Das Jahr 1995 – ein Wendepunkt in der norwegischen Erinnerungskultur?
Sprechende und schweigende Malerei
Sprechende und schweigende Malerei
“Ich muss reden, auch wenn ich schweigen muss” - Tocotronic Das von Plutarch dem Simonides von Keos zugeschriebene Dictum, die Malerei sei stumme Dichtung und die Dichtung sprechende Malerei, kann auf eine lange Rezeptionsgeschichte zurückblicken. Leonardo da Vinci etwa war mit der Wahl des Adjektivs „stumm“, mit dem Simonides die Malerei beschrieb, nicht einverstanden und schlug gewissermaßen zurück: „Heissest du die Malerei eine stumme Dichtung, so kann auch der Maler die Poesie eine blinde Malerei nennen. Nun sieh zu, wer der schadhaftere Krüppel sei, [...]
Vorläufiges Tagungsprogramm
Das Tagungsprogramm für die Tagung “Offene Archive” steht nun langsam fest. Es wird folgendermaßen aussehen:
1. Allgemeines Web 2.0.-Modul
● Ulrike Schmid, Kultureinrichtungen im Social Web – Vorbild für Archive
● Klaus Graf, Mitmach-Web und “Bürgerarchive”
- Frank Tentler/Christoph Spließ, Transmedia storytelling – eine archivische Methode in den sozialen Medien?
● Christoph Deeg, Neue Wege für Archive? -wie virtuelle Welten und Gaming-Communitys die Arbeit von Archiven verändern können.
2. Archive 2.0 aus Sicht (nicht nur:) der Nutzer. Probleme und Erwartungen
● Peter Haber: Was erwarten Historiker von Archiven 2.0?
● Daniel Bernsen: Was erwarten Geschichtslehrer von Archiven 2.0?
● Christian van der Ven, Social Media at the BHIC (Brabants Historisch Informatie Centrum)
● Georg Vogeler, Diplomatik 2.0 – ein Überblick
● Susann Gutsch, Digital Preservation 2.0 – Die Archivierung von Web 2.0-Anwendungen
3. Überblick über die deutschsprachige und ausländische Archivlandschaft 2.0
● Bastian Gillner, Aufgewacht, aufgebrochen, aber noch nicht angekommen. Das deutsche Archivwesen und das Web 2.0
● Jochen Vermote, Das Stadsarchief Ieper im Web 2.0 (mit einem Überblick zur Situation
in Belgien)
● Christian van der Ven, “Archives 2.0″ in the Netherlands
● Charlotte Jensen, Beispiel Dänemark…
● Nina Gostenčnik, Regional Archives Maribor, Slovenia: The Regional Archives Maribor in WEB 2.0 and the overall situation in Slovenian archives
● Edouard Bouyé, Beispiel Frankreich…
4. Praxisbeispiele im deutschen Archivwesen
● Robert Lange, Imagefilme für Archive im Internet
● Oliver Sander, Die Kooperation des Bundesarchivs mit Wikimedia
● Jens Murken, Archivpädagogik 2.0 – erste Schritte
● NN, Regionale archivische Weblogs (Thomas Wolf – siwiarchiv?)
● Björn Berghausen, Vorstellungen und Einstellungen zur Einrichtung eines Archivblogs -
ein Praxisbericht
● Kurzstatements: Facebook, Twitter & Co. in der Praxis – die Stadtarchive Frankfurt am Main, Linz am Rhein und Speyer
5. Fazit/Ausblick
● Mario Glauert, „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“ (Hermann Hesse, „Stufen“)
Der 22. Juli im Spiegel der »fünf dunklen Jahre«
Der 22. Juli im Spiegel der »fünf dunklen Jahre«
Gamification – Ist alles nur ein Spiel?
Um den Ernst des Lebens etwas zu mildern, halten Elemente aus Spielen Einzug in unser tägliches Leben. Das nennt man Gamification oder auch Gamifizierung und bezieht sich z.B. auf Belohnungen durch Punkte oder Ranglisten. Aber nicht nur: Ich habe ein 200 Jahre altes Beispiel für Gamification gefunden, das von einem gewissen Humor zeugt, ein Objekt der gewohnten Umwelt „gamifizierend“ umzugestalten.
Durch den Artikel “Die große Verführung“ in der WirtschaftsWoche bin ich auf das Thema aufmerksam geworden [1], in dem es um den Einsatz von Smartphones beim Einkaufen geht. Kunden der schweizer Supermarktkette Coop scannen, vor einer Schaufensterscheibe stehend, den Barcode der Artikel ein, die sie kaufen möchten. Hier erinnern Gestik und Körpereinsatz an die Verwendung der Spielekonsole Wii (sh. Video).
Oder es wird über die App der Firma Wynsh berichtet. Man fotografiert in Geschäften, die an sog. Wynsh-Aktionen teilnehmen, den Artikel, den man kaufen möchte. Nach einer kurzen Wartezeit wird der wenige Minuten gültige Rabatt für das Produkt angezeigt. Hier wird das Neugierverhalten (wie viel Rabatt bekomme ich?) des Kunden / Spielers adressiert. Hinzu kommt ein gewisser Zeitdruck, da die Kaufentscheidung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne getroffen werden muss. (Als Beispiel für ein Spiel unter Zeitdruck fällt mir gerade ARTigo ein.)
Jetzt zu dem 200 Jahre alten Beispiel: Auf der Isle of Sark steht in der Seigneurie ein besonderer Stuhl, wie in der 360° – Geo Reportage auf arte kürzlich zu sehen war. Dieser Stuhl, aus Holz und Leder gefertigt, wurde einst einem pensionierten Jäger geschenkt. Das Besondere an ihm ist, dass er durch Auf- und Abbewegungen des Sitzenden diesem ein Gefühl des Reitens zu Pferde vermittelt, was durch entsprechende knarzende Geräusche verstärkt wird. Quasi ein Hoppe-hoppe-Reiterstuhl, der zur Simulation altersbedingt nicht mehr möglicher Tätigkeiten ersatzweise Verwendung fand.
Übrigens sind Simulationsspiele derzeit ein Renner. Sie bedienen den Wunsch, aus der gelebten Realität auszubrechen und in eine andere, wünschenswertere Realität einzutauchen. Man darf gespannt sein, was da im Zeitalter einer immer älter werdenden Gesellschaft noch auf uns zukommt.
Literatur:
[1] Andreas Menn: Die große Verführung, in: WirtschaftsWoche 9 (2012), S. 62 – 66
[2] 360° – Geo Reportage: Sark, die Kanalinsel der Queen, Sendung vom 31. März 2012, 19.30 Uhr auf arte, Regie: Mirella Pappalardo
Quelle: http://games.hypotheses.org/93
Eine geheime Aufforderung zum Karfreitagstanz
“Redemptor clemens stabiliens vitam iustis suis in paradiso amen.”
Wenn man sich an ein paar Bröckchen Latein erinnert (so wie ich), so könnte man sich vielleicht zusammen konstruieren, dass irgendwie von einem barmherzigen Erlöser und wahrscheinlich dem Garten Eden die Rede ist und sich dabei ein wenig über die getroffene Wortwahl wundern. Altphilologen würden wohl skeptischer werden ob der Holprigkeit des Ausdrucks. Niemand aber könnte wohl erahnen, dass es sich um eine versteckte Aufforderung handelt, das behördlicherseits streng kontrollierte Tanzverbot am stillen Feiertag zu ignorieren. Verschlüsselt wurde diese Aufforderung mit einer Methode, die beschrieben wird im ersten Buch der sechsteiligen Polygraphia von Johannes Trithemius. Leser dieses Blogs, die schon zu Posterous-Zeiten dabei waren oder über den Übersichts-Artikel den ersten und den zweiten Teil zur Entschlüsselung der Steganographia III gelesen haben, ist der Name Johannes Trithemius bereits ein Begriff. Ich habe ihn als Abt des Klosters Sponheim im Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert vorgestellt. Wegen einer unguten Geschichte hinsichtlich der Rezeption seines ersten Buchs zu Geheimschriften (eben der Steganographia) stellte er sein Amt dort zur Verfügung und war bei der Fertigstellung der Polygraphia bereits der Abt des Klosters Würzburg. Ich hatte den Ablauf der Ereignisse, die Trithemius zum Klosterwechsel veranlassten, bereits in den beiden erwähnten Posts thematisiert, das Problem lag in der explosiven Kombination einer großspurigen Vorankündigung des Werks, einer Menge arkanen Popanz im Buch sowie einem Abt, der lieber den überlegenen Geheimniskrämer gab, als glaubhaft darzulegen, dass das, was wie magischer Schnickschnack aussah, in Wirklichkeit durchdachte Chiffriermethoden waren. Trithemius wiederholt diese Fehler im Falle der Polygraphia nicht, dem Buch geht – zumindest oberflächlich betrachtet – jeder Anschein des Geheimnisvollen ab. Mit der Polygraphia wird aber etwas eingelöst, was schon für die Steganographia angekündigt war: Die Beschreibung eines Verfahren, mit dem – wie Trithemius behauptet – ein ungelehrter Mann innerhalb von zwei Stunden das Lateinische lesen, schreiben und verstehen können soll. Dieses Verfahren entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings eher als eine raffinierte Chiffriermethode denn als tatsächliches Lernprogramm für die lateinische Sprache. Dessen ungeachtet wird der Ansatz später sowohl ins Französische (durch Gabriel des Collange 1561) als auch ins Tschechische (durch Raphael Mnishowsky, um 1628) übertragen, um es tatsächlich als Lernverfahren für das Französische bzw. Tschechische einzusetzen. Beides kann eigentlich nicht wirklich funktioniert haben. Bessere Aussichten hatte da die Entlehnung der Methode als Chiffre. Betrachten wir aber zunächst ihre Funktionsweise. Neben einer kurzen lateinischen Beschreibung zu Anfang finden sich in der Polygraphia I 383 Listen, die aus jeweils 24 untereinander platzierten Wörtern bestehen. Zusammengenommen ergeben diese Listen eine über mehr als 100 Seiten laufende Tabelle, die sich aus 24 Zeilen und 383 Spalten zusammensetzt. Die ersten sechs Spalten finden sich in der Tabelle unten. Wie die Tabelle andeutet, stehen die 24 Zeilen der Tabelle für 24 Buchstaben des Alphabets (im Vergleich zu dem heute bei uns gebräuchlichen Alphabet fehlen die Buchstaben j und v). Für jeden dieser Buchstaben hat Trithemius 383 verschiedene Wörter zusammengestellt, welche diese ersetzen können. Insofern kann man hier von einer Substitutionschiffre sprechen, die für jeden Klartext-Buchstaben 383 Geheimtext-Homophone bereitstellt. Die Anordung der Wörter in der Tabelle aber ist auf eine beeindruckende Weise ausgeklügelt: Jede Spalte enthält nur Wörter mit gleichen morphosyntaktischen Merkmalen (die erste Spalte etwa nur maskuline Nomen im Nominativ). Benachbarte Spalten sind dabei so gewählt, dass sich sowohl ein syntaktischer wie auch ein semantischer Anschluss ergibt, egal welche Kombination von Wörtern (als Chiffren für eine Buchstabenkombination) auch ausgewählt werden. Ersetzt man mit Hilfe dieser Tabellen einen Klartext sukzessive Buchstaben für Buchstaben mit einem Wort der jeweils nächsten Spalte, so ergibt sich damit ein lateinischer Text, der an ein Gebet erinnert. Der Geheimtext ist damit nicht nur verschlüsselt, sondern zugleich auch maskiert, das heißt – zumindest für Laien – nicht als verschlüsselter Text erkennbar. Aus diesem Grund wurde das Verfahren später auch als Ave-Maria-Chiffre bezeichnet. Das Verfahren ist (wie eigentlich alle trithemischen) sehr innovativ und durch die Kombination von steganographischen (versteckenden) und kryptographischen (verschlüsselnden) Elementen auch doppelt sicher – man muss ja erst einmal darauf kommen, dass man es überhaupt mit einer verschlüsselten Botschaft zu tun hat. Selbst wenn man um diese weiß, dürfte es so gut wie unmöglich sein, den Klartext auf irgend eine Weise zu rekonstruieren, hat man nicht die Ersetzungstabelle (in diesem Fall eine Ausgabe der Polygraphia) zur Hand. Das Verfahren weist allerdings auch eine Reihe von Nachteilen bezüglich seiner Anwendung auf:- Der verschlüsselte Text ist um einiges länger als die ursprüngliche Nachricht – schließlich werden ja einzelne Buchstaben durch ganze Wörter ersetzt.
- Nach 383 Klartextzeichen kommt man am Ende der Ersetzungsspalten an. Beginnt man einfach wieder von vorne, so öffnet man ein Einfallstor für einen kryptoanalytischen Angriff auf den Geheimtext, weil sich zwangsläufig Wörter häufig wiederholen werden, die hochfrequent vorkommende Buchstaben ersetzen.
- Sender und Empfänger müssen beide über die gleiche Ersetzungstabelle verfügen. Niemand anderem sollte diese zur Verfügung stehen.