35 Stunden sind genug!

Horst Tomayer ist letzte Woche gestorben, Oliver Tolmein verfasste für die heutige FAZ einen Nachruf; unvergessen Tomayers 35-Stunden-sind-genug-Lied der deutschen Rüstungsarbeiter:

Die Granaten wo wir drehen
Sind in aller Welt begehrt
Wenn sie mit rawumsti platzen
Ist so mancher sehr versehrt

(...)

Wir sind folgsam, und sind fleißig
Und wir liefern Wertarbeit
Doch wir möchten auch ein bisserl
Von der Arbeit freie Zeit

(...)

Ihr Bosse, und ihr Kunden
Fünfunddreißig Stunden
Sind genug!


Für eine Analyse dieser Perle beinharten Gewerkschaftsprotests siehe u.a.:
http://sprusko.blogspot.co.at/2006/08/deutsche-wertarbeit-rawumsti.html

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/581435383/

Weiterlesen

(Digital) Humanities Revisited – Challenges and Opportunities in the Digital Age. Oder: Wie man Gräben isst.

 

Konferenz 5.12.–7.12.2013, Hannover Herrenhausen, Volkswagen Stiftung

Die Initiative zur hochkarätig und international besetzten Konferenz ging von der Volkswagen-Stiftung aus, die mit dem eben wiederaufgebauten Schloss Herrenhausen in Hannover einen geradezu splendiden neuen Konferenzort bietet, an dem es sich im Wortsinne königlich tagen, speisen und diskutieren lässt – ganz zu schweigen von der hervorragenden technischen Infrastruktur im Saal, wo kein Device hungrig in den Stand-by gehen muss.

Gute Voraussetzungen, um über Digitales zu sprechen. Ebenso passend zum Thema wirkt die Idee, gezielt Wissenschaftsblogger einzuladen: Wo man früher Vertreter der klassischen Presse hofierte, wurde in Hannover ein „Bloggers‘ Corner“ eingerichtet, der all die, für die bloggen, twittern und kommentieren bereits zum Alltag gehört, in den Pausen mit Gleichgesinnten zusammenführte.

Und damit sind wir schon bei einem tiefen Graben, der sich durch die Konferenz zog: Die einen verstehen das Tagungsthema „Digital Humanities“ im Sinne von „computergestützten Analyseverfahren“, die den klassischen Geisteswissenschaften ganz neue Forschungsfragen und Datenbearbeitungsmethoden eröffnen. Lev Manovich („Looking at one million images:  How Visualization of Big Cultural Data Helps Us to Question Our Cultural Categories“) etwa stellte solche Themen vor, die überhaupt erst durch das Vorhandensein digitaler Analysemethoden entstehen.

Um es pointiert zu formulieren (was das Medium Blog ja durchaus erlaubt): Die andere Seite des Grabens langweilt sich. Denn auch jene Seite versteht sich als Vertreter der „Digital Humanities“, jene, die mehr oder weniger „klassische“ geisteswissenschaftliche Forschung betreibt, aber an digitalen Infrastrukturen, also etwa an neuen Formen der Kommunikation (untereinander und mit der Öffentlichkeit) und an neuen Formen der Publikation interessiert ist, und die all das meist schon munter praktiziert. Selbstverständlich hat auch dieses „Wie“ des Arbeitens weitreichende Folgen auf Methoden, Ergebnisse und Reichweite.

Dennoch verstehen jene auf der ersten Grabenseite, denen das „Was“ der Forschung als Kern der Digital Humanities gilt, dies als alten Wein in neuen Schläuchen und langweilen sich ihrerseits. So oder so ähnlich wird wohl die Rückschau von Michael Schmalenstroer zu verstehen sein.

Die Frage „Was sind die Digital Humanities?“ wurde letztlich – zu Recht – in Hannover nicht oder kaum thematisiert. Darauf gibt es im Augenblick keine Antwort.

Eleanor Selfridge-Field Professor of Music and Symbolic Systems, Felix Zahn für VolkswagenStiftung

Ich versuche es mit einem Schnelldurchlauf durch das Programm ohne Anspruch auf Vollständigkeit: „Digital Humanities – What Kind of Knowledge Can We Expect?“ titelte der erste Tag, der ein klares computerlinguistisches Übergewicht hatte und sich mit Big Data und Anwendungsbeispielen digitaler Analysemethoden beschäftigte, teils von Bild-, teils von Textmaterial.

Horst Bredekamp schloss einen fulminanten Vortrag an, der von einsetzender Ermüdung zeugte, denn natürlich sind digitale Forschungsansätze und -infrastrukturen (by the way könnte man die beiden benannten Grabenseiten mit diesen beiden Begriffen auf den Punkt bringen) inzwischen längst dem Windelalter entwachsen.

Tag zwei, der nach „From Art to Data – What‘s the Impact of Going Digital?” fragte, brachte z.B. den Vortrag von Julia Flanders: Datenmodelle miteinander sprechen zu lassen sei eine der größten Herausforderungen angesichts der bereits breiten Landschaft verschiedener Projekte und Ansätze. Big Data ohne Fragestellungen „einfach anzusehen“ und daraus Forschungsfragen entstehen lassen (nie umgekehrt…), war die Botschaft des schon erwähnten Lev Manovich, der sich damit einmal mehr als Vertreter der oben zuerst geschilderten DH-Grabenseite outete.

Das Format der „Lightning Talks“ mit anschließenden Postersessions durchzog alle drei Konferenztage: Schön war, dass die streng dreiminütigen Vorträge einen Einblick in die Diversität bestehender digitaler Projekte junger Wissenschaftler aus aller Welt ermöglichte. Zugleich war Mitleid mit den von Eile gequälten Rednern wohl ein verbindendes Gefühl im Publikum.

In positiver Erinnerung bleibt zumindest mir der Workshop des zweiten Tages. Zwar waren sicher nicht immer die mehr als 200 angemeldeten Gäste vor Ort, dennoch war es sinnvoll, die Schar für zwei Stunden in kleinere Diskussionsgruppen zu teilen. Diese beschäftigten sich parallel mit denselben (generischen) Fragen zu Entwicklung, Chancen und Bedürfnissen der DH und präsentierten einander anschließend ihre Überlegungen. Eine der Kernbotschaften unserer Arbeitsgruppe auf die Frage, wie man die zwei Welten „Informatiker“ und „Geisteswissenschaftler“ einander näherbringen könnte, fiel simpel und klar aus: gemeinsam essen gehen. Im selben Raum arbeiten.

Die öffentliche Podiumsdiskussion, zu der ich nur vom Hörensagen berichten kann, hat die Gemüter erregt und zumindest die Vertreter des „Bloggers‘ Corner“ kopfschüttelnd zurückgelassen. Von einem Niveauabsturz im Vergleich zu den Workshops und von einem „Katapult zehn Jahre zurück“ war da im Rückblick die Rede. Ein Diskutant fiel aus; es blieben der wohl provokant konservativ auftretende Jürgen Kaube (FAZ), der damit die Linie seines Hauses nahtlos weiterführt, im Verbund mit einem fortschrittskeptischen Moderator, dessen Fragen („Was bleibt von der Kultur im Digitalen Zeitalter?“) die beiden Damen des Podiums (Mercedes Bunz, Bettina Wagner-Bergelt) vor große Aufgaben stellten.

Der letzte Tag schwenkte in weiten Teilen zur zweiten Grabenseite über und fragte nach „Digital Humanities and the Public“. Luis von Ahn stellte seine (beeindruckenden) Projekte vor, die sich die Arbeitskraft der sogenannten Crowd im Win-Win zunutze machen. Kunde und Anbieter verschmelzen, beide Seiten geben und nehmen. Etwa, wenn der Sprachschüler dem Anbieter einer kostenlosen Lernplattform im Gegenzug Stück für Stück Texte übersetzt.

In der Abschlussdiskussion tauchten einige Chimären auf, etwa die Vermutung, dass wir es hinsichtlich der Akzeptanz von Methoden der DH mit einem Generationenproblem zu tun hätten (Christoph Cornelißen, Frankfurt), oder der etwas allgemeine Appell von Gregory Crane, man müsse die „vielen Herausforderungen einfach einmal angehen“ und habe dafür in Deutschland verglichen mit den USA geradezu hervorragende (Förder-)Bedingungen.

Wichtig erschien mir die Äußerung Manfred Nießens (DFG), der sich eindeutig gegen eine eigene Disziplin „Digital Humanities“ aussprach: Es gebe keine „Digitalen Natur- und noch nicht einmal Digitale Sozialwissenschaften“. Die Geisteswissenschaften hätten ein Problem mit ihrem Selbstbewusstsein und offensichtlich Schwierigkeiten, neue Instrumente ebenso nahtlos und selbstverständlich in ihren vorhandenen Werkzeugkasten einzubinden, wie es andere Disziplinen täten.

Immer wieder war von der bestehenden Kluft zwischen „den Fächern“ und den sogenannten „Digital Humanists“ die Rede, und von der damit verbundenen Gefahr einer „Ghettoisierung“. Als Schlusswort mag daher ein Kommentar aus dem Publikum dienen (Fotis Jannidis, Würzburg): Keine Sekunde sei es wert, ins Überzeugen von Zweiflern an den neuen Möglichkeiten der „Digital Humanities“ investiert zu werden. Wenn fachlich überzeugende Arbeiten vorlägen, die nur mit diesen Methoden in dieser Form hätten entstehen können, sei allen Zauderern der Wind aus den Segeln genommen.

Das wird dies- und jenseits des Grabens gelten. Apropos: Möglicherweise sollten nicht nur Informatiker und Forscher regelmäßig gemeinsam essen, sondern auch „Digital Humanists“ der beiden Fraktionen im oben beschriebenen Sinne (Verfechter von aus dem Digitalen generierten Forschungsansätzen vs. Infrastrukturvertreter mit tendenziell klassischen Themen). Das passierte bei der Tagung m.E. wenig – den beeindruckenden Büffets zum Trotz. Was für ein schönes Ziel, am Ende wirklich alle Gräben aufzuessen.

Schloss Herrenhausen Wiederaufbau Eberhard Franke für VolkswagenStiftung

 

 

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/576

Weiterlesen

Anders als geplant: Und was machst du so? – Ein Interviewaufruf

Viele Studierende entwickeln im Laufe ihrer Ausbildung Ideen und Wünsche, worauf sie sich spezialisieren möchten und in welchen Bereichen sie später arbeiten wollen. Ein Teil von ihnen gelangt nach dem Studienabschluss auch in die gewünschte Position. Der andere Teil der … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5867

Weiterlesen

Tutorial: Indexfunktionen für Oxygen XML Frameworks

Für Wissenschaftler/-innen ist bei der Transkription mit TEI-XML – neben anderem – die Möglichkeit interessant, Personen, Orte, Werke etc. mit einem zentralen Register zu verknüpfen. Dies geschieht über eine eindeutige Identifikationsnummer, die einer Person oder einem Ort etc. zugeordnet ist. Arbeitet man direkt im XML-Code muss man diese Nummer sich händisch raussuchen und dann in […]

Quelle: http://digiversity.net/2013/tutorial-indexfunktionen-fuer-oxygen-xml-frameworks/

Weiterlesen

Zusätzliche Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks veröffentlicht

Ab sofort sind zusätzliche Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks als Java-Archive (JAR) und als Quellcode zur freien Verwendung verfügbar. Die Javaoperationen wurden von der TELOTA-Initiative an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Softwarelösung “ediarum” entwickelt und ergänzen die Javaoperationen für sog. “Frameworks”, die Oxygen XML out-of-the-box mitbringt. Mit den Funktionen aus dem Java-Archive […]

Quelle: http://digiversity.net/2013/zusaetzliche-javaoperationen-fuer-oxygen-xml-frameworks-veroeffentlicht/

Weiterlesen

Indexfunktionen in Oxygen XML Frameworks (Tutorial & Download)

Seit 2012 wird von der TELOTA-Initiative an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften »ediarum« entwickelt und eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Paket aus drei Softwarelösungen (Oxygen XML, eXistdb und ConTeXt), das es Wissenschaftlern in verschiedenen Editionsvorhaben ermöglicht, ihre Ergebnisse in TEI-XML zu bearbeiten, zu speichern und zu präsentieren. Damit die Eingabe und Bearbeitung möglichst komfortabel und einfach geschieht, wird als Eingabeoberfläche in ediarum die proprietäre Software Oxygen XML Author eingesetzt.

TELOTA hat nun die im Rahmen von ediarum entwickelten zusätzlichen Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks als Java-Archive (JAR) und als Quellcode auf github zur Verfügung gestellt. Sie ergänzen die Javaoperationen, die Oxygen XML out-of-the-box mitbringt. Mit ihnen können u.a. Schaltflächen in Oxygen XML Author erstellt werden, die es Wissenschaftlern ermöglichen, einfach und schnell Textstellen, Personen- und Ortsnamen etc. zu indizieren.

Wie man die Indexfunktionen implementiert wird, in einem neuen Tutorial auf digiversity Schritt für Schritt erklärt. Weitere Infomationen und Downloadmöglichkeit von ediarum.jar finden sich dort ebenfalls.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2770

Weiterlesen

Lektüre: “Europa erfindet die Zigeuner”

Ich lese gerade Klaus-Michael Bogdals lesenswerte Studie über die diskursive Erfindung  und Darstellung der “Zigeuner” in der europäischen Literatur seit dem späten Mitteltalter. Die Vereinnahmung der Romvölker und ihre Darstellung in Wissenschaft und Kunst, ohne mit den Menschen selber zu sprechen und wie dies zu Ausgrenzung und dauerhafter Marginalisierung führt, ist das Thema das Buches. Gut wird auch dargestellt, dass solche “harmlosen” Repräsentationen nicht unschuldig sind, sondern mit Praktiken der Entrechtung und Verfolgung korrespondieren.1

Anregend fand ich die Perspektive, die ich als mit kolonialgeschichte Beschäftigter gerne übersehe, nämlich dass die europäischen Nationen ihr Anderes, gegenüber dem sie ihre eigene zivilisatorische Höherwertigkeit begründeten, zuerst in Europa fanden, vor allem die Romvölker und – mit Unterschieden – die europäischen Juden. Vorurteile von erblicher Kriminalität, widersprüchliche Narrative von “Unzivilisierbarkeit” und gleichzeitigen Assimilations- und Erziehungsversuchen und anthropologische Vermessungen und Klassifizierungen im Geiste einer aufklärerischen Wissenschaft haben hier ihre Wurzeln. Das Instrumentarium, dass der misstrausche Staat gegenüber nicht-sesshaften Gruppen entwickelt hatte, wurde auch in Britisch-Indien im 19. Jahrhundert angewendet, etwa gegenüber den sogenannten “criminal tribes“.

Dass die durch jahrhundertelange diskursive Ausgrenzung und Marginalisierung erzeugten Vorurteile nach 1945 keineswegs aufhörten und sich besonders den Roma gegenüber am stärksten und längsten hielten, hat mich nicht überrascht. Dennoch ist das Urteil des BGH von 1956 bezüglich Wiedergutmachungsansprüchen der “Zigeuner” in seinem unverblümten Rassismus für mich besonders eindrücklich dafür gewesen, wie tief die durch Literatur und Wissenschaft erzeugten Repräsentationen bis heute Realitäten und Wahrnehmungen prägen:

Die Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und zu Betrügereien. Es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.2

Angesichts aktueller Fälle rassistischer Praktiken und den selbstgefälligen Schwierigkeiten, dies auch so zu benennen, zeigt sich, wie tief die konstruierten Bilder des Fremden immer noch unser Denken prägen, selbst wenn man sich vor Rassismus gefeit wähnt.

Klaus-Michael Bogdal: Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011.

  1. Hier noch ein Interview mit dem Autor.
  2. zit. n. Lpb BW u. Bogdal 2011, S. 410.

Quelle: http://rajprisons.hypotheses.org/98

Weiterlesen

aventinus media Nr. 13 [15.12.2013]: Mittelalter eMGH und dMGH. elektronische und digitale Monumenta Germaniae Historica im Vergleich [=einsichten v. 19.01.2012]

Der Beitrag stellt die beiden Online-Editionsprojekte und ihre jeweiligen Featires vor, denen die Monumenta Germaniae Historica zugrunde liegen, und nimmt hierbei auch die unterschiedlichen Ansätze der beiden Online-Editionen in den Blick. http://bit.ly/18pYmiw

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/12/4814/

Weiterlesen

An der Schnittstelle

audimax.de, das Online-Stellenportal für Akademiker, bringt einen kleinen Beitrag zum Thema Digital Humanities, zu Studienmöglichkeiten, Berufsfeldern und Jobaussichten. Zur Schnittstelle zwischen Geisteswissenschaften und IT werden u.a. Gerhard Lauer und Fotis Jannidis befragt. Digital Humanities als einzelnes Studienfach, in dem sich Spezialisten ausbilden lassen, wird, so Lauers Prognose, “wohl keinen Hype erleben. Was wir aber sehen werden, ist, dass die Methoden der Beantwortung geisteswissenschaftlicher Fragen auch mit Hilfe von Computerprogrammen zu den Selbstverständlichkeiten auch in den Geisteswissenschaften gehören werden.« Jannidis ergänzt: “Wer Digital Humanities studiert, beherrscht dann beispielsweise HTML, XML und PHP, wird aber kein Informatiker. Er ist und bleibt Geisteswissenschaftler und sollte seine Ausbildung idealerweise auch durch ein zusätzliches geisteswissenschaftliches Fach ergänzen. Durch die erweiterten Zusatzkenntnisse von Digital Humanities werden die Geisteswissenschaften aber enorm profitieren

Zum Beitrag

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2763

Weiterlesen

Personalstrukturen: Vorschläge der Jungen Akademie zur Weiterentwicklung der Universität

Man mag versucht sein (ich bin es jedenfalls), immer nur zu Themen zu schreiben, in denen man sich seine Meinung schon gebildet hat. Das fällt aber auch einmal schwer. So hat mich ein guter Kollege auf das Papier der Jungen Akademie: “Nach der Exzellenzinitiative: Personalstruktur als Schlüssel zu leistungsfähigeren Universitäten” (http://www.diejungeakademie.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Personalstruktur_2013.pdf) aufmerksam gemacht. Darin fordern Mitglieder und Alumni/Alumnae der Jungen Akademie, das Lehrstuhlprinzip abzuschaffen, in dem Professoren im Rahmen ihrer Lehrstühle Mitarbeiter/innen zugeordnet sind, die Mitarbeiterstellen weitgehend durch Professuren zu ersetzen und so die Perspektiven von Nachwuchswissenschaftlern und von Universitäten im Ganzen zu stärken.

Die Argumente überzeugen nicht immer. Der Befund, dass viele deutsche Wissenschaftler ins Ausland gehen, ist nicht zwingend ein Beleg für die Unattraktivität der deutschen Universitäten als vielmehr zunächst ein Ausweis von Exportstärke: Offenbar treffen diese “Outgoings” auf Wissenschaftsmärkte, die ihnen Wissenschaft in hohem Maße zutrauen. Anderes ist aber durchaus nachvollziehbar: Dass etwa nur 20% derArbeitszeit eines Professors/einer Professorin für Forschung aufgewendet wird, während durchschnittlich 40% der Zeit in Begutachtungen, Drittmittelakquise und Verwaltung gehen, mag statistisch etwas grob aussehen, in der Tendenz aber stimmen. Die Universitäten haben bereits begonnen, hierauf zu reagieren, indem Unterstützung in der Drittmittelakquise aufgebaut und die Verwaltung (meist als “Management” tituliert) professionalisiert wird.

An diesem Punkt möchte man als Studienmanager gleich ansetzen: Gerade an gut organisierten Universitäten entwickeln sich im Zuge der Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements auf allen Ebenen Expertenkulturen, die weder in der Lehrstuhllandschaft noch in den Gremien der Gremienuniversität in irgendeiner Weise strukturell eingebunden sind. Die Reaktion auf diese wachsende, professionelle Expertise ist häufig die strukturelle Ausdifferenzierung (meint: die Schaffung neuer Gremien außerhalb der nach Landeshochschulgesetzen bereits etablierten Gruppengremien) und die Einberufung von ad-hoc-Gremien – also genau das, was man soziologisch wohl erwarten würde. Eine strukturelle Antwort auf diese Entwicklungsprozesse gibt es noch nicht. Und hier spätestens zögere ich auch wirklich mit einer eigenen Meinung, denn an diesem Punkt kollidieren Demokratie und Partizipation (die ihren Ausdruck bisher in der Gremienstruktur finden) und die Ansprüche der natürlich nicht demokratisch legitimierten Profis mit technischer, administrativer oder rechtlicher Expertise.

Auf anderen ebenen lässt sich jedoch schon eine Auflösung des Lehrstuhlprinzips beobachten, wenn auch nicht im Sinne der Karikatur, die die Junge Akademie teilweise zeichnet. So hat die Auflösung der alten Studiengänge und die Entwicklung modularisierter Studienprogramme durchaus vielerorts dazu geführt, dass Professor/innen, Mitarbeiter/innen und Studierende lehrstuhlübergreifend Programme ausarbeiten und weiterentwickeln. Das passiert im Historischen Seminar der JGU seit vielen Jahren sehr konstruktiv. Das Lehrstuhlbild der Jungen Akademie hat hier also nicht gegriffen. Ob eine andere Struktur mit fast nur Professuren wesentlich andere (und bessere) Ergebnisse in einem Kernbereich universitäter Aktivität gezeitigt hätte, weiß ich nicht. Aber das Papier zielt auch eher aufBerufsperspektiven und Forschung – sicherein Manko des Papiers, das ja die Universitäten im Ganzen anspricht.

Das System, das die Junge Akademie im Blick hat, scheint zudem – und vielleicht tue ich dem Papier hier Unrecht – auf eine forschende Postgrad-Phase ohne Lehre (etwa in Projekten) und dann eine Professur mit entsprechend professoralem Lehrdeputat hinauszulaufen. Hier würde ich dann ganz ernsthaft didaktische Einbußen in der Lehre befürchten. Der Universität würde das mittelfristig nicht guttun.

Vieles andere in dem besprochenen Papier bin ich geneigt zu teilen. Dass solche Vorschläge überhaupt in einer so prominenten Form auf den Tisch kommen, ist ja auch ein Hinweis darauf, dass die Universitäten in ihrer Weiterentwicklung an systemische Grenzen stoßen und manches dysfunktional wird. Man darf gespannt sein, in welche Richtung diese Diskussionen gehen werden.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/166

Weiterlesen