nova curricula vitae – digitale Lebenslauftools für Geisteswissenschaftler

CV_TagcloudKreative Online-Bewerbungen als Website oder graphisch umgesetzte Lebensläufe sind für einige Berufsgruppen längst Gang und Gäbe. Die Betonung spezifischer, für das Arbeitsfeld wichtiger Fähigkeiten und die Entwicklung eines Lebensweges, der auf bestimmte Aufgabenbereiche hinläuft, lassen sich damit besser verdeutlichen, als mit einem tabellarischen Lebenslauf. Auch für Geisteswissenschaftler und Ausschreibungen im Kulturbetrieb werden solche Aspekte wichtiger. Deshalb habe ich mir verschiedene Lebenslauftools auf ihre Tauglichkeit für diese bestimmte Berufsgruppe und ihre Anforderungen angeschaut.

Warum Lebenslauftools für Wissenschaftler?

Ausschreibungen für klassische Wissenschaftlerstellen rufen noch immer meist nach schriftlichen Bewerbungen mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen. Doch die Zahl an Stellen in der wissenschaftlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in Fachredaktionen und Projekten mit Beziehung zum Online-Bereich wächst zusehends – und mit ihnen auch die Möglichkeit, sich digital zu bewerben. Auf das Anschreiben hat das kaum Auswirkungen. Nach wie vor gilt es hier, die Eignung für die entsprechenden Anforderungen darzulegen. Neben der wissenschaftlichen Laufbahn gehören dazu auch die Kenntnisse aktueller Diskussionen, Technologien und Gegebenheiten zum Thema Internet und Social Media. Mit etwas Texter-Talent lässt sich das zwar schönschreiben, die Fähigkeit, das PDF für eine E-Mail-Bewerbung entsprechend aufzubereiten, dürfte aber nicht als Beweis für ausreichende Erfahrungen ausreichen.

Für geisteswissenschaftliche Stellen gehen in den meisten Fällen 100 Bewerbungen und mehr ein. Damit kann auch nicht erwartet werden, dass sich jeder Personaler oder erst recht Wissenschaftler, der die richtigen Kandidaten aussuchen soll, sich schon in der Vorauswahldie Zeit nimmt, Online-Profile, Blogs oder Twitter-Accounts zu begutachten. Die meisten der Tools, die im Moment im Netz zur Verfügung stellen, bieten die Möglichkeit, die fertigen Lebensläufe als PDF zu exportieren. Damit lassen sich diese in die Bewerbung selbst anstelle eines tabellarischen curriculum vitae einbinden. Aufgrund der verschiedenen Formate und Schriftgrößen sollte dabei darauf geachtet werden, dass die A4-Hochformat-Version druckbar und gut lesbar ist. Einige Tools ermöglichen es auch, nur einzelne Teile zu exportieren. Der gesamte Lebenslauf kann dann für die tiefere Beschäftigung mit ausgewählten Bewerbern direkt verlinkt werden, ebenso wie online publizierte Fachartikel, ein Blog oder ein Profil auf academia.edu.

Die Tools

RESUMUP.COM: das englische Lebenslauf-Modul hat feste Vorgaben und ist optisch kaum wandelbar. Dazu gehören Name, Geschlecht und Geburtsdatum. Auch ein Foto, Kontaktinformationen und Webprofile können hinzugefügt werden. Für den Arbeitsbereich kann man nur aus bestimmten Vorgaben auswählen, Wissenschaft lässt sich nur bedingt abbilden. Der Sektor lässt aber händisch ausfüllen, sodass hier eventuell ein bisschen Kreativität gefragt ist. Gleiches gilt für Hobbies, die ebenfalls Platz finden. Das Tool bietet außerdem Platz für selbst eingetragene Sprachkenntnisse, Eigenschaften und Fähigkeiten, bei denen man seinen Expertise-Grad mit Sternen und Punkten zwischen 1 und 5 angeben kann. Damit lässt sich sehr schön auf die jeweilige Ausschreibung und die darin genannten Anforderungen eingehen. Ebenfalls angegeben werden können der höchste Abschluss, das gewünschte Gehalt und die Art des Jobs. Im Zentrum des Tools steht dann der Lebenslauf selbst, der als Timeline konzipiert ist. Dort kann man die Stationen von Ausbildung und Berufsleben auf den Monat genau eingeben, wobei die Ausbildung unterhalb und die Berufserfahrungen oberhalb der Timeline dargestellt werden. Als Daten lassen sich neben Ein- und Ausstieg die Firma oder Universität, der Schwerpunkt bzw. das Studienfach und der Ort angeben. Für Resumup.com braucht es ein wenig Zeit, um alle notwendigen Daten hinzuzufügen, das Ergebnis ist aber immer wieder anpass- und aktualisierbar. Zudem bekommt jeder fertige Lebenslauf einen eigenen Link, online ist er aber nur mit einem Log-In bei resumup selbst komplett abrufbar (hier mein resumup-CV). Eine PDF-Version würde ich deshalb empfehlen.

VIZUALIZE.ME ist ein flexibleres, ebenfalls englischsprachiges Tool mit vielen optischen Möglichkeiten. Wer wert darauf legt, seine Bewerbung ansprechend und einheitlich zu gestalten, kann hier auf viele Optionen zurückgreifen. Während der Lebenslauf von resumup recht quadratisch und die Timeline im Querformat gehalten ist, ist bei vizualize.me auch ein druckfreundliches Hochformat möglich. Auch dabei ist die Basis des curriculum vitae eine Timeline, die Ausbildung und Berufserfahren nebeneinander stellt und mit verschiedenen Farben arbeitet (selbst auswählbar), um z.B. Überschneidungen zu verdeutlichen. Unter der Timeline folgen Angaben zu Skills, die händisch eintragbar und mit Sternen zu bewerten sind. Es ist Platz für Interests, die zum Beispiels Forschungsschwerpunkte sein können, sowie für Sprachen, die auf einer Weltkarte visualisiert werden. Am Ende des Lebenslaufes ist schließlich Platz für Links zu anderen Profilen. Speziell für den Bereich Wissenschaft können zudem die Punkte Awards, also Auszeichnungen, Recommendations für Empfehlungen und vor allem Stats sein. Letztere ermöglichen es, Erfahrungsjahre in verschiedenen Bereichen oder bestimmte Projekte und z.B. die dafür eingeworbenen Gelder zu betonen. Vizualize.me hat außerdem ein Icon, dass man mit einem Link auf der eigenen Website einbauen kann. Leider ist die Export-Funktion noch in Vorbereitung, mit ein bisschen Geschick lässt sich dies aber über einen PDF-Creator umgehen. Hier könnt ihr euch meinen vizualize.me-Lebenslauf anschauen.

RESU-ME.ME ist ein Tool für noch Kreativere. Es macht aus einem LinkedIn-Lebenslauf automatisiert ein Video und eine Infografik. Vorgesehen ist es für die Standard englischen Lebensläufe, die deutschen, die man bei LinkedIn parallel anlegen kann, können nicht spezifisch ausgesucht werden. Zwar basiert resu-me auf den Vorgaben von LinkedIn, sodass Flexibilität in Aufbau, Gestaltung und inhaltlichen Aspekten nur bedingt möglich ist. Jedoch kann das Video mit zusätzlich hochgeladenen Fotos und Daten bearbeitet werden.

RE.VU dient vor allem dazu, die eigenen Social-Media-Aktivitäten (Blog, Facebook, Twitter, LinkedIn, Pinterest usw.) zusammenzubringen und gemeinsam verfolgen zu können. Spannend kann dies sein, wenn man schon einmal ein Forschungsprojekt entsprechend begleitet hat und dies zeigen möchte oder die Stelle spezifisch auf die Wissenschaftskommunikation online ausgerichtet ist. Da das eigene Profil auf re.vu sich stetig live aktualisiert, ist es für eine druckbare Bewerbung nur bedingt geeignet. Ein Link in der Bewerbung kann hier nützlicher sein.

Und wissenschaftsspezifische Arbeitsbereiche?

Für die optische Umsetzung eines wissenschaftlichen Lebenslaufes scheint mir vizualize.me im Moment am besten geeignet. Wie alle Tools hat es aber einen entscheidenden Nachteil: Vorträge auf Tagungen, Lehre, Fachpublikationen oder Projekte, bei denen Antragstellungen auf Fördergelder, Teamarbeit und Management eine Rolle gespielt haben, haben keinen Platz. Händisch eintragbare Aspekte zusätzlich zu Fähigkeiten, Interessen oder Sprachen bietet keines der Tools.

Hierfür gibt es die ein oder andere Option. Die erste wäre die deutschpsrachige Portfolio-Plattform TORIAL. Eigentlich für Journalisten gedacht, die hier ihre Artikel in einem eigenen Profil verlinken oder hochladen können, wäre dies durchaus eine Möglichkeit für Wissenschaftler, Fachbeiträge oder Vorträge gesammelt zu präsentieren. Torial hat jedoch kein direktes Lebenslauftool. Stattdessen kann man Daten zu den eigenen Erfahrungen im Profil angeben. Dort wäre dann z.B. der Platz für Hinweis auf Tagungen oder die Projektarbeit, ohne dass der Vortrag direkt ins Netz geladen werden muss. Auch ein Torial-Profil eignet sich allerdings nicht zum ausdrucken, die Möglichkeit des RSS-Abos ist für eine wissenschaftliche Bewerbung dagegen eher uninteressant.

The-500-Year-Evolution-of-the-ResumeEine individuelle, wenn auch zeitaufwendige Lösung kann die Nutzung von Infografik- anstatt Lebenlauftools wie VISUAL.LY sein, die vielseitig verwendbare Basis-Piktogramme und Charts bieten, die sich mit  eigenen Daten, Kategorien usw. befüllen lassen. Da die meisten dieser schönen und kreativ-vielfältigen Tools allerdings – entsprechend ihrer ursprünglichen Verwendung – auf Zahlen und statistischen Daten als Excel-Datei basieren, muss ein auf diese Weise visualisierter Lebenslauf sehr gut durchdacht und vorbereitet werden. Die Vielfalt der Charts macht es auf der anderen Seite sehr gut möglich, individuelle Entwicklungen als Timeline, Arbeitsschwerpunkte mit Piktogrammen und – mit viel Arbeit – auch Projektmanagement oder die Kernthesen der eigenen Arbeit graphisch abzubilden. Dieser Aufwand ist sicher nur für sehr wenige Jobs im Wissenschaftsbereich lohnend, kann aber gerade für die Schnittstellenarbeit zur Öffentlichkeit noch an Bedeutung gewinnen.

Eine letzte Möglichkeit, wissenschaftsspezifische Aufgabenbereiche mit einem Leebenslauf zu verbinden, ist schließlich academia.edu. Hier kann man einen Lebenslauf, zum Beispiel erstellt mit vizualize.me, in das eigene Profil hochladen. Zudem ist Platz für Fachkonferenzen und -publikationen, die nur genannt, verlinkt oder auch direkt hochgeladen werden können. Das Profil ist online jedem zugänglich. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, sich direkt mit anderen Wissenschaftlern aus ähnlichen Forschungsbereichen zu vernetzen und stets über deren Aktivitäten informiert zu bleiben. Auch academia.edu ist für den Einsatz in einer Bewerbung aber weniger geeignet, als für die Online-Präsentation des eigenen Profils.

Insgesamt weisen also alle Optionen, den eigenen Lebensweg mit allen für die Wissenschaft wichtigen Tätigkeitsbereichen darzustellen, noch Defizite auf. Es muss also bei der Bewerbung genau abgewägt werden, welche Aspekte in der Ausschreibung im Mittelpunkt stehen, ob es sich also lohnt, die Fähigkeit, solche Tools benutzen zu können, zu beweisen, wenn wissenschaftliche Tiefe dafür etwas verloren geht. Eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit – die dem Fachjournalismus immer ähnlicher wird – hat hier andere Anforderungen, als die Mitarbeit in einem Forschungsprojektes, auch wenn diese eng mit dem Arbeitsfeld Kommunikation verbunden ist. Schon seit einiger Zeit nimmt die Bedeutung von Erfahrungen in der Online-Kommunikation und im Umgang mit Social Media aber deutlich zu, sodass zumindest die Verlinkung ein re.vu-Profil, das nicht viel Arbeit braucht, wahrscheinlich nicht schaden kann.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1211

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Nachlese DHd 2014: Wissenschaftliche Sammlungen

Session 3 der DARIAH-DE Pre-Conference in Passau fand am Mittwoch dem 26. März statt und behandelte das Thema Wissenschaftliche Sammlungen. Dr. Thomas Stäcker, Stellvertretender Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, erläuterte definitorische sowie technische Voraussetzungen wissenschaftlicher Sammlungen und berichtete von aktuellen Perspektiven und Herausforderungen im Umgang mit Forschungsdaten.

Einleitend wurden als grundlegende Aufgabenbereiche der Aufbau von wissenschaftlichen Sammlungen, wie auch die Nutzung und Integration bereits existierender Sammlungen genannt (als dritter Aufgabenbereich ist hier auch die Lizenzierung von Inhalten anzuführen, die jedoch eine dementsprechend eigene Materie darstellt). Demnach gehört es zum Aufbau wissenschaftlicher Sammlungen, technische Interoperabilität und Schnittstellen zu gewährleisten, Daten- und Metadatenstandards umzusetzen, sowie kontrollierte Vokabulare und Normdaten bereitzustellen. Darüber hinaus bietet es sich an, die im Rahmen von DARIAH-DE entwickelte Collection Registry mit Informationen über derart aufbereitete wissenschaftliche Sammlungen zu füllen und damit einer föderierten Suche zugänglich zu machen.

Für alle diese Vorgänge werden jedoch auch Kriterien benötigt, anhand derer wissenschaftliche Sammlungen begutachtet werden können. Eine Frage nach solchen Kriterien mündet schließlich auch in die Frage nach einer grundsätzlichen Definition des Sammlungsbegriffs. Als Diskussionsgrundlage präsentiert Stäcker eine Definition der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die eine wissenschaftliche Sammlung als “Gesamtheit von Objekten, die einen kulturellen und/oder wissenschaftlichen Wert aufweist und nach bestimmten thematischen Schwerpunkten zusammengestellt ist”, beschreibt [1]. Hier wird bereits klar, dass Ordnungsprinzipien als konstitutive Merkmale wissenschaftlicher Sammlungen zu sehen sind, kurz gesagt, dass eine Ansammlung noch keine Sammlung darstellt. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass dabei eine phänomenologische und epistemologische Ebene zum Tragen kommt, die dafür verantwortlich ist, wann eine Sammlung denn als solche zu erkennen ist – ein umfassender Zugang, der hier jedoch als Arbeitshypothese im Raum stehen bleiben muss.

Eine weitere definitorische Herausforderung bietet der Begriff der Forschungsdaten, der eine grundlegende Voraussetzung für groß angelegte digitale Forschungsumgebungen darstellt. Für den Begriff der Forschungsdaten kann von zwei Polen, nämlich einem daten- und dokumentzentrierten Zugang ausgegangen werden, wobei ersterer die Daten in einer quantitativen, diskreten Form (z.B. Datenbanken, Listen) und zweiterer eine qualitative, kontinuierliche Form (z.B. Annotationen, Notizen) beschreibt. Stäcker ortet hier ein fehlendes Selbstverständnis bei Geisteswissenschaftlern, die eigene Arbeitsergebnisse nicht als “Daten” einschätzen und schließt mit der allgemeinen Frage an, ob und wann denn Quellen und Dokumente als Daten zu betrachten sind.

Ausgehend von dieser Fragestellung wurde im Anschluss an den Vortrag festgestellt, dass eine Form von Prozessierbarkeit für den Status als Datum ausschlaggebend ist. Wie genau diese Prozessierbarkeit jedoch gestaltet sein soll, darüber müsste weiter diskutiert werden – so stand beispielsweise die Frage im Raum, wie große Bestände von Bilddigitalisaten im Hinblick auf ihre zukünftig zu erwartende maschinelle Verarbeitung einzuschätzen sind. In einem breiteren Kontext stellt sich dabei nicht nur die Frage nach der Verarbeitung mit Hilfe technischer Werkzeuge, sondern auch nach den Zugangsmöglichkeiten zu solchen Beständen und Workflows, die immer noch weitgehend im Rahmen restriktiver Verwertungsrechte aushandelt werden. Hier lautet der Befund: Bestände, deren enduser nicht ohne Weiteres zum endmaker werden können, sind nicht als datenfähig anzusehen.

Schließlich wurden Ergebnisse des SUDAMIH Reports (Supporting Data Management Infrastructure for the Humanities) [2] vorgestellt und damit wesentliche Punkte im Umgang mit geisteswissenschaftlichen Forschungsdaten identifiziert – wie zum Beispiel die Feststellung, dass solche Datenbestände im Gegensatz zu ihren naturwissenschaftlichen Pendants eine längere Halbwertszeit aufweisen, ja oft sogar einen body of research darstellen, der das ganze Leben eines Forschers umfasst und auf den langfristig Bezug genommen werden soll. Neben solchen (teilweise stark) unterschiedlichen Organisationsprinzipien, ist auch zum Ausdruck gekommen, dass es in den Geisteswissenschaften eine gewisse Zurückhaltung gibt, Zwischenergebnisse oder Daten, die durch ihre beiliegende Interpretation erst vollständig erscheinen, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Hier sind gegebenenfalls Möglichkeiten der anonymen Veröffentlichung anzudenken – ein weiterer Punkt, der noch zu diskutieren wäre.

Abschließend und aufbauend auf den vorangegangenen Fragestellungen gelangt Stäcker schließlich zu den folgenden Perspektiven im Aufbau wissenschaftlicher Sammlungen: Es gilt, nicht nur neue Forschungsdaten und Arbeitsumgebungen zu erstellen, sondern auch eine niederschwellige Verzeichnung von Daten und Sammlungen und eine sichere Aufbewahrung in Langzeit-Repositories sicherzustellen. Darüber hinaus sollte ein direkter Zugriff auf Sammlungseinheiten anhand ihrer Metadaten möglich sein – eine Eigenschaft, für deren Bereitstellung insbesondere auf Techniken des Semantic Web gesetzt wird. Mein persönliches Fazit der Session: Die Frage nach dem Begriff der wissenschaftlichen Sammlung ist eng verbunden mit ihren vor- und nachgelagerten Arbeitsprozessen – sowohl aus der Perspektive individueller Workflows einzelner Forscher, als auch im Hinblick auf eine darüber liegende (wissenschafts-)politische Ebene. Es handelt sich um einen stark vernetzten Themenbereich, der auch Fragen aufwirft, die aktuell nicht eindeutig zu beantworten sind.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungssammlung

[2] http://sudamih.oucs.ox.ac.uk/docs/Sudamih_FinalReport_v1.0.pdf

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3297

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CfA: Jahresthema 2014/15 “Das befreite Paris und die Künste” (Bewerbungsschluss: 30.04.2014)

Das Deutsche Forum für Kunstgeschichte (DFK) widmet sein Jahrthema 2014/15 den Künsten in Paris nach der Befreiung von der deutschen Besatzung im August 1944. Bei aller Kontinuität künstlerischer Entwicklungen bedeutete das Ende der Besatzung und des Vichy-Regimes einen Moment des Aufbruchs. Die Stadt erblühte zu neuem kulturellem Leben. Die Künste, denen eine zentrale Rolle im Selbstverständnis des nun freien Paris zufiel, waren in einem hohen Maße in die intellektuellen und politischen Diskussionen der Zeit eingebunden. Die Pariser Kunst, Malerei, Bildhauerei, Photographie, aber auch Film, Mode, Design, entwickelte nach 1944 neue Formen. War die Stadt bereits seit langem die bedeutendste Kulturmetropole Europas und Anziehungspunkt für KünstlerInnen unterschiedlichster Länder gewesen, so wurde es nun Zentrum eines Netzes, das über die Grenzen Europas und des westlichen Kulturkreises hinausging. Das künstlerische Leben der französischen Hauptstadt besaß eine große Ausstrahlungskraft, erfuhr aber auch wichtige Impulse von außerhalb.

Nachdem die Kunstgeschichte über längere Zeit kein ausgeprägtes Interesse an der Epoche gezeigt hatte, richtet sich ihre Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf das Kunstschaffen der Jahre nach 1944, nun aber unter einer veränderten Perspektive. Nicht so sehr das Ende der École de Paris und der Moderne wird beschrieben oder die Verdrängung von Paris durch New York als Kulturhauptstadt der westlichen Welt, vielmehr geraten die Kontinuitäten zu den in der Nachmoderne entwickelten neuen Kunstformen in den Blick. Auch werden in einem stärkeren Maße die Beziehungen von Paris mit anderen Kunstlandschaften herausgearbeitet. Zudem hat sich das Blickfeld erweitert, wenn neben den Künsten und deren Vernetzung untereinander Institutionen wie Museen und Ausstellungshäuser, der Kunsthandel, die Künstlerausbildung und besonders die Rolle der verschiedenen künstlerischen wie populären Medien in die Betrachtung einbezogen werden. Und schließlich führen ethnologische und anthropologische Fragestellungen ebenso wie Genderaspekte und eine globale und postkoloniale Perspektive zu einer Neuorientierung der Forschung.

Zu dem Jahresthema vergibt das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris zum 1. September 2014 mehrere Forschungsstipendien (Dauer: 12 Monate). Interessenten mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium der Kunstgeschichte oder anderer fachnaher Disziplinen (M.A. und/bzw. Dr. phil.), die zum ausgeschriebenen Thema forschen, sind eingeladen, sich mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, ggf. Publikationsliste, Empfehlungsschreiben der betreuenden Dozenten) sowie einer Projektskizze (max. 3 Seiten, dazu Zeitplan und Literaturverzeichnis) bis zum 30. April 2014 zu bewerben. Das Deutsche Forum für Kunstgeschichte nimmt überdies gern auch Bewerbungen entgegen, die außerhalb des Jahresthemas liegen und mit den weiteren Forschungsschwerpunkten des Instituts korrespondieren. Konferenzsprachen sind deutsch, französisch und englisch. Kenntnisse der deutschen und französischen Sprache werden vorausgesetzt.
Das Jahresthema wird geleitet von Thomas Kirchner (Deutsches Forum für Kunstgeschichte) und Laurence Bertrand Dorléac (Sciences Po.).

Bitte senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen in elektronischer Form in einem Dokument (nicht größer als 10 MB) an: stipendien@dt-forum.org.

Weitere Informationen

Quelle: http://gab.hypotheses.org/1159

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Erfahrungsbericht: „Was mich selbst und meine Geschichte betrifft…“

Vor einigen Wochen habe ich ein interessantes Telefonat mit einer Frau geführt, die mir von ihren Erfahrungen berichtete, nachdem Sie von diesem Forschungsprojekt erfahren hat. Eine der Forschungshypothesen ist die Frage, welche psychischen Wirkungen der Zweite Weltkrieg für die heutigen Generationen noch haben kann. Natürlich kann man im Nachhinein vieles erklären und ein solcher Einzelfall kann nur helfen Forschungshypothesen zu generieren, die überprüft werden müssen. Weil auf viele dieser Fragen Antworten fehlen, ist es ja so dringend nötig Forschung zu diesem Thema zu betreiben, eben um zu sehen, ob die Ursachen tatsächlich in der Kindheit zu finden sind. Vielleicht lässt es sich auch gar nicht nachweisen? Doch die Geschichte, die mir diese Frau später mit einer Email schickte und viele andere Erfahrungsberichte deuten darauf hin, dass es transgenerationelle Effekte gibt und dass sie ein interessantes Forschungsthema sein können.

Die folgende Email wurde anonymisiert und stilistisch korrigiert. Inhaltlich ist die Email nicht bearbeitet worden.

„Ich habe nicht nur das sogenannte „Kriegsenkelsyndrom“ diagnostiziert bekommen, sondern auch einige andere gravierende Erkrankungen im psychischen und körperlichen Bereich, die mich vor einigen Jahren dazu brachten, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Inzwischen kann ich einigermaßen bei meinen Diagnosen Zusammenhänge mit den Erkrankungen meiner Vorfahren herstellen. Das Kriegsenkelsyndrom ist bei mir auf die Erlebnisse meines Großvaters (geboren um 1910) zurückzuverfolgen, der unter anderem in russischer Kriegsgefangenschaft war. Diese Erlebnisse versuchte er mit Alkoholmissbrauch und Gewalt zu kompensieren, was für meinen Vater (geboren um 1940) bedeutete, dass er immer wieder massiv Prügel, auch mit Gegenständen, bekam. Diese Gewalterfahrung gab mein Vater dann eins zu eins an mich (geboren um 1970) weiter. Ich habe vor vielen Jahren lernen müssen, dass ich einen sehr hohen Risikofaktor für Suchterkrankungen (speziell Alkohol) habe. So habe ich mich vor über 15 Jahren bewusst entschieden keinen Alkohol mehr anzurühren, da ich nicht in diesen Teufelskreis von Alkohol und Gewalt geraten wollte. Es steht auch in Frage, ob mir der väterliche Zweig mein ADHS adult vererbt hat. Meine psychische Labilität kann ich auf einen anderen Familienzweig zurückverfolgen, da dort ich dort vermehrt Vorfahren gefunden habe, die mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten. Ich selbst habe im Alter von 10 Jahren mit Psychotherapien angefangen, die nie wirklich etwas brachten, auch weil mein Vater an diesen niemals teilnahm. Aktuell bin ich seit 5 Jahren in intensiver Dauertherapie, die wohl nie beendet werden darf. Ich habe gerade diese Woche wieder festgestellt, dass die ganzen Themen wie tradierende Erkrankungen nicht ernst genommen werden oder auch frühere Erfahrungen oft totgeschwiegen werden und, wie bei mir, durch charakterliche Verhaltensweisen von anderen Familienmitgliedern negativ de-kompensiert werden.”

Ergänzend muss ich sagen, dass es denn Begriff „Kriegsenkelsyndrom“ nicht in der offiziellen psychotherapeutischen Diagnostik gibt. Er ist mehr ein Arbeitsbegriff, um die Zusammenhänge von Geschichte und Psyche zu erfassen. Die Email stammt nicht von einer Teilnehmerin der damaligen Nachkriegskinder-Studie. Trotzdem glaube ich, dass es eine mögliche Perspektive auf diese Generation darstellt und zur Diskussion anregen kann.

Quelle: http://zakunibonn.hypotheses.org/588

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Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Andreas Wirsching – Sicherheit durch die europäischen Mächte

Die internationale Konferenz, die gemeinsam vom Institut für Zeitgeschichte und der Max Weber Stiftung vom 14. bis zum 16. November 2013 in München veranstaltet wurde, beschränkte sich nicht auf gewohnte eurozentrische Perspektiven und traditionelle Narrative, etwa vom Zäsurcharakter des Krieges, sondern diskutierte die Auflösung, Neuformierung und Kontinuität von Ordnungen innerhalb und besonders auch außerhalb Europas. Politische, soziokulturelle, ökonomische und rechtliche Ordnungen auf internationaler und nationaler Ebene wurden dabei ebenso thematisiert wie ideologische Ordnungssysteme und neue Wissensordnungen.

Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Andreas Wirsching – Sicherheit durch die europäischen Mächte from maxweberstiftung on Vimeo.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1505

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Das digitale Schulbuch – eine Verknüpfung aller Vorzüge?

[Autorin: Janina Burgmer | Studierende | Universität Duisburg-Essen]

Der Frage nach dem idealen Schulgeschichtsbuch gingen schon zahlreiche Fachleute nach. Der Historiker Jörn Rüsen beispielsweise stellte schon 1992 eine Vielzahl von Kriterien für ein gutes Schulbuch auf. So sollte es etwa formal klar aufgebaut und didaktisch strukturiert sein sowie die Multiperspektivität und historische Urteilsbildung der SuS fördern.

Ob die heutigen Schulgeschichtsbücher diese Kriterien erfüllen, ist fraglich. Doch was müsste man ändern, um dem Ideal eines Schulgeschichtsbuches näher zu kommen? Ließe sich ein „ideales Schulgeschichtsbuch“ mit Hilfe digitaler Werkzeuge besser entwickeln? Wäre ein multimediales Geschichtsbuch ein Mehrwert für historisches Lernen und Lehren? Diesen Fragen haben wir uns im didaktischen Hauptseminar „Leitmedium 2.0? Das Schulgeschichtsbuch zu Beginn des “digitalen” 21. Jahrhunderts“ an der Universität Duisburg-Essen gestellt und am Beispiel des Themas „Kalter Krieg“ digitale Schulbuchseiten erstellt. Relevant war hier vor allem, die Vorzüge der aktuellen Schulbücher zu beachten und die zusätzlichen technischen Möglichkeiten didaktisch sinnvoll zu nutzen, also nicht lediglich eine Digitalisierung bereits vorhandener Schulbücher zu erzeugen.

Mein Vorschlag einer digitalen Schulbuchseite widmet sich dem Unterkapitel „Die Auflösung des Ostblocks – Das Scheitern der Sowjetunion“. Über eine Startseite zum Thema „Kalter Krieg“, die einen ähnlichen Aufbau aufweist wie das Inhaltsverzeichnis eines normalen Schulbuches, gelangt man mit Hilfe von Links zu den Unterkapiteln. Der Vorteil der Übersichtlichkeit eines gedruckten Schulbuches wird somit aufgegriffen. Während die Möglichkeit, Themen und Materialien miteinander zu verknüpfen grundsätzlich einen Vorzug gegenüber herkömmlichen Schulbüchern darstellt, wirken zu viele Hyperlinks jedoch eher unübersichtlich und können schnell in einen Zustand des „Lost in Hyperspace“ führen. Um also eine Desorientierung der SuS aufgrund zu vieler Hyperlinks innerhalb des digitalen Schulbuches zu vermeiden, werden Hyperlinks zwar genutzt, aber auf zu komplexe Verknüpfungen verzichtet und ein einheitlicher Aufbau der Seiten als Orientierungshilfe geschaffen. Außerdem gibt es einen „Zurück-Button“, durch den die vorherige Seite aufgerufen werden kann.

Die Struktur der sich öffnenden Seiten ist für jedes Unterkapitel identisch. Mittig befindet sich ein Textblock, welcher den größten Platz des Bildschirms einnimmt und in dem ein kurzer lexikonartiger Überblick über das Unterthema gegeben wird. Dieser Überblick ist nicht mit einem Darstellungstext gleichzusetzen und soll keine wichtigen und wertenden Informationen vorweg nehmen. Er soll lediglich der „Benennung des Themas“ und zur Motivation der SuS dienen. Fährt man mit der Maus (oder dem Finger) über relevante Begriffe wie „Gorbatschow“ oder „Afghanistan“, erscheint beispielsweise ein Foto Gorbatschows oder eine Karte Süd- und Zentralasiens, um kurze Hintergrundinformationen zu den Begriffen zu vermitteln, die später zu einem besseren Verständnis führen können.

Es wird bewusst darauf verzichtet, die Titelseite des Unterthemas mit einem Darstellungstext beginnen zu lassen und diesen mit anderen Materialien lediglich zu erweitern. Der leider zumeist praktizierte Themeneinstieg mit Hilfe eines Darstellungstextes, der häufig eigene Ideen, kritische Ansätze und Fragestellungen vorweg nimmt und bei den meisten SuS zu einer reinen Wissensansammlung führt, soll hier verhindert werden und der Lehrperson die Möglichkeit gegeben werden, sich das geeignete Medium zum Einstieg in die verschiedenen Vertiefungsbereiche selbst auszusuchen.

Im unteren Bereich des Displays befindet sich permanent ein Zeitstrahl, auf dem wichtige Daten zu dem Unterkapitel, welche später als Vertiefungen behandelt werden können, eingezeichnet sind. Mit Klick auf diesen Zeitstrahl gelangt man immer zurück zu der Titelseite des Unterthemas, in diesem Fall „Die Auflösung des Ostblocks – Das Scheitern der Sowjetunion“.

Rechts neben dem Textfenster befinden sich zwei Icons, welche als Links fungieren. Während der untere Link zu einem Glossar führt, in dem alle wichtigen Begriffe aufgeführt sind und bei Bedarf von jeder Seite aus eingesehen werden kann, führt der obere Link zu den einzelnen Vertiefungen des Unterthemas. Fährt man mit der Maus (oder dem Finger) über das Feld „Vertiefungen“, erscheinen die einzelnen Themen aufgelistet. Durch Anklicken eines Themas öffnet sich eine neue Maske. Der Aufbau der neuen Seite ist gleich dem der Titelseite. So wird in dem Textfenster der Vertiefungsbereich mit Hilfe wichtiger Punkte kurz benannt, ohne weiter auf das Thema einzugehen. Zum Thema „Probleme der Sowjetunion“ können beispielsweise die problematischen Punkte stichwortartig aufgezählt werden. Diese sind mit einer Linkstruktur versehen, so dass sich durch Klicken ein Fenster mit mehreren Icons auf der freien rechten Seite öffnet unter welchen die Materialien abgelegt sind. Ist es bei einzelnen Themen nur schwer möglich, den Text wie eben beschrieben mit Links zu versehen, kann das Display auf der rechten Seite auch direkt mit einem Button „Materialien“ versehen werden. Nun kann der Lehrer wählen zwischen einem kurzen Informationstext zu dem Begriff, einem Darstellungstext, Graphiken und Diagrammen, Audiodateien und Videos, Bildern und Fotos sowie schriftlichen Quellen. Die dazu vorhandenen Materialien werden unten im Textfenster durch einen Klick auf das entsprechende Icon aufgeführt und können anschließend ausgewählt werden. Benötigen die SuS eine Erinnerung zum Arbeiten mit den verschiedenen Medien, können sie einen Link unten im Textfenster anwählen, der Hilfestellungen bietet. Ist ein Medium zu einem Thema nicht vorhanden, wird das entsprechende Icon nicht mit aufgeführt. Durch die Quantität an Materialien sind abwechslungsreiche Arbeitsmöglichkeiten gewährleistet und die arbeitstechnischen Kompetenzen der SuS werden geschult. Der Vorteil des digitalen Schulbuches, eine Vielzahl verschiedener Materialien inklusive Audio- und Videodateien anbieten zu können, kann so ideal genutzt werden. Für die verschiedenen Medien könnten zusätzliche Werkzeuge wie ein Textmarker oder Positionierungshelfer (Kreis, Zielscheibe, Pfeile etc.) zum Markieren relevanter Ausschnitte eines Bildes angeboten werden. Durch das Beibehalten der Layoutstruktur und der Navigationssteuerung, welche Hilfsmaterialien auf der aktuell betrachteten Maske einbindet, kann eine Unübersichtlichkeit vermieden werden. Die Icons „Vertiefungen“ und „Glossar“, die bereits auf der Titelseite des Unterthemas aufgeführt wurde, sind auch in dieser Maske vorhanden. So kann sofort von der aktuellen Maske aus eine andere Vertiefung gewählt werden. Auch von dieser Maske aus kann über die Zeitleiste wie bereits erwähnt zur Titelseite zurückgekehrt werden. Ein weiterer neuer Button ist der Link für die „Aufgaben“. Hier finden sich Aufgabenblätter für die jeweilige Vertiefung, die sowohl direkt auf dem Display bearbeitet als auch ausgedruckt werden können.

Dieser Entwurf des multimedialen Schulgeschichtsbuches vereinbart die Vorzüge des gedruckten Schulbuches und die erweiterten technischen Möglichkeiten einer Digitalisierung. Er schafft eine klare und sich wiederholende formale Struktur und bietet eine Vielzahl an Materialien an, so dass er das historische Lernen und Lehren bestmöglich unterstützt.

Quelle: http://zwopktnull.hypotheses.org/164

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Ausstellung KRIEG UND LICHT im LVR-Freilichtmuseum Lindlar eröffnet

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Im LVR-Freilichtmuseum Lindlar ist vom 28.03. – 14.12.2014 die Ausstellung KRIEG UND LICHT – Zur Dynamik der ländlichen Elektrifizierung um 1914 – zu sehen.

Der ländlich Alltag erfuhr vor 100 Jahren einschneidende Veränderungen: Elektrisches Licht erhellte die Stuben, der Elektromotor brachte Arbeitserleichterung und Produktivitätssteigerung. Wesentliche Impulse erhielt die ländliche Elektrifizierung durch den Ersten Weltkrieg. Doch die Veränderung des Landschaftsbildes weckte bereits vor dem Krieg Kritik – vergleichbar mit Diskussionen, die heute die Windenergie auslöst.

2013 wird die 1913 im Bergischen Heimatstil errichtete Umspannstation aus Herweg in das Gelände des LVR-Freilichtmuseums Lindlar versetzt. Die Ausstellung dokumentiert anschaulich die als Fortschritt propagierten massiven Eingriffe in die Landschaft, aber auch Versuche, moderne Technik und Tradition zu versöhnen.

Weitere Informationen 

Ausstellungsflyer zum Herunterladen: Ausstellung_Krieg_und_Licht

Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/1157

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22. Flache Geschichte

Das missbrauchte Früherautobahn

Es gilt von einem Missbrauch zu berichten: Ein Missbrauch, der schon oft beklagt und in zahlreichen Fällen verübt wurde, dessen Alltäglichkeit eigentlich bekannt sein müsste, der sich aber trotzdem beständig wiederholt. Es geht um den Missbrauch an der Vergangenheit für unlautere Zwecke der Gegenwart.

Der Umgang mit der Vergangenheit bietet an sich zahlreiche Möglichkeiten. Leider werden eher wenige davon genutzt. Man könnte die Vergangenheit intensiv und in allen Details untersuchen, man könnte versuchen, mit Hilfe des Gestern ein besseres Heute zu basteln, und manche könnten sogar versucht sein, aus der Vergangenheit etwas zu lernen. Gerade in öffentlichen Schnellschussdebatten, im alltäglichen Gebrauch sowie in standardisierten Geschichtsvermittlungsverfahren herrscht jedoch nicht selten ein anderer Umgang mit der Vergangenheit vor: Man will dort nur bestätigt finden, was man ohnehin schon weiß.

Man muss es sich ja nicht kompliziert machen, wenn man es auch einfach haben kann. Aber wie einfach darf man es sich machen? Wie einfach darf man es sich insbesondere im Umgang mit denjenigen machen, die sich nicht mehr wehren können, weil sie bereits unter der Erde liegen? Und was helfen uns solche Vereinfachungen hier und heute?

Der bequeme Weg ins Gestern

Nehmen wir zur Verdeutlichung ein offensichtliches Beispiel. Die Einteilung in Geschichtsepochen ist eine etablierte und im europäischen Kontext schon seit mehreren Jahrhunderten geübte Praxis, die insbesondere zur Orientierung im historischen Durcheinander hilfreich sein mag, zugleich aber ihre unübersehbaren Schwierigkeiten hat. Diese Schwierigkeiten wurden schon weidlich diskutiert. Denn die Unterteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit (mitsamt allen Substrukturen) teilt das Schicksal aller Formen des Überblicks: Man erhält eine Übersicht über Vieles, muss dabei aber zwangsläufig vieles übersehen.

An dieser Stelle müssen nicht die vielfach geführten Debatten über das Pro und Contra von Epocheneinteilungen nacherzählt werden. Im Falle von übermäßiger Vereinfachung des Gewesenen wird man aber immer auf folgende paradoxe Situation stoßen: Dass Epocheneinteilungen die rückwärtsgewandten Konstrukte der Nachgeborenen sind, versteht sich von selbst. Die Menschen des Mittelalters hatten keine Ahnung davon, dass sie im „Mittelalter“ lebten. Fatal wird diese diskursive Anordnung jedoch dann, wenn die gleichen Nachgeborenen selbstverständlich annehmen, dass sich diese Menschen nun entsprechend des Konstrukts „Mittelalter“ zu benehmen hätten beziehungsweise sich wundern, wenn sie genau das nicht tun! Wenn das stark vereinfachte Abbild einer historischen Rückschau an die Stelle der Komplexität tatsächlicher Verhältnisse gesetzt wird – spätestens dann muss die geschichtswissenschaftliche Staatsanwaltschaft einschreiten und Anklage im Fall von übergroßer Simplifizierung erheben.

Je weiter vergangene Zeiten chronologisch von unserem eigenen Hier und Jetzt entfernt sind, umso schneller sind wir bereit, diese vergangenen Zeiten vergröbernd darzustellen. Auch das lässt sich ganz leicht belegen, wenn wir aktuelle Vorschläge für epochale Einschnitte in der westlich-europäischen Geschichte näher betrachten: Aufgrund von 9/11 ist 2001 der bisher letzte Vorschlag, 1989 ist ebenso ein offensichtlicher Kandidat, davor kann man 1972 (Ölkrise, Bericht des Club of Rome) oder 1968 als mögliche Kandidaten ausmachen, davor tummeln sich 1945 und 1914. Allein im (verlängerten) 20. Jahrhundert also sechs mögliche Epochenumbrüche. Davor muss man bereits ins Jahr 1789 springen, um einen nächsten epochalen Orientierungspunkt auszumachen, dann sind es wieder drei Jahrhunderte bis etwa 1500, dann gibt es einen Riesensprung bis etwa 500 – und danach verliert sich das Ganze in den Untiefen der Geschichte. Kompliziert ist also immer nur da, wo wir selbst sind. Davor wird es einfacher – zu einfach! Und wenn die Konstrukte, die wir fabrizieren, so übermächtig werden, dass sie den Blick auf die Vergangenheit nicht erhellen, sondern ihn verstellen, dann kann man nur sagen: Schafft die Epochen ab! Dann brauchen wir einen anderen, angemesseneren Blick auf vergangene Zeiten.

Was solcherart produziert wird, ist eine flache Geschichte, die keine Winkel und Kanten hat, keinen Widerstand bietet, sondern problemlos unseren Erwartungen unterworfen wird. Geschichte wird zweidimensional. Das ist in etwa so, als würden wir die Vielfalt einer Landschaft mit der Landkarte verwechseln, die wir von ihr angefertigt haben. Flache Geschichte ist die bequeme Möglichkeit, sich von all den Kompliziertheiten und Komplexitäten zu verabschieden, die eine intensive (und damit auch zeit- und arbeitsaufwändige) Beschäftigung mit der Vergangenheit mit sich bringt. Flache Geschichte ist die gut ausgebaute Autobahn zur historischen Erkenntnis. Aber wieviel Ignoranz verträgt die Vergangenheit, bevor sie zur Parodie verkommt?

Eine Ethik der Geschichtsschreibung

Der Ruf der akademischen Geschichtsschreibung mag nicht immer der beste sein, und dafür gibt es auch den einen oder anderen Grund: schlechter Stil, zum Beispiel, oder übergroße Spezialisierung. Aber die akademische Geschichtsschreibung übernimmt die wichtige, wenn auch nicht immer dankbare Aufgabe des Verkomplizierers, um der allenthalben vorhandenen Komplexitätsreduktion entgegenzuwirken. Und zumindest in dieser Rolle ist sie unverzichtbar. Sie muss uns vor Augen halten, dass die Dinge nicht so schlicht gestrickt sind, wie wir sie uns zuweilen machen.

Es geht also um nicht mehr und nicht weniger als um die Eindämmung der Arroganz der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit. Wir müssen ihm begegnen, diesem hochnäsigen, modernisierungstheoretisch unterfütterten Auftritt eines Hier und Jetzt, das meint, den Höhepunkt menschlicher Entwicklungsfähigkeit erreicht zu  haben und vom hohen Ross auf dieses ominöse „Früher“ herabblicken zu können, um mit einem teils bedauernden, teils süffisanten Seufzer zu konstatieren: Die waren eben noch nicht so weit wir.

Wir brauchen daher nichts weniger als eine Ethik der Geschichtsschreibung. Es geht um die Mahnung an eine hinreichende Komplexität historischer Darstellungen. Vollständigkeit kann dabei gar nicht das Ziel sein, aber eine Form der Behandlung des Gestern, die dem Vergangenen gerecht wird, sollte schon geboten sein. Man kann das in eine einfache geschichtsethische Testfrage gießen: Wollen wir so von der Zukunft behandelt werden, wie wir gerade selbst die Vergangenheit behandeln?

Stellen wir die Vergangenheit als nicht vereinfachter dar, als wir unsere eigene Gegenwart dargestellt  wissen wollen. Denn ist das nicht das Schöne am Umgang mit der Vergangenheit: dass es am Ende immer komplizierter, verwickelter, bunter und damit auch erkenntnisreicher ist, als man sich das im Vorhinein ausgemalt hat?


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Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2014/04/02/22-flache-geschichte/

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Marcus Schinnagel, ein Astrologe in der Zeit Maximilians I., Schöpfer des astronomisch-astrologischen Kompendiums aus Petershausen

Es war ein großes Glück, dass bei dem Verkauf der Sammlungen der Markgrafen und Großherzöge von Baden 1995 das Land Baden-Württemberg sich das 1489 datierte astronomisch-astrologische Kompendium des Marcus Schinnagel (GND) sichern konnte.1 Das eindrucksvolle, nahezu einzigartige Stück war als Säkularisationsgut aus dem Kloster Petershausen bei Konstanz in das Eigentum der ehemaligen Herrscherfamilie gelangt.

Der Astronomie-Historiker Richard L. Kremer vom Dartmouth-College hat das außergewöhnliche Polyptikon 2012 gewürdigt und auch die spärliche Forschung zur Person seines Schöpfers zusammengefasst.2 Ich konnte jetzt zu Schinnagel neue Lebenszeugnisse auffinden: zu seinen Pfarrstellen in Landsberg am Lech (nur diese war bisher bekannt) und in Sulzberg (Allgäu) und einen Brief an Herzog René II. von Lothringen.

Francis B. Brévart beginnt seinen Artikel über Schinnagel im Verfasserlexikon 19923 mit einer Fehlinformation. Denn das Geburtsdatum 1464, errechnet aus der Handschrift 10534 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien4 ist hinfällig, wenn der 1519/20 datierte Codex mit Krakauer Vorlesungen 1483/86 (so Ernst Zinner) gar nichts mit Schinnagel zu tun hat. Kremer führt eine Arbeit von Monika Maruska über Johannes Schöner 2008 an, die keine Spur einer Schinnagel-Provenienz entdeckt habe, ein Ergebnis, das er durch Autopsie der Handschrift bestätigen konnte.5 Die Angabe des Verfasserlexikons, Schinnagel sei bald nach 1520 gestorben, stützt sich auf Zinners Zuweisung von Einträgen von 1519/20 in der Wiener Handschrift an Schinnagel und muss daher ebenfalls wegfallen.

Wahrscheinlich darf man Schinnagel, der aus der oberungarischen Handelsmetropole Kaschau stammte (nicht aus dem böhmischen Koschow, wie das Verfasserlexikon will), mit einem 1466 in Krakau immatrikulierten Marcus Nicolai de Cassowia identifizieren, der 1469 Baccalaureus wurde und 1469/70 mehrfach in Krakauer Universitätsunterlagen belegt ist.6 Er hatte 1470 ein Buch De uita Antichristi et xv signis entliehen, was gut zu dem späteren Astrologen passen würde. Nach dem Immatrikulationsdatum dürfte er um 1450 geboren worden sein.

Heidrun Franz, deren 2012 abgeschlossene Erlanger kunsthistorische Dissertation “Das Polyptychon des Marcus Schinnagel. Ein astronomisch-astrologisches Kompendium aus der Zeit des Renaissance-Humanismus” mir nicht zugänglich war, wird von Kremer mit der Hypothese zitiert, Marcus sei der Sohn des 1430 in Wien immatrikulierten Nicolaus Schynagel de Waidlinga gewesen. Dieser habe sich von Waiblingen bei Stuttgart nach Wien begeben und von da nach Kaschau, wo andere Personen des Namens lebten. Schon die Gleichsetzung von Waidlinga mit Waiblingen ist abwegig. Näher liegt es, Schinnagel mit dem in der Mitte des 15. Jahrhundert belegten Ratsherrn Tadeus Schynnagel in Kaschau und seiner Familie7 in Verbindung zu bringen.

Schinnagel veröffentlichte von etwa 1486 bis etwa 1499 astrologische Druckschriften, sogenannte Almanache und Prognostiken mit Vorhersagen. Das Material ist jetzt bequem in der Datenbank des GW überblickbar. Dort sind auch Digitalisate nachgewiesen.8 Alle drei bekannten Almanache erschienen in Augsburg, die zehn Prognostiken in Ulm (vier Ausgaben), Straßburg und Basel (je zwei) sowie in Leipzig und Wien. Die ältesten erhaltenen Drucke sind ein in Augsburg gedruckter Almanach auf das Jahr 1487 (vermutlich schon 1486 ausgeliefert) und ein in Straßburg gedrucktes Prognostikon auf das gleiche Jahr, in dem er bereits den in Krakau erworbenen Magistertitel trägt: magistri Marci Schinnagel Cracouien.  Beide sind auf Latein verfasst, später schrieb er auch auf Deutsch. Die gereimte Praktik auf 1491, gedruckt von Johann Zainer dem Älteren in Ulm, enthält folgende Autorensignatur:9

Für war den spruch hat gemacht
Gepracticiert vnd auß grund erdacht
Maister marx schinagel ist er genant
Jn schwaben wol erkant
Ain astronomum thu°t er sich nennen
Ain astrologiam gar wol erkennen
Ain arismetricus auch dabey
Mit seinen kunsten ist er frey.

Das in Basel gedruckte Prognostikon auf das Jahr 1491 ist sowohl lateinisch als auch deutsch König Maximilian gewidmet. Die lateinische Vorhersage für 1493 dedizierte Magister Marcus Schinagel de Choschouia Alme Vniuersitatis Cracouiensis astrologus König Albert von Polen. Herzog Albrecht IV. von Bayern erhielt den jüngsten Druck auf das Jahr 1500 gewidmet und zwar sowohl die Basler als auch die Ulmer Ausgabe.

Da die Überlieferungschance für solches Gebrauchsschriftgut eher gering ist, ist davon auszugehen, dass es noch mehr als die jetzt bekannten Drucke gegeben hat.

Noch kaum untersucht wurde die handschriftliche Überlieferung. Kremer nennt in seiner Anmerkung 6 die Handschriften in London, Wolfenbüttel und Krakau, übergeht also die von Zinner nachgewiesene Handschrift W 321 des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Böhm-Katalog Nr. 639). Weder von Kremer noch im Verfasserlexikon wurde bemerkt, dass Gerhard Benecke 1982 die in der Handschrift Bl. 252r-260r enthaltene deutschsprachige Praktik Schinnagels für 1491, gewidmet Erzherzog Sigismund, komplett in englischer Übersetzung veröffentlicht hatte.10 Benecke schreibt auch die folgende Praktik auf 1492 Bl. 266r-269v Schinnagel zu. Angehängt ist eine Bitte an Erzherzog Sigismund, er möge doch dem Absender für seine Primiz (erste Messe) am 2. Februar (wohl 1492) hundert Gulden übermitteln, damit er sie würdig begehen und seine in Rom gemachten Schulden bezahlen könne. Da der Absender wohl Schinnagel ist, was natürlich zu überprüfen wäre, darf man schließen, dass er ab 1492 Priester war und zuvor Rom besucht hatte.

Nicht näher datiert ist der Wolfenbütteler Cod. Guelf. 21.1 Aug. 4° , den der alte Katalog von Heinemann als mögliches Schinnagel-Autograph anspricht. Schinnagel nennt sich in zwei Texten, darunter ein Horoskop für den bereits genannten Herzog Albrecht von Bayern († 1508).

Um 1500 legte Schinnagel ein astrologisches Handbuch an, das über einen Augsburger Besitzer des 16. Jahrhunderts letztendlich in die British Library gelangte (Add. 34603).11 Einmal nennt er sich darin per me magistrum Marcum Schynagel alme vniuersitatis Crakouiensis tunc temporis plebanus ( sic ) in landtsperg anno 1500. Er war damals also Pfarrer in Landsberg am Lech (das Verfasserlexikon hat: Landberg).

Ob Schninnagel auch für Biblioteka Jagiellońska Krakau Cod. 8, eine lateinische astronomisch-astrologische Handschrift mit einer Prognostik für 1501 für Kardinal Fryderyk12, verantwortlich ist, wird man vorerst bezweifeln dürfen, denn die Auflösung M[arcus] N[icolai] C[assoviensis] b[accalarius] C[racoviensis] A[strologus] ist doch recht kühn, bedenkt man, dass sich Schinnagel sonst immer Magister (manchmal auch Doctor) nannte und seinen aus der Matrikeleintragung 1466 abgeleiteten Familiennamen Nicolai sonst nie führte. Es wurden auch schon andere Auflösungen der Buchstabenfolge vorgeschlagen.13

Bis auf die nicht völlig sicher auf Schinnagel zu beziehenden Krakauer Belege standen bisher ausschließlich Nennungen in seinen gedruckten Schriften und seinen Handschriften (einschließlich des Petershausener Kompendiums von 1489) zur Rekonstruktion seines Lebenswegs zur Verfügung. Sein seelsorgerisches Wirken in Landsberg am Lech und Sulzberg im Allgäu beleuchten zwei Regesten der Regesta Imperii und Einträge im Generalschematismus der Diözese Augsburg.

Am 19. April 1494 nahm König Maximilian in Kempten “den Marcus Schinagel, Pfarrer in Sulzberg, einen berühmten Astronomen (astronomicae scientiae peritia celebrem) als seinen Kaplan auf” (RI XIV,1 n. 574). Am 16. Januar 1498 forderte Maximilian in Innsbruck Bischof “Friedrich von Augsburg auf, den Marx Schinagel, KMs Kaplan, zu furderlichen rechten gegen Balthasar von Schellenberg zu verhelfen, der den Schinagel wider alle Billigkeit beschwere, indem er einige Leute in Schinagels Pfarrhof zu Sultzberg legte, als dieser einen Teil seiner Habe nach Landsberg führen ließ, dessen Pfarre ihm Hg Albrecht von Bayern, KMs Schwager und Rat, vor einiger Zeit verliehen hat” (RI XIV,2 n. 5737). Die Widmung mindestens eines Drucks und die astrologischen Ausarbeitungen für den Bayernherzog haben Schinnagel also wohl die Landsberger Stadtpfarrei eingebracht. Offenbar war er wenigstens zeitweilig gleichzeitig in Sulzberg (etwa zehn Kilometer südlich von Kempten) und in Landsberg bepfründet.

Aufgrund von im Zweiten Weltkrieg vernichteten Akten wurde der Augsburger Generalschematismus erstellt, aus dem das Archiv des Bistums Augsburg freundlicherweise Auskunft erteilte: Gemäß “Moritz Widenmann, Generalschematismus der Diözese Augsburg, Bd. II, S. 447, war ein Markus Schin(n)agel ab 1504 Pfarrer in der Stadtpfarrei Landsberg, leider finden sich keine weiterführenden Hinweise zu ihm. Ab 1507 wird ein Johann Seubelin von Kaufbeuren als Pfarrer gelistet. In der Pfarrei Sulzberg wird von 1493 bis 1533 ein Markus Schmagl als Pfarrer angegeben, weitere Hinweise gibt es leider auch zu ihm nicht, auch er erscheint vor 1493 bzw. nach 1533 nicht mehr im Schematismus (S. 412)”14.

Bald nach der oben für 1492 angesetzten Priesterweihe hat sich Schinnagel nach Sulzberg begeben, wo er 1493 im Schematismus erscheint. Vor 1498 wurde er auch Stadtpfarrer in Landsberg, wo er noch 1504 bezeugt ist. Wenig später scheint er diese Stelle aufgegeben zu haben. Angesichts des angenommenen Geburtsdatums um 1450 möchte ich bei dem Sulzberger Beleg 1533 vorerst ein dickes Fragezeichen machen (Schmagl ist sicher als Schinagl zu lesen). Schinnagel ist also nicht vor 1504 gestorben, vielleicht sogar nicht vor 1533.

Nur weil ich auch auf die Idee kam, nach Marcus Schünagel zu suchen, wurde ich auf einen entlegenen Pariser Beleg aufmerksam. 1496 korrespondierte der Pfarrer von Sulzberg mit Herzog René von Lothringen über astrologisch-politische Konstellationen. Da die schlechte Qualität des Pariser Digitalisats15 nicht zur Lektüre des eigenhändigen Briefs einlädt, überlasse ich die Auswertung dieser Quelle gern der weiteren Forschung.

 

Foto von Dr. Bernd Gross (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

  1. “Für Baden gerettet” (1995), S. 126f. Nr. 83 mit Abbildungen.
  2. Richard L. Kremer: Marcus Schinnagel’s winged polyptych of 1489 : astronomical computation in a liturgical format. In: Journal for the history of astronomy. Bd. 43 (2012), Nr. 3, S. 321-345.
  3. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2. Auflage 8 (1992), Sp. 680f. Google.
  4. http://manuscripta.at/?ID=6998 mit Link zum Katalog HANNA. Brévart im Verfasserlexikon  folgt ganz Ernst Zinner: Verzeichnis der astronomischen Handschriften des deutschen Kulturgebietes (1925), S. 494 und nennt die falsche Signatur Cod. 10584.
  5. Kremer Anm. 1.
  6. Iulia Capros: Students from Košice at foreign Universities before and during the reformation period in the town. Dissertation Budapest 2010, S. 238-240 Nr. 111 online mit Wiedergabe der Quellenstellen.
  7. Siehe etwa http://donauschwaben-usa.org/kosice.htm.
  8. Weitere Abbildung: erste Seite der Wiener Prognostik auf 1493 bei Seethaler 1982 S. 795 PDF.
  9. Nach der Abbildung bei Frederick R. Goff: Some undescribed ephemera of the 15th century in the Library of Congress. In: Beiträge zur Inkunabelkunde, 3. Reihe, I (1965), S. 100–102, Abb. 20 Commons. Der Anfang (ebd. Abb. 19): Commons.
  10. Gerhard Benecke: Maximilian I. (1982), S. 164-174.
  11. Katalog.
  12. Vgl. auch Natalia Nowakowska: Church, State and Dynasty in Renaissance Poland [...] (2007), S. 92 Google.
  13. Grażyna Rosińska: Scientific writings and astronomical tables in Cracow (1984), S. 241 online.
  14. Anfragen beim Stadtarchiv Landsberg am Lech, bei der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Landsberg und bei dem Sulzberger Heimatforscher Otto Pritschet blieben leider ohne Ergebnis.
  15. Gedreht: Commons.

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1615

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