Unsterblichkeit (II): Die “Acht Unsterblichen der Weinschale”

Der in der Zeit der Tang-Dynastie lebende Dichter Du Fu 杜甫 (712-770)1 setzte in einem seiner Werke den “acht Unsterblichen der Weinschale” (yin zhong baxian 飲中八仙) – allesamt Dichter und Kalligraphen im China des 8. Jh. n. Chr. – ein literarisches Denkmal.2

Ohne hier weiter auf die Kulturgeschichte alkoholischer Getränke in China einzugehen, soll  lediglich bemerkt werden, dass “das, was traditionell mit Wein übersetzt wird, von der Art der Herstellung her Bier” war.3

Hier nun die Informationen, die sich aus dem Gedicht über die acht Weinliebhaber gewinnen lassen4:

Die Trunkenheit des He Zhizhang  賀知章äußerte sich offensichtlich in sehr unruhigen Bewegungen, wenn er auf seinem Pferd saß, und er lief stets Gefahr, schlafwandelnd in einen Brunnen zu fallen.

Der Prinz von Ruyang [Li Jin, 汝陽王李進] trank drei dou 鬥 (also ca. 30 Liter!) ehe er sich an den Hof begab. Wenn der Wagen eines Weinproduzenten vorbeifuhr, lief ihm das Wasser im Mund zusammen und sein Wunsch war es, zum Herrn der Weinquellen berufen zu werden.

Der Zweite Minister [Li Shizhi 李適之] gab große Summen für (alkoholische Getränke aus, die er verschlang wie ein Wal das Wasser. Dennoch sagte er, dass er das Unvermischte liebe und das Gespaltene vermeide.

Cui Zongzhi 崔宗之war jung, schön und ohne Sorgen. Mit sanftem Blick hob er die Weinschale gen Himmel und stand da wie ein leuchtender Jadebaum im Wind.

Su Jin 蘇晉 war ein strenger Vegetarier, der einen gestickten Buddha verehrte und er erfreute sich an seinen Entgleisungen in alkoholisiertem Zustand.

Für ein dou (also ca. 10 Liter) Wein würde  Li Bai 李白(701-762) hundert Gedichte schreiben und sich in einer Weinschenke der Hauptstadt Chang’an 長安 (dem heutigen Xi’an 西安) zur Ruhe legen. Den kaiserlichen Befehl, mit an Bord eines Schiffes zu gehen, wies er zurück, da er sich als “Unsterblicher der Weinschale” (jiu zhong xian 酒中仙) sah.

Nach dem Genuss von drei Bechern Wein würde Zhang Xu 張旭 selbst vor Würdenträgern seine Mütze hinwerfen und aus seinem Pinsel Wolken auf das Papier fließen lassen.

Jiao Sui 焦遂 braucht mindestens fünf dou (also ca. 50 Liter), um wach zu sein. Dann aber beteiligt er sich mit glänzender Rhetorik an Diskussionen.

Die Gruppe dieser acht Männer wurde auch in der ostasiatischen Malerei wiederholt dargestellt und kann in der Regel leicht durch die diese umgebenden Weinbecher und Weinflaschen identifiziert werden. Eine der berühmtesten Darstellungen stammt von Zhang Wu 張渥 (14. Jh.), der Kopie eines Werkes von Zhao Mengfu 趙孟頫 (1254-1322), das allerdings verloren ist.5 Auch bei japanischen Malern war das Motiv der “acht Unsterblichen der Weinschale” bis ins 19. Jahrhundert verbreitet6

  1. Zur Biographie vgl.  etwa den Eintrag “Du Fu” in Volker Klöpsch, Eva Müller (Hg.): Lexikon der chinesischen Literatur (München 2004) 74-76. Zum dichterischen Werk des Du Fu vgl. Wolfgang Kubin: Die chinesische Dichtkunst. Von den Anfängen bis zum Ende der Kaiserzeit (Geschichte der chinesischen Literatur, Bd. 1, München 2002) 150-170.
  2. Du Fu: “Yin zhong baxian ge 飲中八仙歌”, Zum chinesischen Original vgl. Quan Tangshi 全唐詩 [Vollständige Sammlung der Gedichte aus der Zeit der Tang-Dynastie], Kap. 216 [Online-Version: Chinese Text Project]“; zu deutschsprachigen Übersetzungen in Anthologien mit chinesischen Dichtungen vgl. Gu Zhengxiang: Anthologien mit chinesischen Dichtungen (Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien. Eine Bibliographie, 6. Teilband, hg. von Helga Eßmann und Fritz Paul; Stuttgart 2002) 96.
  3. Vgl. dazu Jochen Kandel (Übers. u. Hg.): Das chinesische Brevier vom weinseligen Leben. Heitere Gedichte, beschwingte Lieder und trunkene Balladen der großen Poeten aus dem Reich der Mitte (Bern 1985) 6.
  4. Der Inhalt des Gedichts wurde neben dem chinesischen Original auch auf der Grundlage folgender Übersetzungen wiedergegeben: Kandel: Das chinesische Brevier vom weinseligen Leben, 91 f. sowie die deutsche Fassung in China und Japan in Buchkunst und Graphik. Vergangenheit und Gegenwart. Stiftung aus der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter an das Gutenberg Museum Mainz (Mainz 1985) 40.  Zitiert nach Bruno J. Richtsfeld: “Onorato Martucci und sein ‘chinesisches Museum’.” In:  Claudius C. Müller, et. al. (Hg.): Exotische Welten. Aus den völkerkundlichen Sammlungen der Wittelsbacher 1806-1848 (Dettelbach 2007), 203 f.
  5. Vgl. dazu Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 183 Anm. 19).
  6. Vgl. ebd., 182 Fig. 26. Zum dort abgebildeten Werk des Soga Shōhaku (1730-1781) vgl. The Cleveland Museum of Art: The Eight Immortals of the Wine Cup.  Ein weiteres Beispiel dafür ist ein Werk des Onishi Chinnen (1792-1851). Vgl. dazu British Museum: Inchu hassen (Eight Immortals of the Wine Cup), dort auch eine englische Übersetzung des oben zitierten Gedichts.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1366

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FES: Bekleidungsgewerkschaft. Organ des Verbandes Christlicher Arbeitnehmer des Bekleidungsgewerbes und der Gruppen Christlicher Hutarbeiter

http://www.fes.de/hfz/arbeiterbewegung/Members/schochr/bekleidungsgewerkschaft/view Die zwischen 1920 und 1933 in Köln erschiene Zeitschrift ist bei der Digitalen Bibliothek der Friedrich-Ebert Stiftung online verfügbar. Leider sind die Scans teilweise nicht von guter Qualität.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/09/5343/

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Soziologischer Monatsrückblick August 2014

Im Oktober ist es endlich soweit: Ihr könnt euch auf unsere 10. Ausgabe zum Thema “Emotionen: Wie sozial sind unsere Gefühle” freuen. Verraten können wir schon, dass es ein Interview mit Sighard Neckel (Uni Frankfurt/Main) geben wird. Leider fehlt uns allerdings … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7279

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BBC Great Lives über Antonio Gramsci

Gestern brachte BBC Great Lives eine Sendung über Antonio Gramsci, Download unter http://downloads.bbc.co.uk/podcasts/radio4/greatlives/greatlives_20140902-1630a.mp3

Dr Tom Shakespeare, lecturer at the Medical School in the University of East Anglia and prominent campaigner for the rights of the disabled, explains to Matthew Parris why the life and work of the Italian left-wing revolutionary Antonio Gramsci means a great deal to him personally. They are joined in the studio by Professor Anne Sassoon.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/972337982/

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aventinus recensio Nr. 42a [02.09.2014]: C. Paye: Der französischen Sprache mächtig. Kommunikation im Span­nungs­feld v. Sprachen u. Kulturen im Königreich Westphalen. München 2013 [=Skriptum 3 (2013), Nr. 2]

Was es damals tatsächlich bedeutete, „der französischen Sprache mächtig“ zu sein, untersucht Claudie Paye in ihrer gleichnamigen Dissertation mit dem Untertitel „Kommunikation im Spannungsfeld von Sprachen und Kulturen im Königreich Westphalen 1807–1813“ http://bit.ly/Wr7I8k

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/09/5356/

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correspSearch – Verzeichnisse von Briefeditionen durchsuchen

Mit dem neuen Webservice “correspSearch” können Verzeichnisse verschiedener digitaler und gedruckter Briefeditionen nach Absender, Empfänger, Schreibort und -datum durchsucht werden. Dafür stehen eine Website und eine Schnittstelle zur Verfügung.Der Webservice aggregiert und wertet TEI-XML-Dateien aus, die auf dem (im Entwurf befindlichen) TEI-Modul “correspDesc” basieren. Mit correspDesc können die Metadaten von Briefen in TEI-XML-Dateien einheitlich erfasst werden. Zur Identifizierung von Personen und Orten werden dabei Normdaten-IDs (GND, VIAF etc.) benutzt. Das Modul „correspDesc“ wurde von der TEI SIG Correspondence entworfen und wird derzeit vom TEI-Council geprüft.

Die digitalen Briefverzeichnisse werden von den jeweiligen Anbietern der Editionen bereitgestellt und von „correspSearch“ abgerufen und durchsuchbar gemacht. Derzeit wertet der Webservice erst wenige Briefverzeichnisse aus. Der Datenbestand soll aber laufend erweitert werden. Jede gedruckte oder digitale Briefedition kann ihr Briefverzeichnis im correspDesc-Format beim Webdienst correspSearch registrieren lassen – wie das geht, erfahren Sie hier.

Der Webservice wurde von TELOTA an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der TEI SIG Correspondence und weiteren Wissenschaftlern entwickelt und bereitgestellt.

Beachten Sie bitte, dass sich der Webservice derzeit noch in einer Testphase befindet.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3994

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Göbels Fastenreise 1532. Ein Mönch unterwegs in Norddeutschland

Er war der Held meines ersten Promotionsjahres: Göbel Schickenberge, Laienbruder und Vogt im Augustinerstift Böddeken in Ostwestfalen. Bruder Göbel hat das Rechnungsbuch seines Klosters zu einem Notizbuch für allerlei Begebenheiten und Eindrücke umfunktioniert. Herausgekommen ist ein  Selbstzeugnis, das für die Jahre 1519-1532 und 1541-1543 tagesaktuelle Meldungen und deren Deutungen festhält und damit seltene Einblicke in den frühreformatorischen Glaubensstreit auf der Ebene des Gemeinen Manns – und des Gemeinen Mönchs – ermöglicht. Das Buch wurde erst 2005 in einer kommentierten Edition von Heinrich Rüthing der […]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/2219

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philtag #12 an der Uni Würzburg

Am 18. und 19. September 2014 findet am Lehrstuhl für Computerphilologie und Digital Humanities der Universität Würzburg der zwölfte Workshop der Reihe <philtag/> statt. Wie in den Jahren zuvor, kommen dabei Wissenschaftler der Geistes- und Kulturwissenschaften zusammen, die neue digitale Methoden in ihrer Forschung einsetzen. Dabei werden die Projekte und Methoden aus den verschiedenen Disziplinen zur Diskussion gestellt.

Themenschwerpunkte werden sein:

Am 18.09. “Digitale Edition und Virtuelle Forschungsumgebungen”

Am 19.09. “Computergestützte Analyseverfahren in den Geisteswissenschaften”

Für einen Abendvortrag am 18.09. konnten wir Gregory Crane, Editor-in-Chief der Perseus Digital Library und Humboldt-Professor an der Universität Leipzig, gewinnen.

Das vollständige Programm und alle weiteren Informationen finden Sie unter folgendem Link.

Der Workshop wird in Kooperation DARIAH-DE (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) durchgeführt und ist im beschränkten Umfang auch für Studierende offen. Wir bitten um Anmeldung bis zum 08.09.2014.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3989

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AIME – An Inquiry into Modes of Existence (B. Latour)

Screen Shot 2014-08-28 at 13.44.01Einige kennen ihn vielleicht aus Laussane von einem sehr interessanten Vortrag im Rahmen des DH 2014-Opening Plenary: Bruno Latour, Soziologe und Philosoph, Schüler u.a. von Gabriel Tarde – gemeinsam mit Michel Callon und John Law prägender Kopf der ‘material-semiotischen’ Methode der sog. Akteur-Netzwerk-Theorie (oft abgekürzt ‘ANT’). Neben anderen hat David M. Berry dieser DH-Vortrag Latours im Rahmen seines Blogs ganz offensichtlich inspiriert.

Als Professor der Sciences Po, Paris – und gemeinsam mit einem großen Team von Mitarbeitern dort sowie weiteren weltweiten Beiträgern – publiziert Latour nun sein neuestes Buch ‘An Inquiry into Modes of Existence’ im Rahmen einer sehr ansprechend gestalteten, zweisprachigen Internetseite (Zugriff: Anmeldung erforderlich): http://www.modesofexistence.org/

Neben einem Projektblog bietet die Seite Vollzugriff auf den Text Latours (“book”) mittels mehrerer interessanter Technologien, wobei hier neben dem “Notizbuch” und der Volltextsuche insb. die dezente und zugleich  intuitive, vielgenutzte Annotationsmöglichkeit besticht. Sie bildet gewissermaßen eine dritte Spalte des Texts. So finden sich auf o.g. Präsenz neben dem Print-Text (und einer Notizbuch-Funktionalität) auch weitere Anmerkungen, u.a. Latours, es entstehen Diskussionen u.v.m.

Hervorzuheben sind daneben aber auch jene ‘disamalgamierenden’ Text-Zugänge (“crossings”), die Textbereiche des Buchs über eine zweite Spalte, die anfangs als alphabetisch angeordnete Abbreviaturen-Liste erscheinen mag, verknüpfend durchziehen – oder aber thematisch angeordnet sowie mittels übersichtlich vernetzter ‘Punkt’-Einstiege einen weiteren Einstieg erlauben. Mehrere, einblendbare Tutorials, teils in Form von Videos, führen begleitend auch in diese experimentelleren Bereiche ein. Nicht zuletzt diese lohenen einen Besuch.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3979

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Wie sehe ich, was das Baby sieht?


Was sehen Säuglinge im ersten Lebensjahr?

Wie können wir das wissen, wenn wir sie nicht fragen können?
Mit der letzten Frage haben sich zum Glück schon einige intensiv beschäftigt, sodass wir auf verschiedene häufig eingesetzte Methoden zurückgreifen können, um an den Antworten zur ersten Frage zu arbeiten.
Da wir die kleinen Studienteilnehmer nicht fragen können, beobachten wir ihr Blickverhalten.

Es gibt verschiedene Methoden, um das Blickverhalten von Säuglingen zu beobachten und zu beurteilen. Vorgestellt werden die Methoden, die wir in unseren Studien einsetzen. Wir beurteilen die natürliche Präferenz für bestimmte Bilder und Objekte oder folgen dem Ansatz der Habituations-Dishabituationsmethode.

Der grundlegende Aufbau für unsere Studien sieht so aus, dass das Baby auf dem Schoß der Mutter sitzt und auf einen Monitor schaut. Oberhalb des Monitors befindet sich eine Kamera, die das Gesicht des Kindes aufzeichnet. Auf unserem Kontrollbildschirm können wir somit zeitgleich die Blickbewegung des Kindes aufzeichnen und auswerten. Wir messen immer einmal live während der Untersuchung und später misst ein anderer Mitarbeiter die Blickzeiten mithilfe des aufgezeichneten Videos. Diese Messung dient der Bestimmung der Interraterreliabilität, der Messgenauigkeit unabhängig vom Versuchsleiter.

Ein Durchgang besteht immer aus einem attention getter und einem Testbild. Frei nach dem Prinzip „alles, was sich bewegt und Geräusche macht, zieht die Aufmerksamkeit von Babys auf sich“ zeigen wir ihnen ein sich drehendes buntes Bild, das alle acht Sekunden ein klingelndes Geräusch macht. Sobald wir die Aufmerksamkeit des Babys gewonnen haben, zeigen wir ihm unser Testbild, das entweder zwei gleiche oder zwei verschiedene Bilder anbietet, die jeweils zentriert auf der linken oder rechten Bildschirmhälfte positioniert sind.

Beurteilung der natürlichen Präferenz

Der Ansatz der natürlichen Präferenz geht davon aus, dass Babys bestimmte Bilder oder Objekte lieber anschauen als andere. Dem Baby werden hierfür in der Regel zwei Bilder gleichzeitig angeboten. Dies kann beispielsweise ein natürliches Gesicht gegenüber einem künstlichen sein oder verschiedene Muster.

Es wird beobachtet, welches spontan und länger angeschaut wird. Wir verwenden hierfür zwei verschiedene Messmethoden: Messung der Blickzeiten (Fantz, 1958; Valentine, 1914) oder die Messung der spontanen Präferenz (Berlyne, 1958; Marsden, 1903; Teller, 1997).

Ein Ziel unserer Studien ist, diese Methoden miteinander zu vergleichen.

Messung der Blickzeiten (CNP):

Bei der Messung der Blickzeiten werden zwei Bilder gleichzeitig präsentiert. In unseren Studien erfolgen vier Testdurchgänge mit denselben Bildern, wobei die Position der Bilder ausgetauscht wird.

Die Blicke des Babys werden kontinuierlich durch den Versuchsleiter erfasst. Es wird permanent entschieden, ob das Baby das rechte, das linke oder keines der beiden Bilder anschaut. Die Messung bricht ab, sobald für insgesamt zehn Sekunden die Bilder angeschaut worden sind. Für die Datenauswertung wird die Anblickzeit für eines der beiden Bilder über beide Testdurchgänge relativiert an der Gesamtanblickzeit berücksichtigt.

Spontane Präferenz (FPL):

Bei dieser Methode werden ebenfalls zwei Bilder gleichzeitig präsentiert. Allerdings erfolgen hier im Gegensatz zur CNP-Messung 24 Testdurchgänge. Es wird in jedem Durchgang dasselbe Bildpaar gezeigt, die Position des Paares wechselt randomisiert. Maximal dreimal hintereinander erscheint die Paarung an derselben Position.

Der Versuchsleiter entscheidet in jedem Durchgang, welches der beiden Bilder spontan vom Baby präferiert wurde. Hierfür hat er maximal zehn Sekunden Zeit. Zeigt das Baby keine eindeutige Präferenz oder ist der Versuchsleiter unsicher, läuft die Zeit ohne Urteil ab. Kriterien für die Beurteilung sind z.B. die Richtung des ersten Blicks, das Aufreißen der Augen und die jeweiligen Anblickzeiten der beiden Bilder.
Für die Datenauswertung wird ein relativer Präferenzscore gebildet, der angibt, wie oft das Kind den Testreiz präferiert.

Erfolgreiches Langweilen und Orientierungsreaktion

Einen anderen Ansatz verfolgt die Habituations-Dishabituationsmethode (Fantz, 1964; Saayman, Ames & Moffett, 1964). Ein Baby ist grundsätzlich neugierig auf alles, was neu ist. Wird ihm immer wieder dasselbe gezeigt, verliert es das Interesse. Diese Eigenschaften nutzen wir, indem wir das Experiment in zwei Phasen einteilen, die Gewöhnungsphase (Habituation) und die Orientierungsphase mit einem neuen Bild (Dishabituation).

Über maximal 15 Durchgänge hinweg zeigen wir den Kindern genau dasselbe Bild auf der linken und der rechten Seite des Monitors. Der Versuchsleiter beobachtet, ob das Kind sich eines der beiden Bilder anschaut oder nicht. Schaut es zwei Sekunden lang weg, bricht der Durchgang ab. Auch wenn das Kind über eine Minute lang beide Bilder anschaut, bricht der Durchgang ab.

Zur Beurteilung, ob das Baby erfolgreich gelangweilt wurde, werden die Anblickzeiten der ersten drei Durchgänge aufaddiert und mit den Anblickzeiten der jeweils letzten drei Durchgängen verglichen. Sobald das Baby in den letzten drei Durchgängen insgesamt nur noch halb so lange geschaut hat wie in den ersten drei Durchgängen, gilt es als erfolgreich gelangweilt. Es hat habituiert.

Wir beenden die Habituationsphase und starten die Dishabituationsphase. Hier wird eines der beiden Bilder durch ein neues ersetzt. Das neue Bild erscheint in zwei Durchgängen jeweils einmal auf der linken und einmal der rechten Bildschirmhälfte. Gemessen wird jetzt nach der CNP-Methode.

Dishabituiert das Baby? Entdeckt es das neue Bild und interessiert sich dafür?

Literatur

Berlyne, D.E. (1958). The influence of albedo and complexity of stimuli on visual fixation in the human infant. British Journal of Psychology, 49, 315-318.
Fantz, R.L. (1958). Pattern vision in young infants. Psychological Record, 8, 43-47.
Fantz, R.L. (1964). Visual experience in infants: Decreased attention to familiar patterns relative to novel ones. Science, 146 (3644), 668-670.
Marsden, R.E. (1903). Discussion and apparatus. A study of the early color sense. Psychological Review, 10, 37-47.
Saayman, G., Ames, E. W. & Moffett, A. (1964). Response to novelty as an indicator of visual discrimination in the human infant. Journal of Experimental Child Psychology,1 (2), 189-198.
Teller, D.Y. (1997). First glances: The vision of infants. The Friedenwald Lecture. Investigative Ophthalmology & Visual Science, 38 (11), 2183-2203.
Valentine, C.W. (1914). The colour perception and colour preferences of an infant during its fourth and eighth months. British Journal of Psychology, 6, 363-386.

Quelle: http://babyvision.hypotheses.org/70

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