Blogparade #refhum: Flüchtlinge und Migration in den Geisteswissenschaften

refhum“Migration hat bislang historisch unter allen Umständen Grenzen überwunden und wird es auch weiterhin tun.” Einen besseren Einstieg in eine Blogparade zu Flüchtlingen, Migration und Interkultur in den Geisteswissenschaften kann man sich nicht wünschen. Gesagt hat diesen Satz Dr. Manuela Bojadžijev vom Institut für Europäische Ethnologie der HU Berlin in einem der wenigen öffentlichen Beiträge von Seiten der historischen Sozial- und Geisteswissenschaften zum Thema. Sätze wie dieser können populistische, hetzerische und menschenunwürdige Meinungen nicht ändern und fehlgeleitete Diskussionen nicht verhindern. Aber sie können ihnen vielleicht eine Facette hinzufügen, die auf wissenschaftlichen Daten, Untersuchungen oder Vergleichen beruht und der medialen Darstellung mehr Trennschärfe gibt. Dazu möchte ich in meiner ersten Blogparade #refhum aufrufen – und auch dazu, den Austausch zum Thema unter den Wissenschaftsbloggern der verschiedenen Disziplinen anzuregen.

Was ist eine Blogparade?



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Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1683

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antikes, interkulturelles Kulturmanagement

Primaporta

Augustus von Prima Porta – Herrscher, Friedensbringer, Kulturvereiner

“Anknüpfungspunkt” ist eines meiner Lieblingswörter, wenn es darum geht, wissenschaftliche Sachverhalte zu vermitteln. Historische und archäologische Forschungsfragen sind oft so spezialisiert, dass ihre Bedeutung sich nicht aus sich und der Präsentation von fertigen Ergebnissen heraus erklärt. Will man sie verständlich darstellen, muss man an das Vorwissen und die Lebensrealität der Zielgruppe anknüpfen. Diese kann die breite Öffentlichkeit sein, aber ebenso kann es darum gehen, Fachwissen über den disziplinären Tellerrand hinaus in andere Bereiche zu übertragen. Kürzlich habe ich ein schönes Beispiel dafür entdeckt, bei dem Informationen zur Antike auf modernes Kulturmanagement und umgekehrt Theorien zu Stadtentwicklung und Creative Cities auf die Antike angewendet werden.

Eleonora Redaellia, assistant professor für Kulturpolitik, -planung und -management an der University of Oregon, hat in der letzten Ausgabe von Urban Geography den Artikel „Becoming a creative city: perspectives from Augustus’ Rome“ publiziert. Sie ist weder Althistorikerin noch Archäologin, aber leitet mit ihrer Expertise für kreative, partizipative Stadtentwicklung aus kulturellen Strategien des augusteischen Roms mögliche Handlungsweisen für moderne Prozesse hin zu Creative Cities ab.



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Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1656

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Archäologie und Öffentlichkeit bei #DGUF2015

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte

Archäologische Kommunikation? Keine Keilschrift, aber immerhin eine Steindruckplatte aus der DASA Arbeistwelt.

Fast ein Monat ist seit der Tagung der DGUF (Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte) zu “Schafft sich die Öffentlichkeit eine andere Archäologie“ vergangen. Drei spannende Tage, die viele Aspekte zusammen gebracht haben, wegen denen sich die Archäologie schwer damit tut, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dabei haben die zugrundeliegenden Ängste und Vorurteile für die Onlinekommunikation (dem Thema meines Vortrags) besondere Brisanz. Die zentralen Punkte der Diskussion lassen aber auch hoffen, denn es besteht durchaus ein Bewusstsein dafür, dass sich etwas ändern muss – zumindest bei den auf der Tagung anwesenden Archäologen.

Bilder von dir überdauern – bis in alle Zeit

Erst mal, das hatte ich hier schon kurz angeschnitten, gibt es nicht “die Archäologie” und auch nicht “das Bild” der Archäologie, sondern viele verschiedene, die sich aus den unterschiedlichen Aufgabenfeldern, Einsatzbereichen und Berührungspunkten mit Archäologen, Funden und Befunden erklären.

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Quelle: https://kristinoswald.hypotheses.org/1632

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Popkultur und Fachkommunikation zur Antike

Anfang Mai veranstaltet der Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität zu Köln eine Tagung zur Antike in Science-Fiction-Literatur – ein Thema, das sich nicht nur wunderbar für die Forschung zur Antikenrezeption, sondern auch für verschiedenste Formen der archäologischen und historischen Fachkommunikation eignet, zumal wenn man es auf Antike in der Popkultur erweitert.

Popkultur, Gesellschaft und Wissenschaft

Die Popkultur prägt vielfach unser Bild von Themen, für die wir keine Spezialisten sind. Sie tut das, weil sie uns täglich in allen Arten von Medien umgibt, unseren Alltag prägt und uns auch fachliche und künstlerische Inhalte mit Spaß und interessanten, einprägsamen Geschichten vermittelt. Dabei entsteht Popkultur stets aus dem Zeitgeist, wird von dessen Themen geprägt und prägt diese zugleich mit. Sie greift gesellschaftliche, wissenschaftliche, künstlerische Trends auf und macht sie alltags- und verkaufsfähig. Deshalb ist Popkultur aber nicht anspruchslos, vielmehr verstehen es ihre Akteure, anspruchsvolle Themen herunterzubrechen. Aus diesem Grund scheint kaum eine Wissenschaft glücklich damit zu sein, wie sie in der Popkultur dargestellt wird: in ihren groben Zielen und Inhalten zwar nicht falsch, in methodischen Details aber stark vereinfacht bis verfälscht.

offensichtliche und versteckte Antike in der Popkultur

Das für Archäologen einprägsamste Beispiel dafür ist sicherlich Indiana Jones. Narrativ wunderbar erzählt, aber kaum mit dem tatsächlichen Archäologen-Dasein in den 1940er Jahren, ganz zu schweigen von heute, vergleichbar. Das überzeichnete Bild einer Zunft, die einer meiner Professoren im ersten Semester durchaus begeistert als “Abenteuer am Schreibtisch” beschrieb – nicht gerade Indiana Jones-like, aber dieser Differenz sind sich sicher auch die meisten Zuschauer bewusst. Inwieweit soll Indiana Jones also ein Bewusstsein für die Details archäologischer Tätigkeit außerhalb der Fachdisziplin schaffen? Ist es nicht wichtiger, dass die Filme dies etwa für die politische Relevanz von Archäologie und der fachlichen Deutung von Artefakten tun?

Auch “in der Science-Fiction-Literatur”, so die Ankündigung zu oben genannter Tagung, “finden sich zahlreiche Bezüge zur Alten Geschichte, von denen der offensichtlichste wohl das vom Römischen Reich inspirierte galaktische Imperium ist, das in vielen literarischen Werken wie Frank Herberts Dune oder Isaac Asimovs Foundation-Zyklus die Grundlage für die dargestellten Geschehnisse bildet. Jedoch beschränkt sich die Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur nicht auf derart offensichtliche Anleihen, sondern umfasst auch wesentlich subtilere Bereiche wie etwa homerische Erzählmotive oder Vorstellungen von kulturellen Entwicklungsmodellen.”

Ein neueres, populäres Beispiel sind “Die Tribute von Panem”. Der Aufbau der in den drei Büchern dargestellten Gesellschaft weißt zahlreiche Verweise zum Rom der Kaiserzeit auf, die etwa Barry Straus, Professor für Classics an der Cornell University, in seinem Essay “The Classical Roots of ‘The Hunger Games” für das Wall Street Journal wunderbar aufbereitet hat. Ebenso wie bei Star Wars sind diese jedoch nicht eindeutig, sondern narrative Vorlage: Wie Rom war auch Panem – benannt nach den römischen Panem et Circenses - einmal eine demokratische Gesellschaft. Nach der Unterwerfung und einem darauffolgenden Aufstand der Disktrikte, die den römischen Provinzen angenähert sind, wird es nun von der Haupstadt, dem Capitol – benannt nach dem Zentrum des antiken Rom – und einem allmächtigen Präsidenten regiert. Er wie die Bewohner der Haupstadt gelten als korrupt, habgierig und dekadent. Ebenso beschrieb etwa Tacitus die stadtrömischen Bürger und eigenmächtigen Kaiser. An sie angelehnt sind auch die lateinischen Namen der Capitol-Bewohner. Dem entgegen standen die moralischen Werte der republikanischen Zeit, die nun von den Provinzbewohnern verkörpert werden. Bei Tacutus wie in Panem sind sie arm, aber tugendhaft, werden von der Hauptstadt ausgebeutet und unterdrückt. Die Spiele selbst sind die Strafe für den Bürgerkrieg und zugleich die festlich begangene Erinnerung an den Sieg des Capitols. In einer Arena treten dabei Tribute – in Rom Abgaben, hier Kinder aus den Distrikten – auf Leben und Tod gegeneinander an. Der Vergleich zu den zur Unterhaltung des Volkes veranstalteten römischen Gladiatorenspiele liegt nahe, bei denen neben professionellen Kämpfern auch Aufständische gegeneinander antreten mussten. Wie Gladiatoren werden sie einerseits vergöttert, andererseits aber dem Vergnügen geopfert. 

Popkulturelle Antike und Wissenschaftskommunikation

Egal ob offensichtliche oder versteckte Antike, an solchen Geschichten der Popkultur kann die Wissenschaftskommunikation ansetzen, um reale Geschichten des Faches, der Forschung, der Funde zu erzählen. Denn während meist unklar ist, wieviel Fachwissen man beim Leser eines populärwissenschaftlichen Berichts oder beim Besucher einer Ausstellung voraussetzen kann, scheint es doch wahrscheinlich, dass diese die groben Züge von Indiana Jones, Star Wars oder Die Tribute von Panem kennen.

Stereotype oder bekannte Narrative eignen sich hervorragend als Anknüpfungspunkte für alle Arten der Fachkommunikation. Wie dies im Marketing aussehen kann, zeigte Opel erst kürzlich mit der Kampagne “Umparken im Kopf“. Dabei wurde im ersten Schritt mit gesellschaftlichen Vorurteilen gespielt und in einem zweiten Schritt jene gegenüber Opel aufgegriffen, um ein neues Denken über die Marke anzuregen. Dass dieses Prinzip auch für Fachthemen funktioniert, machte das Jüdische Museum Berlin mit der Ausstellung “Die ganze Wahrheit” und der zugehörigen Veranstaltungsreihe deutlich, deren Ansinnen es war, mit Witz und Gelassenheit Stereotypen und Unwissenheit gegenüber dem Judentum aufzugreifen, um zum Nachdenken anzuregen. Ähnliches wäre beispielsweise für die SonderausstellungGladiatoren. Tod und Triumph im Colosseum” mit einem Anschluss an Die Tribute von Panem möglich gewesen – wobei das Thema Gladiatoren aufgrund seiner Bekanntheit schon zahlreiche Besucher anlockt. Unbekanntere Themen der archäologischen und historischen Forschung können mit der aktiven Nutzung popkultureller Bilder aber ebenso verständlich und interessant kommuniziert und zugleich ohne erhobenen Zeigefinger das Bild einer Zunft verändert werden.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1600

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Apps bei der Denkmaltagung 2015

DenkmalschildVom 4. bis 6. März fand in Dresden die Tagung „In guter Gesellschaft? Die Rolle der Denkmalpflege in Stadtmarketing und Tourismus“ statt. Dort durfte ich etwas über Apps als Vermittlungs- und Vermarktungsinstrument für die Boden- und Baudenkmalpflege berichten – leider der einzige Vortrag zu einem rein digitalen Thema während einer sonst sehr analogen, aber spannenden Tagung und mit wunderbarem Feedback.

Die Vielfalt der sozialen Medien zur Vermittlung von Fachinhalten nutzen bisher im Kulturbereich vor allem Museen. Für sie reicht diese Aufgabe über Ausstellungen, Kataloge oder Pressearbeit hinaus auch in den digitalen Raum, sie betreiben spannendes Content-Marketing und wollen auch den digitalen Besuchern ein Erlebnis schaffen. Bei den denkmalpflegerischen Fachbesuchern der Tagung, die sich seltener mit diesen Aufgabenbereichen beschäftigen, sorgten die Zahlen der Social Media-Nutzung bei verschiedenen Nutzergruppen für – wortwörtlich – offene Münder. Demnach nutzen 70% der Besucher von Kultureinrichtungen mobile Endgeräte vor, während und nach ihrem Besuch. Damit können sie können nicht nur Informationen immer dann abrufen, wenn sie gebraucht werden, sondern umgekehrt auch auf spannende Dinge in ihrer Umgebung hingewiesen werden – etwa gerade außerhalb eines Museums mittels Apps, die Thema des Vortrages waren.

Social Media und Apps sind zwar nicht dasselbe, hängen, wenn es um Fachkommunikation geht, aber eng zusammen. Sie ermöglichen es der Denkmalpflege, ihren – inhaltlichen, touristischen, politischen – Wert und zeitübergreifende Zusammenhänge anhand greifbarer Orte aufzuzeigen. Dabei können und sollten Denkmalpfleger aktiver Teil der Erstellung und Aufbereitung der Inhalte werden, denn Denkmäler sprechen nicht von selbst, sondern werden über ihre Geschichten lebendig und lebensnah. Storytelling ist auch ein aktueller Tourismus- und Kommunikationstrend. Touristen reisen immer stärker individuell und eventorientiert, wollen Wissen mit Spaß entdecken (Denkmalschilder suchen zählt nicht dazu..) und teilen – beste Voraussetzung für die Nutzung von digitalen Endgeräten, um auf Informationen zuzugreifen und sich Zusammenhänge zu erschließen. Bilder sind dabei eine große Hilfe und zugleich fester Teil der denkmalpflegerischen Arbeit mit materiellen Hinterlassenschaften. Da Fotos zu den wichtigsten Elementen im Web gehören, um Erlebnisse und besuchte Orte zu teilen, lässt sich Denkmalpflege wunderbar auf diese Weise vermitteln.

Trotzdem werden Apps für die Vermittlung von Geschichte außerhalb von Museen oder auch im Stadtmarketing bisher eher selten genutzt. Zwar können gut aufbereitete Anwendungen für Besucher und Vermittler einen großen Mehrwert haben, brauchen aber auch entsprechende finanzielle Mittel. Dennoch erschließt sich hier ein neues Feld, dem technologische Trends und gesellschaftliche Interessensverschiebungen wie das Histotainment entgegen kommen. Denkmal-Apps können auf Ortsreferenzierungen und Gamification-Aspekten aufbauen und sie mit multimedialen Inhalten, Augmented Reality oder Rekonstruktionen anreichern. Mit den entstehenden Touren lässt sich Geschichte mit Bezug zum Standort und damit der Zusammenhang von historischen Überresten, räumlichen Veränderungen und modernen Themen aufzeigen.

Für diese Ideen gibt es schon einige Beispiele mit jeweils eigenen spannenden Ansätzen. Für das Stadtlabor Wallanlagen des Historischen Museum Frankfurt etwa wurde das Wissen der Menschen vor Ort über unbekanntere historische Orte genutzt. Ähnlich verknüpft auch Moor Stories die Museumssammlungen von Dartmoor mit Fundorten, modernem Kontext und persönlichen Geschichten. Sie werden von Bewohnern und Besuchern auf der Website eingereicht, in der App geteilt und via GPS vor Ort erzählt. Die App Colonia Mysteria, die u.a. vom Cologne Game Lab mitentwickelt wurde, lässt das römische und das moderne Köln zwischen realer und virtueller Welt verschmelzen. Die Nutzer begeben sich hier auf eine Suche nach historischen Spuren, die nur mit der App sichtbar werden. Ähnliches macht auch der “REXplorer” des Regensburg Experience Museum. Hier erhalten die Nutzer eigens dafür gemachte Guides und erkunden historische Phänomene in der Innenstadt. Die Spielergebnisse, Bilder und Inhalte werden mit einer URL gespeichert und können dann individuell geteilt werden.

Diese Beispiele zeigen, wie Forschung zu Gamification, Pädagogik, digitalen Bildern und Kulturerbe verknüpft und mit historischen Entdeckungs-Routen die Vergangenheit einer Stadt erlebbar gemacht werden kann. Wichtig für die Beteiligten Denkmalpfleger: das muss keinesfalls Einbußen an Qualität bedeuten. Dieser Aspekt war es denn auch, der die auf der Tagung anwesenden Fachleute überzeugte. In den vielen positiven Gesprächen nach dem Vortrag bestätigten sie mir meine eigene Erfahrung bei den ersten intensiven Auseinandersetzungen mit digitalen Technologien: Es öffnet sich eine bunte, facettenreiche Welt im Kopf mit vielen Ideen, wie man die neuen Möglichkeiten auf den eigenen Bereich anwenden kann. Dabei kamen während der Tagung verschiedenste Themen auf: dass sich die Diskussion um das Für und Wider der Rekonstruktion eines Denkmales damit aufheben könnte, dass auch unbekannte und „unbequeme“ Denkmäler im Gesamtkontext neue Würdigung erfahren könnten, dass die aktive Fachkommunikation gestärkt und die Zusammenarbeit von den Marketing- und Tourismusexperten auf neue Beine gestellt werden könne, um gemeinsam die Geschichte eines Ortes zu erzählen.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1576

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Mit Wissenschaftsblogs durch verschiedene Welten reisen

DSC_04842Das Redaktionsteam von de.hypotheses.org hat unter #wbhyp zu einer Blogparade rund um Zukunft und Vergangenheit, Sinn und Unsinn des Wissenschaftsbloggens aufgerufen. Die Community hat sich bereits mit vielen fundierten Beiträgen beteiligt, weswegen ich nur ein paar persönliche Eindrücke und Erfahrungen beisteuern möchte. Fachliches Bloggen ist in Deutschland nur selten ein Faktor für wissenschaftlichen Erfolg. Aber es kann Lücken füllen. Mein Blog und ich bewegen uns zum Beispiel durch verschiedene Welten: die der historischen und archäologischen Wissenschaften, die der Kultur und die des Marketing. Alle drei stehen sich durchaus nahe, es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch Grenzen und Hürden. Sie kann ich hier thematisieren.

Die wenigsten Wissenschaftsblogs ersetzen Aufsätze oder Fachpublikationen. Das bedeutet nicht, dass ihre Qualität das nicht hergäbe, aber dass man, wie Anne Baillot gezeigt hat, vorsichtig mit zu hohen Erwartungen sollte. Trotzdem gibt es immer mehr positive Beispiele für erfolgreiche Fachblogs und die Anerkennung als neue Kommunikationsform steigt, wie das Mittelalterblog gezeigt hat, sei es, um der Freude und Verzweiflung am Alltag, ge- oder misslungenen Forschungsansätzen Gehör zu verschaffen, Aktuelles aus Sicht einer bestimmten Disziplin zu erklären oder Fragen zu stellen, die man sonst vielleicht nicht stellen kann.

Ich bin Altertumswissenschaftlerin aus Leidenschaft und fand schon immer, dass die Beschäftigung mit vergangenen Gesellschaften eine unglaublich vielfältige, lehrreiche Tätigkeit ist. Als Historiker und Archäologe lernt man auch viel über das Hier und Jetzt, über sich selbst und andere. Damit haben die Altertumswissenschaften einige Überschneidungsstellen zur Praxis außerhalb der Wissenschaft, etwa zu Museen oder zum Fachjournalismus. Beide sind ein wunderbarer Weg, historische Erkenntnisse an andere Menschen zu bringen und anzuwenden.

Tatsächlich gibt es aber kaum institutionalisierten Austausch zwischen den Forschern an den Universitäten, den Kuratoren an den Museen und Journalisten – und wenn, geschieht er vor allem in eine Richtung. All die gegenseitigen Lerneffekte, die Inspiration und der Bezug zur realen Welt gehen damit verloren. Das ist für mich umso erstaunlicher, als sich gerade die Geisteswissenschaften und die Kulturbetriebe mit denselben Problemen herumschlagen: Zu wenig Gelder, keine Lobby, zu wenig Anerkennung, sinkende Aufmerksamkeit. Daran sind sie nicht ganz unschuldig, das sieht man an vielen Diskussionen über das Wissenschafts- und Kulturmanagement in Deutschland, um die Bürokratie dahinter oder die Kommunikationsweisen.

Irgendwo zwischen den thematischen Überschneidungen und strukturellen Gemeinsamkeiten von Kultur, Geisteswissenschaften und Fachmarketing gibt es einen Graben, über den ich mit meinem Blog eine Brücke bauen möchte. Das kommt dem innerfachlichen Ansehen nur bedingt zu Gute. Wenn man aber beruflich nicht nur in der universitären Wissenschaftswelt unterwegs ist und ein Herz für die Vermittlung fachlicher Inhalte hat, gilt das schon wieder nicht mehr, wie auch Angelika Schoder schrieb.

Das Vernetzen über einen eigenen Fachblog passiert vor allem mit anderen Bloggern und weniger mit nicht-internetaffinen Wissenschaftlern oder auch Museumsmenschen. Das macht aber nichts, denn sich mit den Gegebenheiten und Strukturen des Internet zu beschäftigen wird künftig auch in der Fachwelt eine größere Rolle spielen - spätestens wenn Ergebnisse Open-Access publiziert werden müssen, wenn es um Projektplanungen, technische Möglichkeiten oder Vorhaben an der Schnittstelle zu den Digital Humanities geht. Bei Gesprächen mit weniger internetaffinen Kollegen ist es ein Vorteil, Kontakte und einen Überblick über die digitalen Inhalte, aktuellen Entwicklungen und künftigen Herausforderungen zu haben. Das finde ich einen nicht unwichtigen Punkt.

Außerdem ist ein Blog zwar kein Fachjournal, wohl aber eine Form der Veröffentlichung, über die man beispielsweise aufzeigen kann, dass man über eine Idee bereits geschrieben hat. Ein solcher Urheberschaftsnachweis, wenn man es überspitzt so nennen möchte, gehört ja durchaus zu den Gründen, warum man Forschungsergebnisse publiziert.

Mein Blog ist nun gut zwei Jahre alt und immer öfter bekomme ich darüber Einladungen zu Fachveranstaltungen oder die Bitte, über ein Thema zu schreiben. Und das ist eine wunderbare Form der Anerkennung dafür, dass ich hier die Möglichkeit habe, mich einem speziellen Thema mit Leidenschaft und eigener Meinung zu widmen. Deutschsprachige Blogs zu den Altertumswissenschaften gibt es nur wenige, entsprechend gering ist die Einbindung in fachliche Diskussionen oder die Lehre. Das hat Michael Hölscher von Grammata für die Bibelwissenschaften bestätigt. International sprießen sie aber nur so aus dem Boden und die "deutsche Lücke" zwischen wissenschaftlichen Inhalten, Alltagserfahrungen, Überschneidungen zum Museum und zur Öffentlichkeitsarbeit gibt es dabei schlicht nicht. Für mich ist das die perfekte Antwort auf die Frage: "Quo vadis Wissenschaftsblogs?"

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1545

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Social Media für Sammlungen an der Uni Erfurt

SWK_ErfurtEine Premiere für mich gleich in der ersten Woche des neuen Jahres: Ich durfte an der Universität Erfurt eine Einführung in das Thema Social Media geben und zwar im Seminar „Digitale Technologien“ des Master-Studiengangs „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte“, der sich schwerpunktmäßig mit kulturhistorischen Themen beschäftigt. Ich war gespannt, was die Studenten über museale und wissenschaftliche Kommunikation bereits wissen, wie ihre Meinungen dazu sind und in welche Richtung die Diskussion gehen würde.

Da der Studiengang eng an die Forschungsbibliothek Gotha und ihr Archiv gekoppelt ist, habe ich mit ein paar Grundinformationen zu den Unterschieden in der Kommunikation von musealen und universitären Sammlungen begonnen. Eine Sammlung, hinter der Ausstellungsräume und ein eigenes Team für Ausstellungen, die Museumspädagogik und die Öffentlichkeitsarbeit stehen, hat in Sachen Social Media einfach andere Möglichkeiten und Voraussetzungen als eine universitäre Sammlung, die vielleicht nicht für Besucher zugänglich ist, vor allem von ForscherInnenn verwaltet und durch die Pressestelle einer Uni mitbetreut wird.

Trotzdem ist die Kommunikation im Web für beide noch relativ neu und chancenreich: Museen können im Depot versteckte Stücke zeigen oder solche, die einen Kontext zu aktuellen Themen haben, ohne auf eine Sonderausstellung zum Thema warten zu müssen. Forscher können ihre Sammlung überhaupt einmal zeigen und anhand dessen auch ihre Aufgaben und Forschungsergebnisse präsentieren.

Danach stand erst einmal im Mittelpunkt, wie sich nun die öffentliche Kommunikation durch Social Media überhaupt verändert, vor allem im Vergleich zur klassischen PR: direkte Interaktion ohne die Zwischeninstanz der Journalisten, Transparenz, Beidseitigkeit und eine persönlichere, menschlichere Art von Seiten der Kommunikatoren, die Ausrichtung auf die Interessen der Zielgruppen und - ganz wichtig - die Vermittlung der Leidenschaft von WissenschaftlerInnen und MuseumsmitarbeiterInnen und der Relevanz kultur- und geisteswissenschaftlichen Wissens. Außerdem wollte ich es nicht vernachlässigen, etwas über innerfachliche Kommunikation im Netz zu sagen und natürlich darüber, wie man online verschiedenste Themen, zum Beispiel aus der Wissens- und Kulturgeschichte, und Kontexte anhand von Sammlungsstücken aufbereiten kann.

Schließlich ging es darum, zu zeigen, welchen Umfang der Bereich Social Media in der Zwischenzeit angenommen hat und welche Plattformen für die Vermittlung von Sammlungen bisher genutzt werden. Dafür habe ich die Auftritte verschiedener Museen und universitärer Sammlungen vorgestellt, die unterschiedliche Strategien nutzen, um Twitter, Facebook, Youtube, Bildplattformen oder ihren Blog zu bespielen. Während der Recherche habe ich relativ schnell festgestellt, dass bereits einige deutsche Universitäten ihre Sammlungen – vor allem solche, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind – einzeln oder auf einer gemeinsamen Facebook-Fanpage präsentieren und sich dabei an den großen Museen orientieren (z.B. das Museum der Universität Tübingen oder die Sammlungen der Universität Göttingen). Darüber hinaus sind sie bisher aber nur bedingt im Social Web unterwegs und dann vor allem über entsprechende Datenbanken wie Europeana oder Museum Digital (z.B. die Archäologische Sammlung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die auch auf Facebook vertreten ist). Die Sammlungsstücke werden dafür digitalisiert, die Digitalisate aber nur im Ausnahmefall für weitere Kommunikation oder user generated content genutzt. Das Portal „Wissenschaftliche Sammlungen“, das meines Wissens als einzige Plattform in Deutschland universitäre Sammlung verschiedenster Themen und Disziplinen vereint, hat leider nicht mal eine eigene Facebook-Seite und lädt auch optisch über die wissenschaftliche Nutzung hinaus wenig zum Suchen und Verweilen ein.

Blogs oder virtuelle Museen könnten hier wunderbar Abhilfe schaffen. Einen Sammlungsblog haben einige deutsche Museen und um dort Stücke zu zeigen, ForscherInnen vorzustellen oder Erkenntnisse zu präsentieren sind nicht einmal tatsächliche Ausstellungsräume nötig. Sie lassen sich durch künstliche Umgebungen oder Touren im virtuellen Raum durchaus ersetzen. Umso mehr freute es mich, zu entdecken, dass das Antikenmuseum der Universität Göttingen mit Viamus seine Datenbank in einem virtuellen Museum umgesetzt hat, in dem man einzelne Stücke recherchieren, Touren durchs Haus machen oder vergangene Ausstellungen nacherleben kann.

Nach einer Zusammenfassung zu Social Media-Strategien und Kampagnen war die Diskussion im Seminar erstmal bescheiden. Ich finde es in solchen Momenten schwierig einzuschätzen, ob der Vortrag nicht gut war oder die Studenten zu schüchtern sind. Schließlich wurden sie dann aber doch noch warm. Ich hatte vorher etwas die Befürchtung, dass der studentische Nachwuchs, obwohl er der Generation der Digital Natives angehört, vielleicht ähnlich vielen WissenschaftlerInnen bezweifelt, warum Wissenschafts- und Fachkommunikation im Web 2.0 überhaupt notwendig ist - denn während des Studiums bekommt man häufig die klassischen Karrierewege in der Wissenschaft eingeimpft. Das Netz spielt dabei noch kaum eine Rolle. Die Fragen drehten sich zu meiner Freude aber vielmehr darum, wie man als junger Wissenschaftler Social Media für sich nutzen kann und wie sich die Wissenschaft selbst durch das Netz verändern werden. Auch bei der Diskussion zu Sammlungen hatte ich das Gefühl, dass die Studenten interessiert, aber vor allem unsicher sind. So ging es zum Beispiel um die technischen Hürden für ältere Zielgruppen. Insgesamt war die Stimmung wesentlich offener, als ich es von manchen Tagungen oder Gesprächen mit ForscherInnen oder MuseumsmitarbeiterInnen kenne. Nach der abschließenden Frage, wie man diese von der Nutzung des Web 2.0 überzeugen könne, war schließlich klar, dass in absehbarer Zeit nicht mehr das Warum, sondern das Wie Social Media zentral sein wird.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1530

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Wissenschaftskommunikations-Wissenschafts-Kommunikation

Als Zusammenfassung des dritten Tages des "Forum Wissenschaftskommunikation 2014", das vom 8. bis 10. Dezember in Potsdam stattfand, hat Elisabeth Hoffmann einen wunderbaren Blogbeitrag geschrieben. Er zeigt viele grundsätzliche Punkte und aktuelle Orientierungsfragen der Wissenschaftskommunikation auf. - von Kanälen über Zielgruppen und Kooperationen bis hin zu Wirkungsweisen. Die Tweets kann man hier nachlesen und der Beitrag selbst ist hier zu finden.

Leider waren - wie schon beim SciCamp im letzten Jahr und ähnlichen Veranstaltungen - nur wenige Fachkommunikatoren aus den Geisteswissenschaften anwesend. Dabei gibt es sie, in den Pressestellen der Unis, der Institute, der archäologischen Landesämter, der forschenden Museen usw. Und sie werden mehr. Zudem bewegen sich die Diskussionen in der Geisteswissenschafts- und der eng verwandten Kulturkommunikation oft auf einer ähnlichen Ebene und drehen ach inhaltlich um ähnliche Themen. Zeit, beide zusammenzubringen. Deswegen ist spontan über Twitter die Idee zu einer Gruppe "Wissenschaftskommunikation in den Humanities" entstanden, die man jetzt bei Facebook und Xing findet.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1513

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Die (digitale) Zukunft der Universitätssammlungen

Campus_Art_Museums_CoverUniversitätssammlungen bilden eine Brücke zwischen Wissenschaft und Museum und müssen sich dabei mit den Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Problemen beider auseinandersetzen. Dazu gehören auch die Themen Digitalisierung und Social Media. Das Cultural Policy Center an der University of Chicago hat schon 2012 die Publikation „Campus Art Museums in the 21st Century“ veröffentlicht, auf die ich erst kürzlich aufmerksam geworden bin. Sie greift viele damit zusammenhängende Aspekte für die amerikanischen Sammlungen auf und bietet interessante Ansätze auch für jene in Deutschland.

Universitäre Sammlungen und Museen in den USA sind eigenständige Einrichtungen mit eigenen Mitarbeitern, die nicht unbedingt an dem Lehrstuhl angesiedelt sind, dessen Fachbereich sie vertreten. Wie in Deutschland ist es ihre vorrangige Aufgabe, die Lehre zu unterstützen. Dabei beherbergen sie hier wie da nicht selten für die Forschung wichtige Originale. Zudem haben Universitätssammlungen auch die Aufgabe, Wissen an die Öffentlichkeit zu vermitteln – gerade in kleineren Städten, in denen sie vielleicht der einzige Zugang zu dem entsprechenden Thema sind.

Campusmuseen zwischen Lehre und Forschung und Vermittlung

In den USA wurde in den 90ern das College and University Art Museum Program (CUAM) ins Leben gerufen, um die Beziehung zwischen Museum, möglichst mehreren Fakultäten und der Öffentlichkeit zu stärken und auch, um die Forschung mit den Campusmuseen durch Publikationen und Tagungen besser zu verknüpfen. Dahinter steht die Idee, dass ein Museum mehr sein kann als ein Ausstellungsort – ein Ort des Austausches, der zum übergreifenden Denken anregen soll. Deswegen werden die Campusmuseen in den USA z.B. verstärkt für nicht-museale Veranstaltungen genutzt. Zudem sollen sie auf interdisziplinäre Themen in der Lehre und Studenten auf mögliche museale Arbeitsfelder vorbereiten.

Universitätssammlungen sind dabei denselben Herausforderungen ausgesetzt wie alle anderen Museen: Sie müssen ihre Relevanz und Rolle neu definieren, sich an veränderte Erwartungen von Publikum und Geldgebern anpassen. Sind sie einem bestimmten Institut zugeordnet, stehen sie in Deutschland auch stellvertretend für diesen und müssen sich mit ihm zusammen die Unterstützung der Universitäten zusichern.

Zudem bietet sich hier die Möglichkeit, zusammen mit Forschern neue Ergebnisse direkt in Ausstellungen umzusetzen und den Ausstellungsraum als Testlabor für innovative Vermittlungsformen zu betrachten. Diesen Aspekt betont die amerikanische Diskussion um die Campusmuseen besonders. Nun sind in Deutschland die Mitarbeiter der Sammlungen gern an Lehrstühlen angesiedelt und nicht unbedingt in Museums- oder gar Vermittlungsarbeit ausgebildet. Kooperationen mit Lehrstühlen für Medien, Kommunikation, Informatik oder Marketing bieten sich also an, um eine Sammlung zeitgemäß zu verwalten und die Studenten für Tätigkeiten außerhalb der Uni auszubilden.

Digitalisierung und Social Media als nachhaltige Aufgabenfelder

„Campus Art Museums in the 21st Century“ diskutiert in puncto Öffentlichkeit eine Vielfalt an Aspekten: Storytelling als Vermittlungsinstrument, Social Media und Marketing, Besucherzusammensetzung, Programm, Partnerschaften, Organisationsstrukturen oder auch die Konkurrenz zu anderen Sammlungen einer Universität oder in der Stadt. Es wird auch gezeigt, dass die Umsetzung dieser Aspekte in den USA durch die verschiedenen Methodiken und Herangehensweisen der beteiligten Fächer an Ausstellungen, durch bürokratische und akademische Hierarchien erschwert wird – ähnliche Umstände wie hierzulande also. Dies führt aber auch dazu, dass man sich übergreifend mit den Erwartungen verschiedener Arten von Besuchern und Kooperationspartnern auseinandersetzt und sich aktuellen Themenbereichen nähert, wie der visuellen Kommunikation oder dem Wissensmanagement.

Die Veröffentlichung des Berichtes rief beim Center for the Future of Museums eine interessante Anschlussdiskussion hervor. Sie warf einige Fragen und Aspekte zur Zukunftsfähigkeit der Campusmuseen auf, die darauf aufbauen, dass die Zukunft eines Campusmuseum von der Zukunft der Universitäten und des universitären Lernens selbst abhängig ist. Deshalb stand auch und vor allem die Digitalisierung und damit einhergehende neue Lehr-, Lern- und Vermittlungsmethoden im Zentrum der Diskussion. Wichtig ist dies auch in Deutschland, wo Fach und Sammlung noch enger verknüpft sind. So bedeutet die geplante Schließung des Institutes für Archäologie an der Universität Leipzig auch die des zugehörigen archäologischen Museums. Mit der Digitalisierung der Originale und bspw. des Ausstellungsraumes selbst könnte beides Forschung, Lehre und Öffentlichkeit erhalten bleiben. Solche Projekte sind auch in Hinblick auf digitale Lernmethoden, MOOCs und virtuelle Seminarräume zukunftsträchtig. Die Verknüpfung mit anderen digitalen Sammlungen, die Entwicklung neuer Raumkonzepte und Ausstellungsmedien und nicht zuletzt die Kommunikation mit Studenten und Besuchern über die Social Media können das Erfahren des originalen Objektes erweitern. Die Diskussion um den Wert digitaler Besucher, die viele Museen derzeit führen, kann im Kontext der universitären Lehre und Forschung eine neue Qualität erreichen.

Und in Deutschland?

Diese Themen sind in deutschen Universitätssammlungen bisher scheinbar nur bedingt angekommen. Die Tagung „JUNG + NEU. Die Zukunft der Universitätssammlungen“, die im Juli in Tübingen stattfand, befasste sich vor allem mit Finanzierung, Verwaltung und Einbindung in die Lehre des jeweiligen Faches oder der Museologie, in der auch Museumsmanagement, -pädagogik oder -marketing eine Rolle spielen. Das DFG- geförderte Informationssystem Universitätssammlungen in Deutschland dokumentiert Bestände und Geschichte von existierenden sowie nicht mehr vorhandenen Sammlungen von Universitäten in Deutschland. Vermittlung oder Social Media werden auch hier nicht thematisiert. Deshalb möchte ich am Ende einige Fragen stehen lassen, die bei der Beschäftigung mit „Campus Art Museums in the 21st Century“ oder auch dem Bericht des Princeton Art Museum 2013 aufgekommen sind:

Entwickeln Universitätssammlungen in Deutschland neue Formen der universitären Ausbildung und Erwachsenenbildung, etwa mit Multimedia, Apps oder Games? Geben sie ihre pädagogischen Erkenntnisse an die anderen Fächer ihrer Universität weiter? Sind sie experimentell und interdisziplinär bei der Ausstellungskonzeptionen? Reflektieren sie aktuelle gesellschaftliche Fragen und Forschungsergebnisse? Spiegeln sie die kulturelle Vielfalt von Studenten und Universitätsmitarbeitern wider? Vermitteln sie das Management von Museen in Hinblick auf die Generation Y? Sprechen sie die Studenten als Digital Natives an? Erforschen sie ihre Zielgruppen und treten mit ihnen in Dialog?

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1500

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ReManage Thinking. Wissenschaft und Anwendbarkeit

HumanitiesManagementDie Wege der Wissenschaft sind unergründlich. Diese theologisch anmutende Aussage kommt mir manchmal in den Sinn, wenn Wissenschaftler eine abwehrende Haltung dagegen zeigen, die Relevanz ihres Faches aufzuzeigen. Natürlich mag es niemand, wenn sein Tun, seine Leidenschaft grundsätzlich in Frage gestellt wird. Außerdem ist es keine leichte Forderung. Sie bedeutet über Methoden und Disziplingrenzen hinweg gänzlich neue Blickwinkel einzunehmen. Genau das tat die Tagung „ReThinking Management“, die im Oktober an der Karlshochschule International University stattfand. Hier wurde die Anwendung von geisteswissenschaftlichen Theorien auf den Bereich des Managements thematisiert und dabei indirekt auch die Anwendung von Managementtheorien auf die Struktur, Organisation und das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften.

Kulturelle Wissenschaften und das Selbstverständnis von Management

Modernes Management bedeutet eine Brücke zu bauen zwischen den auf Effizienz und Ertrag ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften und Ansätzen aus anderen Wissenschaftsbereichen und sich selbst in Hinblick auf neue Kontexte und Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Ein hehres Ziel, das auch für Bereiche Vielversprechendes zu bieten hat, die nicht Kapital, sondern Wissen und Werte generieren. Auch an sie werden Erwartungen gestellt, die sich neben qualitativem Output auf weitere Eigenheiten konzentrieren: transparent zu sein, digital, nachhaltig. Dahinter stehen vieldimensionale Veränderungen, die alle Bereiche der Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Die Ausrichtung des klassischen Managements – auch von Kultur und Wissenschaft – auf Funktionalität entstammt dem historisch-kulturellen Kontext der westlichen Welt, sie ist nicht allgemeingültig und nicht vor aktuellen Veränderungen gefeit.

Ein Mangel klassischen Managements besteht darin, dass man sich aus einem vorgefertigten Werkzeugkasten bedient, um messbare Funktionen zu erfüllen. Dafür erschafft Management, ebenso wie Wissenschaft, eine Subsystem, eine künstliche Welt von Verhalten und Kontrolle. Diese ist abstrakt, reduziert Komplexität bis hin zur Mystifizierung, so fasste Ulrich Gehmann es in seinem Vortrag bei ReThinking Management zusammen, und übersieht dabei wichtige Details und Veränderungsprozesse. Wie Johan Kolsteeg von der Utrecht University of the Arts in seiner Präsentation aufzeigte, kann man Ziele besser erreichen, wenn man sich dem individuellen Kontext, dessen Akteuren und deren Bedürfnisse öffnet. Es bedarf dafür einer Gedankenkultur, einer Struktur und eines Managements, das grundlegendes Kontextwissen über Zielgruppen, Gesellschaft und Politik einbezieht. Deshalb braucht es die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihre Erkenntnisse werden nur in einem kleinen Teil der Management-Forschung und einem noch kleineren der Praxis miteinander verknüpft – ebenso, wie die Kultur und die (Geistes-)Wissenschaften sich kaum mit Theorien von Projektmanagement, Organisation und Führung für ihr Funktionieren beschäftigen. Beide verspielen damit die Möglichkeiten, das implizite Wissen ihrer Inhalte auf ihre explizite Ausführung zu übertragen.

Die Anwendung der Kulturwissenschaften

Aufgrund des Trends zu Individualisierung, Transparenz, einer erfüllenden Tätigkeit sowie zunehmender Interkulturalität auch bei Mitarbeitern ist das nicht nur für externe, sondern vor allem für die internen Beziehungen wichtig. Hier gewinnen neue Kommunikations- und Interaktionsformen an Bedeutung. Diese Idee geht aus den genannten Veränderungen und neuen Werten hervor. Mit der Erforschung der cultural turns haben die Geisteswissenschaften in den letzten Jahren viele Grundlagen gelegt. Wie sich dies anwenden lässt, zeigte Doris Bachmann-Medick in ihrem Vortrag bei ReThinking Management auf. Sie machte deutlich, dass Management alle Bereiche umfasst, die von kulturellen und kommunikativen Eigenheiten beeinflusst werden, sodass die Rücksichtnahme auf diese Eigenheiten mithilfe der cultural turns den Output einer Organisation positiv beeinflusst. Dabei sind diese mehr als ein situativ anwendbarer Werkzeugkasten und können kaum getrennt voneinander betrachtet oder angewandt werden:

  • Der translational turn befasst sich mit den Eigenarten und Möglichkeiten von Sprache und Rhetorik. Grundkenntnisse in diesem Bereich sind wichtig für den Umgang mit Partnern und Mitarbeitern mit verschiedenstem Background, also für das gesamte Organisationsgefüge.
  • Das Studium gesellschaftlich-ritualisierten und individuellen Verhaltens, der performative turn, kann das Funktionieren des Beziehungsgeflechts innerhalb und außerhalb einer Organisation verbessern. Eng daran gebunden ist das embodiement, also die Körpersprache.
  • Der interpretive und der pictorial turn erweitern dies auf den Bereich der Kommunikation über Versinnbildlichung, Sinngebung und Bildverständnis. Silke Schmidt zeigte anhand des Beispiels Storytelling auf, wie Metaphern und Geschichten dazu beitragen können, Kollegen wie Geschäftspartner positiv auf gemeinsame Werte und Ziele zu eichen und damit Zusammengehörigkeit und Verständnis zu schaffen. Storytelling wie auch Bildsprachen sind historisches Kulturgut und eignen sich besser als rationale Sprache dazu, Gedanken auf den Punkt zu bringen und Ideen anschaulich zu machen.
  • Der spatial turn greift das Thema Raum auf und beschäftigt sich damit, wie Arbeitsplätze und –umgebungen die Arbeit selbst beeinflussen, sei es in Hinblick auf Lautstärke, Kommunikation oder Kreativität. Entsprechend präsentierte Tobias Klingenmayer Vorstellungen vom Raum als Objekt der Erkenntnis, als Metapher und als Werkzeug für organisationale Veränderungen.

Die cultural turns sind also nicht nur geisteswissenschaftliche Forschungsthemen. Sie greifen gesellschaftliche Trends hin zu besserer Kommunikation, einem veränderten Selbstverständnis als Organisation oder Disziplin sowie die neuen Werte der Gesellschaft auf und wollen sie durch entsprechende Fragestellungen verstehen und darauf reagieren.

ReManage Thinking

Die Erkenntnisse der Wissenschaft zu aktuelle Themen in die Gesellschaft zu transferieren liegt in beiderseitiger Verantwortung. Auch bei Fachtagungen wie ReThinking Management fehlen aber beim intensivem Austausch und der Entwicklung neuer Ansätze die Praktiker, seien es Manager, Wissenschaftskommunikatoren oder Politiker. Auch ihr Anliegen sollte es sein, sich neue Modelle anzueignen, um die oft beklagte Hilflosigkeit abzubauen, gegebenes Wissen zu hinterfragen, Zusammenhänge zu verstehen, Verständnis zu lernen.

Es ist ein Manko – auch das machte ReThinking Management deutlich – dass Wirkungsweisen fernab von Zahlen schlecht fassbar sind. Potentielle Unterstützer lassen sich nur auf Basis gefühlter Verbesserungen schlecht überzeugen. Es ist also auch eine Aufgabe der Forschung, auf Basis eines Design-Thinking-Labcharakters entsprechende Tools und Möglichkeiten des Transfers und der Kommunikation zu entwickeln und in einer Testphase zu prüfen. Dabei ist auch die Dokumentation von Misserfolgen wichtig, um die übermäßige Produktion von hausinternem „Bullshit“ zu vermeiden, wie es Andre Spicer in Karlsruhe formulierte: je größer die Organisation desto mehr basiert sie auf Fassadenhaftigkeit nach außen wie innen. Dies bringt weder die gewünschte Aufmerksamkeit noch die Bindung von Mitarbeitern, Interessierten, Entscheidern oder  Geldgebern. Das eigene Selbstverständnis zu überdenken ist der erste Schritt. Anders zu handeln, ein „bullshit replacement management“, ist für Spicer der entscheidende zweite – die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Anwendung.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1494

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