correspSearch – Verzeichnisse von Briefeditionen durchsuchen

Mit dem neuen Webservice “correspSearch” können Verzeichnisse verschiedener digitaler und gedruckter Briefeditionen nach Absender, Empfänger, Schreibort und -datum durchsucht werden. Dafür stehen eine Website und eine Schnittstelle zur Verfügung.Der Webservice aggregiert und wertet TEI-XML-Dateien aus, die auf dem (im Entwurf befindlichen) TEI-Modul “correspDesc” basieren. Mit correspDesc können die Metadaten von Briefen in TEI-XML-Dateien einheitlich erfasst werden. Zur Identifizierung von Personen und Orten werden dabei Normdaten-IDs (GND, VIAF etc.) benutzt. Das Modul „correspDesc“ wurde von der TEI SIG Correspondence entworfen und wird derzeit vom TEI-Council geprüft.

Die digitalen Briefverzeichnisse werden von den jeweiligen Anbietern der Editionen bereitgestellt und von „correspSearch“ abgerufen und durchsuchbar gemacht. Derzeit wertet der Webservice erst wenige Briefverzeichnisse aus. Der Datenbestand soll aber laufend erweitert werden. Jede gedruckte oder digitale Briefedition kann ihr Briefverzeichnis im correspDesc-Format beim Webdienst correspSearch registrieren lassen – wie das geht, erfahren Sie hier.

Der Webservice wurde von TELOTA an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der TEI SIG Correspondence und weiteren Wissenschaftlern entwickelt und bereitgestellt.

Beachten Sie bitte, dass sich der Webservice derzeit noch in einer Testphase befindet.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3994

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Göbels Fastenreise 1532. Ein Mönch unterwegs in Norddeutschland

Er war der Held meines ersten Promotionsjahres: Göbel Schickenberge, Laienbruder und Vogt im Augustinerstift Böddeken in Ostwestfalen. Bruder Göbel hat das Rechnungsbuch seines Klosters zu einem Notizbuch für allerlei Begebenheiten und Eindrücke umfunktioniert. Herausgekommen ist ein  Selbstzeugnis, das für die Jahre 1519-1532 und 1541-1543 tagesaktuelle Meldungen und deren Deutungen festhält und damit seltene Einblicke in den frühreformatorischen Glaubensstreit auf der Ebene des Gemeinen Manns – und des Gemeinen Mönchs – ermöglicht. Das Buch wurde erst 2005 in einer kommentierten Edition von Heinrich Rüthing der […]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/2219

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philtag #12 an der Uni Würzburg

Am 18. und 19. September 2014 findet am Lehrstuhl für Computerphilologie und Digital Humanities der Universität Würzburg der zwölfte Workshop der Reihe <philtag/> statt. Wie in den Jahren zuvor, kommen dabei Wissenschaftler der Geistes- und Kulturwissenschaften zusammen, die neue digitale Methoden in ihrer Forschung einsetzen. Dabei werden die Projekte und Methoden aus den verschiedenen Disziplinen zur Diskussion gestellt.

Themenschwerpunkte werden sein:

Am 18.09. “Digitale Edition und Virtuelle Forschungsumgebungen”

Am 19.09. “Computergestützte Analyseverfahren in den Geisteswissenschaften”

Für einen Abendvortrag am 18.09. konnten wir Gregory Crane, Editor-in-Chief der Perseus Digital Library und Humboldt-Professor an der Universität Leipzig, gewinnen.

Das vollständige Programm und alle weiteren Informationen finden Sie unter folgendem Link.

Der Workshop wird in Kooperation DARIAH-DE (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) durchgeführt und ist im beschränkten Umfang auch für Studierende offen. Wir bitten um Anmeldung bis zum 08.09.2014.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3989

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AIME – An Inquiry into Modes of Existence (B. Latour)

Screen Shot 2014-08-28 at 13.44.01Einige kennen ihn vielleicht aus Laussane von einem sehr interessanten Vortrag im Rahmen des DH 2014-Opening Plenary: Bruno Latour, Soziologe und Philosoph, Schüler u.a. von Gabriel Tarde – gemeinsam mit Michel Callon und John Law prägender Kopf der ‘material-semiotischen’ Methode der sog. Akteur-Netzwerk-Theorie (oft abgekürzt ‘ANT’). Neben anderen hat David M. Berry dieser DH-Vortrag Latours im Rahmen seines Blogs ganz offensichtlich inspiriert.

Als Professor der Sciences Po, Paris – und gemeinsam mit einem großen Team von Mitarbeitern dort sowie weiteren weltweiten Beiträgern – publiziert Latour nun sein neuestes Buch ‘An Inquiry into Modes of Existence’ im Rahmen einer sehr ansprechend gestalteten, zweisprachigen Internetseite (Zugriff: Anmeldung erforderlich): http://www.modesofexistence.org/

Neben einem Projektblog bietet die Seite Vollzugriff auf den Text Latours (“book”) mittels mehrerer interessanter Technologien, wobei hier neben dem “Notizbuch” und der Volltextsuche insb. die dezente und zugleich  intuitive, vielgenutzte Annotationsmöglichkeit besticht. Sie bildet gewissermaßen eine dritte Spalte des Texts. So finden sich auf o.g. Präsenz neben dem Print-Text (und einer Notizbuch-Funktionalität) auch weitere Anmerkungen, u.a. Latours, es entstehen Diskussionen u.v.m.

Hervorzuheben sind daneben aber auch jene ‘disamalgamierenden’ Text-Zugänge (“crossings”), die Textbereiche des Buchs über eine zweite Spalte, die anfangs als alphabetisch angeordnete Abbreviaturen-Liste erscheinen mag, verknüpfend durchziehen – oder aber thematisch angeordnet sowie mittels übersichtlich vernetzter ‘Punkt’-Einstiege einen weiteren Einstieg erlauben. Mehrere, einblendbare Tutorials, teils in Form von Videos, führen begleitend auch in diese experimentelleren Bereiche ein. Nicht zuletzt diese lohenen einen Besuch.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3979

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Wie sehe ich, was das Baby sieht?


Was sehen Säuglinge im ersten Lebensjahr?

Wie können wir das wissen, wenn wir sie nicht fragen können?
Mit der letzten Frage haben sich zum Glück schon einige intensiv beschäftigt, sodass wir auf verschiedene häufig eingesetzte Methoden zurückgreifen können, um an den Antworten zur ersten Frage zu arbeiten.
Da wir die kleinen Studienteilnehmer nicht fragen können, beobachten wir ihr Blickverhalten.

Es gibt verschiedene Methoden, um das Blickverhalten von Säuglingen zu beobachten und zu beurteilen. Vorgestellt werden die Methoden, die wir in unseren Studien einsetzen. Wir beurteilen die natürliche Präferenz für bestimmte Bilder und Objekte oder folgen dem Ansatz der Habituations-Dishabituationsmethode.

Der grundlegende Aufbau für unsere Studien sieht so aus, dass das Baby auf dem Schoß der Mutter sitzt und auf einen Monitor schaut. Oberhalb des Monitors befindet sich eine Kamera, die das Gesicht des Kindes aufzeichnet. Auf unserem Kontrollbildschirm können wir somit zeitgleich die Blickbewegung des Kindes aufzeichnen und auswerten. Wir messen immer einmal live während der Untersuchung und später misst ein anderer Mitarbeiter die Blickzeiten mithilfe des aufgezeichneten Videos. Diese Messung dient der Bestimmung der Interraterreliabilität, der Messgenauigkeit unabhängig vom Versuchsleiter.

Ein Durchgang besteht immer aus einem attention getter und einem Testbild. Frei nach dem Prinzip „alles, was sich bewegt und Geräusche macht, zieht die Aufmerksamkeit von Babys auf sich“ zeigen wir ihnen ein sich drehendes buntes Bild, das alle acht Sekunden ein klingelndes Geräusch macht. Sobald wir die Aufmerksamkeit des Babys gewonnen haben, zeigen wir ihm unser Testbild, das entweder zwei gleiche oder zwei verschiedene Bilder anbietet, die jeweils zentriert auf der linken oder rechten Bildschirmhälfte positioniert sind.

Beurteilung der natürlichen Präferenz

Der Ansatz der natürlichen Präferenz geht davon aus, dass Babys bestimmte Bilder oder Objekte lieber anschauen als andere. Dem Baby werden hierfür in der Regel zwei Bilder gleichzeitig angeboten. Dies kann beispielsweise ein natürliches Gesicht gegenüber einem künstlichen sein oder verschiedene Muster.

Es wird beobachtet, welches spontan und länger angeschaut wird. Wir verwenden hierfür zwei verschiedene Messmethoden: Messung der Blickzeiten (Fantz, 1958; Valentine, 1914) oder die Messung der spontanen Präferenz (Berlyne, 1958; Marsden, 1903; Teller, 1997).

Ein Ziel unserer Studien ist, diese Methoden miteinander zu vergleichen.

Messung der Blickzeiten (CNP):

Bei der Messung der Blickzeiten werden zwei Bilder gleichzeitig präsentiert. In unseren Studien erfolgen vier Testdurchgänge mit denselben Bildern, wobei die Position der Bilder ausgetauscht wird.

Die Blicke des Babys werden kontinuierlich durch den Versuchsleiter erfasst. Es wird permanent entschieden, ob das Baby das rechte, das linke oder keines der beiden Bilder anschaut. Die Messung bricht ab, sobald für insgesamt zehn Sekunden die Bilder angeschaut worden sind. Für die Datenauswertung wird die Anblickzeit für eines der beiden Bilder über beide Testdurchgänge relativiert an der Gesamtanblickzeit berücksichtigt.

Spontane Präferenz (FPL):

Bei dieser Methode werden ebenfalls zwei Bilder gleichzeitig präsentiert. Allerdings erfolgen hier im Gegensatz zur CNP-Messung 24 Testdurchgänge. Es wird in jedem Durchgang dasselbe Bildpaar gezeigt, die Position des Paares wechselt randomisiert. Maximal dreimal hintereinander erscheint die Paarung an derselben Position.

Der Versuchsleiter entscheidet in jedem Durchgang, welches der beiden Bilder spontan vom Baby präferiert wurde. Hierfür hat er maximal zehn Sekunden Zeit. Zeigt das Baby keine eindeutige Präferenz oder ist der Versuchsleiter unsicher, läuft die Zeit ohne Urteil ab. Kriterien für die Beurteilung sind z.B. die Richtung des ersten Blicks, das Aufreißen der Augen und die jeweiligen Anblickzeiten der beiden Bilder.
Für die Datenauswertung wird ein relativer Präferenzscore gebildet, der angibt, wie oft das Kind den Testreiz präferiert.

Erfolgreiches Langweilen und Orientierungsreaktion

Einen anderen Ansatz verfolgt die Habituations-Dishabituationsmethode (Fantz, 1964; Saayman, Ames & Moffett, 1964). Ein Baby ist grundsätzlich neugierig auf alles, was neu ist. Wird ihm immer wieder dasselbe gezeigt, verliert es das Interesse. Diese Eigenschaften nutzen wir, indem wir das Experiment in zwei Phasen einteilen, die Gewöhnungsphase (Habituation) und die Orientierungsphase mit einem neuen Bild (Dishabituation).

Über maximal 15 Durchgänge hinweg zeigen wir den Kindern genau dasselbe Bild auf der linken und der rechten Seite des Monitors. Der Versuchsleiter beobachtet, ob das Kind sich eines der beiden Bilder anschaut oder nicht. Schaut es zwei Sekunden lang weg, bricht der Durchgang ab. Auch wenn das Kind über eine Minute lang beide Bilder anschaut, bricht der Durchgang ab.

Zur Beurteilung, ob das Baby erfolgreich gelangweilt wurde, werden die Anblickzeiten der ersten drei Durchgänge aufaddiert und mit den Anblickzeiten der jeweils letzten drei Durchgängen verglichen. Sobald das Baby in den letzten drei Durchgängen insgesamt nur noch halb so lange geschaut hat wie in den ersten drei Durchgängen, gilt es als erfolgreich gelangweilt. Es hat habituiert.

Wir beenden die Habituationsphase und starten die Dishabituationsphase. Hier wird eines der beiden Bilder durch ein neues ersetzt. Das neue Bild erscheint in zwei Durchgängen jeweils einmal auf der linken und einmal der rechten Bildschirmhälfte. Gemessen wird jetzt nach der CNP-Methode.

Dishabituiert das Baby? Entdeckt es das neue Bild und interessiert sich dafür?

Literatur

Berlyne, D.E. (1958). The influence of albedo and complexity of stimuli on visual fixation in the human infant. British Journal of Psychology, 49, 315-318.
Fantz, R.L. (1958). Pattern vision in young infants. Psychological Record, 8, 43-47.
Fantz, R.L. (1964). Visual experience in infants: Decreased attention to familiar patterns relative to novel ones. Science, 146 (3644), 668-670.
Marsden, R.E. (1903). Discussion and apparatus. A study of the early color sense. Psychological Review, 10, 37-47.
Saayman, G., Ames, E. W. & Moffett, A. (1964). Response to novelty as an indicator of visual discrimination in the human infant. Journal of Experimental Child Psychology,1 (2), 189-198.
Teller, D.Y. (1997). First glances: The vision of infants. The Friedenwald Lecture. Investigative Ophthalmology & Visual Science, 38 (11), 2183-2203.
Valentine, C.W. (1914). The colour perception and colour preferences of an infant during its fourth and eighth months. British Journal of Psychology, 6, 363-386.

Quelle: http://babyvision.hypotheses.org/70

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Bildredakteure

Buchcover: Unter dem Titel – schwarze Schrift auf rotbraunem Untergrund – befindet sich das Foto eines Mannes: Er ist von hinten an seinem Schreibtisch zu sehen, wie er mehrere Fotografien betrachtet; eine zeigt zwei Personen, die mit dem Bogen schießen.

 

Visual History: ARCHIVSOMMER 2023
Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erfolgte im September 2014

Buchcover (Ausschnitt): Kurt S. Safranski, Selling your Pictures, Chicago/New York 1940 (Fotograf:in: unbekannt)

Es gibt viele Bilder, die die meisten Deutschen problemlos vor ihrem inneren Auge abrufen können: Willy Brandts Kniefall in Warschau, das Foto von Hanns Martin Schleyer als Geisel der RAF oder das des vietnamesischen Mädchens, das bei einem Napalm-Angriff schwere Brandverletzungen erlitt. Warum erinnern wir gerade diese Bilder?

Die Frage, wie kollektive Bildgedächtnisse entstehen, ist eng verknüpft mit der Frage nach dem ästhetischen und informativen Gehalt derjenigen Bilder, aus denen sich diese Bildgedächtnisse speisen. Häufig repräsentieren sie historisch einschneidende Ereignisse oder Momente: Dies gilt für die oben genannten Bilder ebenso wie für Robert Capas Aufnahmen vom D-Day in der Normandie, das Bild des sogenannten Tank Man in Peking 1989 oder Bilder vom Einschlag der Flugzeuge in das World Trade Center im September 2001. Andere ikonische Bilder zeigen historische Personen in einer Weise, die deren „Wesen“ besonders gut zum Ausdruck bringt (oder zu bringen scheint). Zu dieser Gruppe von Bildern zählen das millionenfach reproduzierte Porträt von Ernesto „Che“ Guevara, ein Schnappschuss von Albert Einstein mit herausgestreckter Zunge oder das Bild von Marilyn Monroe mit fliegendem Rock auf einem U-Bahnschacht.

[...]

Quelle: https://visual-history.de/2023/08/04/bildredakteure/

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CfP: Workshop „Open History“ beim ThatCamp in Göttingen – Beiträge gesucht

bluesBeim ThatCamp in Göttingen am 22./23.9.2014, das dem diesjährigen Historikertag vorgeschaltet ist, wird es vier Sektionen rund um das Thema „Open Science“ geben. Die Workshops finden auf Englisch statt und werden im Rahmen des FOSTER Programms “FACILITATE OPEN SCIENCE TRAINING FOR EUROPEAN RESEARCH” aufgezeichnet, um anschließend als Trainingskurse online gestellt zu werden.

Für die Sektion „Open History“, die vom Deutschen Historischen Institut Paris und der Geschäftsstelle der Max Weber Stiftung organisiert wird, suchen wir Beiträge und bitten um Vorschläge bis zum 15.9.2014. Der Begriff „Open History“ ist für uns sehr weit gefasst und beinhaltet den offenen Einblick in laufende oder abgeschlossene Forschungsprojekte genauso wie den offenen Einblick in die Arbeitsweise der Forschenden. Dazu gehören beispielsweise:

- Publizieren und Kommunizieren über laufende Forschungsergebnisse via Blogs, Twitter, Slide Share und andere Soziale Netze.

- Bereitstellen, Teilen und gemeinsames Ergänzen von Bibliographien etwa über Zotero und von Linklisten oder Webpages über Diigo.

- Geschichtsvermittlung über Soziale Medien, wie sie beispielsweise über historische Twitteraccounts betrieben wird.

- Publizieren im Open Access, die Nutzung von Online-Repositorien.

- Crowd Sourcing Projekte, in denen beispielsweise gemeinsam Texte transkribiert werden.

Weitere Anregungen und Hinweise zu „Open History“ und den Anwendungen finden sich z.B. im Blogbeitrag „Social Media-Werkzeuge für Historiker/innen – Versuch einer Übersicht“ sowie in der Publikation „CoScience. Gemeinsam forschen und publizieren mit dem Netz“, wobei hier teilweise der Schwerpunkt eher auf dem „gemeinsamen“ als auf dem „offenen“ Forschen liegt.

In der Sektion möchten wir gerne einen Einblick in möglichst viele und unterschiedliche Aspekte von „Open History“ bieten. Dabei soll zum einen immer ein konkretes Projekt vorgestellt werden, um „Open History“ anschaulich zu machen. Zum anderen soll ein kurzer Einblick in das „Backend“ der Webanwendung gegeben werden, um konkret zu zeigen, wie das Werkzeug funktioniert. Das alles – wie gesagt – auf Englisch.

Je nach Anzahl der vorgestellten Werkzeuge oder Projekte, werden die Vorstellungen zwischen 5 und 10 Minuten dauern.

Wir freuen uns auf Vorschläge bis zum 15.9.2014, hier als Kommentar oder per Mail an blog@dhi-paris.fr und blogs@maxweberstiftung.de.

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Abbildung: “When you have the blues…” by Evan Leeson, CC-BY-NC-SA 2.0.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2286

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Rechtsfragen: Wer haftet für Blogbeiträge und Kommentare?


Die in diesem Portal gehosteten Blogs sind – bis auf von der Redaktion von de.hyptheses.org verantwortete Inhalte – “user generated content”.

Jeder Blogautor ist für seine eigenen Beiträge verantwortlich. Jeder Blogbetreiber bietet eine Kontaktmöglichkeit an, an die Beschwerden wegen möglicher Rechtsverletzungen primär zu richten sind. Ein Reaktionszeitraum von drei Werktagen (Montag bis Freitag) sollte eingeräumt werden. Erfolgt keine oder keine hinreichende Reaktion, kann eine Meldung an die Verantwortlichen (siehe oben) erfolgen.

Das steht so im Impressum von de.hypotheses.org. Die zivilrechtliche Haftung für sogenannte nutzergenerierte Inhalte oder “Forenhaftung” ist ein schwieriges und umstrittenes Rechtsgebiet, wie man etwa der 2009 erschienenen juristischen Dissertation von Alexander Hartmann entnehmen kann, die unter stoererhaftung.de auch Open Access einsehbar ist. Es gibt kurze Hinweise (etwa im Basiswissen Journalismus: Presserecht für Journalisten und Blogger), Leitfäden im Netz (etwa von 2010 oder ein Buchkapitel von 2014), zahlreiche Urteile und juristische Fachartikel (benutzt habe ich insbesondere Martin Schuster: Schuster: Prüfungspflichten des Portalbetreibers. In: GRUR 2013, S. 1201 ff.), die – nicht immer auf Wissenschaftsblogs übertragbare – Informationen bereitstellen.

Natürlich haftet zunächst der Verfasser (ich  verwende stets die männliche Form) eines rechtswidrigen Kommentars oder Beitrags. Bei Wissenschaftsblogs dürften vor allem Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Urheberrechtsverletzungen in Betracht kommen. Er kann abgemahnt  und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, die künftige Rechtsverletzungen verhindern soll, gezwungen werden.  Ist er nicht greifbar, muss sich der in seinen Rechten Verletzte an den Forenbetreiber halten. Aber auch wenn der Verletzte den Verfasser kennt, darf er den Forenbetreiber um Abhilfe ersuchen.

Der Forenbetreiber (diese Rolle kann jeder spielen, der fremde Inhalte im Netz ermöglicht: der Bloghoster wie z.B. hypotheses.org oder blogger.com, der Betreiber eines Gemeinschaftsblogs, ein Blogger, der Kommentare zulässt) kann sowohl als Täter als auch sogenannter Störer haften. Als Täter haftet er, wenn er sich die fremden Inhalte zu eigen macht. Als Störer haftet er nur, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt.

Ich kann nicht ganz darauf verzichten, ein wenig Juristen-Kauderwelsch zu zitieren. Das Landgericht Tübingen hatte es 2012 mit einem angeblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Wikipedia-Eintrag zu tun. Die Wikipedia ist ein typisches Beispiel für ein Forum, bei dem Nutzer ohne Vorabkontrolle des Betreibers Artikel schreiben. Das Gericht führte daher aus:

Als Störer haftet aber auch derjenige auf Unterlassung, der ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Guts beiträgt.

Indem die Beklagte die Webseite de.wikipedia.org betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten Internetseiten bereitstellt und den Abruf der Seiten über das Internet ermöglicht, trägt sie willentlich und adäquat-kausal zur Verbreitung von Inhalten bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen. Weil die Störerhaftung jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zumutbar ist. Insofern besteht keine Verpflichtung, die von den Nutzern ins Netz gestellte Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde dazu führen, dass der freie Fluss von Informationen erheblich ein geschränkt und das Geschäftsmodell in Frage gestellt würde. Ferner würde eine Überwachung jedes Eintrages das Betreiben der Online-Enzyklopädie unmöglich machen.

Der Betreiber ist aber als Störer zur Prüfung verpflichtet, sobald er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Der hierfür erforderliche Hinweis muss jedoch so konkret gefasst sein, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, also ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung, bejaht werden kann. Es muss also eine hinreichend substanziierte Abmahnung vorliegen, welche die Gründe der Rechtswidrigkeit deutlich erkennen lässt.

Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat der Bundesgerichtshof 2011 anlässlich eines Rechtsstreits über einen Blogeintrag auf blogspot.com ein eigenes Verfahren ersonnen, an das sich der Bloghoster halten muss:

Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen lassen. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten:

Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.

Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

Deutlich wird das große Gewicht der Meinungsfreiheit. Es bestehen Zweifel, ob die Trollkommentare-Entscheidung des EGMR in Sachen Delfi AS v. Estonia tatsächlich sachgerecht ist (zur Kritik Leo Schapiro, in: ZUM 2014, S. 201ff. – Zusammenfassung). Jeder Forenbetreiber sollte vor der Löschung eines unliebsamen Beitrags über die Rolle der Meinungsfreiheit nachdenken. Das gilt auch für das sogenannte virtuelle Hausrecht. “Wer einen öffentlich zugänglichen Ort der Diskussion anbietet, muss die dort geäußerten Aussagen dulden”, sagt Rechtsanwalt Thomas Schwenke.

De facto kann sich jemand, der sich verunglimpft fühlt oder dessen Urheberrecht verletzt wurde, an denjenigen halten, von dem er sich am ehesten Entgegenkommen verspricht: Autor des Kommentars/Beitrags, Administrator des Gemeinschsaftsblogs, Verantwortlicher des Bloghosters. Die obige Formulierung im Hypotheses-Impressum ist nach deutschem Recht nicht verbindlich: Auch ohne Kontaktaufnahme mit dem Blogger kann sich ein Verletzter direkt an den Bloghoster wenden.

Ein Problem lauert bei dem Zu-Eigen-Machen von Inhalten. Wer als sogenannter Aggregator automatisiert fremde Inhalte übernimmt (etwa der geniale Blog-Aggregator Planet History von Schmalenstroer) kann fremde Ansprüche abweisen. Anders sieht es bei freigeschalteten Kommentaren und redaktionell ausgewählten Inhalten aus.

Die meisten Hypotheses-Blogs dürften Kommentare manuell freischalten (vor allem aus Gründen des Spam-Schutzes). Das bedeutet, dass hinsichtlich dieser Inhalte das Haftungsprivileg des Forenbetreibers entfällt. Da eine Vorprüfung stattfindet, müssen im Fall einer Rechtsverletzung Abmahnkosten getragen und eine Unterlassungserklärung abgegeben werden. Sollte auf der Startseite von de.hypotheses.org eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in einem der von der Redaktion dort platzierten Blogbeiträge wahrnehmbar sein, haftet Hypotheses als Täter, da es sich um zu eigen gemachte Inhalte handelt, denn die Redaktion wählt dafür ihrer Ansicht nach besonders gelungene Beiträge manuell aus. Ein “Freizeichnen” durch Disclaimer ist nicht möglich.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2536

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Soziologiemagazin sucht kreative Unterstützung im Bereich Layout/Satz!

Sehr kurzfristig suchen wir Unterstützung für den Bereich Satz/Layout unserer Oktober-Ausgabe zum Thema “Emotionen: Wie sozial sind unsere Gefühle?”. Gewünschte Skills: – Satz und Druckvorstufe (Layout-Vorlage vorhanden) – langfristig Weiterentwicklung Layout – Kenntnisse in Adobe InDesign CS5 oder CS6 – … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7274

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Über die Gefahr ‚unterwegs im Malfeld abzusaufen‘…

Stuhlkreis

Sinnfällige Metapher oder ironische Anspielung?

… diese Formulierung hat eine Freundin einmal gefunden, um die Schwierigkeiten zum Ausdruck zu bringen, die mit dem fünften der funktional-pragmatischen Felder einhergehen. Und in der Tat rühren diese Schwierigkeiten daher, dass dieses Feld noch wenig bestellt ist.

Ich habe mich an diese Formulierung erinnert, als ich letztens wieder einmal über die Beobachtungsgabe Erving Goffmans staunen musste. Sie geht freilich einher mit einer Gabe, zu schildern, was er beobachtete.

“First, there are overlayed “keyings.” The published text of a serious paper can contain passages that are not intended to be interpreted “straight,” but rather understood as sarcasm, irony, “words from another’s mouth,” and the like. However, this sort of self-removal from the literal content of what one says seems much more common in spoken papers, for there vocal cues can be employed to ensure that the boundaries and the character of the quotatively intended strip are marked off from the normally intended stream. (Which is not to say that as of now these paralinguistic markers can be satisfactorily identified, let alone transcribed.) Thus, a competent lecturer will be able to read a remark with a twinkle in his voice, or stand off from an utterance by slightly raising his vocal eyebrows. Contrariwise, when he enters a particular passage he can collapse the distance he had been maintaining, and allow his voice to resonate with feeling, conviction, and even passion. In sensing that these vocally tinted lines could not be delivered this way in print, hearers sense they have preferential access to the mind of the author, that live listening provides the kind of contact that reading doesn’t.” (Goffman 1981: 174f.)

Hier handelt es sich um einen Auszug aus Goffmans kursorischem Gang durch die Spezifika von Vorlesungen; und was er dort berührt, ist ein nicht uninteressanter Aspekt von Hochschul- und noch mehr von (interner) Wissenschaftskommunikation. Dabei kennzeichnet die Eingangspassage schon eine erste Schwierigkeit, die sich mit diesen Aspekten verbindet. Bei der Umsetzung in die Schriftlichkeit mögen Spuren der von Goffman beobachteten Aspekte noch übrig bleiben. Diese aber identifizieren zu können, gestaltet sich als äußerst voraussetzungsreiche Aufgabe.

Um was für Aspekte handelt es sich dabei aber? Und warum sind diese für mich, sprich für mein Promotionsprojekt1 eigentlich interessant?

Beginnen wir mit dem eingangs erwähnten Malfeld oder vielleicht besser mit der sog. Fünf-Felder-Lehre der Funktionalen Pragmatik: Karl Bühler (1934/1984) hat in seiner Sprachtheorie zwei sprachliche Aufgabenfelder unterschieden. Das Zeigfeld und das Symboldfeld. Das Zeigfeld betrifft die Organisation von Aufmerksamkeit. Indem mit verschiedenen Wörtern und anderen Zeighilfen in unterschiedlichen Verweisräumen gezeigt wird, wird die Aufmerksamkeit von Sprecher und Hörer synchronisiert. Ich, jetzt, hier, her, hinda, dort, jener, dieser, du. Das sind Beispiele für deiktische Ausdrücke. Nonverbale Deixeis spielen selbstverständlich eine ebenso wichtige Rolle (vornehmlich in der Kommunikation unter Anwesenden). Das Symbolfeld betrifft den begrifflichen Haushalt einer Sprache. Symbolfeldausdrücke sind dazu in der Lage begriffliche Gehalte im Hörer zu aktualisieren oder sie veranlassen ihn dazu, in seinem Wissen danach zu suchen. Die Substantive, Adjektive und Verben bzw. ihre Stämme sind die einfachsten Beispiele für Symbolfeldausdrücke. Hören wir diese Stämme geht es nicht darum unsere Aufmerksamkeit auf etwas im Wahrnehmungs-, Rede-, Text- oder Vorstellungsraum zu richten, sondern wir aktualisieren ein begriffliches Wissen; man könnte auch sagen: einen spezifisch strukturierten Frame mit charakteristischen Anschlussstellen (siehe z.B. Busse 2012).

In Auseinandersetzung mit Bühler hat die Funktionale Pragmatik drei weitere sprachliche Aufgabenfelder ausgemacht (vgl. überblickend Ehlich 2010). Die einzelnen sprachlichen Felder benennen dabei Zweckbereiche sprachlichen Handelns unterhalb der Ebene des Sprechakts. Auf dieser Ebene sprachlichen Handelns wird davon gesprochen, dass “Prozeduren” ausgeführt werden, um spezifische Zwecke zu bearbeiten. Bspw. deiktische Prozeduren mit sprachlichen Mitteln wie ich oder hier zum Zweck der Aufmerksamkeitssynchronisation. Prozeduren sind also Handlungseinheiten, deren Zweck sie zu einem Feld zuordenbar macht. In den verschiedenen Sprachen wurden die sprachlichen Mittel, die diese fünf Aufgabenfelder bearbeiten, jeweils unterschiedlich funktionalisiert. Mit Prozeduren werden sprachliche Akte und Handlungen, also Handlungseinheiten höherer Stufe gebildet.

Die drei weiteren Felder, die die Funktionale Pragmatik unterscheidet, sind die Folgenden: das Bearbeitungsfeld, das Lenkfeld, das Malfeld. Zum Bearbeitungsfeld werden sprachliche Mittel gezählt, die das Verhältnis anderer Ausdrücke zueinander verstehbar machen (operative Prozeduren). Damit erfüllen sie eine spezifische Funktion bei der Konstitution propositionaler Gehalte aus einfachen, aneinandergereihten Ausdrücken. Zum Lenkfeld gehören sprachliche Mittel, die einen ‘direkten’ Eingriff ins hörerseitige Handeln nehmen (expeditive Prozeduren). Hörerseitige Interjektionen beispielsweise geben auf subtile aber äußerst präzise und ökonomische Art und Weise dem Sprecher einen Eindruck davon, wie sein Gesagtes verstanden wird, das er auf diese Verstehenssignale hin anpassen kann. Vokativ und Imperativ gehören ebenso in diese Kategorie.

Was leistet nun diese Kategorie der sprachlichen Prozeduren, versammelt in unterschiedlichen sprachlichen Feldern?

“Es sind nun die sprachlichen Prozeduren, die die sprachliche Realisierung von Handlungen [...] tragen, Scharniere, in denen sich die sprachlichen Funktionen, wie sie sich in den mentalen Prozessen hörerseitig niederschlagen, formal erfassen lassen und damit den bekannten linguistischen Analyse-Instrumentarien öffnen.” (Rehbein 2001: 937)

Mit der Kategorie der Prozeduren wird es also möglich die kleinsten grammatischen Strukturen handlungstheoretisch zu begreifen und zu fragen, was diese Mittel interaktional und kommunikativ leisten. Die Feldzugehörigkeit einzelner Ausdrücke und anderer sprachlicher Mittel ist nicht zwangsläufig eine einfache, d.h. einzelne Ausdrücke können durch Aspekte zweier Prozeduren bestimmt sein und in ihrer Funktionalität gerade davon abhängen. Zudem ist die Feldzugehörigkeit, also die Funktionalität (einzelner) sprachlicher Mittel historisch (und auch subkulturell) veränderlich – wie das bei Sprache immer der Fall ist.

Nun zum letzten Feld, dem Malfeld. Sprachliche Mittel dieses Feldes werden ausgeführt, um expressive Prozeduren zu realisieren. Zum Malfeld heißt es an unterschiedlichen Stellen z.B.:

“Mittels der malenden Prozedur drückt der Sprecher eine affektive Befindlichkeit aus, die er so dem Hörer kommuniziert, um eine vergleichbare Befindlichkeit bei ihm zu erzeugen.” (Ehlich 2010: 541f.)

“Abgleichung der S+H-Einschätzungen” (Ehlich 2009: 435)

das Malfeld mit Ausdrücken zum Vollzug malender Prozeduren, d.h. im weiten Sinne zur expressiven Verbalisierung von Atmosphärischem und Emotionen, was im Deutschen vor allem durch  intonatorische Modulation, kaum durch einzelne Wörter geschieht” (Redder 1998: 67)

“die expressiven Prozeduren des Malfeldes wie Imitationen, geheimnisvolle oder expressive Intonation (wie Toll!), die bei H eine Bewertung bewirken” (Rehbein 2001: 937)

“Solche Prozeduren haben es mit der Kommunikation von situativer “Atmosphäre” und psychophysischer Befindlichkeit, von Stimmung und Emotion  zu tun.” (Redder 1994: 240)

Das Malfeld erweist sich in diesen Charakterisierungen wahrlich als ein weites Feld, dessen Bestimmung offenbar noch nicht präzise greifbar ist: Befindlichkeit, Einschätzung, Atmosphärisches, Emotionen, Bewertung. Das scheint mir eine äußerst heterogene Liste zu sein, die andeuten könnte, dass das Malfeld als – wie es sich bisher darstellt – Restkategorie des Subjektiven vielleicht grundlegend überdacht werden sollte.2 Dass sich das so darstellt, liegt auch daran, dass Untersuchungen dazu noch recht rar sind. Redders (1994) Analyse einer Nacherzählens stellt dazu einen ersten Schritt dar. Zu den sprachlichen Mitteln des Malfeldes schreibt sie:

“Es dominieren eindeutig Formen der Modulation. Allerdings sind auch vereinzelte lexikalische Formen verwendet, namentlich ‘ach Gott!’ [...] und das Kompositumelement ‘Riesen-’ [...]. Eine einzig syntaktisch zu nennende Form fällt auf, nämlich die rhythmische Isolierung syntaktisch ansonsten verbundener Ausdrücke [...]; ich habe sie als Parallelismus interpretiert.” (Redder 1994: 253)

Das bringt uns zurück zum obigen Zitat von Goffman, in dem er eine Reihe kommunikativer Mittel hervorhebt, mit denen bewertet, eingeschätzt, eine Befindlichkeit gegenüber dem Gesagten zum Ausdruck gebracht wird. Er beschreibt unterschiedliche intonatorische, modulatorische aber auch nonverbale Mittel der Distanzierung und der Approximation an das Gesagte. Sein Beispiel stammt selbstverständlich aus einem spezifischen Kommunikationsbereich. In der Wissenschaft besteht eine große Notwendigkeit solche Verhältnisse zum  Zitierten, um das es hier ja hauptsächlich geht, herzustellen. Genauer: Es besteht essentielle Notwendigkeit eine Positionierung zum bisherigen Forschungsstand darzustellen. Und Goffman hat hier quasi die virtuosen Mittel herausgegriffen, die diesen Zweck auf äußerst subtile und differenzierte Art und Weise bearbeiten und er hat nicht einfache Formulierungsmuster im Blick, die das Zitierte oder Referierte in bestimmter Weise qualifizieren, indem dieses in Matrixsätze wie X betont zu recht, dass oder Y hat sehr treffend herausgearbeitet, dass eingebettet wird (Steinseifer 2010: 95). Das sind gewissermaßen neuralgische Punkte, an denen sich eristische Handlungen manifestieren dürften (vgl. da Silva 2014),3 da die Qualifizierung fremder Erkenntnisse für die Konturierung der eigenen Position – ich bin geneigt zu sagen: der eigenen eristischen Origo – wesentlich ist.

Wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, wir die Beherrschung der Mittel, die dem Hörer oder Leser solche Hinweise geben, mit zunehmender Sozialisation im Wissenschaftsbetrieb immer zahlreicher, immer subtiler und auch (mehrfach) adressierbar.4 Und wie Goffman zeigt, geht es dabei nicht nur um Einschätzungen des Wahrheitsgehaltes vorgängiger Forschung. Wissenschaft ist ja gewissermaßen eine Lebensentscheidung. Zwangsläufig bleiben Befindlichkeiten und Emotionen nicht aus. Fraglich ist nur, wie stark sie einerseits Eingang in die traditionellen Publikationsinfrastrukturen finden DÜRFEN und andererseits, ob sie überhaupt Eingang finden KÖNNEN in diese Verdauerung wissenschaftlicher Kommunikation. Nicht ohne Grund schreibt Goffman:

“In sensing that these vocally tinted lines could not be delivered this way in print, hearers sense they have preferential access to the mind of the author, that live listening provides the kind of contact that reading doesn’t.” (Goffman 1981: 174f.)

In der Tat sind die Mittel, die Redder (1994) herausgearbeitet hat, nicht einfach in die Schriftlichkeit überführbar, ja sie scheinen nicht einmal einfach ‘übersetzbar’ zu sein, wenn man bedenkt, welche stilistischen, ja normativen Anforderungen an den wissenschaftlichen Ausdruck geknüpft sind. Nichtsdestotrotz haben wir alle schon Texte von Kolleg_innen gelesen, die wir gut und lange kennen, mit deren Auffassungen und deren Stil wir vertraut sind. Mit diesem Hintergrundwissen meint man, Spuren malender Prozeduren in einzelnen Texten ganz sicher ausmachen zu können, man ‘hört’ den_die Autor_in und seine_ihre Befindlichkeiten gewissermaßen beim Lesen selbst sprechen. Welche Mittel das sind, die uns diesen Eindruck gewinnen lassen, ist freilich nicht so ohne Weiteres zu sagen. Ist doch schließlich auch das höchst individuell.

Das Problem linguistischer Analysen diesen Zuschnitts ist, dass sie mit zunehmendem Hintergrund-, ja mit zunehmenden Feldwissen zunehmend komplex und detailliert; aber auch zunehmend idiosynkratisch werden. Gerade für das Malfeld, das in weiten Bereichen sicherlich auf gruppenspezifisches Hintergrundwissen aufbaut oder anders: das die detaillierte Kenntnis gemeinsamer oder zumindest geteilter Kommunikationsgeschichte bedarf, um umfänglich verstanden zu werden – gerade für das Malfeld also bedeutet das, dass dessen Rekonstruktion äußerst voraussetzungsreich ist. Genauso verhält es sich mit der titelgebenden Phrase und der gewählten Illustration. Es schließt sich die Frage an, ob es sinnvoll erscheint, diese Voraussetzungen für die Analyse z.B. interner Wissenschaftskommunikation restlos einzuholen. Mir scheint nicht. Sind doch die Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, die am Diskurs teilnehmen, i.d.R. auch nicht umfänglich über die Hintergründe verständigt, die die jeweiligen Anspielungen vielleicht nur von den Mitgliedern einer Schule oder gar nur von einer kleinen Gruppe von Kollegen lesbar werden lassen.

Die illokutiven Horizonte5, die wissenschaftliche Texte bergen, weil ihre Autor_innen damit befasst sind, kontinuierlich, konkurrenziell und kooperativ um die Wahrheit zu ringen, sind also mit unterschiedlichen Wissenshintergründen auch unterschiedlich tief zu erschließen. Selbiges kennzeichnet aber auch die Situation des durchschnittlichen Wissenschaftlers, was diese hermeneutische Herausforderung nicht zu einem Spezifikum der Forschungssituation macht, sondern auch die alltägliche Situation der Akteure selbst kennzeichnet.

Literatur

Bühler, Karl (1982): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Ungekürzter Nachdruck der Ausgabe von 1934. Stuttgart: Gustav Fischer.

Busse, Dietrich (2012): Frame-Semantik. Ein Kompendium. Berlin, Boston: De Gruyter.

Ehlich, Konrad (2009): Interjektion und Responsiv. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin, New York: De Gruyter, S. 423–444.

Ehlich, Konrad (2010): Prozedur. In: Glück, Helmut (Hg.): Metzler-Lexikon Sprache. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 541–542.

Goffman, Erving (1981): The Lecture. In: Erving Goffman: Forms of Talk. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, S. 160–196.

Pohl, Thorsten (2007): Studien zur Ontogenese wissenschaftlichen Schreibens. Tübingen: Niemeyer.

Redder, Angelika (1994): “Bergungsunternehmen” – Prozeduren des Malfeldes beim Erzählen. In: Brünner, Gisela/Graefen, Gabriele (Hg.): Texte und Diskurse. Methoden und Forschungsergebnisse der funktionalen Pragmatik. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 238–264.

Redder, Angelika (1998): Sprachbewusstsein als handlungspraktisches Bewusstsein – eine funktional-pragmatische Diskussion. In: Didaktik Deutsch 3 (5), S. 60–76.

Rehbein, Jochen (2001): Das Konzept der Diskursanalyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.2), S. 927–945.

Silva, Ana da (2014): Wissenschaftliche Streitkulturen im Vergleich. Eristische Strukturen in italienischen und deutschen wissenschaftlichen Artikeln. Heidelberg: Synchron.

  1. Wobei ich betonen möchte, dass ich nicht nur aus Promotionsprojekt bestehe! ;-) 
  2. Überdacht vor allem deswegen, weil die expressiven Prozeduren, im Vergleich zu allen anderen Prozeduren, gewissermaßen omnipräsent sind. D.h. es muss angenommen werden, dass Ausprägungen expressiver Prozeduren überall und immer in unterschiedlicher Markiertheit vorhanden sein müssen, da immer eine Befindlichkeit, Stimmung, Emotionalität in verschiedenen Graden rekonstruiert werden kann. Ein Anschluss an die Diskussionen der linguistischen Stilistik (z.B. die Arbeiten von Fix oder Sandig) erschiene hier sinnvoll.
  3. Ich bin gerade über Ana da Silvas (2014) Dissertation. Sie ist ganz frisch erschienen und ich freue mich schon auf ihre Analysen.
  4. Pohl (2007) scheint mir zum Thema der Ontogenese wissenschaftlicher Schreibfähigkeit äußerst reichhaltig und ertragreich zu sein. Dem muss ich bei Gelegenheit noch mehr Aufmerksamkeit widmen.
  5. Ana da Silva (vgl. 2014: 45f.) spricht von ‘illokutiven Strata’.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/645

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