EHRI Newsletter November 2013

Der EHRI Newsletter November 2013 ist online mit folgenden Themen:

  1. Aktuelle Arbeiten zum EHRI Portal
  2. Forschung der EHRI Kollegin Katja Happe über die Verfolgung der niederländischen Juden
  3. Folgen Sie EHRI auf Twitter @EHRIproject
  4. Leute in EHRI: Kepa Joseba Rodriguez
  5. 80. Jubiläum der Wiener Library (London): Ausstellung “The Endurance of Truth”
  6. Ausstellung Mémorial de la Shoah (Paris): Szenen aus dem Ghetto
  7. Wahrheit und Lügen. Die Dreharbeiten im Ghetto Theresienstadt 1942-1945.
  8. Ausstellung am Jüdischen Museum Prag
  9. Call for Papers: “The International Tracing Service (ITS) Collections and Holocaust Scholarship”. 12-14 Mai 2014, Washington DC.

EHRI Newsletters (English)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2652

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Die Deutungsmacht der Erinnerungspolitik – Pierre Havaux´ „Flandre, Wallonie, Fédéral. 14-18: les non-dits du centenaire”

450px-Kaaskerke_-_IJzertoren_2Ein ereignisreiches Jahr steht uns 2014 in Europa bevor. Neben den Wahlen des europäischen Parlamentes, welche in Zeiten der “Krise“ mit einer latent verbreiteten Europaverdrossenheit und einigen Renationalisierungsbewegungen in den verschiedenen europäischen Staaten für besondere Spannung sorgen wird, der in Brasilien stattfindenden Fußballweltmeisterschaft, welche die Aufmerksamkeit eines Großteils der europäischen Bevölkerung auf sich ziehen wird, jährt sich im kommenden Jahr auch das einhundertjährige Jubiläum des Beginns des Ersten Weltkrieges, in dessen Rahmen es zu vielen verschiedenen Erinnerungsveranstaltungen kommen wird.  Dass diese Veranstaltungen immer auch die Möglichkeit eröffnen, die Darstellungen der vergangenen Geschehnisse für die eigenen, zeitgenössischen politischen Interessen zu instrumentalisieren, ist nichts Neues und uns auch bereits oftmals in der Vergangenheit begegnet. Dass diese Praxis jedoch auch in unseren heutigen, demokratischen Gesellschaften vermehrt angewendet wird, scheint zu überraschen. Und die Offensichtlichkeit, die dabei von einigen Organisatoren an den Tag gelegt wird, löst einiges Unbehagen aus. Pierre Havaux beschäftigt sich in seinem Artikel „Flandre, Wallonie, Fédéral. 14-18: Das Unausgesprochene der Hundertjahrfeier“, der am 1. November in der Zeitschrift Le Vif erschienen ist, mit der Erinnerungspolitik, die von der flämischen Regionalregierung im Zuge der Gedenkveranstaltungen zum Ersten Weltkrieg im kommenden Jahr geplant ist. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den seiner Meinung nach offensichtlichen Manipulationsversuchen der flämischen Verantwortlichen, die Darstellungen der vergangenen Geschehnisse einzig in einem flämisch-nationalen Kontext zu integrieren und für ihre eigenen politischen Intentionen zu nutzen. Er kritisiert, dass in Flandern zum einen versuche, die Gedenkfeiern zu regionalisieren und einzig die Geschehnisse zu thematisieren, die sich im flämischen Sprachraum ereigneten. Es macht den Anschein, als würde versucht, den «belgischen Rahmen» des Projektes auszublenden, um somit das Ansehen Flanderns zu steigern und einen Vorteil aus einem erhofften “Kriegstourismus“ zu erzielen. Havaux verweist auf Jean Lefevre, einem Archivhistoriker des Instituts Emile Vandervelde, der diesen Eindruck seines Erachtens erhärtet: „Die Dokumente der flämischen Regierung und ihre verschiedenen Bestandteile betonen niemals die Wichtigkeit des Konfliktes um den Grad des flämischen Nationalismus. Das Ziel des flämischen Regierungschefs  ist es, das Ansehen Flanderns bei den Fremden zu steigern“. Begonnen mit dieser Erinnerungspolitik hat laut Havaux Geert Bourgeois während seiner Amtszeit als flämischen Minister für Tourismus. Die Neu-Flämische Allianz Westhoek scheint diese übernommen zu haben und verfolge das gleiche Ziel, das Ansehen Flanderns zu befördern, deren Unabhängigkeit und Eigenständigkeit gegenüber Belgien zu betonen, in dem die Verantwortlichen Belgien in den Darstellungen einfach nicht thematisieren. Dabei würde auch nicht vor einer einseitigen, unkritischen Geschichtsrekonstruktion zurückgeschreckt. Denn die flämischen Verantwortlichen verzichteten nach Havaux im Zuge der Organisation und Ausarbeitung der Erinnerungsveranstaltungen auf die Beteiligung von HistorikerInnen. Antoon Vrints, Historiker an der Universität Gent, vermutet: „Vielleicht steckt dahinter die Befürchtung, dass durch ihr Einbeziehen brenzlige Fragen hinsichtlich der Kriegsvergangenheit wie beispielsweise die Flamenpolitik und die Frontbewegung zu Kontroversen führen könnten“. Die Hauptintention liegt nach Bruno De Wever eindeutig darin, das Jubiläum im Zeichen «des Pazifismus und nicht (…) der Kollaboration» zu inszenieren. Er führt weiter aus: „Die flämischen Prioritäten liegen ganz woanders. Im Business, den man aus dem Großen Krieg ziehen kann. Dafür gibt es einen breiten Markt (…). Die flämische Regierung hat an alles gedacht, um aus den Schlachtfeldern der Yser „the place to be“ zu machen“. Und damit dieser flämischen Inszenierung nichts im Wege steht, die Gedenkfeier der Werbung zu Gunsten des Projekts einer flämischen Nationen dient und andere, kritischere Darstellungen keinen Raum innerhalb der Feierlichkeiten erlangen, wurde laut Havaux die historische Zunft komplett ausgeschlossen. Somit sei auch gesichert, dass das Gedenken einzig im flämischen Rahmen vollzogen und alles “Belgische“ nicht thematisiert würde. Sophie de Schaepdrijver, die Havaux in seinem Artikel auch zu Wort kommen lässt, hat damit ebenso Erfahrung. „14-18 war für die meisten Belgier ein belgischer Krieg, ein Krieg, der nicht an der Sprachgrenze endete“, betont eine der größten Experten des Ersten Weltkrieges in Belgien. Aber in der offiziellen Broschüre 100 Jahre Erster Weltkrieg in Flandern, welche eine Bestandsaufnahme der wesentlichen Aktivitäten der Gedenkveranstaltung beinhaltet, wird, wie Havaux darlegt, nur ein einziges Mal der Name Belgiens erwähnt, bei der Adresse des Sekretariats. Am Ende seines Artikel lässt er noch einmal Bruno De Wever zu Wort kommen, der zusammenfassend ausführt: „Diese Art von Jubiläen dient immer Zielen, die eher etwas über die Gegenwart als über die Vergangenheit aussagen“.

Die Notwendigkeit, dass dieses dem Rezipienten immer im Bewusstsein bleiben sollte bzw. muss, verdeutlicht Pierre Havaux´ Artikel. Auch wenn bei den Konsumenten historischer Erinnerungsveranstaltungen kein bzw. wenig Fachwissen vorhanden ist, ist es umso wichtiger, eine kritische Reflexion des Dargestellten vorzunehmen und immer versuchen, sich die Intentionen der Ersteller bzw. Verfasser zu vergegenwärtigen.

 

Pierre Havaux – Flandre, Wallonie, Fédéral. 14-18: les non-dits du centenaire

weitere Artikel über die Gedenkfeiern in Belgien:

Flanderns Programm des “Centenaire” des Ersten Weltkrieges

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1271

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“Was sind eigentlich Digital Humanities?”

…fragt Caroline Sporleder, Professorin für Computerlinguistik und Digital Humanities an der Universität Trier und gibt in Ihrem Artikel auf academics.de auch gleich Antworten anhand zahlreicher Beispiele.

aihumnoi - Fotolia.com

aihumnoi – Fotolia.com

Dabei streift sie die Anfänge der Digital Humanities, stellt verschiedene Disziplinen vor, in denen Methoden der Digital Humanities verwendet werden und spannt anschließend den Bogen von der Digitalisierung unterschiedlicher Materialien über die Aufbereitung bis zur Analyse von Daten mithilfe digitaler Verfahren.

Zum Abschluss geht sie noch kurz auf die Möglichkeit ein, Digital Humanities als Fach zu studieren.

Den Beitrag “Was sind eigentlich Digital Humanities?” von Caroline Sporleder finden Sie auf academics.de.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2637

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Reflections on Jacoby and All That: Ein nicht publizierter Essay von E. P. Thompson

In Erinnerung an den britschen Historiker Edward Palmer Thompson, der vor 20 Jahren starb, veröffentlichte vor wenigen Tagen History Workshop Online einen sehr lesenwerten und bislang nicht verfügbaren Essay aus dem Jahr 1987.

Thompson fragt darin nach der richtigen Politik als (akademischer) Lehrer und intellektueller Arbeit, nach der gesellschaftlichen Rolle von Universitäten, der Verbindung von linken Intellekuellen und politischen Bewegungen, nach der Bedeutung an der Teilnahme im “Kampf der Ideen”. Und er schreibt über die Notwendigkeit, die Teilnahmslosigkeit zu überwinden, indem man über alle verfügbaren Medien in die öffentlichen Debatten eingreift.

Zum Essay und einer kurzen Einleitung von Carlos Aguirre (University of Oregon)


Einsortiert unter:Vermittlung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2013/11/29/reflections-on-jacoby-and-all-that-ein-nicht-publizierter-essay-von-e-p-thompson/

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Reflections on Jacoby and All That: Ein nicht publizierter Essay von E. P. Thompson

In Erinnerung an den britschen Historiker Edward Palmer Thompson, der vor 20 Jahren starb, veröffentlichte vor wenigen Tagen History Workshop Online einen sehr lesenwerten und bislang nicht verfügbaren Essay aus dem Jahr 1987.

Thompson fragt darin nach der richtigen Politik als (akademischer) Lehrer und intellektueller Arbeit, nach der gesellschaftlichen Rolle von Universitäten, der Verbindung von linken Intellekuellen und politischen Bewegungen, nach der Bedeutung an der Teilnahme im “Kampf der Ideen”. Und er schreibt über die Notwendigkeit, die Teilnahmslosigkeit zu überwinden, indem man über alle verfügbaren Medien in die öffentlichen Debatten eingreift.

Zum Essay und einer kurzen Einleitung von Carlos Aguirre (University of Oregon)


Einsortiert unter:Vermittlung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2013/11/29/reflections-on-jacoby-and-all-that-ein-nicht-publizierter-essay-von-e-p-thompson/

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Vorankündigung: Die Vermittlung des Unbegreiflichen

Der Holocaust markiert einen zentralen Punkt in der europäischen Erinnerungskultur. Die Auseinandersetzung mit den historischen Hintergründen der nationalsozialistischen Verbrechen wird in vielen Ländern als Chance gesehen, aktuelle gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung zu thematisieren oder die Gesellschaft für Menschenrechtsverletzungen in der Gegenwart zu sensibilisieren. Auch in Großbritannien und Deutschland nimmt der Holocaust einen zentralen Platz in der jeweiligen nationalen Erinnerungskultur ein – die Länder stehen vor der Herausforderung, mit dem gemeinsamen historischen Erbe umzugehen, die Geschichte für sich aufzuarbeiten und folgenden Generationen […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/882

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12. Was ist Glück? (5/5): Was zwischen Ost und West liegt

Für alle, die denken, das westliche Mittelalter traf im Osten auf das muslimische, sei gesagt: Ne, is’ nicht so. – Zwischen Okzident und Orient befanden sich bis zum Jahr 1453 auch noch die Byzantiner, die gerne goldene Kirchen bauten und sich für Römer hielten. Einer dieser Byzantiner ist Michael Psellos gewesen. Auf dem einzigen erhaltenen Abbild, das wir von ihm haben, hat er stilecht schwarze Kleider an. Und trägt einen schwarzen Hut. Und hat, naja, die Mundwinkel heruntergezogen. Halt eine schlechte Aufnahme. – Dieser Psellos zeichnet sich durch zwei Punkte besonders aus: Denn erstens war er in antiker Philosophie unglaublich gebildet und zweitens ist seine praktische Philosophie Thema meiner Dissertation. Neidisch?

Genau deshalb will ich Ihnen nicht die Message vorenthalten, die bei meinen Untersuchungen vorläufig raus gekommen ist, und die ich nebst flapsigen Formulierungen tatsächlich sehr gut finde.

In einer recht komplizierten Auseinandersetzung mit Aristoteles (Sie erinnern sich an die “artgerechte Haltung”) und allem, was nach Plotin kam (Sie erinnern sich vielleicht an den “Gastbeitrag zum Tag der Einheit”), sowie mit christlichen Einflüssen schafft er es, zwei Ziele zu formulieren, die jeder und jede von uns anstreben sollten. Welche Ziel das sind? Weiß ich nicht.

Spaß. Natürlich weiß ich das: Psellos sagt uns folgendes: “Hört mal her. Eigentlich ist alles ganz einfach. Ich verstehe gar nicht, wieso ihr euch damit so schwer tut. Wir müssen einerseits unsere Talente kultivieren. Damit meine ich etwa das, was Aristoteles über den Verstand sagte. Wir sollen verstehen, wie die Welt funktioniert, was sie ist und welche Prinzipien es in ihr gibt. Und zweitens, aber nicht minder wichtig, müssen wir einfach mal anständig miteinander umgehen. Also durch die Ausprägung gewisser anderer Talente einfach freundlich-philanthropisch sein.”

Ich finde, dass diese Message nicht wirklich an Aktualität verloren hat. Wenn wir diese beiden Dinge ausführen oder perfektionieren, dann sind wir objektiv (Sie erinnern sich an die Kriterien, die das objektive Glück von Zufallsglück und Empfindungsglück unterscheidet) glücklich.

Das war vorerst der letzte Beitrag.

Zum Glück.

Ab nächstem Mal kommt dann wieder etwas anderes.

Herzlichst hochachtungsvoll,

D.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/167

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Oktofokus: White Ribbon Day 2013

Okto brachte am 16. November einen Oktofokus zu Gewalt gegen Frauen. Die Beiträge werden am So., 8. Dezember (23:35 Uhr) wiederholt.

Jede fünfte in einer Beziehung lebende Frau wird hierzulande Opfer von Gewalt. Anlässlich des White Ribbon Day 2013 bittet Oktofokus zu einer Filmnacht gegen Gewalt an Frauen. Im Zentrum von “Gewalt in der Ehe” (R: Ilse Gassinger, Gerda Lampalzer & Anna Steininger, A 1984) stehen die Erfahrungen dreier BewohnerInnen des zweiten Wiener Frauenhauses. “Eine verschlagene Welt” (R: Anna Steininger, A 1990) thematisiert wiederum den öffentlichen Umgang mit Gewalttätigkeit gegenüber Frauen. In ihrer Reihe “Schrittweise. Wege aus der Gewalt” (A 2011-2012) zeigen schließlich die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, wie Betroffenen geholfen werden kann.


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2013/11/28/oktofokus-white-ribbon-day-2013/

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Mögliche Forschungsziele einer reaktivierten Nachkriegskinderstudie

Im letzten Blogartikel wurden die Ziele der ursprünglichen Nachkriegskinder-Studie dargestellt. Durch eine  Reaktivierung bzw. Revitalisierung, also eine erneute Untersuchung der gleichen Stichprobe, lassen sich Forschungsfragen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen untersuchen. Das übergreifende Forschungsziel einer neuen Studie könnte die Identifikation von Langzeiteffekten der Kriegs- und Nachkriegskindheit auf gesundheitliche und psychologische Aspekte im höheren Alter sein. Folgende Themenbereiche und Forschungsfragen könnten für eine Nachfolgestudie von Interesse sein:

1. Seelische Gesundheit im Alter und klinische Störungen

Insbesondere die Genese, Ätiologie und (neurobiologischen) Folgen von post-traumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen und Depressionen, deren Auftretenswahrscheinlichkeit durch traumatischer Ereignisse stark erhöht sind, lassen sich in der Stichprobe der Nachkriegskinder untersuchen.

  • Welche protektiven Faktoren, Bewältigungsformen und Risiken liegen vor?
  • Gibt es Langzeitwirkungen auf Hirnstrukturen, Hirnfunktionen und neuropsychologische Leistungen?

2. Körperliche Gesundheit, Gesundheits- und Ernährungsverhalten

Gerade für die Gesundheitsforschung gibt es interessante Fragen, die mit einer revitalisierten Studie beantwortet werden könnten:

  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen traumatischen Erfahrungen und Belastungen (in der Kindheit) und Herzkrankheiten im Alter?
  • Wie entwickeln sich frühe Krankheiten aus der Kindheit auf die Gesundheit im Alter aus?
  • Wirkt sich die Kriegserfahrung langfristig auf das Ernährungsverhalten aus?
  • Wie ist das Gesundheitsverhalten der Nachkriegskinder durch die Kriegserfahrung im Bezug auf die Selbstfürsorge geprägt?

3. Resilienz, Plastizität und Hardiness

Sowohl für die seelische als auch für die körperliche Gesundheit werden in der Forschung verschiedene Resilienzfaktoren diskutiert, die einen Schutz vor aversiven Reizen bieten können. Diese können sowohl in der Person selber liegen, wie Persönlichkeitseigenschaften oder körperliche Merkmale, oder in ihrer Umwelt vorhanden sein, wie z. B. vertrauensvolle Beziehungen und Unterstützung.

Durch die Plastizität des menschlichen Körpers und Gehirns, kann der Mensch sich unterschiedliche Bedingungen anpassen. Hardiness beschreibt einen Persönlichkeitsfaktor, der den Umgang mit Stressoren beschreibt. Verschiedene Menschen unterscheiden sich in der Ausprägung ihrer verfügbaren Resilienzfaktoren, Plastizität und Ausprägung im Bezug auf Hardiness.

Die Untersuchung dieser drei Forschungsthemen im Kontext der Lebensspanne erlaubt die Korrelation von Resilienz- und Risikofaktoren in der Jugend mit dem seelischen und körperlichen Gesundheitsstatus im Alter. Auch den Zusammenhang mit erfolgreichen Altern, wie z.B. der Ausbildung von sozialen Beziehungen und Freundschaften, lässt sich untersuchen.

4. Gen-Umwelt-Interaktionen, genetische Marker und Epigenetik

Aus biologischer und psychologischer Sicht können Interaktionen von Genen und Umwelt bei den Nachkriegskindern untersucht werden.

  • Lassen sich genetische Marker für Erkrankungen oder Vulnerabilitäten im Alter finden?
  • Führt die kindliche Erfahrung von Krieg zu epigenetischen Veränderungen?

5. Transgenerationale Übertragung

Auch die transgenerationale Weitergabe von Traumata durch bestimmte Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kind können untersucht werden.

  • Liegen die Gründe hierfür in der bewussten Erziehung oder eher in unbewusst vorgelebten Normen, Bewältigungsmuster und Verhaltensweisen?

Gerade unter Aspekten von Generationalität und Generativität ist die Untersuchung von transgenerationalen Phänomenen interessant.

6. Bildungserwerb und berufliche Entwicklung

Eine Vielzahl von Fragen zum Bildungserwerbung und zur beruflichen Entwicklung lassen sich mit einer Nachfolgestudie untersuchen und Thesen anhand von Originaldaten belegt werden.

  • Wie wirken sich frühe Erfahrungen auf die Gestaltung der Karriere aus?
  • Welche Faktoren bestimmen Schulerfolg?
  • Wie wirkt sich Schulerfolg auf den Berufserfolg aus?
  • Wie wurde der Berufsbeginn gestaltet?
  • Welcher Beruf wurde ausgewählt und wie wurde die Wahl begründet?
  • Wie waren die beruflichen Erwartungen und Aussichten? Wie wird die Berufslaufbahn rückblickend bewertet?
  • Wie ist der Zusammenhang zwischen schulischer Laufbahn, späterer (Aus-)Bildungsbiografie und der Entwicklung bildungsbezogener Aktivitäten (Bildungsstil) im späten Erwachsenenalter?
  • Wie werden diese Stile an nachfolgende Generationen weitergegeben?
  • Welche Rolle spielt der sozioökomische Status beim Berufserfolg als Startbedingung?
  • Welche Rolle spielt der sozioökomische Status für erfolgreiches Altern?
  • Gibt es Existenz- ängste bei den gealterten Kriegskindern?

7. Persönlichkeitsmerkmale & Einstellungen

Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen können wichtige Resilienz- oder Risikofaktoren bei der Entwicklung über die Lebensspanne sein. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach Kontrollüberzeugungen bei Kriegskindern und Nachkriegskindern von Bedeutung. Ich-syntone Verhaltensweisen werden diesen Kohorten vermehrt zugesprochen. Darunter fallen Sparsamkeit, Suche nach Wärme und Geborgenheit, Autonomie und Unabhängigkeit, fehlende Rücksichtnahme auf sich selbst und die eigene Gesundheit, Aufbruchsbereitschaft und Emotionsunterdrückung.
Fragen der persönlichen Emotionsverarbeitung und der Entwicklung von emotionaler Intelligenz könnten untersucht werden. Auch persönliche Einstellungen, insbesondere politische Einstellungen und ihre Entwicklung, sind von Forschungsinteresse.

8. Kognitive Leistungsfähigkeit und Intelligenz

Wie entwickelt sich intellektuelle Leistungsfähigkeit über die Lebensspanne und in welchem Zusammenhang stehen frühe kognitive Leistungen und kognitive Alterungsprozesse, wie Demenzen?

9. Lebenszufriedenheit

Im Kontext des Forschungsgebiets des erfolgreichen Alterns lautet eine Frage:

  • Wie ist der Zusammenhang zwischen damaligen Belastungen und der heutigen Lebenszufriedenheit?
  • Wie bewerten die damaligen Probanden heute ihre Lebenszufriedenheit?

10. Individuelle Lebensverläufe & Einzelfallanalysen

Bei diesem Thema sind Forschungsfragen von Interesse, die am einzelnen Individuum untersucht werden können, wie beispielsweise Fragen zur Zielbildung und Sinnstiftung oder Familienforschung.

  • Welche Rolle spielte Vaterlosigkeit für die Entwicklung der Nachkriegskinder?
  • Wie konnten „überforderte“ Mütter mit der Situation umgehen und wie wirkt sich dies auf die Kinder aus?

Auch explorative Fragen oder Fragen der Entwicklung über die Lebensspanne gehören hierzu.

Insgesamt wird deutlich, dass eine Vielzahl von Forschungsfragen anhand einer revitalisierten Studie beantwortet oder zumindest bestehende Thesen belegt werden können. Die hier vorgenommen Auswahl ist dabei nicht vollständig, da  beispielsweise geisteswissenschaftliche Aspekte, wie z. B. die medizinhistorischen Untersuchung von Forschungsmethoden in den 50er Jahren, noch nicht erwähnt wurden.

Quelle: http://zakunibonn.hypotheses.org/94

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Psychologie als SozialWissenschaft – wie Psychologen Erkenntnisse gewinnen

Jedes Fach hat seine Stereotype. Und auch wenn ich als Psychologe versucht bin darauf hinzuweisen, dass die Unterschiedlichkeit innerhalb von Gruppen im Vergleich zur Unterschiedlichkeit zwischen Gruppen in vielen Fällen größer ist als man meint, so ist es doch kaum bestreitbar, dass sich mir beim Betreten der Juristen-Mensa ein anderes Bild darbietet als beim Betreten der Philosophen-Mensa. Jedoch werden mir wohl viele PsychologInnen darin zustimmen, dass es kaum einen anderen (angestrebten) Berufsstand gibt, dessen Nennung von Anderen als derart intrusiv, als so unter die Haut gehend empfunden wird wie unserer. Der Satz “Ich bin Psychologe” scheint oft eine Art mentaler Nacktheit hervorzurufen; Menschen fühlen sich bis ins Innerste durchschaut und fangen an, ihr Verhalten doppelt und dreifach zu hinterfragen. Es hilft dabei nicht, wenn in Filmen eine gründliche psychologische Untersuchung ausreicht, um das Verhalten eines Menschen in belastenden Situationen punktgenau vorherzusagen (wie z. B. in ‘The Game’).

Psychologie ist die Lehre vom Erleben und Verhalten. Sie beschäftigt sich mit innerpsychischen Vorgängen. Dazu gehören körperliche, geistige und emotionale Prozesse. Sie untersucht Unterschiede zwischen Menschen auf jeder dieser Ebenen. Und sie erforscht die Wechselwirkungen von Individuum und Umgebung – Beziehungen, Gruppenprozesse, Mensch-Maschine-Interaktion und vieles mehr. Die zeitliche und räumliche Auflösung rangiert dabei von internationalen Langzeitstudien über die gesamte Lebensspanne bis hin zu im Labor dokumentierten biologischen Ereignissen, die nur winzige Sekundenbruchteile in Anspruch nehmen. So breitgefächert das Fach ist, so vielfältig sind auch die psychologischen Berufe. Psychologen sind in Beratungsstellen und Kliniken, in der Uni und im Labor, vor dem PC mit einem Statistikproblem, in der Schule als Fortbildungsleiter, in der Wirtschaft als Personalmanager, in der Marktforschung und als Werbefachmann, im Gerichtssaal und im Maßregelvollzug sowie als Testentwickler und -anwender tätig. Gemeinsam ist all diesen Menschen nur eins: das Studium der Psychologie.

Und durch diese akademische Ausbildung zieht sich der rote Faden der Wissenschaftlichkeit. Mit derselben rigorosen Methodik, die Physiker auf die Erforschung von Naturphänomenen anwenden, erkunden Psychologen alles Menschliche. Ob der Forschungsgegenstand die Liebe ist, das lebenslange Lernen oder der Wertewandel nach der Einführung von Smartphones – grundlegend ist die Fähigkeit, auf interessante Fragen sinnvolle Antworten zu finden. Da die Welt voller wundersamer Komplexität ist und wir Menschen vor Neugier nur so überquellen, gibt es interessante Fragen wie Sand am Meer. Bei der Entscheidung, welche Antworten sinnvoll sind und welche nicht, legen Psychologen die Kriterien an, die in der wissenschaftlichen Methode beschrieben sind. Diese Kriterien unterscheiden sich kaum von denen, die wir auch im Alltag verwenden, wenn wir etwas herausfinden wollen, mit einer Ausnahme: Im Alltag sind wir nicht nur darauf bedacht, die Welt so gut wie möglich zu verstehen, sondern wir wollen uns auch gut fühlen und unser Selbstbild bewahren. Und manchmal triumphiert unser Bedürfnis nach Selbstwert über unsere Neugier und wir behalten auch im Angesicht guter Hinweise für eine schlüssigere Alternative eine überholte, aber bequemere Sicht der Dinge bei. Wissenschaft lässt sich verstehen als der gesellschaftliche Zweig, der sich der Neugier verschrieben hat und ‘um jeden Preis’ rauskriegen will, wie die Welt tatsächlich beschaffen ist.

Als sinnvoll betrachten Wissenschaftler solche Aussagen über die Welt, die Ergebnis eines Prozesses sind, der auf den Prinzipien der Logik, der Systematik und der Falsifikation beruht. Kurze Randnotiz: Ungeachtet der Prinzipien und ihrer Bedeutung ist es allein schon eine kulturelle Errungenschaft, sich bei der Beurteilung von Aussagen den dahinterstehenden Prozess anzusehen. Der Schritt von der Frage “Wer hat das gesagt?” hin zu der Frage “Wie kommt dieser Jemand dazu, das zu sagen?” ist ein Schritt weg von Autoritätshörigkeit und hin zu einer differenzierteren Weltsicht. Dieser Perspektivwechsel hat in der Aussagepsychologie bspw. dazu geführt, dass heute nicht mehr wie früher die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, sondern die Glaubhaftigkeit einzelner Aussagen untersucht wird. Die Worte eines Arztes oder Polizisten haben somit vor Gericht nicht von vornherein ein größeres Gewicht als die Worte eines heroinabhängigen Obdachlosen.

Logik

Logik beschäftigt sich mit Schlussfolgerungen. Beispiel:

Wenn es regnet, ist die Straße nass.
Die Straße ist nass.
Kann ich daraus schließen, dass es regnet?

Nein, denn es kann ja auch sein, dass die Kinder von nebenan mit dem Gartenschlauch spielen oder dass es gestern geschneit hat und heute wieder wärmer ist oder dass eine Kuhherde sich auf der Straße erleichtert hat. Aber was ist mit der nächsten Schlussfolgerung:

Nur dann, wenn es regnet, ist die Straße nass.
Die Straße ist nass.
Kann ich nun schließen, dass es regnet?

Ja. Ich weiß zwar immer noch, dass Straßennässe auch andere Ursachen haben kann als Regen, aber für die Beurteilung der Schlossfolgerung brauche ich ausschließlich die beiden Sätze und kein inhaltliches Hintergrundwissen zu Regen, Nässe und Straßen. Tatsächlich ist es ebendieses Hintergrundwissen, diese assoziative Fülle von Begrifflichkeiten, die eine Beschäftigung mit der formalen Logik erst notwendig macht. Hier noch ein drittes Beispiel, das die Entkoppelung vom Inhalt noch deutlicher macht:

Einige Frauen sind Männer.
Einige Männer haben Milchdrüsen.
Kann ich schlussfolgern, dass einige Frauen Milchdrüsen haben?

Die Antwort ist nein. Und der springende Punkt ist, dass wir es gewohnt sind, neben einem gewissen Maß an logischer Stimmigkeit auch unser alltägliches Hintergrundwissen bei der Beurteilung von Aussagen mit hineinspielen zu lassen. Und dieses Hintergrundwissen besteht nicht nur aus gut begründeten, empirisch prüfbaren Fakten, sondern auch aus unreflektierten dogmatischen Weltanschauungen. Dies trifft in besonderem Maße auf die Psychologie zu, weil jeder Mensch eine über das Leben gewachsene Meinung dazu hat, wie seine eigene Psyche funktioniert, welche Gesetzmäßigkeiten das soziale Miteinander ausmachen und wie andere Menschen ticken. Als Forscher darf ich jedoch nur den Teil meines Hintergrundwissens verwenden, den jeder Interessierte überprüfen kann. Somit erfordert der wissenschaftliche Erkenntnisgewinnungsprozess bei jedem gedanklichen Schritt erneut eine Überwindung meiner egozentrischen Perspektive und eine Rückbesinnung darauf, was die Realität tatsächlich hergibt und was ich daraus mit Sicherheit schließen kann.

Systematik

Systematik meint im Gegensatz zu wildem Rumstochern das gezielte Beobachten. Wenn ich bspw. mein Handy verloren habe, suche ich nicht wahllos die ganze Stadt ab, sondern überlege, wann ich es zuletzt in der Hand hatte und wo ich seitdem gewesen bin. Ich grenze die Suche stark ein, so dass ich am Ende ganz gezielt zuerst einen Freund anrufe und frage, ob er mal auf der rechten Hälfte seiner Wohnzimmercouch nachsehen kann und, falls er nichts entdeckt, das Fundbüro der Bibliothek kontaktiere. Systematisch vorzugehen bedeutet außerdem, alle Alternativerklärungen im Blick zu haben. Eine Zeugenaussage z. B. kann nicht nur entweder wahr oder gelogen sein. Sie kann auch durch Autosuggestion (sich selbst etwas einreden) oder Fremdsuggestion (z. B. Suggestivfragen) entstanden sein.

Falsifikation

Falsifikation ist dasjenige der drei Prinzipien, das einen stetigen Kontakt zur Realität gebietet. Es kann auch solche Gedankengebilde/Theorien geben, die in sich logisch und systematisch aufgebaut sind und die gleichzeitig jedoch keinerlei Bezug zu einer Wirklichkeit haben, an der mehrere Menschen teilhaben können. Solchen Luftschlössern wohnt eine Eigenschaft inne, die allen Theorien fehlt, mit denen Wissenschaftler sich beschäftigen: Sie können nicht widerlegt werden. Die Abbildung unten zeigt ein erfundenes Beispiel für eine schlechte Theorie, in der jede Kindheitserfahrung zu einer Neurose führen kann, die sich wiederum in ganz unterschiedlichen Formen manifestieren kann. Wenn alles mit allem erklärt werden kann, hat man nichts gewonnen. Gute Theorien unterstellen (“Hypothese” wörtlich) der Wirklichkeit konkrete Funktionsweisen oder Zusammenhänge. Je präziser die Vorhersagen sind, die sich aus ihr ableiten lassen, umso brauchbarer ist die Theorie, denn präzise Prognosen lassen sich leicht überprüfen.

schlechte TheorieFalsifikation bedeutet nun, dass Wissenschaftler stets auf der Suche nach Hinweisen sind, die Modelle von der Welt als falsch entlarven. Sie schauen sich eine Theorie genau an und sagen dann: “Ok. Wenn es stimmt, dass Raben schwarz sind, dann müsste ich ja, wenn ich in der Stadt einem Raben begegne, sehen können, dass er schwarz ist.” Wenn eine theoriegeleitete, gezielte Beobachtung nicht mit der Vorhersage übereinstimmt, wird die Theorie verworfen. Wenn das Vorhergesagte sich tatsächlich beobachten lässt, ist die Theorie jedoch noch immer nicht ‘wahr’. Wahr wäre die Raben-sind-schwarz-Hypothese nur dann, wenn wir alle Raben im gesamten Universum beobachten würden und sie allesamt schwarz wären. Das ist leider wenig praktikabel. Statt dessen führt die Suche nach Beweisen dafür, dass Theorien falsch sind, zu einem Prozess des Aussiebens, in dem schlechte Theorien ausgesondert werden und in dem diejenigen Modelle übrig bleiben, die zwar auch nicht ‘richtig’, aber dennoch so nah an der Realität sind wie heute möglich. Diese der Überprüfung standhaltenden Modelle beschreiben die Welt dann in der Regel so zutreffend, dass wir sie benutzen können, um uns das Leben zu erleichtern, z. B. in Form neuer Technologien oder effizienterer Heilmethoden.

Fazit

Psychologen – fernab jeder gedankenlesenden oder sonstigen übernatürlichen menschenkennenden Unternehmung – beschäftigen sich mit dem Erleben und Verhalten von Lebewesen. Neue Erkenntnisse über die psychische Welt erlangen sie auf wissenschaftliche Art und Weise, d. h. sie stellen schlüssige Vermutungen über Gesetzmäßigkeiten an und unterziehen diese dann einer Reihe von systematischen Realitäts-Checks.

Quelle: http://psych.hypotheses.org/96

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