Schlachtjubel am Tor zur Welt

Autoren: Falk Wackerow, Johannes Valentin Korff.

Eine Stille nach dem Sturm, denn nur sechs Wochen sollten es nicht werden. Eine Stille, erbracht vor gar hundert Jahren an der Marne. Doch bevor sich der Sturm, ein Gewitter des Jubels, in Hamburg legte, sollte der August des Jahres 1914 verstreichen. Zuvor, in den letzten Wochen des krisenreichen Juli besagten Jahres, während die Bedrohung eines modernen Massenkrieges zunehmend spürbar wurde, stellten Mittel- und Außenmächte, Staaten wie Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich auf der einen, Serbien und das Russländische Reich auf der anderen Seite, einander Ultimaten. Mobilmachungen wurden ausgerufen, worauf zum Trotz Gegenmobilmachungen folgten. Kriegserklärungen mündeten final in den bis dato größten Konflikt der Menschheitsgeschichte. Die Rede ist vom Ersten Weltkrieg.

In vielen Städten Europas wurde frenetisch gefeiert, bevor die Schlacht an der Marne am 12. September 1914 diese Euphorie beendete. Zumindest war es bis vor zwanzig Jahren so in den populärwissenschaftlichen und fachlichen Publikationen zu lesen. Mittlerweile hat sich die Sicht der Dinge deutlich geändert: anstelle des Bildes einer allumfassenden Kriegsbegeisterung, die sämtliche Bevölkerungsschichten in chauvinistische Verzückung und bisweilen Raserei versetzte, ist eine neue Betrachtungsweise getreten. Die jüngsten Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass dieser Kriegsjubel, das sogenannte „Augusterlebnis“, in der Tat nicht alle Schichten betraf, sondern, im Gegenteil, der Krieg sehr unterschiedliche Reaktionen im Gefolge hatte. Besonders die Arbeiterklasse in den großen Städten war anfänglich eher kritisch eingestellt.

Hier wird sich nicht damit beschäftigt, ob es ein Augusterlebnis in Hamburg gab, denn die Vielzahl unterschiedlicher Quellen bestätigt diese Annahme recht eindeutig. Vielmehr soll erläutert werden, wie diese Augusttage tatsächlich in den verschiedenen Hamburger Schichten wahrgenommen wurden, denn das Bild der jubelnden Mengen an sich, wie in der älteren Forschung angenommen, ist lückenhaft. Die größten Volksmassen versammelten sich stets, um an Informationen in Form von Extrablättern zu gelangen, nicht um zu protestieren oder chauvinistische Parolen von sich zu geben. Es gilt zwischen der traditionellen Forschung bis etwa Anfang der 1990er Jahre, welche die These einer allumfassenden Kriegsbegeisterung vertreten hat, und jüngeren Ergebnissen, die sehr stark nach Schichtzugehörigkeit differenzieren, zu unterscheiden. Doch sei gesagt: Die Stimmung in der Bevölkerung Ende Juli/Anfang August 1914 zu erfassen, ist angesichts der Komplexität menschlicher Regungen eine Sisyphosarbeit, weswegen es schwerfällt, den Begriff des Augusterlebnisses hinreichend aufzuklären.

Verteidiger von Krieg und Frieden

Am 3. August drang eine aufgebrachte Menge in den beliebten Alsterpavillon. Ursprünglich als ein Hort des Hurrapatriotismus, wurde er vollkommen verwüstet. Der Direktor des Pavillons musste fast mit dem Leben bezahlen. Hätte er nicht das erneute Verlesen eines schon bekannten Extrablattes unterbinden wollen, es wäre vielleicht nicht so gekommen. Dieser und andere Zwischenfälle verdeutlichen die aufgeheizte Atmosphäre, in der häufig ein falsches Wort genügte, um sich dem Schimpf und oft genug den Prügeln der Umstehenden auszusetzen. Auch wenn die Kriegsbegeisterung, ihre gewalttätigen Züge inklusive, längst nicht jeden erfasste, so liegen doch erstaunlich viele Zeugnisse vor, in denen die Verfasser eine allgemeine öffentlich gelebte Freude über den Kriegsausbruch konstatierten, obgleich sie die Lage offensichtlich selbst nüchterner betrachteten als die von ihnen beobachteten Massen. Immer wieder fielen in diesem Zusammenhang Sätze, wie „das Ende der Katharsis des Friedens“, welche scheinbar einigen nationalistischen Kreisen eine Qual war. Möglicherweise liegt dem Phänomen Kriegsbegeisterung also eine Art von Masseneuphorisierung zugrunde, von einer sich immer weiter aufschaukelnden chauvinistischen Stimmung, welche zumindest in den ersten Tagen überwog. Erst allmählich sollte diese Euphorie einer Ernüchterung weichen.

Auch die Medien trugen als Repräsentationsorgane der, vor allem, bürgerlichen Schichten großen Anteil an der aufgeheizten Atmosphäre. In der Woche des 25. Juli, dem Tag der partiellen Ablehnung des österreich-ungarischen Ultimatums durch die serbische Regierung, bis zum deutschen Kriegseintritt am 1. August kam es zu vielen gewaltsamen Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen hurrapatriotischen und pazifistischen Gruppierungen. Tendenziell lassen sich deren Mitglieder nach ihrer Schichtzugehörigkeit klassifizieren. Studenten und ältere Höhergebildete aus dem bürgerlichen Milieu gehörten eher ersterer Gruppe an, während zu letzterer vor allem Arbeiter und Sozialdemokraten zu zählen sind. Besonders in den ersten Tagen fanden nationalistische Randalierer viel Zuspruch in der Presse, während Gegendemonstranten häufig als Vaterlandsverräter verunglimpft wurden. Es gab allerdings auch schon früh kritische Stimmen, beispielsweise vom Hamburger Echo. Wenig überraschend standen auch die sozialdemokratischen Blätter, allen voran der Vorwärts, aufseiten der Antikriegsdemonstranten. In einer Ausgabe wurden die Ausschreitungen auf die Trunkenheit und den jugendlichen Leichtsinn der Beteiligten zurückgeführt.Ein Ende der zusehends gewaltbereiten Demonstrationszüge gab es erst am 31. Juli, als die Polizei sämtliche öffentlichen Versammlungen untersagte. Zu diesem Zeitpunkt fanden solche allerdings ohnehin kaum noch statt, da an die Stelle des aufgeregten Hurrapatriotismus eine ernste, angespannte Stimmung getreten war, wie aus vielen Zeitungsberichten zu entnehmen ist. So hatten die Menschen eher mit Erregung auf die neusten Nachrichten gewartet, da der Krieg immer näher rückte.

Es lässt sich also sagen, dass keinesfalls nur hurrapatriotische Umzüge stattfanden. Ebenso marschierten Kriegsgegner durch die Straßen. Dabei ist die auf beiden Seiten zahlenmäßig nicht besonders starke Vertretung von Interesse. Die meisten Demonstrationen umfassten ein- bis zweitausend Teilnehmer, die größten einige zehntausend. Diese Zahlen sind weit entfernt von dem, was spätere Massendemonstrationen erreichen sollten und relativieren für sich allein stehend schon sämtliche Aussagen von umfassender Kriegsbegeisterung. Die meisten Hamburger blieben, schichtenübergreifend, während der Proteste zu Hause.

Dort standen die Sozialdemokraten

Anders als die liberalen und konservativen Kräfte des Reichstags wie der Hamburger Bürgerschaft, hatten die Sozialdemokraten seit ihren Gründungstagen immer ihren strikt pazifistischen Standpunkt bewahrt. Ambivalent ist jedoch das Verhalten vieler Sozialdemokraten und ihrer Sympathisanten in den letzten Juli- und ersten Augusttagen 1914. Auch an ihnen war die Radikalisierung eines deutschen Nationalstolzes – insbesondere nach der Reichsgründung 1871 – nicht spurlos vorübergegangen.

Die große Mehrheit führender SPD-Politiker, wie beispielsweise Karl Liebknecht und selbst vehemente Verfechter des Pazifismus, wie Rosa Luxemburg, sahen, wie auch konservative Kreise, in den militärischen Auseinandersetzungen einen Verteidigungskrieg der Mittelmächte und hielten daher zu ihrem Heimatland. Diese Perspektive liegt der kaiserlichen Propaganda zugrunde.

Dieser Umschwenk hin zur „patriotischen Vaterlandsverteidigung“, der sich in der sozialdemokratischen Öffentlichkeit entspann, kann nur durch eine Mischung verschiedener Motivationen erklärt werden. Zum einen darf der Einfluss des Nationalismus nicht unterschätzt werden. Zum anderen sahen wohl viele Sozialdemokraten die Möglichkeit, sich in einem „gerechten Krieg“ endlich vom Makel des „Vaterlandsverrats“ reinzuwaschen und ihren Teil dazu beizutragen, die Heimat gegen ausländische Aggressoren zu verteidigen. Zudem hegten auch die Anhänger der Klassenkampftheorie Ressentiments gegen das zaristische Russland, welches den ersten Gegner des Deutschen Reiches darstellte. Überlegungen, das unterdrückerische Zarenregime durch den Krieg zu stürzen, mögen also auch eine Rolle gespielt haben.

Auszug in Uniform

Die Entwicklungen wurden in der Bevölkerung höchst unterschiedlich aufgenommen und die Meinungen der Bürger blieben keinesfalls über den gesamten Betrachtungszeitraum unverändert. Als am 31. Juli tatsächlich der Ernstfall eintrat und die Bevölkerung per kaiserlicher Proklamation vom Kriegszustand in Kenntnis gesetzt wurde, waren die Reaktionen noch einmal überschwänglich. Dieses Mal schlossen sich auch zunehmend Sozialdemokraten dem Jubel an, seit der Patriotismus offiziell in die Parteilinie aufgenommen worden war. Allerdings endete der Rauschzustand, mit welchem sich die Erleichterung, dass es nun endlich losging, Bahn brach, ebenso abrupt, wie er aufgetreten war. An seine Stelle trat eine sorgenvolle Anspannung. Solange der Krieg ein vages, entferntes Konstrukt gewesen war, das sehr wenige direkt betroffen hatte, war das Säbelrasseln von großen Teilen der Gesellschaft gefeiert worden. Mit der Gewissheit, dass nun aber jeder einzelne persönlich betroffen war und viele Männer womöglich nicht zurückkehren würden, wich in Hamburg die Freude einer eher bedrückten Stimmung. Besonders die englische Kriegserklärung am 3. August wirkte sich negativ auf den Gefühlszustand aus, da man sich nunmehr drei Großmächten, gegenüber sah. Trotz der weit verbreiteten Ansicht, der Krieg sei in sechs Wochen zu beenden, schlichen sich Zweifel ein. Hier unterschied sich Hamburg von vielen anderen Großstädten des Reiches, in denen die Proklamationen enthusiastisch gefeiert wurden. Die Hamburger blieben, wie es ihrem Stereotyp entsprach, erstaunlich ruhig. Ein Stimmungsbild der Situation wirkt seltsam schizophren, da gleichzeitig Ausrufe der Erleichterung und schweigende Ernsthaftigkeit festgestellt werden können. „Die meisten Menschen waren niedergeschlagen, als wenn sie am nächsten Tag geköpft werden sollten“, schrieb beispielsweise der Bürgerliche Wilhelm Heberlein in sein Tagebuch.

Bei der Mobilmachung und vor allem bei der Verabschiedung der Soldaten, beim Auszug in den Krieg, kam noch einmal Festtagsstimmung auf. Dass diese allerdings von einer anderen Qualität als in den Tage zuvor und mit Resignation gemischt war, dürfte wenig überraschen. Der Auszug der eigenen Ehemänner, Söhne, Verwandten und Bekannten geschah unter Tränen, Solidaritätsbekundungen und Glückwünschen der Zurückbleibenden. Die Furcht aber blieb.

Weitere Jubelstürme gab es unter dem Eindruck der ersten Siege in Flandern, an denen das Hamburger 76. Infanterieregiment beteiligt war, auch wenn diese nicht mehr mit den ersten gleichgesetzt werden können.

Die ersten Verlustlisten waren noch kurz, der Vormarsch verlief nach Plan, und so warteten die Hamburger hoffnungsvoll auf ein schnelles Ende des Krieges. Der siegreiche Ausgang der Schlacht von Tannenberg belebte die Hochstimmung erneut. Das definitive Ende aller Augusterlebnisse brachte die Schlacht an der Marne Anfang September. Mit dem Stillstand der Westfront wurde ersichtlich, dass der Schlieffenplan nicht aufging und der Krieg nicht in den angesetzten sechs Wochen zu gewinnen war. Es kam in Hamburg zu einer Stille nach dem Sturm.

Dies geschah also

Aufgrund der schier unendlichen Vielzahl an persönlichen Augusterlebnissen ist es schwierig, ein zutreffendes Gesamtbild wiederzugeben. Auffällig ist, dass die Jubelstürme immer mit bestimmten Ereignissen zusammenhingen und danach relativ schnell wieder abebbten. Ein einzelnes, kontinuierliches Augusterlebnis hat es nie gegeben. In Bezug auf die Schichtzugehörigkeit muss die Aussage der neueren Forschung dahingehend relativiert werden, dass die Zuordnung einer bestimmten Reaktion zu einer Schicht als zu pauschal abzulehnen ist. Vielmehr gab es auch unter Bürgerlichen kritische Stimmen, und die Arbeiterschaft, anfangs kritisch und pazifistisch, stellte sich schnell auf den neuen Kurs der SPD-Parteiführung um und nahm die Fahnen der Vaterlandsverteidigung auf.

Weiterführende Literatur

Bendikowski, Tillmann: Sommer 1914. Zwischen Begeisterung und Angst – wie Deutsche den Kriegsbeginn erlebten, München 2014.

Kruse, Wolfgang: Die Kriegsbegeisterung im Deutschen Reich zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Entstehungszusammenhänge, Grenzen und ideologische Strukturen, in: van der Linden, Marcel; Mergner, Gottfried (ed.): Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin 1991, S. 73- 88.

Meinssen, Heiko: Zwischen Kriegsbegeisterung, Kriegsfurcht und Massenhysterie. Hamburg im Juli/August 1914, Hamburg 2005.

Molthagen, Dieter: Das Ende der Bürgerlichkeit. Bürgerfamilien aus Liverpool und Hamburg im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2004 (=Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte; 42).

Münch, Phillip: Bürger in Uniform. Kriegserfahrungen von Hamburger Turnern 1914 bis 1918, Freiburg 2009.

Rojahn, Jürgen: Arbeiterbewegung und Kriegsbegeisterung. Die deutsche Sozialdemokratie 1870 – 1914, in: van der Linden, Marcel; Mergner, Gottfried (ed.): Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin 1991, S. 57-72.

Ullrich, Volker: Kriegsalltag. Hamburg im ersten Weltkrieg, Köln 1982.

Ullrich, Volker: Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution. Beiträge zur Sozialgeschichte Hamburgs und Norddeutschlands im Ersten Weltkrieg, Bremen 1999.

Verhey, Jeffrey: Der „Geist von 1914“ und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Hamburg 2000.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1526

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Für gute Arbeit in der Wissenschaft – Offener Brief an die Deutsche Gesellschaft für Soziologie

Uns erreichte folgender Brief an die DGS, den wir gerne hier zur Diskussion stellen: Liebe Kolleg/innen, die massiven gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse der letzten Jahrzehnte haben weder vor der Wissenschaft im Allgemeinen noch vor der Soziologie im Besonderen halt gemacht. Deregulierung, Aktivierung … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7377

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Private Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg: Dissertationsprojekt Armin Kille

Bei dem im Blog vorgestellten Forschungsprojekt handelt es sich um einen Ansatz der mehrdimensionalen Erfassung deutscher Kriegsfotografie. Innerhalb der Teilprojekte werden die Faktoren Akteure und Zeit unterschiedlich definiert und anschließend in einem Gemeinschaftsprojekt verglichen. Langfristig wird somit angestrebt, einen Beitrag zur Gesamterschließung der Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg zu leisten. Der folgende Beitrag stellt eines der drei Teilprojekte vor, dessen Blick sich auf die Soldaten1 im direkten Kriegsgeschehen richtet, unter besonderer Betrachtung ihrer Kommunikation über Fotos und Briefe mit der Heimat.

Die auf Speichern, in Kellern, in Regalen und Archiven lagernden Bilder der privaten Fotografie stellen eine der umfangreichsten und gleichzeitig am wenigsten erforschten Quellengruppe des privaten Lebens dar; unter ihnen zahlreiche Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg.2 Von den schätzungsweise 18,2 Millionen aktiven Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS3 besaßen ungefähr 10% eine Kamera, mit denen sie pro Film im Durchschnitt zwischen 24 und 36 Bilder machen konnten.4 Unter der Berücksichtigung, dass einige Apparate untereinander weiter gegeben wurden, kann also von nahezu zwei Millionen fotografierenden Soldaten und unzähligen Fotografien ausgegangen werden. Doch gerade weil der größte Teil dieser Bilder durch die unmittelbaren Einwirkungen des Krieges wie Gefangenschaft, Flucht und Bombenangriffe oder durch beabsichtigtes sowie unbeabsichtigtes Entsorgen nach dem Krieg auf immer zerstört wurde, muss es ein Anliegen der historischen Forschung sein, den noch existierenden Teil weiter systematisch zu untersuchen.

Das hier vorgestellte Dissertationsvorhaben wird sich der privaten Kriegsfotografie unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Bilder und ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung nähern. Im Zentrum der Untersuchung stehen Soldaten, die nicht nur ihren Einsatz mit der Kamera festhielten, sondern diesen zusätzlich über Fotografien mit ihrer Heimat, mit Kameraden oder auch mit sich selbst kommunizierten. Fotografien, die mit der Feldpost nach Hause geschickt wurden oder zur Illustration selbst verfasster Kriegstagebücher dienten, erzählen viel über die direkte Erfahrung, die der Krieg den Soldaten gebracht hat und welche Bedeutung sie ihm zuordneten. Neben der Frage nach den individuell konstruierten Bildergeschichten des Krieges soll durch die diskursive Vernetzung fotografischer Quellen mit schriftlichen Ego-Dokumenten (Feldpostbriefe, Tagebücher etc.) sowie zusätzlichen zeitgenössischen Unterlagen (weitere persönliche Dokumente, Tageszeitungen, militärische Akten etc.) die Rekonstruktion subjektiver Kriegswahrnehmungen der Beteiligten erleichtert werden. Dadurch kann deutlicher Aufschluss darüber erlangt werden, welchen Platz sich diese Personen innerhalb des Krieges zugeschrieben haben und welche Rolle der Krieg zu welchem Zeitpunkt in der Interaktion mit der Heimat und/oder Freunden spielte.

In den letzten Jahren wurde der Fokus der fotografiegeschichtlichen Erforschung des  Nationalsozialismus durch einige wichtige Arbeiten mit rezeptionstheoretischen und erinnerungsgeschichtlichen Ansätzen auf die Nachwirkungen der Bilder gelenkt.5 Der hier vorgestellte eher mentalitätsgeschichtlich ausgerichtete Ansatz will den Schwerpunkt wieder auf die Frage lenken, warum diese Fotografien überhaupt existieren.6

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Bild: Bundesarchiv, Bild 101I-219-552-25A, Fotograf unbekannt.

  1. In diesem Zusammenhang werden die Soldaten der Propagandakompanien nicht miteinbezogen.
  2. Vgl. Paul, Gerhard, Visual History, Version 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.03.2014, http://docupedia.de/zg/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul, Stand: 20.07.2014.
  3. Vgl. Overmans, Rüdiger, Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, München 1999, S. 215.
  4. Vgl. Boll, Bernd, Vom Album ins Archiv – Zur Überlieferung privater Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg, in: Holzer, Anton (Hrsg.), Mit der Kamera bewaffnet – Krieg und Fotografie, Marburg 2003, S. 167-178, S. 167.
  5. Vgl. u.a. Brink, Cornelia, Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher Gebrauch von Fotografien aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern nach 1945, Berlin 1998; Knoch, Habbo, Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur, Hamburg 2001; Struk, Janina, Photographing the Holocaust. Interpretations of the Evidence, London 2004; zum Teil auch Bopp, Petra, Fremde im Visier. Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg, Bielefeld 2009.
  6. Während Miriam Arani auf das Ungleichgewicht speziell innerhalb der Fotografieforschung des Nationalsozialismus hinweist, erkennt Nora Mathys dieses ebenfalls innerhalb des gesamten Forschungsfeldes der privaten Fotografie: Arani, Miriam, Fotografische Selbst- und Fremdbilder von Deutschen und Polen im Reichsgau Wartheland 1939-45. Unter Berücksichtigung der Region Wielkopolska, Hamburg 2008, S. 6; Mathys, Nora, Fotofreundschaften. Visualisierungen von Nähe und Gemeinschaft in privaten Fotoalben aus der Schweiz 1900-1950, Baden 2013, S. 38.

Quelle: http://2wkvisuell.hypotheses.org/115

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Aufruf: Wer kennt mittelalterliche Wappensagen?

Eine wichtige Funktion der Heraldik war es, den Träger des jeweiligen Wappens in einen genealogischen Gesamtkontext einzureihen, um ihn auf diese Weise an den Ansprüchen und Taten seiner Vorfahren teilhaben zu lassen. In der Forschung ist zu lesen, dass dafür häufig Wappensagen, also die Herkunftslegende eines jeweiligen Wappens, verwendet wurden. Versucht man jedoch dem Ursprung dieser Sagen nachzugehen, ergeben sich einige Schwierigkeiten. Die Sammlungen des 19. Jahrhunderts als Sackgasse Im Zuge meiner Masterarbeit zum Thema der Wappensagen versuche ich unter anderem herauszufinden, wann die ersten Sagen schriftlich fixiert wurden und welchen Einfluss sie auf das Denken der Zeitgenossen bezüglich der Wappen hatten. Betrachtet man die Verweise, die in der Forschungsliteratur bezüglich etwaiger Sammlungen dieser Wappenlegenden zu finden sind, wird man im deutschsprachigen Raum oftmals in das vorletzte Jahrhundert verwiesen. Genannt werden dabei beispielsweise die Werke Geschlechts-, Namen- und Wappensagen des Adels deutscher Nation des Johann Georg Theodor Graesse von 1876 oder Johann Georg Ludwig Hesekiels‘ Wappensagen von 1865. Als englisches Pendant kann The General Armory of England, Scotland, Ireland and Wales von Bernard Burke aus dem Jahre 1884 gelten, das neben einer umfassenden Beschreibung der Wappen aus dem britischen Raum stellenweise auch deren Herkunftsgeschichten angibt. Sammlungen von Herkunftssagen aus Frankreich […]

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/1436

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Der Bernd Breuckmann Award 2014 – Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen für 3D Scanprojekte im Bereich Kunst und kulturelles Erbe

Eine interessante Möglichkeit um in den Bereich der 3D-Messtechnik einzusteigen – der Ausschreibungstext:

Im Jahr 1986 startete Dr. Bernd Breuckmann die Markteinführung der Weißlichtscanner-Technologie zur hochpräzisen dreidimensionalen Objektdigitalisierung — eine brillante Idee, aus der sich seitdem spitzentechnologische Errungenschaften sowie modernste Produkte in der Welt der dreidimensionalen Messtechnik entwickeln. Der Bereich Kunst und kulturelles Erbe lag und liegt Bernd Breuckmann sehr am Herzen. Er hat hier zahlreiche Scanprojekte unterstützt und persönlich begleitet; war an der Etablierung der breuckmann Scanner als Marktführer für 3D Scantechnologie in diesem speziellen Anwendungsfeld maßgeblich beteiligt.

Wir sind überzeugt, dass herausragende Ideen nicht nur eine erstklassige Technologie, sondern auch Förderung und Unterstützung verdienen. Deshalb freuen wir uns, Ihnen den ‘Bernd Breuckmann Award’ zu präsentieren, mit dem die beste ‘3D Forschungsidee’ eines gemeinnützigen Scanprojekts im Bereich Kunst und Kultur gewürdigt und gefördert wird.

Berichten Sie uns, wie ein breuckmann Scanner Ihnen helfen kann, Ihr 3D Scanprojekt im Bereich Kunst und kulturelles Erbe durchzuführen. Bitte beschreiben Sie uns in einer kurzen Zusammenfassung Ihre Projektidee und wie Sie ein breuckmann Scanner in Ihrer Forschungsarbeit unterstützen und Antworten auf Ihre Forschungsfragen liefern kann; oder entwickeln Sie eine Vorstudie als Vorbereitung für einen späteren umfangreichen Forschungsantrag.

Der Bernd Breuckmann Award

Der Gewinner erhält einen Barbetrag von € 1.000 zur Unterstützung der Forschungsarbeit und die damit verbundenen Reisen, einen breuckmann Scanner zur Leihe (ca. vier Wochen) zur Durchführung des vorgeschlagenen Scanprojekts und eine kostenlose Schulung zum Arbeiten mit dem 3D Scanner bei Breuckmann in Meersburg am Bodensee (Deutschland).

Alle zu Ihrem Projekt gehörenden Informationen werden mit angemessener Vertraulichkeit behandelt. Das Urheberrecht aller Ideen sowie die vollständigen mit dem Breuckmann System erstellten Daten verbleiben Eigentum des Preisträgers. Im Rahmen eines Anwenderberichts werden wir das Projekt nach Beendigung vorstellen und auf unserer Webseite veröffentlichen.

Die Breuckmann GmbH behält sich das Recht vor, keinen Preis zu verleihen. Sollten mehrere prämierungswürdige Vorschläge eingereicht werden, behält sich die Breuckmann GmbH auch das Recht vor, mehr als einen Preis zu vergeben oder den Preis aufzuteilen. Die Teilnahme ist offen für alle Bewerber mit einem nicht kommerziellen Projektentwurf im Bereich Kunst und kulturelles Erbe, d. h. Archäologie, Kunst, Geschichte, Paläontologie und verwandten Disziplinen. Insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs ist eingeladen, an dieser Ausschreibung teilzunehmen.

Bitte verwenden Sie für Ihre Bewerbung ausschließlich unseren Bewerbungsbogen unter www.aicon3d.de/breuckmann-scanner/kunst-kultur/der-bernd-breuckmann-award.html.

Bitte reichen Sie das ausgefüllte Formular per E-Mail ein an: award@breuckmann.com.
Einsendeschluss ist der 16.01.2015.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4037

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Günter Hack: Der Aufstieg des Datenproletariats

Keine leichte Kost zum schnell mal drüber Lesen, dafür umso erkenntnisbringendere Lektüre: Günter Hack veröffentlichte gestern auf Zeit Online den Essay Der Aufstieg des Datenproletariats; besonders erfreulich, dass es sich dabei nicht nur um eine nüchterne Analyse der gegenwärtigen medialen Lage handelt, sondern dass zugleich leicht optimistische Zukunftsperspektiven angedeutet werden, womit sich der Essay wohltuend von den sonstigen per teutonischem Schwurbel-Feuilleton verbreiteten Bocksgesängen à la Morozov, Lanier oder Byung-Chul Han absetzt:

Das Datenproletariat kann sich mehr Freiraum erarbeiten, wenn es seine vielfältigen Abhängigkeiten erkennt, sie nicht einfach akzeptiert, und die Akteure ihre individuellen Möglichkeiten bündeln, sei es über das Netz oder lokal, sei es mit Hilfe des Staates oder ohne. Statt der einen großen Revolution wird es Millionen kleinster Kämpfe geben. Und manche davon können auch die richtigen Leute gewinnen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/985928865/

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Wien Geschichte Wiki

Sehr schön, das Wien Geschichte Wiki wurde heute präsentiert: Es nimmt für sich in Anspruch, das größte Stadtwiki zu sein und basiert auf dem monumentalen, sechsbändigen Historischen Lexikon Wien von Felix Czeike. Mitarbeit, Korrekturen und Ergänzungen sind erwünscht, auch werden weitere Ressourcen laufend eingearbeitet; auch technische Verbesserungen sind vorgesehen, noch dieses Jahr soll die Fußnotenextension zur Verfügung stehen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/985928862/

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Wissenschaft. Und der Rest der Welt

Naturwissenschaft – so scheint der Konsens in Deutschland zu lauten – ist gleichzusetzen mit “Wissenschaft”. Die im Englischen übliche Differenzierung von Science und Humanities scheint also vollständig in die deutsche Sprache und Wissenschaftskultur eingesickert zu sein.

In den vergangenen drei Tagen besuchte ich die Summerschool “Wissenschaft kommunizieren” im Haus der Wissenschaft in Braunschweig. Um es kurz zu machen: Als Geisteswissenschaftlerin fühlte ich mich dort völlig deplatziert — aber warum?

Im Nachhinein – man ist zu diesem Zeitpunkt gemeinhin schlauer! – bin ich ziemlich blauäugig an die ganze Sache herangegangen. Ich bin Wissenschaftlerin mit hoher Web 2.0-Affinität, ich befasse mich gerne und oft mit Sprache, Kommunikation fand ich schon immer super und ich habe in der Vergangenheit schon einige PR-Projekte erfolgreich umgesetzt. Dies waren meine Kriterien, den Claim “Wissenschaft kommunizieren” als direkt als auf meine Person maßgeschneidertes Angebot wahrzunehmen.

Braunschweiger Löwe

Brüllt einsam. Braunschweiger Löwe (Kopie der Bronze aus dem späten 12. Jh.)

Diese Annahme wurde eigentlich sofort enttäuscht und es liegt weder primär an den ReferentInnen, noch an den OrganisatorInnen und nicht einmal an den TeilnehmerInnen. Nein.  Es handelt sich, wie ich denke, um ein strukturelles Problem. Die Naturwissenschaften mit ihrem nachgeordneten unmittelbaren Nutzen für verschiedene Industriezweige, angefangen von der Pharmazie bis hin zur Weltraumtechnik, die bekanntlich auch Innovationen wie Thermos-Kannen und Klettverschlüsse ins tägliche Leben bringt:  sie alle bewegen mehr Kapital. Es fließen höhere Fördersummen, weil ein Output erwartet wird, der sich langfristig quantifizierbar im Bruttosozialprodukt niederschlägt. Die Politik hat hieran ein höheres Interesse und fördert “Wissenschaftskommunikation”, wie man an den Geldgebern und Kooperationspartnern des Veranstalters , wissenschaft-im-dialog ersehen kann. Nicht zuletzt fand die Veranstaltung an einem Technologiestandort statt.

Schon, wenn ich das schreibe, komme ich mir wie ein lebendes Fossil vor. Welche Relevanz hat das, was ich tue für die Welt? Wenig bis gar keine?

Dabei wird es komplizierter: Mit meinem Weggang von Österreich bin ich nun von der Kunstgeschichte in den Fachbereich “Kunstwissenschaften und Medientheorie” gewechselt. Kunstwissenschaft lässt sich nicht ins Englische übertragen: “Science of Art” oder “Art Science” sind undenkbare Sprachkonstrukte. Einer der Pioniere, welche die Kunstgeschichte aus der Historiographie heraus näher heran an die empirisch operierenden Fächer rücken wollten, war aber Hans Sedlmayr. Sedlmayr favorisierte einen datenbasierten ahistorischen Zugang. Er scheiterte, das Verfahren ist problematisch. Valide Daten und harte Fakten, das sind Werte, die mir beispielsweise per se Wahrheit suggerieren. Auch ich würde gerne nur mit reinen Fakten operieren, aber ich werde gleich schildern, warum das nicht geht.

Daten  sind, wie ich meine allesamt – und das schließt meines Erachtens auch die Naturwissenschaften mit ein – abhängig von den Parametern, in denen sie generiert werden sowie ihrer jeweiligen Interpretation. Die Objektivität ist oft eine vermeintliche. Es ist allerdings ein philosophisches Problem zu definieren, ab wann wahre Aussagen produziert werden, darauf möchte ich mich jetzt gar nicht einlassen, weil das auch zu weit führt.

Wissenschaftskommunikation und auch Wissenschaftsjournalismus , so mein Eindruck, betrifft in der Regel naturwissenschaftliche Inhalte. Die Geisteswissenschaften finden im Feuilleton statt. Daher auch der Eindruck meiner KollegInnen (VertreterInnen der dominanten Gruppe, nämlich aus den Naturwissenschaften stammend), nur in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur würde “gerecht”, also objektiv (!) berichtet werden, während man sich nur in der “Wissenschaft” mit dieser fiesen Ökonomie der Aufmerksamkeit herumzuschlagen habe.

Ich sage es an dieser Stelle frei heraus:

Das “Wissenschaft” in der Öffentlichkeit und in der Community so derartig einseitig definiert wird, ist nicht hinnehmbar!

Hier muss man sofort ansetzen und Lobbyarbeit seitens der Dachverbände der Disziplinen starten, um zu kommunizieren, dass es uns gibt, wer wir sind und was wir warum wie machen.

Ich habe drei Tage lang meine eigene Relevanz befragt und kann daher Einiges dazu sagen:

Ich versuche zu verstehen, wie die Kultur in der wir leben, funktioniert. Dafür habe ich mir als konkretes Untersuchungsobjekt eine Person ausgesucht, die einerseits die Kunstgeschichte als Disziplin mitgeprägt hat, andererseits aber auch die öffentliche Meinung über das was Kunst ist und sein kann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beeinflusst hat. “Verlust der Mitte” wird von der Generation der kulturinteressierten 60-Jährigen in Deutschland gekannt. Das Buch transportiert aber nicht nur die persönliche Meinung seines Autors, sondern einen Diskurs, also eine gewisse Menge an Meinungen. Als Diskurs bezeichnen wir – mit Foucault – die Art und Weise wie Wissen produziert und tradiert wird. Diese Struktur ist nicht offensichtlich, sondern sie kann durch Analysen offengelegt werden. Foucault kann deshalb als Poststrukturalist bezeichnet werden, weil er Strukturen dekonstruiert, indem er sie offenlegt, aufzeigt, transparent macht. Ich will zeigen, wann dieser modernekritische Diskurs entstanden ist, wie er sich bei Sedlmayr manifestiert und auf welche Art und Weise er bis heute existiert. Das ist ein unbequemes Thema, weil ich zeigen kann, dass Paradigmen in der Kunstgeschichte und darüber hinaus im Kunstdiskurs herumgeistern, die längst überwunden geglaubte totalitaristische Ressentiments weiter transportieren. Ich hoffe, damit einen Beitrag zur Selbstreflexion der Gesellschaft insgesamt zu leisten. Als Einzelperson muss ich mich auf einen relativ kleinen Bereich konzentrieren – aber das ist in den meisten naturwissenschaftlichen Studien auch so.

In meiner Summerschool, in der ich zunehmend eine Verweigerungshaltung entwickelte, habe ich mir überlegt, diesen Blogartikel zu verfassen. Ich habe einige Ideen, für weitere Blogartikel in petto und ich habe mir vorgenommen, Twitter wieder stärker zu nutzen. Mir ist ein großes Defizit bewusst geworden, denn es besteht in der Wissenschaft und insbesondere in den Geisteswissenschaften eine große Kommunikationsskepsis. Selbstermächtigung – eigenes, unautorisiertes, wildes Publizieren wird nicht oder selten goutiert.

Die Chance für einen Dialog zwischen den Wissenschaftskulturen wurde in Braunschweig versäumt. Ich bin es nicht mehr gewöhnt, frontal unterrichtet zu werden. Dass sich außerhalb der Kaffeepause keiner der überwiegend männlichen Referenten für die zu 90% weiblich Teilnehmerschaft und ihre Motivation, ihnen zuzuhören, interessiert, bin ich im postgradualen Feld in dieser Form nicht mehr gewöhnt. In Arbeitsgruppen eingeteilt wurde ich zuletzt … ja wann eigentlich? Im Kindergarten? Dem einschränkend ist hinzuzufügen, dass ich mit dieser Meinung eine Einzelposition vertrete, die dominante Gruppe, auf die das Ganze zugeschnitten war, übte positives Feedback. Mir persönlich bleiben aber zu wenig greifbare Facts auf viel Unbehagen. Das ist nicht schlimm, es ist oft der erste Schritt in etwas Neues.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/558

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Neue Bucherscheinung: “14-18, une guerre des images. France-Allemagne”

Aus Anlass des Ersche81h3nJBH6ILinens Ihres Buches 14-18, une guerre des images. France-Allemagne (La Martinière/AFP/DPA, 2014)  haben  Dr. Arndt Weinrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Zeitgeschichte am DHIP, und Benjamin Gilles, Verwalter der Bibliothèque de Documentation Internationale Contemporaine (BDIC), dem Online-Magazin “slate.fr” ein Interview gegeben. Hier geht es zum besagten Artikel.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1794

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Thinking about Competency-oriented Learning. New Realism or ‘Old’ Pragmatics?

 

Over the last few years, different competency models have prevailed and are now competing against each other. However, …

 

English

 

Over the last few years, different competency models have prevailed and are now competing against each other. However, competency orientation is not fundamentally questioned, even though it tends – provocatively worded – to dogmatics. Indeed, there is a lot to discuss and to criticise, for example, the artificial separation of knowledge and competencies, or the danger of arbitrariness arising from the central importance of multi-perspectivity.

 

Constructivism – a nasty word?

I claim that competency models are based on constructivist approaches. So-called truths are questioned, and it is assumed that the view of the world is determined by a subjective process. Therefore, competency models are often accused of postmodern arbitrariness – in particular in the didactics of history and civic education because of the current preference to deconstruct historical and political narratives. The role that these narratives play for identity building is often neglected. The criticism leveled at the constructivism experience has now reached a new climax: under the heading of “new realism,” several philosophers – among others Markus Gabriel und Maurizio Ferraris – are heralding the end of postmodernism. This seems to me to be a good reason to reflect on the hegemony of constructivism in the didactics of history and civic education … and perhaps to challenge it.

New realism and the truth

In Markus Gabriel’s popular-psychological book “Why the world does not exist,” three figures consider Mount Vesuv from different vantage points: “Astrid,” the author, and the reader. Therefore, not only one single Vesuv exists, as is commonly assumed, but actually three others. This sounds like – a moderate version of – constructivism. But could one Vesuv be “truer” than the others? Transferred to civic education, for example, we could safely say, and conclusively argue, that all cultures are dynamic and not static. This means that in democratic societies, which are increasingly characterized by migration, intercultural processes and cultural changes need to be accepted in order to resolve social and political problems. Any policy aimed at perpetuating a cultural status quo will not only fail but also lead to marginalisation, xenophobia, and possibly to violence. Admittedly, this is only one possible perspective, one which does not allow any other alternative. This perspective could thus be called “realistic.”

True, but not objectively

Both constructivism and “new realism” have one thing in common: they refuse the claim to objectivity. Although the new realism neither relativises nor can be accused of arbitrariness, it defines itself as a countermovement against hegemonic discourses, including populism and easy solutions for complex and multicausal problems. Ideologies, also called “isms,” cannot be ruled out. However, under certain conditions, such as democracy, some “isms” are “truer” than others. This is already evident in Maurizio Ferraris’s plea for new realism entitled “Manifesto of New Realism,” inspired by Karl Marx and Friedrich Engels’s “The Communist Manifesto,” which created a political counterforce, or by André Breton’s “Manifesto of Surrealism,” which initiated a new art movement.

I doubt, and ask questions …

New realism raises various key questions: are there any historical and political narratives which – within a set of democratic values – do not allow alternatives? Are teachers in fact only moderators or will they continue to be instructors? Has only the learner the right to design historical and political narratives? Is therefore the teacher condemned to silence? Is it possible that master narratives still continue to exist? Are there any limits for multi-perspectivity? Must we vehemently oppose certain political positions, for example, populist and xenophobic notions, even if these ideas are supported by political parties which are democratically elected? Is it not true that educational materials and teaching methods often point in a single direction, in spite of the fact that they should enable learners to take different perspectives? All these questions make me feel insecure, nor do have any readymade answers. It is still unthinkable for me to concede some of my previous didactical principles. Nevertheless, we should promotea dispassionate discussion of these issues.

Literature

  • Maurizio Ferraris, Manifest des Neuen Realismus, (Recht als Kultur, vol. 6) (Frankfurt a. M., 2014
  • Markus Gabriel, Warum es die Welt nicht gibt, 7th ed. (Berlin: Ullstein, 2013).
  • Markus Gabriel, Der Neue Realismus (Berlin: Suhrkamp, 2014).

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© Rainer Sturm  / pixelio.de.

Recommended citation
Hellmuth, Thomas: Thinking about Competency-oriented Learning. New Realism or ‘Old’ Pragmatics? In: Public History Weekly 2 (2014) 30, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2477.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

 

Deutsch

 

In den letzten Jahren haben sich in der Didaktik der Geschichte und politischen Bildung verschiedene Kompetenzmodelle durchgesetzt und sich gegenseitig mehr oder weniger Konkurrenz gemacht. Unbestritten ist aber die Kompetenzorientierung, die als solche – provokant formuliert – gar ein wenig dogmatisch geworden ist. Tatsächlich gibt es viel daran zu diskutieren und zu kritisieren, etwa die künstliche Trennung von “Wissen” und “Kompetenzen” oder die Gefahr der Beliebigkeit infolge der zentralen Bedeutung der Multiperspektivität.

 

 

“Konstruktivismus” – ein garstig’ Wort?

Hinter den Kompetenzmodellen stecken – das behaupte ich hier zumindest – konstruktivistische Überlegungen. “Wahrheiten”, also die Dinge, wie sie angeblich sind, werden infrage gestellt und die Betrachtung der Welt als subjektiv definiert. Damit einher geht freilich auch der Vorwurf der Beliebigkeit, zum Beispiel in der Didaktik der Geschichte und politischen Bildung nicht zuletzt auch durch einen zunehmenden Hang, historische und politische Erzählungen vor allem zu dekonstruieren und deren Konstruktion, obwohl für die Identitätsbildung von zentraler Bedeutung, zu vernachlässigen. Nun wird daher wieder zum “Halali” gegen den Konstruktivismus geblasen. Unter dem Schlagwort des “Neuen Realismus” erfolgt – angeführt von Markus Gabriel und Maurizio Ferraris – der Abgesang auf die Postmoderne und damit auch auf den Konstruktivismus. Damit scheint mir auch für die Didaktik der Geschichte und politischen Bildung ein Grund gegeben, über die hegemoniale Position des Konstruktivismus nachzudenken … und diese vielleicht auch infrage zu stellen.

Der “Neue Realismus” und die “Wahrheit”

In Markus Gabriels populär-philosophischen Buch “Warum es die Welt nicht gibt” betrachten “Astrid”, der Autor und der Leser bzw. die Leserin von verschiedenen Orten aus den Vesuv. Es existieren daher nicht nur ein Vesuv, sozusagen “der” Vesuv, sondern noch drei andere – je nach Blickwinkel. Das klingt nach – zumindest gemäßigtem – Konstruktivismus. Aber: Kann ein Vesuv “wahrer” sein? Umgelegt etwa auf die politische Bildung lässt sich zum Beispiel sehr wohl behaupten und wohl auch schlüssig argumentieren, dass etwa Kultur dynamisch und nicht statisch ist, d.h. dass in demokratischen Gesellschaften, die zunehmend von Migration geprägt sind, interkulturelle Prozesse und kultureller Wandel als notwendig akzeptiert und auch gestaltet werden müssen, um damit verbundene soziale und politische Probleme zu lösen. Jede Politik, die auf kulturellen Status quo ausgerichtet ist, wird scheitern und führt letztlich zu Ausgrenzung, die sich in Ausländerfeindlichkeit und möglicherweise auch in Gewalt niederschlägt. Damit ist freilich nur eine Perspektive auf Migrationsgesellschaften beschrieben, die aber unter demokratischen Voraussetzungen kaum eine bessere Alternative zulässt – “realistisch” lässt sie sich durchaus nennen.

“Wahr” und doch nicht “objektiv”

Beide, Konstruktivismus und Neuer Realismus, haben eines gemeinsam: Sie wenden sich gegen jedweden Objektivitätsanspruch. Der Neue Realismus relativiert zwar letztlich nicht und setzt sich damit nicht dem Vorwurf der Beliebigkeit aus, er begreift sich aber als eine Gegenbewegung gegen hegemoniale Diskurse, unter anderem gegen Populismus und einfache Lösungen in einer komplexen Welt. “Ismen” sind also nicht ausgeschlossen, manche “Ismen” aber – unter bestimmten Voraussetzungen wie einer demokratischen Gesellschaft – “wahrer”. Allein an Maurizio Ferraris’ Plädoyer für den Neuen Realismus, das den Titel “Manifest des  Neuen Realismus” trägt, lässt sich dies unschwer erkennen. Haben doch schon Karl Marx und Friedrich Engels mit ihrem “Manifest der kommunistischen Partei” eine politische Gegenmacht aufgebaut oder André Breton mit seinem “Manifest des Surrealismus” einer neuen, durchaus politisch orientierten Kunstbewegung den Weg gewiesen.

Ich zweifle und frage …

Für die Didaktik der Geschichte und politischen Bildung stellen sich im Zusammenhang mit dem Neuen Realismus mehrere Fragen: Gibt es nicht historische und politische Erzählungen, die unter der Voraussetzung eines demokratischen Werterahmens kaum Alternativen besitzen? Ist die Lehrperson tatsächlich nur ModeratorIn, wie zunehmend behauptet wird, oder ist sie trotz alledem auch LehrmeisterIn? Besitzt nur der/die Lernende das Recht, seine Erzählungen zu konstruieren? Ist der/die Lehrende daher letztlich zum Schweigen verurteilt? Oder gibt es doch noch “Meistererzählungen”, die erzählt werden müssen? Hat die Multiperspektivität ihre Grenzen? Ist bestimmten politischen, etwa populistischen Positionen, auch wenn diese von Parteien vertreten werden, die als demokratisch gelten, nicht eindeutig entgegenzutreten? Sind nicht oftmals die von den Lehrenden gewählten Materialien und Methoden, auch wenn sie Multiperspektivität beanspruchen und den Lernenden die Konstruktion eigener Erzählungen ermöglichen sollen, doch in eine bestimmte Richtung weisend? Alles Fragen, die zumindest mich zunehmend verunsichern. Antworten habe ich darauf (noch) keine, undenkbar ist es mir noch immer, vielleicht einen Teil davon aufzugeben, was meine fachdidaktischen Überzeugungen bisher ausgemacht hat. Dennoch sollten wir über diese Fragen sachlich diskutieren.

Literatur

  • Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus, Frankfurt a. M. 2014 (Recht als Kultur, Bd. 6).
  • Gabriel, Markus: Warum es die Welt nicht gibt, 7. Auflage, Berlin 2013.
  • Gabriel, Markus: Der Neue Realismus, Berlin 2014.

 

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Abbildungsnachweis
© Rainer Sturm  / pixelio.de.

Empfohlene Zitierweise

Hellmuth, Thomas: Nachdenken über Kompetenzorientierung. Neuer Realismus statt ‘alter’ Pragmatik? In: Public History Weekly 2 (2014) 30, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2477.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

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