Telegrafie – Aktenkunde – Diplomatie (Emser Depesche, Schluss)

Manchen Lesern mag die aktenkundliche Behandlung der Emser Depesche in den letzten vier Postings erschöpfend detailliert vorgekommen sein. Dabei habe ich vieles ausgelassen oder vereinfacht. Aber es ist völlig legitim, die Sinnfrage zu stellen. Wo und wie hilft die Aktenkunde als Hilfswissenschaft? Zurecht wird die Forderung gestellt, die Aktenkunde müsse sich (wie vor ihr die Urkundenlehre) auch Fragen der pragmatischen Schriftlichkeit zuwenden (Schäfer 2009: 98-101, 119). Für die Telegrafie im Dienst der Diplomatie ist dies besonders reizvoll, und die Emser Depesche ist ein gutes Beispiel – das am Ende auch zeigt, warum das solide handwerkliche Fundament unverzichtbar bleibt.

David Nickles’ “Under the Wire” (2003) ist eine faszinierende Lektüre, noch dazu hervorragend geschrieben. Der Mitarbeiter im Historischen Dienst des Departement of State hat sich damit befasst, wie der Telegraf die Arbeitsweise und den Charakter der Diplomatie verändert hat: Erstmals konnten die Außenminister der Mächte ihre Botschafter minutiös dirigieren und in Krisenzeiten annähernd in Echtzeit handeln. Damit stieg allerdings auch der Handlungsdruck, mit vielleicht fatalen Folgen, wenn die öffentliche Meinung aufgestachelt war. Jedenfalls konnte die Außenpolitik zentralisiert und bürokratisiert werden. Für einen Politiker wie Bismarck, der seine Diplomaten als Befehlsempfänger betrachtete und Weisungen exakt ausgeführt wissen wollte, war der Telegraf wie geschaffen. So konnte er selbst von Varzin aus in das Geschehen eingreifen (Nickles 2003: 47 f., 117).

Die Emser Depesche erwähnt Nickles (2003: 7) nur en passant: “The Franco-Prussian war was the first major conflict whose origins were popularly associated with a telegram.” Aber nicht nur im kollektiven Gedächtnis ist die Emser Depesche emblematisch für die Diplomatie im Zeitalter des Telegrafen: Nur mit der Geschwindigkeit dieser Technologie konnte Bismarck in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli eine verloren geglaubte diplomatische Operation mit wenigen geschäftstechnischen Handlungen um ihre eigene Achse drehen und in einen Sieg verwandeln.

Noch weiter treibt diesen Ansatz Tobias Nanz in seiner medienwissenschaftlichen Dissertation (2010). Für Historiker ist dieses Buch, in dem das System der europäischen Diplomatie anhand einer Dekonstruktion von Shakespeares “Der Sturm” beschrieben wird, vielleicht etwas ungewohnt. Auch muss man den assoziativen Sprachstil dulden, in dem Bismarck “wie ein optischer Telegraph agierte” (im Wortsinn angesichts der Statur des Fürsten Bismarck eine interessante Vorstellung) und “die komplexen Verflechtungen eines bevorstehenden Krieges in die fechttechnischen Codes Quartz [sic!] und Terz zu transformieren” imstande war (Nanz 2010: 180).

Dennoch bringt Nanz interessante Ansätze, etwa den Hinweis darauf, dass Bismarck mit Lothar Bucher einen Quereinsteiger ins Auswärtige Amt geholt hat, der als Redakteur des Wollfschen Telegrafenbüros große Erfahrung im Telegrammstil hatte, der maximalen sprachlichen Verkürzung von Nachrichten bis an den Rand der Verständlichkeit (Nanz 2010: 181-183). Was unmittelbar der Gebührenersparnis diente, kam Bismarcks Stil der Arbeit mit Drahterlassen zur Steuerung seines Apparats sehr entgegen.

Wenn Nanz (2010: 183 f.) in der Kürzung des Textes aber nur die konsequente Anwendung des Telegrammstils auf Abekens in der Tat umständlichen Bericht sehen will, geht das zu weit. Beim Telegrammstil geht es um die Verringerung der Wortzahl. Dazu werden alle irgendwie entbehrlichen Partikeln und Füllwörter gestrichen. “Ankomme Donnerstag” ist typischer Telegrammstil. Der Aktenbefund eines so redigierten Telegramms zeigt Streichungen und zwischen die Zeilen geschriebene Änderungen. Die Pfeilmarkierungen auf der Entzifferung von Abekens Telegramm zeigen aber keine redaktionelle, sondern eine inhaltliche Bearbeitung an. Bismarck wandte nicht den Telegrammstil an, denn die übernommenen Passagen zeigen unverändert Abekens Weitschweifigkeit. Vielmehr formulierte er durch Auslassung von Textblöcken eine Botschaft an die französische Führung. Letzteres sieht Nanz (2010: 186) auch selbst, löst den Widerspruch aber nicht auf.

In seinen Erinnerungen legt sich Bismarck (hg. v. Ritter/Stadelmann 1932: 310) Folgendes in den Mund: “Wenn ich diesen Text [...] sofort nicht nur an die Zeitungen, sondern auch telegraphisch an alle unsere Gesandtschaften mittheile, so wird er vor Mitternacht bekannt sein [...]“. Nun ist dieses Werk als Rechtfertigungsschrift bekanntlich mit großer Vorsicht zu rezipieren.

Daran fehlt es bei Nanz (2010: 188), der anhand des Aktenbefunds registriert, dass im Verteiler der “1. Expedition” zunächst auch das Wollfsche Telegraphenbüro stand, vor dem Abgang aber wieder gestrichen wurde: “Vielleicht hatte man im Auswärtigen Amt doch noch ein wenig Angst vor dem ‘gallischen Stier’. [...] Es bot sich offenbar eine weniger direkte Lösung an: Man verschickte die erste Expedition wie auch die zweite [...] im Gegensatz zur dritten um 2.30 Uhr morgens nicht in Ziffern, sondern en clair, wie man an der Korrektur am Kopf des Blattes bemerken kann. Jeder, der den Morse-Code beherrschte und Zugang zu einer Telegraphenleitung hatte, konnte den Text lesen. Damit dürfte für eine breite Öffentlichkeit gesorgt worden sein”.

Setzte Bismarck also auf ein “Ems-Leaks”? Nanz (2010: 186) weiß selbst, dass der Depeschentext schon um 21 Uhr als Extrablatt der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vertrieben wurde. Gegen 23 Uhr, also zum Zeitpunkt der Absendung der 1. und 2. Expedition, war er in der Berliner Öffentlichkeit schon allgemein bekannt (Walder 1972: 19 Anm. 2, 73). Da brauchte es keine geschwätzigen Telegraphenbeamten mehr.

Nanz übersieht hier den eigentlichen Witz im Verteiler der 3. Expedition: die Vorgabe eines Leitwegs über England für den nach Madrid bestimmten Erlass (4. Folge). Damit wurde eine Durchleitung durch Frankreich vermieden.

Im Quai d’Orsay lag der Depeschentext anhand der Zeitungsmeldungen erst am Morgen des 14. Juli vor, der Originaltext der 3. Expedition über den französischen Ministerresidenten in München erst am Mittag (Brase 1912: 147 f.). Um 12.30 Uhr berichtete schließlich auch der französische Botschafter, der in Ems ebenfalls aus der Zeitung davon erfahren hatte, nach Paris (Benedetti 1871: 386).

Was war hier passiert? Gerade in Paris wurde der Text eben nicht schon “vor Mitternacht” bekannt. Der aktenkundliche Befund zu Punkt 9 des Verteilers auf der 3. Expedition macht evident, dass genau das, nämlich ein frühzeitiges Bekanntwerden in Frankreich, verhindert werden sollte. Die französische Regierung sollte die Nachricht aus der Zeitung erfahren, um die Demütigung zu vervollständigen, und eben nicht durch ein Leck.

Bismarck rechnete mit der Kompromittierung der Madrider Chiffre und wählte deshalb den Leitweg über London. Er wollte verhindern, dass Gramont es von seinem cabinet noir erfährt, bevor er es in der Zeitung lesen muss. In dieser Feststellung liegt der historische Erkenntniswert der unscheinbaren Verteiler-Verfügung.

Wir sehen in diesem aktenkundlichen Befund eine präzise aus der Ferne gelenkte Operation, deren Timing von wenigen Stunden abhing. Die Emser Depesche bestätigt  eindrucksvoll die Schlüsse, die Nickles für die pragmatische Schriftlichkeit Diplomatie im Zeitalter des Telegrafen gezogen hat. Sie baut Interpretationen historischer Quellen vor, die sich zu weit von der Basis entfernen. Und sie ermöglicht es, aus dem „Text“ des „Dokuments“ und den Bearbeitungsspuren auf dem physischen Schriftträger die vollständige Quellenbasis überhaupt erst herzustellen.

Handwerkliche Expertise ist nicht alles, aber ohne sie ist die historische Arbeit nichts.

- Fin -

Literatur

Benedetti, [Vincent] Comte 1871. Ma mission en Prusse. 2. Aufl. Paris 1871. (Online)

Bismarck, Otto von. Erinnerung und Gedanke. Ritter, Gerhard und Stadelmann, Rudolf Hg. 1932. Gesammelte Werke 15. Berlin.

Brase, Siegfried 1912. Emile Olliviers Memoiren und die Entstehung des Krieges von 1870. Historische Studien 98. Berlin.

Nanz, Tobias 2010. Grenzverkehr. Eine Mediengeschichte der Diplomatie. Zürich/Berlin.
Nickles, David Paull 2003. Under the Wire. How the Telegraph Changed Diplomacy. Harvard Historical Studies 144. Cambridge, MA 2003. (Vorschau bei Google Books)

Schäfer, Udo 2009. Amtliche Aktenkunde der Neuzeit: Records Management des 21. Jahrhunderts. Zur Schnittmenge zweier Disziplinen. In: Uhde, Karsten Hg. 2009. Quellenarbeit und Schriftgutverwaltung – Historische Hilfswissenschaften im Kontext archivischer Aufgaben. Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 48. Marburg. S. 89-128.

Walder, Ernst Hg. 1972. Die Emser Depesche. Quellen zur neueren Geschichte 27-29. 2. Aufl. Bern.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/235

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Ein neuer Blog: „Archiv des Schottenstifts“

Es gibt einen neuen für die Ordensgeschichte relevanten Blog auf hypotheses.org: „Archiv des Schottenstifts“ (schotten.hypotheses.org).

Titel und Untertitel stellen es klar – und auch wieder nicht: Thema dieses neuen Blogs ist das Archiv der Benediktinerabtei Unserer Lieben Frau zu den Schotten in Wien (auch einfach Schottenstift genannt). Hierzu zählen das eigentliche Stiftsarchiv, das Musikarchiv sowie die Handschriften- und Inkunabelsammlung. Darüber hinaus werden vereinzelt aber auch andere Sammlungsbereiche des Klosters (u. a. Bibliothek, Museum) thematisiert werden. Angesprochen werden sollen hiermit eine wissenschaftliche und interessierte nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit. Ziel ist die Verbreitung wissenschaftlicher Informationen sowie allgemein der Anliegen eines solchen kleinen Archivs.

Einem interessierten Publikum sollen hier Objekte aus den genannten Bereichen präsentiert werden, ebenso soll ein Einblick in die Ordnung und den Alltag des Archivs gewährt werden. Durch Hinweise auf aktuelle Forschung, Literatur und Angebote soll der Blog schließlich aber auch als Ausgangspunkt und Anregung für weitere Forschungen dienen.

Diesem Blog geht die Facebook-Seite des Archivs voraus, die im Mai 2013 gestartet wurde. Vor allem Überlegungen hinsichtlich der möglichen Ausführlichkeit und der breiteren Zugänglichkeit waren ausschlaggebend für den nun getätigten Schritt der Verlagerung bzw. Erweiterung der dort begonnenen Aktivitäten.

Die Facebook-Seite wird auch weiterhin betrieben werden und hoffentlich eine sinnvolle Ergänzung des Blogs darstellen. Darüber hinaus werden viele der dort in der Vergangenheit präsentierten Informationen in den nächsten Tagen im Blog eine erneute Publikation erfahren, um so einen kleinen Grundstock an Artikeln zu bilden und zugleich allen Besuchern des Blogs zur Verfügung zu stehen. Solche Artikel werden mit einem Hinweis auf die Erstveröffentlichung gekennzeichnet werden.

 

Die ursprüngliche Version dieses Artikels erschien am 20. August 2014 auf schotten.hypotheses.org.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7926

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Einladung zum 1. Berliner DH-Rundgang

Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) möchte Sie auf seine neue Veranstaltungsreihe– den Berliner DH-Rundgang – aufmerksam machen und Sie zum 1. DH-Rundgang einladen.

Termin: 01.09.2014, 16:00-17:30 Uhr
Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin
Thema: Online-Dienste der BBAW

Der Berliner DH-Rundgang ermöglicht den Interessenten eine bessere Übersicht über die vielen DH-Initiativen in Berlin, ihre Arbeitsweisen und Produkte zu erhalten. Der Einblick in die Aktivitäten der anderen Akteure vor Ort vermittelt klarere Vorstellungen über die Kompetenzen und Pläne der Verbundpartner. Es können Kooperationschancen ausgelotet und geeignete Ansprechpartner ausfindig gemacht werden.
Während der Rundgänge werden die jeweiligen Gastgeber ihre Forschungen, Entwicklungen, Kompetenzen und Zukunftspläne vorstellen, wobei auch aktuelle Herausforderungen und Kooperationsbedarfe dargestellt und mit den Gästen aus dem Verbund besprochen werden.

Zum 1. DH-Rundgang lädt am Montag, den 1.9.2014, 16:00-17:30 Uhr die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zum Thema Online-Dienste der BBAW ein. Dabei gibt sie einen Einblick in ihren Maschinenraum aus Datenschnittstellen, Such-Diensten und Analysewerkzeugen. Die Schnittstellen erlauben direkten Zugriff auf Forschungsdaten, darunter 1.320 deutschsprachige Werke des Deutschen Textarchivs in TEI/XML. Sie können Verzeichnisse verschiedener digitaler und gedruckter Briefeditionen nach Absender, Empfänger, Schreibort und Datum durchsuchen oder herausfinden an welchen Tag genau Aschermittwoch 1632 war. Die Schnittstellen bilden die Basis der Online-Präsenzen der diversen Forschungsvorhaben der BBAW, werden aber von Partnern wie u.a. der österreichischen und der Schweizer Akademie oder dem Leo-Wörterbuch auch direkt abgefragt, in deren Forschungsaktivitäten nachgenutzt und in ihren eigenen Online-Präsenzen dargestellt. Neben Daten-Schnittstellen entwickelt die BBAW in internationalen Kooperationen wie CLARIN Werkzeuge und stellt diese als Web Services und REST-Services zur Verfügung. Die statistischen und linguistischen Tools des DWDS bündeln jahrelange computerlinguistische Forschung und technisches Tuning. Der Rundgang gibt einen Überblick über die breite Palette an Schnittstellen und wie man sie selbst nutzen kann.

Zum ersten Rundgang anmelden: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/dh-rundgang-14-09-01/

Direkt vor dem Rundgang wird von 15:00-16:00 Uhr Dr. Christoph Draxler vom Bayerischen Archiv für Sprachsignale München (BAS) einen Vortrag mit dem Thema „Sprachdatenbanken und Tools des BAS – Integration in die CLARIN-D Infrastruktur“ halten, zu dem Sie ebenfalls herzlich eingeladen sind.

Die nächsten DH-Rundgang-Termine:

  • 1. September 2014, 16:00-17:30 Uhr: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) „Webservices der BBAW“ (zur Anmeldung)
  • 23. Oktober 2014: TOPOI
  • 18. November 2014: Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB)
  • 9. Dezember 2014: Computerspielemuseum
  • 28. Januar 2015: Universitätsbibliothek und Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Februar 2015: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) / Fachbereich Gestaltung
  • März 2015: Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland
  • April 2015: Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
  • Mai 2015: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft  (HIIG)
  • Juni 2015: Freie Universität Berlin / Institut für Informatik / AG Netzbasierte Informationssysteme

Sie wollen auch zu einem Berliner DH-Rundgang einladen? Dann schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail an info@ifdhberlin.de oder nehmen Sie telefonisch Kontakt zu uns auf.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3925

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27. Geisteswissenschaft und Urlaub

Ich war gerade im Urlaub. Ich weiß. Geisteswissenschaftliche Tätigkeit ist eigentlich keine Arbeit, deshalb braucht man auch eigentlich keinen Urlaub. Denn Arbeit ist nur das, was anstrengend und am besten körperlicher Natur ist. Sie ist nämlich dann besonders Arbeit, wenn man sich über sie beschwert und keine Lust darauf hat und wenn man dabei schwitzt und andere Leute sehen, dass man sich anstrengt. So wie Joggen eben nur mit Gehalt.

Aber lassen Sie doch mal Fünfe gerade sein und auch einen Geisteswissenschaftler, der nur selten bei der „Arbeit“ schwitzt und dem seine Tätigkeit Spaß macht, in den Urlaub gefahren sein. Um genau zu sein einmal mehr in das Land des Diderod, Dumas und Hugo. Bei meiner Reise an die atlantischen Pyrenäen sind mir drei Dinge aufgefallen, wovon nur eines relevant ist: 1. Das Wort Pyrenäen ist schwerer zu schreiben, als man denkt. 2. Deutsche Urlauber sind nicht mehr an ihrem Outfit von anderen Urlaubern zu unterscheiden. Denn Funktionskleidung, Dreistufenhose für alle Wetterlagen, weiße Sportsocken, Sturmfeste Jacken und Fahrradsonnenbrillen sieht man bei engagierten französischen Vätern neben Kindern in Schlappen und normal gekleideten Ehefrauen ebenso wie einst wohl vornehmlich bei Deutschen. Europa wächst eben zusammen. Und das mit gutem Recht, denn besonders wenn man den eleganten Aufstieg zum ca. 900m hohen Gipfel von La Rhune unternehmen möchte, ist es wichtig, dass ein einziges Familienmitglied auf alle Witterungen und unvorhersehbaren Launen der Natur vorbereitet ist. Zumindest bis es oben in der Hütte Cola, Burger, Fisch und Souvernirs aus der Gegend zu kaufen gibt. Ich glaube, ich habe sogar jemanden mit Kompass gesehen. Naja, jedenfalls habe ich mich auch dort irgendwie heimisch gefühlt.

Und drittens ist mit aufgefallen, dass es mir viel leichter fiel, Platon zu lesen als wenn ich in meiner Alltags-Routine bin. Warum? Tja, wenn ich das wüsste. Ich konnte aber einige Dialoge lesen, ohne dass ich am Ende den Eindruck hatte, nur einen Brei mit Informationsstücken aufgenommen zu haben, bei dem ich eigentlich im Nachhinein nichts mehr wiedergeben kann, als dass ich etwas gelesen habe, dessen Zusammenfassung eine andere Person im Internet veröffentlicht hat und die ich mir zum Verständnis holen muss. – Ich glaube, ich habe Muße gehabt. – Und dabei ist es mir ganz deutlich geworden, dass geisteswissenschaftliche Arbeit zwar einerseits aus Anstrengung und Verwaltung der Literatur, Recherche und Korrekturen besteht, dass der Hauptteil der Arbeit aber etwas von Hephaistos’ Netz hat. Denn wenn man ein Problem hat und sich mit aller Macht versucht herauszuwinden, wird es einfach unlösbarer und fester. Die Strategie muss dort genau andersherum laufen und zwar mit Lockerung und ohne heftigen Trotz mit Milde die Probleme zu lösen zu versuchen, ohne ihnen Gewalt antun zu wollen, sondern mit Feingefühl, Zeit und Eleganz. Fragen Sie mal Aphrodite und Ares, was diese jetzt im Nachhinein davon halten und auch Eros, den Landstreicher. Für mich ist es jedenfalls klar: Intellektuelle Arbeit lässt sich nicht durch Gewalt zu Ende bringen, sondern braucht immer seine Zeit, seine Muße.

Und übrigens heißt Muße oder Ruhe im Griechischen scholê (σχολή). Und von diesem Wort ist unsere Schule abgeleitet. Aristoteles schreibt, dass wir um der Muße willen arbeiten, nicht Erholungsurlaub nehmen, um arbeiten zu können, wie man meinen könnte, wenn man sich die Gesetzeslage anschaut. Aber damit das nicht missverstanden wird: Muße ist nicht die Zeit der Untätigkeit. Muße ist die Zeit, in der man zwanglos der wertvollsten Tätigkeit nachgehen kann. Welche die Wertvollste Tätigkeit ist? Na, das wissen Sie doch.

[Alternatives Ende:] Muße ist nich der Aufstieg zu La Rhune, sondern der Moment an dem man der Schönheit des Ausblickes über den Golf von Biskaya gewahr wird. (Jaja, ich weiß, was Sie denken: “Wenn ich den dat nächste Mal sehe, klatscht et. Aber nisch Beifall.”)

LG

D.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/361

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DH-Professur in Göttingen

An der Fakultät für Mathematik und Informatik der Georg-August-Universität ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Professur für Digital Humanities (W3) zu besetzen.

Die Stelle ist Teil der Universitätsstrategie eine eResearch Alliance am Göttingen Research Campus zu etablieren. Hierbei wird eine enge Kooperation mit den anderen Fakultäten, der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung (GWDG),  der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB), der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel angestrebt. Von dem / der künftigen StelleninhaberIn wird erwartet Forschung und Lehre in den Digital Humanities weiter voranzutreiben, u.a. im interdisziplinären Austausch und in der Leitung des Göttingen Centre for Digital Humanities (GCDH).

BewerberInnen sollten neben exzellenter Lehre und Forschungstätigkeit in den Digital Humanities auch selbst eingeworbene Drittmittel nachweisen. Außerdem werden mindestens zwei von den folgenden Forschungsschwerpunkten gefordert:

  • Text mining of cultural studies-related data,
  • Web science, network analytics,
  • Digital editions,
  • Knowledge representation,
  • Data analysis and visualisation for the humanities.

Für Rückfragen steht Prof. Ramin Yahyapour, Center for Computational Sciences, zur Verfügung: applications@cs.uni-goettingen.de.

Die vollständige Stellenausschreibung (auf Englisch) und weiterführende Informationen zur Bewerbung gibt es unter http://www.gcdh.de/en/people/job-opportunities/professorship-digital-humanities/

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3917

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Digitale Tools für Projekte, Lehre, Weiterbildung & Co

Nachdem wir hier im Blog bereits die Toolbox “Soziale Medienbildung” und die Toolbox No. 2 veröffentlicht haben, folgt nun eine weitere Sammlung von nützlicher Software und Webanwendungen zum Einsatz in der Lehre, in Weiterbildungen oder Projekten. Auch hier sind viele Tools ohne Download anwendbar, bei wenigen ist leider nur eine Testversion innerhalb eines begrenzten Zeitraums oder unter bestimmten Voraussetzungen frei verfügbar. Daher bitte immer genau die Nutzungsbedingungen und AGBs nachlesen. Ergänzungen, Kommentare oder Erfahrungen sind erwünscht. Viel Spaß beim Testen und Einsetzen! Kreative, unterhaltsame […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/7300

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World Cafés – auch was für die Geisteswissenschaften?

In ihrem aktuellen Beitrag stellt MusErMeKu-Gastautorin Gesche Schifferdecker das Konzept des World Cafés vor und erläutert, wie es in Form des WeberWorldCafés der Max Weber Stiftung auch für geisteswissenschaftliche Themen Anwendung finden kann. Das Thema des ersten World Cafés, an dem ich teilgenommen habe, war „Was treibt uns an“. Es ging um Mobilitätskonzepte, Stau, Lärm und hohe Abgaswerte, Spritpreis und den Öffentlichen Personennahverkehr. Inhaltlich hat mich das Thema – man möge mir meine Ignoranz verzeihen – eher weniger interessiert. Aber da ich von allen Seiten […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1781

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