Eine Kulturgeschichte des Tringelds. Der Rest ist für Sie!

http://sz.de/1.2105798 Warum bezahlt man Kellner und Friseure, obwohl man ihnen eigentlich gar nichts schuldet? Eine kleine Kulturgeschichte des Trinkgelds – von altgriechischen Prostituierten bis ins Bierzelt von heute.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/08/5327/

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Edition und Untersuchung von Kopialbuch (1583) und Urkundenverzeichnis der Altar- und Kaplaneipfründen (1610/15) der Offenburger Pfarrkirche Heilig-Kreuz

Gastbeitrag von Andre Gutmann

Das Archiv der Pfarrkirche Heilig-Kreuz zu Offenburg befindet sich seit mehreren Jahrzehnten als Depositum im Stadtarchiv Offenburg. Erst in jüngster Zeit wurden die Archivalien in groben Zügen erschlossen und verzeichnet.

Zu den bedeutendsten Archivalien des Bestands gehört ein im Jahr 1583 im Auftrag des damaligen Kirchenpflegers Georg Linder angelegtes Kopialbuch mit Auszügen aus über 180 Urkunden der Jahre zwischen 1336 und 1605 bzw. 1679 (Signatur 30/1/1091). Keine dieser Urkunden ist heute noch im Original überliefert, für über 140 Urkunden bzw. deren Inhalt stellt das Buch den einzigen Textzeugen dar.

Kopialbuch von 1583

Kopialbuch von 1583, Titelinnenseite, Stadtarchiv Offenburg 30/1/1091

Es enthält zum überwiegenden Teil Zinsurkunden, d.h. beurkundete Einkünfte der Pfarrkirche aus Kreditgeschäften, so genannten Rentenkäufen, sowie damit zusammenhängende Erwerbungen, Stiftungen und gerichtliche Urteile. Der vorrangige Zweck des Kopialbuchs, das nur bis einschließlich 1589 eine regelmäßigen Zuwachs an Rentenkäufen verzeichnet, könnte die Verwaltung der außerordentlichen Finanzierung eines neuen Kirchturms gewesen sein, der 1590 erstmals in den Ratsprotokollen erwähnt wird, und möglicherweise seitens der Kirchenschaffnei schon Jahrzehnte zuvor durch langfristige Investitionen in Kreditgeschäfte vorfinanziert wurde. Wie mehrere datierte Nachträge und Glossen nahe legen, war das Buch danach noch bis ins frühe 18. Jahrhundert in Gebrauch (letzter Eintrag 1716).

Einen ähnlichen Inhalt besitzt auch ein um 1610/15 hergestellte Verzeichnis der Urkundenbestände der Kaplanei- und Altarpfründen an der Pfarrkirche und im St. Andreasspital (Signatur 30/1/1092). Es enthält auf 115 beschriebenen Seiten Einträge zum Inhalt von weiteren 179 Urkunden, erneut überwiegend Zinsurkunden, sowie Stiftungsurkunden, Kaufurkunden etc., für die das Verzeichnis zum überwiegenden Teil ebenfalls den einzigen Textzeugen darstellt. Wie es zahlreiche Streichungen und glossierte Schreibervermerke, teils mit Anweisungen zur Neuordnung der Einträge, nahe legen, scheint es sich bei den Blättern um eine Zwischenstufe auf dem Weg zur Herstellung eines Kopialbuchs zu handeln, das aber möglicherweise nie zustande kam.

In beiden Dokumenten sind die Urkunden nicht als Volltranskripte enthalten, sondern in der Regel in Form ausführlicher Regesten, mit der Angabe von Standort und Größe der immobilen Grundlage der Renten (z.B. landwirtschaftlichen Güter, Häusern, Mühlen etc.) sowie einer Mitteilung zu Ausstellern, Besiegelung und Datierung. Diese Angaben zu den Vertragsparteien sowie den Immobilien, deren Besitzern, Pächtern und Abgabenempfängern, deren Lokalisierung durch Anstößerbeschreibungen in der Stadt Offenburg und verschiedenen umliegenden Orten, machen diese beiden Dokumente zu einer herausragenden Quelle zur Geschichte der Familien bzw. Einwohner der Stadt Offenburg und der Ortenau sowie der dortigen historischen Topographie (Flurnamen, Ortsnamen, Gewässer, Baulichkeiten, Wegenetz etc.). Beide Dokumente sind durch ein Personen- und Orts- und Flurnamenregister mit mehreren Tausend Bezügen (überwiegend Personen-, Orts- und Flurnamen) erschlossen.

Die beiden Dokumente  wurden 2012/13 von mir im Auftrag der Kulturstiftung Offenburg vollständig ediert, beschrieben und in Bezug auf einzelne Aspekte der Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte der Pfarrkirche und seiner Schaffnei beispielhaft ausgewertet. Um die Ergebnisse der Forschung besser zugänglich zu machen, war von Anfang an mit dem Stadtarchiv Offenburg abgesprochen, die Edition und Untersuchung vollständig online (als PDF: 3,8 MB) zur Verfügung zu stellen:

http://www.museum-offenburg.de/html/quellenedition.html

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Dr. Andre Gutmann war nach einem Studium der Mittelalterlichen Geschichte, Historischen Hilfswissenschaften und Volkskunde an der Universität Freiburg und anschließender Promotion von 2008 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I und der Abteilung Landesgeschichte in Freiburg und ist seit Herbst 2013 als selbstständiger Historiker (mit Schwerpunkt auf südwestdeutscher Landesgeschichte) tätig.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/617

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aventinus varia Nr. 46 [27.08.2014]: Uganda, die Vereinigten Staaten von Amerika und das Terrorregime des Idi Amin (1973–1976) [=historia.scribere 1 (2009), S. 3-17]

Basierend auf US-Dokumenten wirft die Arbeit einen Blick auf die ameri­ka­ni­schen Überlegungen und Maßnahmen hinsichtlich des Regimes des Idi Amin zwischen 1973 und 1976. Dessen Politik stellte immer neue An­for­de­run­gen an die US-Strategen und hatte eine nicht nachvollziehbare Logik. http://bit.ly/1vmocOp

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/08/5325/

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Der Wechsel der Hochschule für Politik München in die Trägerschaft der Technischen Universität München

Im Juni 2014 wurde bekannt, dass die Hochschule für Politik (HfP) in die Trägerschaft der Technischen Universität München (TUM) wechselt. Die HfP besitzt sui generis nicht das Recht akademische Grade zu verleihen. Daher bedarf sie einer Heimatuniversität, deren Graduierungs- und Promotionsrecht dann in Anspruch genommen wird. Bislang verlieh die HfP auf diese Weise in eigenen […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/08/5323/

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Buddhas Fußsohlen

An zahlreichen buddhistischen Stätten finden sich Darstellungen der Fußsohlen Buddhas (fozushi 佛足石1 beziehungsweise foji 佛跡, i.e. “Buddha-Spur”).2

Im indisch beeinflußten Kulturraum ist die Spur oder der Abdruck von Buddhas Fuß seit alter Zeit ein wichtiges Symbol, das stellvertretend für Buddha selbst steht. In seiner Fußspur bleibt Buddha den Gläubigen wie in einer Reliquie gegenwärtig, während er ansonsten in das Nirwana, in das “Erlöschen”, eingegangen ist. In diesem kann er nicht mehr angerufen werden. Eine ähnliche Ikonographie des zurückbleibenden Fußabdruckes findet sich auch in der mittelalterlichen, christlichen Kunst bei der Darstellung der Himmelfahrt Christi.3

Traditionellen Auffassungen zufolge gelten “kreisförmige Abbilder des ‘Rades der Lehre’” auf den Fußsohlen als eines der 32 Merkmale eines Buddha (sanshi’er (da ren) xiang 三十二(大人) 相).4 Genauer gesagt sind es “die beiden Räder unter den Fußsohlen” (fozu xia er lun 佛足下二輪).5

Buddhas Fußabdrücke - Schautafel im Fünf-Pagoden-Tempel, Beijing - Foto: Georg Lehner

Buddhas Fußabdrücke – Schautafel im Fünf-Pagoden-Tempel, Beijing – Foto: Georg Lehner

Beim Besuch des Pekinger Wuta Si 五塔寺 (d. i. “Fünf-Pagoden-Tempel”) – eigentlich Da Zhenjue Si 大真覺寺 (“Tempel des Großen Erwachens”) – fiel mein Blick im Ausstellungsraum ganz zufällig auf eine  Schautafel mit den Fußabdrücken des Buddha. Das entsprechende Relief an der Südseite der zentralen Pagode konnte ich allerdings nicht ausmachen …

Buddha's feet at Zhenjue Temple

Buddha’s feet at Zhenjue Temple. By Yongxinge (Own work) [CC-BY-SA-3.0 or GFDL)], via Wikimedia Commons

  1. Vgl. dazu den Artikel “Bussokuseki 佛足石” In:  Hôbôgirin. Dictionnaire encyclopédique du Bouddhisme d’après les sources chinoises et japonaises, 2. u. 3. Faszikel (1930, 1937) S. 187-190; zu Beispielen aus China vgl. S. 189. – Vgl. ferner Siegbert Hummel: “Die Fussspur des Gautama-Buddha auf dem Wu-t’ai-shan.” Asiatische Studien 25 (1971) 389-406. [Digitalisat bei retro.seals.ch.
  2. Vgl. dazu Heinrich Hackmann: Erklärendes Wörterbuch des chinesischen Buddhismus. Chinesisch-Sanskrit-Deutsch; aus dem handschriftlichen Nachlass überarbeitet von Johannes Nobel, Leiden, o. J., 4. Lieferung, S. 196, Art. "Fo chi": "'Fusspur [!] des Buddha. Wiedergabe von Skr. śripāda. Name der seit alter Zeit [...] verehrten Darstellung des Fussabdruckes des Buddha, die meistens in 108 Felder (mit allerlei buddhistischen Symbolen eingeteilt ist [...],”
  3. U. Wiesner/T. Nagel: Der Kosmos auf großem Fuß. Museen Köln: Bild der 16. Woche, 19. bis 25. April 2010. Vgl. auch The British Museum: Limestone panel depicting the Buddhapada.
  4. Vgl. Bernhard Scheid: Religion in Japan. Die 32 Merkmale eines Buddha.
  5. Franz Josef Meier: Die Mythologie des chinesischen Buddhismus. In: Egidius Schmalzriedt, Hans Wilhelm Haussig (Hg.): Götter und Mythen Ostasiens (Wörterbuch der Mythologie. 1. Abt., Bd. 6; Stuttgart 1994) 510 f. (Art. “Buddhas Fußsohlen”) und ebd., 611 (Art. “Merkmale, Die 32 (des Großen Menschen)”.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1341

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Ö1-Menschenbilder zu Klaus Wagenbach

Sonntag (31.8.2014, 14:05-14:55) auf Ö1:

"Ich habe meinen ganzen Lebenslauf immer als Privileg empfunden" - Klaus Wagenbach - Verleger.

Gestaltung: Petra Herczeg und Rainer Rosenberg

Eine Sendung zum 50. Jahrestag der Gründung des Wagenbach Verlages.

"Der Rebell mit dem Bundesverdienstkreuz" war in einem Artikel über ihn zu lesen und "Rebell" zu sein, trifft auf den stets streitbaren Verleger mehr als zu. Er hat dem deutschsprachigen Publikum Autoren wie Pier Paolo Pasolini, Erich Fried aber auch Franz Kafka näher gebracht. 1930 in Berlin geboren, arbeitete der gelernte Buchhändler und promovierte Geisteswissenschafter einige Jahre als Lektor, bis er zum Verleger und Sprachrohr der Studentenbewegung wurde.

Sein Vater schenkte ihm ein Grundstück, damit er seinen Verlag gründen konnte. Als dann die Auseinandersetzungen im Verlagskollektiv zum Bruch führten, gründete er den Verlag zum zweiten Mal: Die Veröffentlichung einiger Publikationen sorgte für politische Skandale und brachte ihn vor Gericht und ins Gefängnis. Dennoch schaffte es Klaus Wagenbach immer wieder, weiter Bücher zu verlegen.

Seine Autor/innen kamen und kommen aus West und Ost. Als er 1968 Wolf Biermann verlegt, darf er nicht mehr in die DDR einreisen und kann Berlin nur mehr mit dem Flugzeug verlassen, Meinung und sein Einsatz für Meinungsfreiheit schaffte ihm auf allen Seiten Feinde.

Klaus Wagenbach begründete das Interesse für italienische Literatur in Deutschland und Österreich. Der Unermüdliche erfindet und startet Reihen für die Literatur: mit Enzensberger wird das "Kursbuch" fortgeführt, der "Freibeuter" und die Reihe "Salto" erfunden.

2002 hat sich Wagenbach aus der Verlagsführung zurückgezogen und sie Susanne Schüssler übergeben, auf Lesereisen liest er gerne aus "Mein Italien" - schließlich liebt er das Land schon seit seiner ersten großen Italien-Tour - mit dem Fahrrad im Jahre 1951.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/967549065/

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Dinosaurier, Journalismus und Resilienz

In diesem Semester habe ich mit meinen Studenten einen Text von Eugenia Siapera und Andreas Veglis (2012) über die Zukunft des Online-Journalismus gelesen, der eine interessante Parallele zwischen Dinosauriern und Journalismus herstellt und uns an die Frage der Resilienz heranzuführen vermag.

In Anlehnung an die Evolutionstheorie folgt der Text folgender Argumentation: Wie die Dinosaurier mehr als 160 Millionen Jahre den Planeten bevölkerten, so dominierte der Print-Journalismus mehr als 300 Jahre unsere Welt. Beide Arten waren einer plötzlichen Bedrohung ausgesetzt. Im Falle der Dinosaurier führte ein Meteoriteneinschlag zum Aussterben der Spezies. Im Falle des Journalismus ist der Meteorit erst vor (vergleichsweise) kurzer Zeit eingeschlagen: Mit dem Aufkommen des Internets hat der Journalismus Schwierigkeiten, neue Funktionen zu entwickeln und sich an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Er ist anhaltenden Belastungen unterworfen, die vor allem in der Medienkrise und der zunehmenden Kommerzialisierung begründet liegen. Demnach sind drei mögliche Zukunftsszenarien zu diskutieren: erstens das Aussterben der Art und die Entstehung einer vollkommen neuen Spezies, zweitens die Mutation bzw. die Entwicklung der Spezies in eine neue Richtung und drittens die Anpassung an die veränderte Umwelt. Für den Online-Journalismus sehen diese drei Optionen dann wie folgt aus:

a) Genese: Es entsteht eine neue Form des Journalismus mit eigenen Merkmalen, die sich sehr gut in die neue Umwelt einfügen. Neue Eigenschaften sind zum Beispiel Multimedialität, Hypertextualität und Interaktivität oder das Hinzukommen von User-generated Content.

b) Mutation: Der Journalismus mutiert und die Spezies entwickelt sich in eine neue Richtung, was auch mit Veränderungen der Umwelt einhergehen kann. Mutationen des Online-Journalismus sind zum Beispiel der Social-Media-Journalismus oder der Open-Source-Journalismus.

c) Resilienz: Durch eine Neuinterpretation journalistischer Eigenschaften und Werte passt sich der Journalismus an die neue Umwelt an. Da neue Technologien und neue Medien eine Fragmentierung des Publikums befördern, kann der Journalismus seine öffentliche Aufgabe nicht mehr wahrnehmen, sind die Bedürfnisse und Interessen des EINEN Publikums nicht mehr zu bestimmen und eine neue Definition der Funktionen und Strukturen des Journalismus ist vonnöten. Auch journalistische Werte und Eigenschaften wie Objektivität und Fairness, Glaubwürdigkeit und Autonomie sind einem Wandel unterworfen. Zudem durchdringen die zunehmende Unmittelbarkeit und Beschleunigung den Journalismus.

Siapera und Veglis (2012) benutzen nicht den Begriff der Resilienz. Es geht Ihnen auch weniger darum, diese drei Evolutionsmöglichkeiten eingehend zu diskutieren. Sie gebrauchen das Beispiel der Dinosaurier lediglich, um an die Thematik und die einzelnen Kapitel ihres Sammelbandes heranzuführen. Natürlich sind die oben genannten Autoren nicht die einzigen Sozialwissenschaftler, die sich von der Biologie inspirieren ließen. Auch Luhmann hat seinen System-Begriff aus der Biologie übernommen, wo es unter anderem darum geht, wie sich Systeme selbst erhalten.

Auch bei Resilienz geht es letztlich um genau diese Frage. Und wie der System-Begriff wird auch der Begriff der Resilienz von unterschiedlichen Disziplinen verwendet. Vor allem im Bereich der sozial-ökologischen Forschung ist in den letzten Jahren eine Fülle an wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema Resilienz entstanden. Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Systems, Irritationen zu absorbieren und sich neu zu organisieren, während es einem Wandel unterworfen ist – mit dem Ziel, seine Identität zu wahren (Folke et al. 2010).

Für die Kommunikationswissenschaft bietet dieser Ansatz einen konzeptionellen Rahmen zur Untersuchung des medialen und kommunikativen Wandels und einen interessanten neuen Fokus für empirische Forschung. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Aspekt der Stabilität, was die Betrachtung der Nachhaltigkeit eines solchen Systems ermöglicht (Alinovi et al. 2009). Im Grunde geht es in der Resilienz-Forschung um folgende Frage: Wie sehr können sich ein System, eine Organisation, ein Individuum verändern, ohne ihre Identität zu verlieren bzw. ihre Funktionen, ihre Strukturen und dazugehörige Rückkoppelungsprozesse soweit wie möglich beizubehalten (Walker et al. 2006).

Die Resilienz-Frage kann auf allen Stufen entlang des Kommunikationsprozesses Anschluss finden. So können beispielsweise das Mediensystem, Medienorganisationen, Journalisten oder Rezipienten im Zentrum der Betrachtung stehen. Zudem sind bei der Frage, was ein System (zum Beispiel Politik) resilient macht, stets auch die Medien mitzudenken. Resilienz stellt schließlich eine Eigenschaft dar, die die Anpassungsfähigkeit, Lernfähigkeit aber auch Widerstandsfähigkeit eines Systems oder besser einer Entität beschreibt. Das Resilienz-Konzept steht dabei nicht in Konkurrenz zu Konzepten wie Medialisierung oder Globalisierung, sondern kann die Forschung zum sozialen Wandel an dieser Stelle ergänzen. Darüber hinaus bietet es neue Möglichkeiten für praxisorientierte Studien. Auch ist diese Forschung nicht auf die Systemtheorie begrenzt. Disziplinübergreifend finden Konzepte wie das des Institutionalismus (Lebel et al. 2006, Dragos Aligica & Tarko 2014) vor diesem Hintergrund genauso Anwendung wie das des sozialen Kapitals (Sherrieb et al. 2010).

In der Kommunikationswissenschaft gibt es eine Reihe systemtheoretischer Entwürfe, die unterschiedliche Systemdefinitionen vorschlagen. Es herrscht nach wie vor Uneinigkeit, ob von einem System der Massenmedien (Luhmann 1996), dem Journalismus als sozialem System (Blöbaum 1994), der Öffentlichkeit als sozialem Funktionssystem (Gerhards 1994, Kohring 1997, Görke 2008) oder der politischen Kommunikation als System (Blumler & Gurevitch 1995) ausgegangen werden soll. Seit einiger Zeit versuchen Journalismusforscher vermehrt bestehende Theorien zusammenzuführen anstatt sich zunehmend voneinander abzugrenzen (vgl. Hanitzsch et al. 2007). Auf diese Weise hat neben Anthony Giddens’ Strukturationstheorie auch der Soziologe Uwe Schimank und sein Ansatz der Akteur-Struktur-Dynamiken im Fach an Bekanntheit gewonnen, der das „Schisma der Akteur-und Systemtheorien“ (Schimank 1988:619) zu lösen vermag. Schimanks Ansatz wertet den Akteur auf (Neuberger 2004) und ermöglicht eine Betrachtung auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen (Meyen et al. 2014).

Es sind vor allem die Mehrebenen-Ansätze, die die Betrachtung von Resilienz interessant machen: Dabei kann sich zum einen ein „shock“, zum anderem aber auch die Reaktion auf diesen Schock auf unterschiedlichen Ebenen abspielen. Anders formuliert: Veränderungen an einer Stelle des Kommunikationsprozesses können zu Resilienz an anderer Stelle führen. Es ist daher denkbar, Resilienz sowohl als unabhängige als auch als unabhängige Variable zu operationalisieren, und ratsam, Forschung auf unterschiedlichen Untersuchungsniveaus zu betreiben. Resilienz kann damit auch als Antwort auf „die Forderung nach einer methodischen Operationalisierung“ (Kohring 2004: 198) systemtheoretischer Journalismustheorien gelten und der Systemtheorie, aber auch anderen Theorien zu einer „unmittelbaren Praxistauglichkeit“ (Kohring 2004: 198) verhelfen.

 

Literatur

Alinovi, L., Mane, E. & Romano, D. (2009). Measuring Household Resilience to Food Insecurity: Application to Palestinian Households. Working Paper, January 2009, [online] URL: http://www.foodsec.org/fileadmin/user_upload/eufao-fsi4dm/docs/resilience_wp.pdf

Blöbaum, B. (1994). Journalismus als soziales System. Geschichte, Ausdifferenzierung und Verselbständigung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Blumler, J. G., & Gurevitch, M. (1995). The crisis of public communication. London: Routledge.

Dragos Aligica, P. & Tarko, V. (2014). Institutional Resilience and Economic Systems: Lessons from Elinor Ostrom’s Work. Comparative Economic Studies, 56, (52–76).

Folke, C., Carpenter, S. R., Walker, B., Scheffer, M., Chapin, T. & Rockström, J. (2010). Resilience thinking: integrating resilience, adaptability and transformability. Ecology and Society 15(4): 20. [online] URL: http://www.ecologyandsociety.org/vol15/iss4/art20/

Gerhards, J. (1994). Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch. In Neidhardt, F. (Hrsg.). Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 34). Opladen: Westdeutscher Verlag, 77-105.

Görke, A. (2008). Perspektiven einer Systemtheorie öffentlicher Kommunikation. In Winter, C., Hepp, A. & Krotz, F. (Hrsg.). Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Grundlegende Diskussionen, Forschungsfelder und Theorieentwicklungen. Wiesbaden: VS Verlag, 173-190.

Hanitzsch, T., Altmeppen, K.-D., Schlüter, C. (2007). Zur Einführung: Die Journalismustheorie und das Treffen der Generationen. In Altmeppen, K.-D., Hanitzsch, T. & Schlüter, C. (Hrsg.). Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden: VS Verlag, 7-23.

Kohring, M. (1997). Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus. Ein systemtheoretischer Entwurf. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Kohring, M. (2004). Journalismus als System. Grundlagen einer systemtheoretischen Journalismustheorie. In Löffelholz, M. (Hrsg.). Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, 185-200.

Lebel, L., Anderies, J. M., Campbell, B., Folke, C., Hatfield-Dodds, S., Hughes, T. P. & Wilson, J. (2006). Governance and the Capacity to Manage Resilience in Regional Social-Ecological Systems. Marine Sciences Faculty Scholarship. Paper 52.

Luhmann, N. (1996). Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Meyen, M., Thieroff, M. & Strenger, St. (2014). Mass Media Logic and The Mediatization of Politics. Journalism Studies, 15:3, 271-288.

Neuberger, C. (2004). Journalismus als systembezogene Akteurskonstellation. Grundlagen einer integrativen Journalismustheorie. In Löffelholz, M. (Hrsg.). Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, 287-303.

Schimank, U. (1988). Gesellschaftliche Teilsysteme als Akteurfiktionen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 40 (3), 619-639.

Sherrieb, K., Norris, F. H. & Galea, S. (2010). Measuring Capacities for Community Resilience. Soc Indic Res, 99, 227–247.

Siapera, E., & Veglis, A. (2012). Introduction: The Evolution of Online Journalism. In E. Siapera & A. Veglis (Eds.), The Handbook of Global Online Journalism. Oxford, UK: Wiley-Blackwell, 1-17.

Walker, B. H., Gunderson, L. H., Kinzig, A. P., Folke, C., Carpenter, S. R. & Schultz, L. (2006). A handful of heuristics and some propositions for understanding resilience in social-ecological systems. Ecology and Society, 11(1): 13. [online] URL: http://www.ecologyandsociety.org/vol11/iss1/art13/

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/239

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Eine Siegesfeier in Den Haag

Der kurkölnische Agent Johann van der Veecken hatte sich im Jahr 1631 einige Zeit von seinen Amtsgeschäften zurückziehen müssen und war nach Spa gereist, um dort eine Trinkkur zu machen. Doch bei der Rückkehr wartete eine Überraschung auf ihn: Gerade als er wieder nach Den Haag zurückgekommen war – es war mittlerweile Mitte Oktober geworden –, traf er prompt auf den Gesandten der schwedischen Krone, der „facibus et ignibus triumphalibus“ den Sieg zelebrierte, den sein König über die Kaiserlichen errungen hatte.

Veecken war lange genug im Geschäft, um abschätzen zu können, wie man mit Neuigkeiten umzugehen hatte. Der Krieg im Reich war zwar weit entfernt, und viele einlaufende Nachrichten erwiesen sich oftmals als übertrieben oder einfach falsch. Aber in dem Fall bestand kein Zweifel, daß der schwedische König und der mit ihm verbündete Kurfürst von Sachsen am 17. September bei Breitenfeld eine große Schlacht gewonnen hatten. Das Heer der Kaiserlichen sei vernichtet, Tilly gefallen. Der schwedische Gesandte ließ keinen Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Informationen. Und Veecken tat das, wofür er als Agent engagiert war: Er berichtete dies Kurfürst Ferdinand von Köln, seinem Auftraggeber.

Die Berichte Veeckens fielen durchweg lakonisch aus; Emotionen brachen sich bei ihm nur selten Bahn. Auch dieses Beispiel vom 15. Oktober 1631 (LA NRW, Abt. Rheinland, Kurköln VII 51/1 fol. 95 Ausf.) machte keine Ausnahme. Und doch war spürbar, daß diese Nachricht an sich und offenbar auch die Siegesfeier des schwedischen Diplomaten in Den Haag einen gewissen Eindruck auf den Agenten hinterlassen hatten. Schon ein paar Tage später kamen zwar Berichte ein, daß Tilly doch nicht tot sei. Doch diese Korrektur änderte nichts an der militärischen Katastrophe. Genau dies brachte Veecken auch schon in diesem Brief vom 15. Oktober auf den Punkt: Nun müsse man befürchten, daß sich die ganze Situation im Reich von Grund auf verändern würde; dem Kaiser und den katholischen Reichsfürsten drohe nun die allerhöchste Gefahr („Vnde verendum ne magna rerum vicissitudo in Jmperio oriatur, et Jmperatori Principibusque Catholicis maximum immeneat periculum.“).

Mit dieser Einschätzung lag Veecken vollkommen richtig – und auch das historische Urteil heutzutage wird kaum anders ausfallen. Dies mag man heute als nicht wirklich überraschend abtun, denn wenige Schlachten endeten mit einem so eindeutigen Ergebnis wie die bei Breitenfeld. Doch eine solche Betrachtung erfolgt zu sehr aus der sicheren Perspektive des Historikers. Vor dem Hintergrund der damals so häufig kursierenden und so unentwirrbar erscheinenden Mißinformationen mußten die Diplomaten schon ein Gespür für die wirklich wichtigen Entwicklungen haben. Beim Agenten in Den Haag war dies augenscheinlich der Fall. Veecken schloß seinen Bericht für Kurfürst Ferdinand mit einem Stoßgebet. Er sollte es in den folgenden Wochen und Monaten noch häufiger tun; die Ereignisse im Reich gaben ihm jedenfalls Anlaß genug dafür.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/518

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Bis zur Einberufung im November 1914

Am 21. August 1914 erreichten Freiburg frohe Neuigkeieiten von der Front: „Siegreiche Schlachten zwischen Metz und den Vogesen“, titelte die Freiburger Zeitung in einer Extraausgabe.

Titelbild der Freiburger Zeitung zum 21.8.1914.

Titelbild der Freiburger Zeitung zum 21.8.1914.

„Deo gratias. Requiem aeternam donna eis Domine, eis den Tapferen, die solchen Sieg mit ihrem Herzblut erkauft haben. Jetzt ins Münster, um Gott zu danken“, kommentierte Mayer die Nachrichten. Mit diesen Worten der Freude enden im späten August 1914 vorläufig seine Aufzeichnungen der damaligen Geschehnisse. Erst im Zuge seiner Einberufung als freiwilliger Feldgeistlicher wird er Ende November wieder regelmäßig zur Feder greifen.

Das liegt sicher nicht am Mangel an Ereignissen. Für Freiburg und seine Bürger bedeutete das Ende des Sommers nicht das Ende einer aufregenden Zeit, sondern im Grunde erst deren Anfang.

Auf den großen Sieg bei Metz folgten Niederlagen, die für die Stadt eine reale Gefahrensituation erzeugte. Freiburg wurde zur Fronstadt, in der der Krieg allgegenwärtig erfahrbar wurde1 : durch die Einquartierung von Soldaten, den Verwundeten, die schon bald die Lazarette der Stadt überfüllten, und die „dumpfen Schläge […] des Kanonendonner[s] über den Rhein herüber“2 .

Gleichzeitig trennten sich die Wege der Bevölkerung. Die Soldaten der in Freiburg stationierten 29. Division zog es an die Front. Noch Anfang August kam es zu ersten Gefechten in den Vogesen, gegen Ende des Jahres wurde die Division dann in Flandern eingesetzt. Auch die 28. Division, der Mayer angehören würde, marschierte über Freiburg in den Krieg. Beide waren teil des 14. Armee-Korps, welches die badischen Truppen des Heeres umfasste. Alois Maier, der Divisionspriester der 28. Division und Mayers späterer Vorgesetzter, notierte die Ereignisse dieser Zeit, die bis November 1914 durch den Bewegungskrieg gekennzeichnet waren.3

„Am 2.8.: Kam ich in meiner Garnison Mülhausen i. Els. an, wohin mich ein Telegramm zurückrief, da ich in Schlesien im Urlaub war.

Vom 2.-5.8: Berichten und Abschiedsgottesdienste in Mülhausen i.E.

Am 6.8.: Meldung bei der 28. Division in Karlsruhe.

Vom 8.-15.8: Abtransport nach Freiburg, Marsch über Breisach und Ensisheim nach Mülhausen i.E. wo ich mit der großen Bagage am 11.8. anlangte. In den Lazaretten sehr viele Verwundete aus der Schlacht bei Mülhausen besucht.

Am 15.8.: Abtransport nach Ahrweiler.

Vom 16.-19.8: in Pfalzburg, wo ich die Lazarette besuchte und Beerdigungen vornahm.

Vom 20.-28.8: Vormarsch durch Lothringen über Cirey nach Baccarat. Ich war meistens bei dem 2. Sanitätstrup, um auf dessen Hauptverbandsplatz mich der Verwundeten annehmen zu können. Ich arbeitete auf den Hauptverbandsplätzen von Gunzweiler, Forsthaus Glasematten (Truppenhauptverbandsplatz), dem Schlachtfeld Hochwalsch, in Harzweiler, bei Forsthaus Hess. Besonders groß und aufregend war die Arbeit in Bertrichamp in der Nacht vom 26. zum 27.

Vom 28.8 bis 11.9. in Baccarat. Hier waren zum 1. Male Feldgottesdienste, zu dem bisher bei dem unaufhörlichen Vorrücken bei Tage und bei Nacht keine Gelegenheit war. Auch in der Kampffront bei Ménil ward Gottesdienst gehalten. Anfangs gab es für uns Divisionspfarrer auch sehr viel Arbeit in den Lazaretten, bis endlich die Lazarettpfarrer ankamen. Wiederholt habe ich beerdigt; wurde auch nachts zu Sterbenden geholt und hielt täglich Gottesdienst in der Kapelle der Kristallfabrik.

Am 11.9. Rückwärts bis Altville in Lothringen.

Vom 17.9. bis 20.9. Marsch über Remilly, Boin a/S, Borny nach Pagny.

Vom 21.-25.9. pastorierte ich von Pagny aus das Feldlazaret 12 in Vandières, den Verbandsplatz in Vilcey, s. Trey und Fey en Haye.

Vom 25.-30.9. in Thiaucourt. Hier und in Viéville Feldgottesdienste auf dem Hauptverbandsplatz in Viéville, zu dem wie bisher immer die Kirche und einige größere Häuser (Schule) verwandt wurden. Abtransport nach Nordfrankreich

Vom 3.-5.10. Fahrt von Metz über Namur bis Mons.

5.-10.10. Marsch über Boudé St. Amand, Orchies, Mons en Pévèle, Le-forest, Ostricourt, Bourrières, Harnes bis Loison (bei Lens). Hier blieben wir bis zum 12.10. Ich hielt mehrere Feldgottesdienste bei der Bagage und begab mich zu Pferd nach Hulluch, wo ich den Hauptverbandsplatz vorfand.

Vom 12.10.-21.10. Mit der Bagage zuerst drei Tage in Vendin le Vieil und dann vom 15/10 ab in Pont à Vendin einquartiert besuchte ich täglich den Hauptverbandsplatz der zuerst in Huluch, dann in Vendin sich befand und hielt oft Begräbnisse. Vor allem konnte ich für alle Truppen wieder regelmäßig Gottesdienst halten und beichten ansetzen. Die Gottesdienste fanden statt in der noch erhaltenen Kirche oder im Freien, in Pont à Vendin, Veudin le Vieil (alle Tage), Hulluch, Wingles, je einmal in Bouvin und Meurdin. Am 29.10 bereitete ich einen Soldaten auf den Tod vor, der wegen Mordes erschossen wurde.

Vom 21.-30.11. Die Division wurde verlegt und ich in der neuen Stellung im D. St. Quartier in Billy Montigny untergebracht. Hier, in Sallaumines und Lens hielt ich Gottesdienst und besuchte den Hauptverbandsplatz und das Feldlazarett in Lens. Die vielen Verwundeten in Lens bewogen mich, bald mich vom Stabe zu trennen und nach Lens überzusiedeln.“

Für die Daheimgebliebenen begann vor allem eine Zeit der Ungewissheit, um die Angehörigen an der Front, aber auch um die eigene Zukunft. „[D]ie Menschen waren voll innerer Unruhe“, berichtet Schofer4, schlimme Gerüchte über eine Gefährdung der Stadt schürten diese Nervosität:

„Gestern im Laufe des Tages verbreitete sich das Gerücht: Belfort sei erstürmt. Von anderer Seite hieß es: vier Zeppeline seien zugrunde gerichtet worden. Beides war natürlich ganz aus der Luft gegriffen. Neulich hörte ich bei Schermers, ein Augenzeuge habe berichtet, die Brücke zwischen Alt- und Neu-Breisach sei gesprengt worden, ein Hauptmann und sieben Mann seien tot am Brückenkopf gelegen – demnach hätten die Franzosen also schon die Festung Neu-Breisach haben müssen. Hinter stellte sich heraus, daß es sich um eine kleine Brücke bei Mülhausen gehandelt hätte.“5

Mit den ersten Verwundeten kam auch das Elend des Krieges in die Stadt, „ein erschütternder Anblick“, wie Charlotte Herder ihrem Tagebuch anvertraute.6

Auch das Umfeld des Freiburger Ordinariats erlebte die erste Phase des Krieges. Zwar war der Großteil des Klerus vom Dienst an der Waffe ausgenommen, vor allem die Theologiestudenten des Konvikts hatten aber zu dienen. Außerdem waren die hauptamtlichen Militärgeistlichen bei Ihren Divisionen an der Front, so der oben zitierte Alois Maier. Diese Priester erlebten den Krieg als Angehörige des Militärs von Anfang an.7

Für die regulären Diözesanpriester wie Fridolin Mayer begann Ende August zunächst eine Zeit des Wartens. „Auf den Trubel der Mobilmachungstage folgte Ruhe“, notiert Josef Schofer in seinen Erinnerungen.8

Diese Ruhe führte aber keineswegs zur Untätigkeit. Gerade im Umfeld von Konvikt und Missionsinstitut hatten viele, vor allem junge Priester, ähnliche Gedanken wie Schofer: „Ich hatte nur einen Wunsch: Bald fort zu kommen und den Soldaten Seelsorger sein zu können.“9

Schnell zeichnete es sich ab, dass sich dieser Wunsch bald erfüllen würde. Da die Zahl der regulären Militärgeistlichen auf eine Pastoration in Friedenszeiten ausgelegt war, stellte sie sich für die Realität des Krieges als hoffnungslos zu klein heraus. Daher wurden freiwillige Feldgeistliche aus den Diözesen gesucht, was auf großen Zuspruch stieß: „Um zur dringlichen, von hoher Kirchenbehörde gewünschten Hebung der bisher mangelhaften Feldseelsorge nach Kräften mitzuwirken, hat der gehorsamst Unterzeichnete sich dem H. H. Armeebischof für die Dauer des Krieges zur Verfügung gestellt […].“10

Ende November – der Bewegungskrieg war mittlerweile zum Stellungskrieg erstarrt -, rückten etwa 20 Diözesanpriester, darunter Fridolin Mayer, zu den Divisionen des 14. AK ins Feld ein.

Die Ereignisse bis zu diesem Zeitpunkt sowie die Vorbereitungen dieser Geistlichen sind durch einen Bericht von Dr. Josef Schofer bezeugt, der in den kommenden Wochen in loser Folge zusammen mit kleineren Quellen publiziert wird. Ab dem 30. November erscheinen dann täglich Mayers größere Berichte aus seiner Tätigkeit in Frankreich.

 

  1. vgl. hierzu Roger Chickering: Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914-1918. Paderborn 2009.
  2. Josef Schofer: Ein Friedenswerk im Völkerringen. In: St. Konradsblatt Jg. 14 (1930), Nr. 7, S. 81–82, hier S. 81.
  3. Bericht des Divisionspfarrers Alois Maier vom 7. April 1916 in Karlsruhe, GLA 546 F 11 Nr. 370
  4. Vgl. Anm. 2
  5. Charlotte Herder: Mein Kriegstagebuch. Freiburg 1955, S. 15.
  6. Ebd., S. 18
  7. Vgl. zur Kriegsseelsorge Hans-Josef Wollasch: Militärseelsorge im Ersten Weltkrieg: das Kriegstagebuch des katholischen Feldgeistlichen Benedict Kreutz. Mainz 1987.
  8. Vgl. Anm. 2
  9. Vgl. Josef Schofer: Ein Friedenswerk im Völkerringen. In: St. Konradsblatt Jg. 14 (1930), Nr. 10, S. 126.
  10. Mayers Schreiben vom 23. Oktober 1914 an das Erzbischöfliche Ordinariat EAF B2-35/5, Vorgang 12075.

Quelle: http://tagebuch.hypotheses.org/489

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