeckte, dass die Möglichkeiten des World Wide Web auch für idealistische Geisteswissenschaftler und Kulturliebhaber wie mich unendlich sein können. Den Input, die vielen noch Neulings-Gedanken und die Begeisterung für dieses Betätigungsfeld hab ich mir dann vom Herzen geschrieben – und erst später bemerkt, wieviele Leute sich schon vor mir damit beschäftigt haben :)

Ich mag auch sehr den Beitrag zu den Kürzungen der Denkmalpflege in NRW. Der war auch eine Herzensangelegenheit, weil ich damals in der Archäologie gearbeitet und gesehen hab, wieviel Freude so eine Nachricht den Menschen nehmen kann, die sich mit Begeisterung für die Bedeutung der Vergangenheit einsetzen. Ich konnte den Beitrag mit meinem “Insiderwissen” und der Unterstützung meiner Kollegen schreiben und dann hat er soviel positives Feedback von vielen Seiten gebracht, dass wir im Büro sprachlos davor saßen und die Leserzahlen kaum fassen konnten. Das war unglaublich für mich und hat mich auch stolz gemacht.

4. Gab es einen besonderen guten – oder schlechten – Kommentar zu einem Deiner Artikel?

Einige schöne und unterstützende Kommentare habe ich zu dem Artikel über die Kürzungen in NRW bekommen, was sicher auch an der großen Verbreitung lag. Sonst sind Kommentare im Blog selbst leider eher selten. Von Zeit bekomme ich Tipps und Ergänzungen, vor allem bei Beiträgen über Tools und ihre Anwendbarkeit für Kultur und Geisteswissenschaften. Ich würde mir aber insgesamt mehr und auch mehr kritische Kommentare wünschen, sodass ein bisschen Diskussionen und Austausch zustande kommen, die ich dann wieder in Beiträgen aufgreifen kann. Umso mehr freue ich mich immer, wenn mich Menschen “analog” auf meinen Blog ansprechen und ich merke, dass ich nicht ins Blaue schreibe und dem ein oder anderen doch einen Mehrwert bescheren kann.

4. Was machst du in 20 Jahren?

In 20 Jahren haben hoffentlich jede historische und archäologische Forschungsinstitution und vielleicht jedes (noch übrig gebliebene) Uni-Institut eine eigene Stelle für Online-Kommunikation. Bei einer davon kann ich dann schöne, spannende, crossmediale Beiträge über die aktuellen Forschungen und Erkenntnisse für ein breites Publikum schreiben, drehen und vertonen, die Community pflegen (wer weiß, ob dann noch auf Facebook und Twitter..) und ganz viele Menschen an der Begeistertung für kleine Orchideenfächer teilhaben lassen.

5. Was sind Deine liebsten kulturellen Aktivitäten?

Als Historikerin bin ich natürlich ein Museumskind. Ein Urlaub oder Städtetrip, ohne Museen gesehen zu haben, ist für mich eigentlich unmöglich – manchmal zum Leidwesen meiner Begleiter :) Lange galt meine Vorliebe dabei vor allem archäologischen und historischen Museen – die zeitweise Schließung des Pergamnonmuseums macht mich immernoch traurig. In der Zwischenzeit schaue ich mir immer lieber aber auch andere Häuser an, am liebsten in netter fachlicher Begleitung. Sonst gehe ich gern, wenn auch zu selten, ins Theater, zu Konzerten und seit einiger Zeit zu Poetry Slams oder entdecke neue Städte, durch die ich stundenlang schlendern und Eindrücke sammeln kann.

6. Was findest Du an Ausstellungen/Museen gut?

Die Vielfalt der Möglichkeiten, Themen aufzubereiten, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Häusern in verschiedenen Städten und Ländern und auf jeden Fall die Nähe zur Vergangenheit und den tatsächlichen Menschen und deren Leben, die Ausstellungsstücke vermitteln können. Außerdem sind Museen natürlich immer eine Entdeckungsreise zu Themen und Dingen, die ich noch nicht wusste oder kannte und die mich neu begeistern können. Da bin ich – Historikerin hin oder her – ein ganz normaler Besucher und lasse mich gern von schönen Vermittlungsangeboten überraschen.

7. Was findest Du an Ausstellungen/Museen nicht so gut?

Manchmal sind sie mir ein bisschen zu fachlich, zu sehr aus der Sicht eines Kurators, Archäologen, Kunsthistorikers oder Ethnologen konzipiert. Ich habe dann das Gefühl, dass ich an das Thema nicht so richtig rankomme, weil ich nicht die notwendigen Vorkenntnisse habe. Zu lange Texte oder zu fachliche Beschriftungen, nur die Stücke im Mittelpunkt und das eigentlich menschliche oder epochentypische, der Hintergrund der Lebenswelt am Thema geht verloren – dann kann das Museumserlebnis enttäuschend sein und ich kann verstehen, warum viele Menschen Museen als langweilig oder schnöselig sehen und lieber Fußball schauen. Da ist einfach mehr Nähe da.

8. Was ist Dein liebstes analoges Werkzeug?

Bücher, Stifte und Notizbücher. Obwohl ich vor allem Online-Texte schreibe, lese ich immernoch am liebsten analog, auf der Couch oder am Schreibtisch, und schreibe mir Notizen immernoch gern auf Zettel oder in Notizbücher. Dort kann ich kritzeln, durchstreichen, unterstreichen, Pfeile, Herzchen, Kringel und Ausrufezeichen malen, Zettel und Visitenkarten dazulegen und alles ohne Laptop überall hin mitnehmen und immer wieder lesen. Außerdem mag ich Kulis. Kulis sind Erinnerungen und jedes Mal, wenn ich in mein Mäppchen greife, hole ich einen Kuli heraus und denke an den Tag, als ich ihn bekommen hab.

9. Ein Leben ohne Smartphone ist..

Möglich, aber sinnlos. Leider. Gott sei Dank. Ich hätte gern ein Smartphone mit einer hübschen kleinen T9-Tastatur, auf der ich so schnell schreiben kann wie früher. Und mit einem Akku, der länger als gefühlte 3 Stunden hält. Dann könnte ich den ganzen Tag twittern, facebooken, Fotos machen und bearbeiten, Blogs lesen, whatsappen, Podcasts hören, Quizduell spielen und telefonieren. Ein Leben ohne Smartphone ist.. keine Ahnung, wie das ohne war. Ich glaube ich musste sehr lange auf Briefe von meiner Brieffreundin warten und vor allem immer pünktlich bei Verabredungen sein. Und ich musste nur Vornamen wissen, anstatt die Nachnamen aller Menschen, um sie auf Facebook zu finden, und ihre Twitter-Nicknames noch dazu. Aber Dank Smartphone kann ich sie ja immer gleich vor Ort adden und die unnötigen Infos gleich wieder vergessen.

10. Möchtest Du uns sonst noch etwas sagen?

An dieser Stelle möchte ich mich gern bei meiner Mutti bedanken und nein, ich habe Game of Thrones immernoch nicht gesehen :)

Bleibt idealistisch! Ich glaube das ist wichtig für alle, die von Herzen in Kultur und Geisteswissenschaften arbeiten und in anbetracht von finanziellen Kürzungen, Relevanzdiskussionen oder internetfernen Chefetagen manchmal verzweifeln.

11. Du hast drei Wünsche frei, welche sind das?

Ich bin erst kürzlich auf etwas sehr schönes gestoßen: die „Grimm’s Terms and Conditions for Your Three Wishes“ (These terms and conditions contain legal obligations. Please read these terms and conditions carefully before using your three wishes).  Da ich mir also nicht unendlich viele Wünsche wünschen kann, nehme ich

1) eine Zeitmaschine, mit der ich so oft in die Vergangenheit reisen und mit spannenden Leuten sprechen kann, wie ich will. Am Besten ohne Sprachbarrieren und ohne Zeitparadoxon.

2) eine Wünschelrute, die mich zu allen wichtigen, noch unentdeckten Fundorten und Schätzen der Antike führt.

3) genug Zeit und einen großzügigen Förderer, damit ich 1. und 2. in Ruhe wissenschaftlich bearbeiten, publizieren und natürlich kreativ und anschaulich der Öffentlichkeit präsentieren kann, damit sich jeder für das Thema begeistert und ich nie wieder erklären muss, warum ich brotlose Kunst studiert habe.

(4) und Weltfrieden).

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Damit reiche ich das Blogstöckchen und den best blog award weiter. Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Stöckchen aufnehmt!

Blogstöckchen: Gebrauchsanweisung (so streng ist es nicht, Ihr könnt das gerne anpassen)

  1. Baut das Best Blog Award-Bildchen ein und verlinkt es mit unserem Artikel.
  2. Verfasst elf neue Fragen, spielt damit und reicht das Best Blog Blogstöckchen an zehn oder weniger Blogger eurer Wahl weiter.
  3. Gebt hier im Kommentar Bescheid, wenn der Beitrag fertig ist.

Meine Fragen an Euch:

1. Wieso hast du einen Blog und worüber schreibst Du?
2. Was war dein schönstes Blogger-Erlebnis?
3. Was machst Du in 20 Jahren?
4. Gab es für dich einen beruflichen Plan B?
5. Was sind Deine liebsten kulturellen Aktivitäten?
6. Dein schlimmstes Kulturerlebnis?
7. Gibt es etwas am Leben ohne Internet, das du vermisst?
8. Welche Kultur- oder Forschungseinrichtung möchtest du auf jeden Fall mal sehen?
9. An deiner Arbeit hasst du manchmal..
10. Möchtest Du sonst noch etwas sagen?
11. Du hast drei Wünsche frei, welche sind das?

Ich werfe das Blogstöckchen weiter zu

Museumsglück von Michelle van der Veen
Museums-Apps von Dorian Ines Gütt
den Kulturmanager Christian Henner Fehr
Die Mädels vom LWL-Museum für Kunst und Kultur
Kultur und Kunst von Wera Wecker
Minus Eins Ebene von Maxi Platz
Charlotte Jahnz
Linked2Communication von Matthias Fromm

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1238

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nova curricula vitae – digitale Lebenslauftools für Geisteswissenschaftler

CV_TagcloudKreative Online-Bewerbungen als Website oder graphisch umgesetzte Lebensläufe sind für einige Berufsgruppen längst Gang und Gäbe. Die Betonung spezifischer, für das Arbeitsfeld wichtiger Fähigkeiten und die Entwicklung eines Lebensweges, der auf bestimmte Aufgabenbereiche hinläuft, lassen sich damit besser verdeutlichen, als mit einem tabellarischen Lebenslauf. Auch für Geisteswissenschaftler und Ausschreibungen im Kulturbetrieb werden solche Aspekte wichtiger. Deshalb habe ich mir verschiedene Lebenslauftools auf ihre Tauglichkeit für diese bestimmte Berufsgruppe und ihre Anforderungen angeschaut.

Warum Lebenslauftools für Wissenschaftler?

Ausschreibungen für klassische Wissenschaftlerstellen rufen noch immer meist nach schriftlichen Bewerbungen mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen. Doch die Zahl an Stellen in der wissenschaftlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in Fachredaktionen und Projekten mit Beziehung zum Online-Bereich wächst zusehends – und mit ihnen auch die Möglichkeit, sich digital zu bewerben. Auf das Anschreiben hat das kaum Auswirkungen. Nach wie vor gilt es hier, die Eignung für die entsprechenden Anforderungen darzulegen. Neben der wissenschaftlichen Laufbahn gehören dazu auch die Kenntnisse aktueller Diskussionen, Technologien und Gegebenheiten zum Thema Internet und Social Media. Mit etwas Texter-Talent lässt sich das zwar schönschreiben, die Fähigkeit, das PDF für eine E-Mail-Bewerbung entsprechend aufzubereiten, dürfte aber nicht als Beweis für ausreichende Erfahrungen ausreichen.

Für geisteswissenschaftliche Stellen gehen in den meisten Fällen 100 Bewerbungen und mehr ein. Damit kann auch nicht erwartet werden, dass sich jeder Personaler oder erst recht Wissenschaftler, der die richtigen Kandidaten aussuchen soll, sich schon in der Vorauswahldie Zeit nimmt, Online-Profile, Blogs oder Twitter-Accounts zu begutachten. Die meisten der Tools, die im Moment im Netz zur Verfügung stellen, bieten die Möglichkeit, die fertigen Lebensläufe als PDF zu exportieren. Damit lassen sich diese in die Bewerbung selbst anstelle eines tabellarischen curriculum vitae einbinden. Aufgrund der verschiedenen Formate und Schriftgrößen sollte dabei darauf geachtet werden, dass die A4-Hochformat-Version druckbar und gut lesbar ist. Einige Tools ermöglichen es auch, nur einzelne Teile zu exportieren. Der gesamte Lebenslauf kann dann für die tiefere Beschäftigung mit ausgewählten Bewerbern direkt verlinkt werden, ebenso wie online publizierte Fachartikel, ein Blog oder ein Profil auf academia.edu.

Die Tools

RESUMUP.COM: das englische Lebenslauf-Modul hat feste Vorgaben und ist optisch kaum wandelbar. Dazu gehören Name, Geschlecht und Geburtsdatum. Auch ein Foto, Kontaktinformationen und Webprofile können hinzugefügt werden. Für den Arbeitsbereich kann man nur aus bestimmten Vorgaben auswählen, Wissenschaft lässt sich nur bedingt abbilden. Der Sektor lässt aber händisch ausfüllen, sodass hier eventuell ein bisschen Kreativität gefragt ist. Gleiches gilt für Hobbies, die ebenfalls Platz finden. Das Tool bietet außerdem Platz für selbst eingetragene Sprachkenntnisse, Eigenschaften und Fähigkeiten, bei denen man seinen Expertise-Grad mit Sternen und Punkten zwischen 1 und 5 angeben kann. Damit lässt sich sehr schön auf die jeweilige Ausschreibung und die darin genannten Anforderungen eingehen. Ebenfalls angegeben werden können der höchste Abschluss, das gewünschte Gehalt und die Art des Jobs. Im Zentrum des Tools steht dann der Lebenslauf selbst, der als Timeline konzipiert ist. Dort kann man die Stationen von Ausbildung und Berufsleben auf den Monat genau eingeben, wobei die Ausbildung unterhalb und die Berufserfahrungen oberhalb der Timeline dargestellt werden. Als Daten lassen sich neben Ein- und Ausstieg die Firma oder Universität, der Schwerpunkt bzw. das Studienfach und der Ort angeben. Für Resumup.com braucht es ein wenig Zeit, um alle notwendigen Daten hinzuzufügen, das Ergebnis ist aber immer wieder anpass- und aktualisierbar. Zudem bekommt jeder fertige Lebenslauf einen eigenen Link, online ist er aber nur mit einem Log-In bei resumup selbst komplett abrufbar (hier mein resumup-CV). Eine PDF-Version würde ich deshalb empfehlen.

VIZUALIZE.ME ist ein flexibleres, ebenfalls englischsprachiges Tool mit vielen optischen Möglichkeiten. Wer wert darauf legt, seine Bewerbung ansprechend und einheitlich zu gestalten, kann hier auf viele Optionen zurückgreifen. Während der Lebenslauf von resumup recht quadratisch und die Timeline im Querformat gehalten ist, ist bei vizualize.me auch ein druckfreundliches Hochformat möglich. Auch dabei ist die Basis des curriculum vitae eine Timeline, die Ausbildung und Berufserfahren nebeneinander stellt und mit verschiedenen Farben arbeitet (selbst auswählbar), um z.B. Überschneidungen zu verdeutlichen. Unter der Timeline folgen Angaben zu Skills, die händisch eintragbar und mit Sternen zu bewerten sind. Es ist Platz für Interests, die zum Beispiels Forschungsschwerpunkte sein können, sowie für Sprachen, die auf einer Weltkarte visualisiert werden. Am Ende des Lebenslaufes ist schließlich Platz für Links zu anderen Profilen. Speziell für den Bereich Wissenschaft können zudem die Punkte Awards, also Auszeichnungen, Recommendations für Empfehlungen und vor allem Stats sein. Letztere ermöglichen es, Erfahrungsjahre in verschiedenen Bereichen oder bestimmte Projekte und z.B. die dafür eingeworbenen Gelder zu betonen. Vizualize.me hat außerdem ein Icon, dass man mit einem Link auf der eigenen Website einbauen kann. Leider ist die Export-Funktion noch in Vorbereitung, mit ein bisschen Geschick lässt sich dies aber über einen PDF-Creator umgehen. Hier könnt ihr euch meinen vizualize.me-Lebenslauf anschauen.

RESU-ME.ME ist ein Tool für noch Kreativere. Es macht aus einem LinkedIn-Lebenslauf automatisiert ein Video und eine Infografik. Vorgesehen ist es für die Standard englischen Lebensläufe, die deutschen, die man bei LinkedIn parallel anlegen kann, können nicht spezifisch ausgesucht werden. Zwar basiert resu-me auf den Vorgaben von LinkedIn, sodass Flexibilität in Aufbau, Gestaltung und inhaltlichen Aspekten nur bedingt möglich ist. Jedoch kann das Video mit zusätzlich hochgeladenen Fotos und Daten bearbeitet werden.

RE.VU dient vor allem dazu, die eigenen Social-Media-Aktivitäten (Blog, Facebook, Twitter, LinkedIn, Pinterest usw.) zusammenzubringen und gemeinsam verfolgen zu können. Spannend kann dies sein, wenn man schon einmal ein Forschungsprojekt entsprechend begleitet hat und dies zeigen möchte oder die Stelle spezifisch auf die Wissenschaftskommunikation online ausgerichtet ist. Da das eigene Profil auf re.vu sich stetig live aktualisiert, ist es für eine druckbare Bewerbung nur bedingt geeignet. Ein Link in der Bewerbung kann hier nützlicher sein.

Und wissenschaftsspezifische Arbeitsbereiche?

Für die optische Umsetzung eines wissenschaftlichen Lebenslaufes scheint mir vizualize.me im Moment am besten geeignet. Wie alle Tools hat es aber einen entscheidenden Nachteil: Vorträge auf Tagungen, Lehre, Fachpublikationen oder Projekte, bei denen Antragstellungen auf Fördergelder, Teamarbeit und Management eine Rolle gespielt haben, haben keinen Platz. Händisch eintragbare Aspekte zusätzlich zu Fähigkeiten, Interessen oder Sprachen bietet keines der Tools.

Hierfür gibt es die ein oder andere Option. Die erste wäre die deutschpsrachige Portfolio-Plattform TORIAL. Eigentlich für Journalisten gedacht, die hier ihre Artikel in einem eigenen Profil verlinken oder hochladen können, wäre dies durchaus eine Möglichkeit für Wissenschaftler, Fachbeiträge oder Vorträge gesammelt zu präsentieren. Torial hat jedoch kein direktes Lebenslauftool. Stattdessen kann man Daten zu den eigenen Erfahrungen im Profil angeben. Dort wäre dann z.B. der Platz für Hinweis auf Tagungen oder die Projektarbeit, ohne dass der Vortrag direkt ins Netz geladen werden muss. Auch ein Torial-Profil eignet sich allerdings nicht zum ausdrucken, die Möglichkeit des RSS-Abos ist für eine wissenschaftliche Bewerbung dagegen eher uninteressant.

The-500-Year-Evolution-of-the-ResumeEine individuelle, wenn auch zeitaufwendige Lösung kann die Nutzung von Infografik- anstatt Lebenlauftools wie VISUAL.LY sein, die vielseitig verwendbare Basis-Piktogramme und Charts bieten, die sich mit  eigenen Daten, Kategorien usw. befüllen lassen. Da die meisten dieser schönen und kreativ-vielfältigen Tools allerdings – entsprechend ihrer ursprünglichen Verwendung – auf Zahlen und statistischen Daten als Excel-Datei basieren, muss ein auf diese Weise visualisierter Lebenslauf sehr gut durchdacht und vorbereitet werden. Die Vielfalt der Charts macht es auf der anderen Seite sehr gut möglich, individuelle Entwicklungen als Timeline, Arbeitsschwerpunkte mit Piktogrammen und – mit viel Arbeit – auch Projektmanagement oder die Kernthesen der eigenen Arbeit graphisch abzubilden. Dieser Aufwand ist sicher nur für sehr wenige Jobs im Wissenschaftsbereich lohnend, kann aber gerade für die Schnittstellenarbeit zur Öffentlichkeit noch an Bedeutung gewinnen.

Eine letzte Möglichkeit, wissenschaftsspezifische Aufgabenbereiche mit einem Leebenslauf zu verbinden, ist schließlich academia.edu. Hier kann man einen Lebenslauf, zum Beispiel erstellt mit vizualize.me, in das eigene Profil hochladen. Zudem ist Platz für Fachkonferenzen und -publikationen, die nur genannt, verlinkt oder auch direkt hochgeladen werden können. Das Profil ist online jedem zugänglich. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, sich direkt mit anderen Wissenschaftlern aus ähnlichen Forschungsbereichen zu vernetzen und stets über deren Aktivitäten informiert zu bleiben. Auch academia.edu ist für den Einsatz in einer Bewerbung aber weniger geeignet, als für die Online-Präsentation des eigenen Profils.

Insgesamt weisen also alle Optionen, den eigenen Lebensweg mit allen für die Wissenschaft wichtigen Tätigkeitsbereichen darzustellen, noch Defizite auf. Es muss also bei der Bewerbung genau abgewägt werden, welche Aspekte in der Ausschreibung im Mittelpunkt stehen, ob es sich also lohnt, die Fähigkeit, solche Tools benutzen zu können, zu beweisen, wenn wissenschaftliche Tiefe dafür etwas verloren geht. Eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit – die dem Fachjournalismus immer ähnlicher wird – hat hier andere Anforderungen, als die Mitarbeit in einem Forschungsprojektes, auch wenn diese eng mit dem Arbeitsfeld Kommunikation verbunden ist. Schon seit einiger Zeit nimmt die Bedeutung von Erfahrungen in der Online-Kommunikation und im Umgang mit Social Media aber deutlich zu, sodass zumindest die Verlinkung ein re.vu-Profil, das nicht viel Arbeit braucht, wahrscheinlich nicht schaden kann.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1211

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Mobile History – Apps für Geschichtsinteressierte, Apps für Historiker?

 

Nach drei Monaten ist endlich wieder Zeit für einen Blogbeitrag. Auch wenn mich in der letzten Zeit eher andere Dinge beschäftigt haben, – wissenschaftliche Theorie und fachjournalistische Praxis – sind dabei ein paar Blogideen entstanden, die mit dem Arbeitsalltag in beiden Bereichen zusammenhängen, mit Apps und Tools – und natürlich der Geschichte.

Apps für (Geschichts-)Museen gibt es in der Zwischenzeit in geraumer Zahl. Sie bieten meist entweder Informationen wie Öffnungszeiten und Grundlegendes über das Haus oder dienen als Guides zu Dauer- oder Sonderausstellungen. Davon abgesehen gibt es nur wenig andere mobile Anwendungen, wie mir Dorian Iris Gütt, Spezialistin für dieses Thema mit einem zugehörigen Blog, kürzlich auf einer Tagung erklärte. Individuellere digitale Aufbereitungen, etwa als virtuelle Museen mit Gamification-Aspekten oder interaktive Reisen zu antiken Stätten, stehen bisher eher als Websites zur Verfügung.

Apps für Geschichtsinteressierte

Auf Apps zur Geschichtsvermittlung außerhalb von Museen bin ich auf der re:publica im letzten Jahr das erste Mal auf aufmerksam geworden und seitdem auf einige spannende Beispiele gestoßen. Dort präsentierte Guido Brombach das Educaching – eine App, die die Bundeszentrale für Politische Bildung mitentwickelt hat und die auf Basis von Geocaching-Schnitzeljagden historische Informationen rund um die moderne Geschichte Berlins mit einer spielerischen Suche nach der Vergangenheit verbindet. Gedacht war die App ursprünglich für Schulklassen, ist aber genauso anwendbar für Familien oder Erwachsene, die historische Stätten und Zusammenhänge nicht mit Führungen oder Audioguides entdecken wollen. Bei dieser Gamification-Umsetzung spielt für das Lernpotenzial wohl die größte Rolle, dass die Inhalte selbst erarbeitet werden. Zudem lenkt der Spaßfaktor vom lernen müssen ab. Apps wie diese oder auch jene zum Jüdischen Köln von Pausanio oder zur Burg Katzenstein aus dem Haus Zentourio bauen auf multimediale Inhalte, auf Abwechslung und überraschende Wendungen. Auch diese App überträgt die wechselhafte Geschichte der Burg in eine spielerische Form. Sie verzichtet auf den location-based Ansatz und kann zuhause auf der Couch ebenso durchgespielt werden, wie vor Ort mit dem zugehörigen Audioguide. Da die App auf einer Idee der Herstellerfirma basiert, ist sie kostenpflichtig. Ob die Idee, einen historischen Ort mit einer App bekannter zu machen, sich in dieser Form schon rentiert, bleibt abzuwarten. Die Idee des Edu- oder Historycaching findet in der Zwischenzeit aber vielfach Verwendung, auch wenn bei den Verantwortlichen noch viele Zweifel bezüglich des Nutzens und der Rentabilität oder Angst vor möglichem Missbrauch der Informationen besteht, wie Tanja Praskes Nachbericht zur Podiusmdiskussion „Geschichte als App – Neue Weg der Vermittlung“ am 20. Juni 2013 in München zeigt.

Einen anderen Weg schlagen Apps wie Capsuling.me oder Zeitfenster ein (dessen Entwickler im letzten Jahr eine der Kreativ-Piloten-Awards gewonnen haben). Diese Apps wollen nicht vornehmlich belehren und Informationen liefern, sondern unterhalten. Dazu nutzen sie sowohl das Empfehlungsmarketing als auch Social- und location-based Faktoren. Hier sollen historische Orte in den verschiedenen Phasen und Epochen ihrer Geschichte greifbar werden. Dazu bieten die Entwickler für viele Stätten, wie das Brandenburger Tor, historische Fotos, die vor Ort den Unterschied zwischen damals und heute zeigen können. Aber auch die Nutzer können moderne oder alte Fotos oder Darstellungen hochladen und anderen zur Verfügung stellen. Bei Capsuling.me kann der Nutzer zudem Botschaften oder Bilder mit einem bestimmten Punkt verknüpfen, die von anderen nur an demselben Punkt abgerufen werden können.

Die historischen Outdoor-Apps, die es bisher gibt, widmen sich v.a. der Zeitgeschichte und dem Mittelalter, die Antike spielt eher bei den Museumsapps eine Rolle ­– wahrscheinlich, weil die Museen hier bereits einen entscheidenden Schritt weiter sind, als die archäologischen Landesämter, für die sich die Vermarktung ihrer unbekannteren Freiland-Fundstellen bisher schwieriger gestaltete und deswegen eher im Hintergrund stand. Auch hierfür gibt es aber durchaus nur Zielgruppen und immer stärker auch die Erwartung von Seiten der Touristen und Besucher, auf so etwas zurückgreifen zu können. Zudem können die immer wieder thematisierten Diskussionen um den Sinn archäologischer Ausgrabungen in Deutschland ein Grund sein, die Bedeutung solcher Orte und ihrer Erkenntnisse mehr zu präsentieren, als es bisher der Fall war.

Apps für Historiker

Bei diesen verschiedenen Ideen spielen neue Rahmenbedingungen für Marketing, Geschichtsvermittlung und Ansätze wie location-based-Services und augmented reality natürlich die grundlegende Rolle. Was zwischen den zahlreichen Apps jedoch fehlt, sind solche, die auch für den Arbeitsalltag hinter der Kamera, für Journalisten, Historiker, Archäologen oder Museumspädagogen anwendbar sind. Für Naturwissenschaftler wurde hier bereits einiges vorgelegt – Apps, die Formeln ausrechnen, Geigerzähler und Sternenkarten. Auch wenn die Zielgruppe Fachleute natürlich wesentlich kleiner ist, als die der Touristen, besteht hier eine Marktlücke, da sie hilfreiche Anwendungen wahrscheinlich regelmäßiger benutzen würden und eher bereit wären, aufgrund dieser Nutzbarkeit für gute Produkte Geld zu bezahlen. Spannend so z.B. Plagiatsfinder-Apps sein, inwieweit sie auf dem Tablet oder Smartphone Vorteile gegenüber der Anwendung auf einem Rechner bieten, ist offen. Spannender wären hier Anwendungen, die auch in der Bibliothek, im Archiv, bei Tagungen, längeren Bahnreisen oder auf einer Ausgrabung das Arbeiten erleichtern.

  • Ein echtes Desiderat ist so meiner Meinung nach eine Citavi-App, mit der man beispielsweise abfotografierte ISBN-Codes direkt in ein Projekt laden und mit Anmerkungen versehen kann.
  • Ähnliches gilt für Projektkoordinations-Tools, die neben interner Kommunikation die Möglichkeit bieten, gemeinsam erstellte Texte zu überarbeiten, Aufgaben zu verwalten, zu schauen, was dringend zu erledigen gilt usw.
  • Mit beiden eng in Verbindung steht entsprechend digital oder multimedial aufbereitete Fachliteratur, Tagungsprogramme oder -paper. Ein PDF hält hier längst nicht alle Optionen bereit, die ein E-Book-Format bieten kann. Dazu gehören exportierbare und mit einer Arbeitsgruppe teilbare Notizen, hinterlegte Quellenauszüge im Original, Bilder und Karten in guter Auflösung, inhaltliche Querlinks oder Verweise zu online verfügbarer Literatur.
  • Auch die Ausgrabungspraxis beinhaltet eine Vielzahl an Tätigkeiten, die mit einer App erleichtert werden könnten.
  • Eine erste Idee, auf die ich gestoßen bin, ist, das Smartphone als 3D-Scanner zu verwenden und Funde damit direkt in eine digitale datenbanktaugliche Form zu übertragen.

Im Online-Bereich gibt es in der Zwischenzeit eine Vielzahl an Tools und Websites, die die Arbeit des Historikers erleichtern können. Insgesamt fehlt es aber noch stark an Anknüpfungen an archäologische und historische Datenbanken – sowohl projektintern, als auch übergreifend. Im Museum, in der Bibliothek und auch auf der Ausgrabung könnte man damit schon vor Ort Vergleichsbeispiele oder Hinweise zur Bestimmung, aktuelle Literatur zum Thema oder Kollegen suchen, die in ähnlichen Bereichen forschen.

Viele Arbeitsbereiche des Historikers wurden speziell für Apps bisher sicher noch nicht entdeckt, vielleicht weil es uns selbst schwer fällt, die Einsatzmöglichkeiten in unserem Arbeitsalltag zu erkennen. Die wenigen Dinge, die mir dazu eingefallen, kamen vor allem durch Bahnfahrten und Tagungen, bei denen ich viele Ideen und to-dos vertagen musste, weil mir mit Tablet und Handy die Möglichkeiten fehlten. Wenn anderer weitere (und wahrscheinlich bessere) Ideen und Vorschläge dazu haben, würde ich sie gern in die Liste aufnehmen.

 

 

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1038

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