Toletum – III Workshop vom 01.-03.11.2012 in Hamburg

Das “Netzwerk zur Erfoschung der Iberischen Halbinsel in der Antike” trifft sich auch in diesem Jahr vom 01.-03.11.2012 zu einem interdisziplinären Workshop im Hamburger Warburg-Haus, Heilwigstr. 116, 20249 Hamburg.

Zum Thema der Spätantike sollen durch verschiedene Vorträge  neueste Forschungsvorhaben vorgestellt, “aktuelle Ansätze der jeweiligen Disziplin” diskutiert  und sich “über praktische sowie methodische Probleme verständigt werden“. 1

Bemerkenswert ist in diesem Jahr, dass der Workshop bereits am Donnerstagnachmittag beginnt und damit zusätzliche Vorträge ermöglicht werden, was die Möglichkeit eröffnet das Thema Spätantike noch ausführlicher behandeln zu können. Das internationale Klima dieses Netzwerkes ist auch beim diesjährigen Workshop besonders spürbar: So werden, neben den auf deutsch gehaltenen Vorträgen, fünf Vorträge auf Spanisch und ein Vortrag auf Französisch gehalten werden. Dies ermöglicht einen unmittelbaren Einblick in die aktuellen Forschungsvorhaben der spanischen und französischen Archäologen bzw. Althistoriker.

Veranstalter des Workshops sind der Fachbereich Alte Geschichte des Historischen Seminars der Universität Hamburg und das
Seminar für Klassische Archäologie der Universität Trier.

Weitere Informationen auf www.toletum-network.com  

Zum Flyer

  1. Siehe http://www.toletum-network.com/index.htm (Zugriff: 02.10.2012).

Quelle: http://jbshistoryblog.de/2012/10/toletum-iii-workshop-vom-01-03-11-20120-in-hamburg/

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Teilnahme am Tag des SOWI-Doktorats

Am Donnerstag den 04. Oktober 2012 werden wir am Tag des SOWI-Doktorats teilnehmen und ein Poster präsentieren. Der „Tag des SOWI-Doktorats“, bei welchem die Forschung von rund 30 sozialwissenschaftlichen NachwuchswissenschafterInnen präsentiert wird, veranstaltet das Graduiertenzentrum der Fakultät für Sozialwissenschaften in Zusammenarbeit mit dem DoktorandInnenzentrum der Universität Wien. Darüber hinaus werden im Rahmen von Panels mit ExpertInnen die Themen “Karriereperspektiven in den Sozialwissenschaften” sowie “Wissenschaftskommunikation in Theorie und Praxis” (u.a. mit Armin Wolf und Klaus Taschwer) diskutiert. Die Veranstaltung findet in der Aula am Universitätscampus statt und beginnt um 14 Uhr.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=4038

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Ressource Bürgerrecht – eine Ausstellung in Mainz

Letzte Woche ein paar Tage in Mainz gewesen, 49. Deutscher Historikertag. Das Hotel liegt netterweise an der Augustusstraße, von der eine Traianstraße abzweigt. Die Römer sind hier, auf dem Boden des antiken Mogontiacum, vielfach präsent. Die Festrede zur Eröffnung hält der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, vom Ministerpräsidenten zuvor in einem fahrig-bräsigem „Trinkt-Wein-und-seid-nett-zueinander"-Winzerfesteröffungsstandardgrußwort...(read more)

Quelle: http://faz-community.faz.net/blogs/antike/archive/2012/10/02/ressource-buergerrecht-eine-ausstellung-in-mainz.aspx

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Ressource Bürgerrecht – eine Ausstellung in Mainz

Letzte Woche ein paar Tage in Mainz gewesen, 49. Deutscher Historikertag. Das Hotel liegt netterweise an der Augustusstraße, von der eine Traianstraße abzweigt. Die Römer sind hier, auf dem Boden des antiken Mogontiacum, vielfach präsent. Die Festrede zur Eröffnung hält der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, vom Ministerpräsidenten zuvor in einem fahrig-bräsigem „Trinkt-Wein-und-seid-nett-zueinander”-Winzerfesteröffungsstandardgrußwort als „Herr Faßkuhle” angesprochen (intellektuelle Arroganz ist bei solchen Anlässen fehl am Platz, und Herr Beck ist gesundheitlich schwer angeschlagen – aber hat ein MP nicht einen Redenschreiber, der für derartige Anlässe ein paar halbwegs vernünftige Seiten schreiben kann?). Voßkuhle nimmt sich des Historikertagsmottos „Ressoucen-Konflikte” an und entwirft in brillanten Distinktionen ein Tableau künftiger Forschungen. Einleuchtend unterscheidet er zwischen Ressourcen, deren Menge (und damit auch Knappheit) in hohem Maße von unbeeinflußbaren Gegebenheiten bestimmt ist, z.B. Bodenschätze oder Wasser, und solchen, deren Volumen und Verfügbarkeit gewillkürtes Ergebnis von Vereinbarung und Satzung ist. Zu ihnen gehört das Bürgerrecht.

Die Ausführungen des Verfassungsjuristen kommen mir in den Sinn, als ich am Freitag eine kleine Sonderausstellung im Römisch-Germanischen Zentralmuseum zu Mainz besuche: „Bürgerrecht und Krise. Die Constitutio Antoniniana und ihre innenpolitischen Folgen”. Ihren äußeren Anlaß bietet die ‘runde Zahl’, die aber zu keinem Jubiläum geführt hat. Dabei ist die Sache durchaus aufschlußreich. Es handelt sich um einen Erlaß des Kaisers Caracalla – der gängige Name leitet sich von einem keltischen Kleidungsstück ab, ähnlich wie bei Caligula, ‘Stiefelchen’; mit vollem Namen hieß der seit 211 regierende Sohn des Septimius Severus und der Iulia Domna Marcus Aurelius Severus Antoninus Augustus. Mit Portraitköpfen und Münzen führt die Schau in die aufregenden dynastischen Verhältnisse ein, zumal die blutig eskalierende Rivalität zwischen Caracalla und seinem jüngeren Bruder Geta. Obwohl die Schau der Innenpolitik gewidmet ist, wird der Besucher beim Rundgang (im Wortsinne) auch über das unter den Severern zur wichtigsten Gruppe aufsteigende Militär und die Außenpolitik zwischen 195 und 238 orientiert. Denn ohne diesen Kontext ist die Ausweitung des römischen Bürgerrechts auf alle freien Reichsbewohner durch die Constitutio Antoniniana nicht zu verstehen.

Über Jahrhunderte hatte die Römer ihr Bürgerrecht vergleichsweise großzügig, aber doch gezielt an ‘Fremde’ vergeben; insofern bildete es immer eine knappe, begehrte Ressource (außer vielleicht im Nachgang des Bundesgenossenkrieges 91-89 v.Chr., als es den unterworfenen Italikern je nach Sicht und Interesse auch den endgültigen Verlust ihrer Eigenständigkeit anzeigen konnte). In der Kaiserzeit stellte es das Hauptinstrument der politischen Integration zumal im Westen des Reiches dar. Angehörige lokaler Eliten erhielten es, wenn sie Ämter in den nunmehr römisch verfaßten Städten ihrer Heimat bekleidet hatten, Angehörige von Hilfstruppeneinheiten in der Armee bei ihrer Entlassung nach zwanzig oder mehr Jahren Dienst (in Mainz sind einige der immer wieder eindrucksvollen sog. Militärdiplome aus Bronze zu sehen, die diesen Akt dokumentierten). Das römische Bürgerrecht bedeutete schon in der Republik – anders als in demokratischen griechischen Bürgerstaaten – weniger die Chance zur politischen Teilhabe, sondern in erster Linie ein rechtliches Privileg (u.a. vor Inhabern römischer Gerichtsgewalt; man denke an Paulus’ civis Romanus sum) und das Bewußtsein, zu dem Verband zu gehören, der die zivilisierte Welt beherrschte.

War Caracalla also zu Beginn seiner Regierung ein politischer Philanthrop, der alle Freien an den Segnungen des römischen Bürgerrechts teilhaben lassen wollte? Sicher nicht. Man kann einen Vergleich bemühen: Wenn die Deutsche Bahn – die mir am nämlichen Freitag eine aufregende Heimreise beschert hat, verursacht durch eine lange Verspätung, diese wiederum ausgelöst durch einen dieser asozialen Selbstmörder, die Tausenden von Fahrgästen den Start ins Wochenende ruinieren – wenn also die Bahn künftig nur noch Wagen der Ersten Klasse verkehren ließe, wäre es kein Privileg mehr, Erste Klasse zu fahren. Sicher, es wäre für alle bequemer. Aber ich habe bei der besagten Fahrt – übrigens erstmals selbst in der Ersten Klasse – gemerkt, daß die Passagiere in diesen Wagen nicht nur mehr Platz haben als in der Zweiten Klasse, sondern vor allem mehr Ruhe und Komfort, weil es lange nicht so voll ist wie im Rest des Zuges, beim normalzahlenden Fußvolk. Dieser Vorteil wäre dahin – es sei denn, die Bahn vollzöge die Egalisierung nach oben und behielte auch die Preise für die Erste Klasse bei. Und das war wohl mutatis mutandis der Clou bei der Constitutio Antoniniana: Wenn es auf einen Schlag viel mehr römische Bürger gab, gab es auch mehr Steuerzahler. Denn bestimmte Steuern, in erster Linie die Erbschafts- und Freilassungssteuer, mußten nur von römischen Bürgern bezahlt werden. Der Gedanke funktionierte selbstverständlich nur, wenn den Neubürgern die Steuern und Abgaben, die sie zuvor als Nicht-Bürger, sog. Peregrine, zahlen mußten, nicht erlassen wurden, und genau das scheint sich aus der dokumentarischen Hauptquelle, einem fragmentarisch erhaltenen Papyrus in Gießen (P.Giss. 40 I), zu ergeben (bei allen Problemen der Lesung und Interpretation des Bruchstückes im Ganzen wie im Detail). Die Egalisierung nach oben war also lediglich symbolischer Natur – und als solche kam sie auch durchaus an; so ist in Mainz ein Papyrus zu sehen, auf dem ein Neubürger diesen seinen Status ausdrücklich betont. Der Dank dafür galt dem Kaiser, dessen Gentilname Aurelius nun mit einem Schlag zum häufigsten römischen Namen überhaupt wurde. Denn die Neubürger übernahmen diesen von ihrem Patron, dem sie den neuen Personenrechtsstatus verdankten, so wie einst der Häduer Gaius Iulius Vercondaridubnus, der vierzig Jahre nach der Unterwerfung Galliens durch Caesar zum ersten Priester des von Augustus begründeten Kultes für Roma und Augustus in Lyon ernannt wurde. Eine erwünschte Nebenfolge für den Kaiser also.

Ein anderes Motiv, das die Forschung ausgemacht hat, war ebenfalls ganz und gar situativer Natur: Dem Kaiser mangelte es an Legionären. Für 213/14 stand ein weitgehender Personalwechsel in den Rückgrateinheiten des römischen Heeres an, und in den Legionen konnten nach wie vor nur römische Bürger dienen. Wenn diese nunmehr vermehrt aus den Provinzen rekrutiert werden sollten, genügte es nicht, dies in den Städten mit römischem Bürgerrecht zu tun; es lag also nahe, auch hier, wie bei den Steuern, die Basis zu verbreitern.

Eine unerwünschte Nebenfolge benennt der bilanzierende Beitrag im vorzüglichen Begleitbuch zur Ausstellung (S. 86): „Zu den negativen Auswirkungen zählen der völlige Währungsverfall im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts und die damit zusammenhängende hohe Inflation. Nach dem allgemeinen Bürgerrechtserlass war es nämlich nicht mehr möglich, die Hilfstruppensoldaten am Ende ihrer Dienstzeit hauptsächlich mit dem »kostenneutralen« Bürgerrecht zu belohnen. Als römischen Bürgern standen ihnen vielmehr dieselben Privilegien wie den Legionssoldaten zu, also Steuererleichterungen und Geldabfindungen. Damit fielen die Auxiliarveteranen finanziell stärker ins Gewicht als in den Jahrhunderten zuvor. Mit der Constitutio Antoniniana war also die Möglichkeit der kostenlosen Privilegienvergabe für den Kaiser endgültig ausgereizt; allen folgenden Herrschern blieb kaum etwas anderes übrig, als sich die Loyalität der Truppen mit immer höheren Geldsummen zu erkaufen. Hinzu kamen die Solderhöhungen unter Septimius Severus und Caracalla auf das 2 ½ bis 3-fache dessen, was den Legionen seit Domitian ausgezahlt worden war, die finanziellen Aufwendungen, um die an den Grenzen stehenden Feinde Roms ruhig zu stellen, und die immer rascher zu zahlenden Donative bei der Inthronisierung eines neuen Kaisers (…).” Aktualisierungen erspare ich mir an dieser Stelle.

Bild zu: Ressource Bürgerrecht – eine Ausstellung in Mainz

Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Kurfürstliches Schloß, noch bis zum 1. Jan. 2013. Eintritt frei. Das reich illustrierte Begleitbuch (103 S.) kostet in der Ausstellung 15,- Euro, die Buchhandelsausgabe (Verlag Schnell & Steiner) 20,- Euro.

von Uwe Walter erschienen in Antike und Abendland ein Blog von FAZ.NET.

Quelle: http://blogs.faz.net/antike/2012/10/02/ressource-buergerrecht-eine-ausstellung-in-mainz-392/

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Liber Vitae des Abts Peter Gremmelsbach von St. Peter im Schwarzwald ist online

Die Universitätsbibliothek Freiburg digitalisiert mit der Virtuellen Bibliothek St. Peter die barocke Sammlung des Schwarzwaldklosters. Noch heute erinnert der prachtvolle Bibliothekssaal an die staunenswerte frühneuzeitliche Kollektion. Nicht weniger als 149 Handschriften der Provenienz St. Peter hat inzwischen die Badische Landesbibliothek Karlsruhe ins Netz gestellt. So gut wie nichts ist aber von dem mittelalterlichen Handschriftenbestand der Benediktinerabtei überliefert. In seiner grundlegenden Studie über Peter Gremmelsbach, Abt von St. Peter im Schwarzwald 1496 – 1512, aus dem Jahr 2001 (auf Freidok online)  hat Dieter Mertens ganze drei [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/315

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Musik für die Massen – zur Biographie des Arbeitersängers Ernst Busch.

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Ernst Busch 1946 (Foto: Abraham Pisarek. Deutsche Fotothek‎, Lizenz: CC Share Alike 3.0 Germany) via Wikimedia Commons)

Rezension von Ralf Hoffrogge (Eine Kurzversion erschien im September 2012 in der Zeitschrift “Analyse und Kritik”, AK Nr. 575)

„Er rührte an den Schlaf der Welt…“ – diese Zeilen von Johannes R. Becher bezogen sich auf Lenin – doch eingeprägt haben sie sich durch die Stimme von Ernst Busch, der sie in einer einzigartigen Interpretation um die Welt schickte. Daher ist es mehr als angemessen, wenn Jochen Voit diesen Liedtext zum Titel seiner jüngst erschienenen Biographie des Arbeitersängers wählte. „Mit Worten, die Blitze waren“ lautet die nächste Zeile des Liedes, und auch diese mag man getrost auf Ernst Busch beziehen. Denn für viele Zuschauer war es in der tat ein elektrisierendes Erweckungserlebnis, wenn er Texte von Erich Weinert, Bertolt Brecht und Johannes R. Becher schmetterte, die diese oft eigens für ihn verfaßten. Manch einer soll nur wegen seiner Musik zum Marxisten geworden sein. Ernst Busch war letztlich wohl der einzige Sänger, der politische Generationen wie die Weimarer KPD der 20er Jahre, die DDR-Aufbaugeneration ab 1945 und die westdeutschen 68er gleichermaßen zu begeistern vermochte.

Dies gelang nicht nur mit markiger Stimme und Agitprop-Texten. Auch die Kompositionen seiner Lieder mußten einzigartig sein, und sie waren es. Der Schönberg-Schüler Hanns Eisler, mit dem Ernst Buch zeitweise in einer Künstler-WG zusammenlebte, komponierte zahllose Stücke eigens für ihn, darunter Klassiker wie „Das Solidaritätslied“ oder „Roter Wedding“. Es war diese kongeniale Zusammenarbeit mit der lyrischen und musikalischen Avantgarde seiner Zeit, die den Ruhm der Sängers begründete.
Denn vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit des ersten Weltkrieges waren Arbeiterlieder künstlerisch meist schlicht gestrickt, meist bloße Umdichtungen gängiger Volkslieder und Soldatenlieder. Erst das Trio Brecht-Eisler-Busch hob den proletarischen Gesang in den 1920er Jahren auf ein ganz neues Niveau. Sie hinterließen Musik für die Massen – zeitkritische Propagandaschlager, die es mitunter fertig brachten, auch als zeitlose Kunstwerke zu wirken.

Im Jahr 2010, Dreißig Jahre nach dem Tod des Künstlers und 110 Jahre nach seiner Geburt im norddeutschen Kiel legte Jochen Voit die erste kritische Biographie des Arbeitersängers vor. Kritisch – das bedeutet, dass Voit sich der Rolle Buschs als Legende, Idol und Staatskünstler der DDR bewußt ist, ihr aber nicht auf dem Leim geht. Er vermeidet die Versuchung jedes Biographen, seinen Protagonisten unkritisch zu überhöhen oder zu dämonisieren.

Begleitmusik zum Stalinismus

Voit zeigt stattdessen viele von Buschs Ambivalenzen im neuen Licht. Die zentrale davon ist wohl sein Verhältnis zur Diktatur. Denn so berühmt wie Buschs Protestsongs, so berüchtigt ist seine Interpretation der SED-Hymmne mit dem unverfrorenem Refrain „Die Partei hat immer recht“, ebenso unvergessen sein Lied „Stalin, Freund – Genosse“. Auf neueren Best-of Sammlungen sind diese Lieder nicht mehr enthalten. Durch historisches Fernseh-Infotainment und YouTube sind sie dennoch bekannter als manch klassische Protestsongs wie das „Stempellied“.

Trotz seiner Begleitmusik zum Stalinismus gilt Busch erstaunlicherweise vielen als Dissident. Er habe Honecker auf einer Parteiveranstaltung geohrfeigt, sei aus der SED ausgeschlossen worden. Busch habe öffentlich geschwiegen, sei jedoch eigentlich ein Regimekritiker gewesen – so die Legende, die Busch schon zu DDR-Zeiten begleitete.

Ohne in den ermüdenden Gestus des Entlarvers zu verfallen präsentiert Voit zahllose Fakten, die dieses Bild zurechtrücken. Die Honecker-Ohrfeige hat nie stattgefunden, obwohl sich Busch in der Tat mit Honecker überwarf – freilich zu einer Zeit, als dieser noch Vorsitzender der FDJ war. Für Stalin sang Busch nicht gezwungenermaßen, sondern ebenso inbrünstig wie er gegen Hitler sang. Zum 70. Geburtstag des Generalissimus widmete Busch mit seiner Plattenfirma dem sowjetischen Diktator eine eigene Plattenedition samt Liederbuch. Dreizehn der 36 dort vertretenen Lieder waren Lobeshymmnen auf Stalin, den „Vater der Völker“, zwei davon mit Texten von Bertolt Brecht. Denn der vielgeschmähte Busch war längst nicht der einzige Künstler, der sich am Stalinkult beteiligte. Zu nennen wären neben Brecht auch noch Pablo Neruda und zahllose andere Schriftsteller, Musiker und Intellektuelle. Zu nennen wäre hier auch der Mainstream der demokratischen Presse von London bis in die USA, die Stalin in der Ära der Anti-Hitler-Koalition manche Schmeichelei darbrachte – bevor er schließlich durch den Ausbruch des kalten Krieges 1948 wieder zum Schurken wurde. Ohne das Ernst Busch damit entschuldigt wäre – es ist schade, dass Voit diesen Hintergründen wenig Beachtung widmet und sich nur auf Busch konzentriert, anstatt dem Stalinkult unter Intellektuellen in Ost und West einen Exkurs zu widmen.

Eigensinnig, aber nicht dissident

Auch an anderen Stellen führt Voits biographische Konzentration auf das Individuum dazu, das größere gesellschaftliche Zusammenhänge nicht mal im Ansatz dargestellt werden können. Manches erscheint so als historische Kulisse, die einfach vorausgesetzt wird – dabei kann gerade eine Biographie erklärenden Zugang auch für komplexe historische Zusammenhänge bieten.

Die Stärke des Buches liegt also in der Beschreibung von Busch selbst. In der Tat wurde dieser aus der SED ausgeschlossen, weil er sich anfang der 50er Jahre einer „Parteiüberprüfung“, also einer Säuberung widersetzte. Obwohl er die Prüfung zweifellos bestanden hätte, wollte Busch sich der Prozedur nicht unterordnen. Doch Unterordnung war Zweck der Übung: auch Prominenten wollte man zeigen, dass sie von der Gnade des Apparats abhängig waren.

Dies und das Versagen der SED am 17. Juni 1953 waren verantwortlich für Buschs jahrelanges Schweigen und seinen Rückzug ans Theater. Nicht das Busch der Arbeiterrevolte positiv gegenübergestanden hätte – er hätte gerne mit Revolutionsmusik und Radiopropaganda die Aufständischen von der Falschheit ihres Tuns überzeugt. Stattdessen lief im DDR-Rundfunk seichte Unterhaltungsmusik, während auf den Straßen sowjetische Panzer die Demonstrationen mit Gewalt auseinandertrieben. Panzer statt Propaganda – das war der moralische Bankrott der DDR und ihrer Führungspartei. Busch sah es kommen und konnte es nicht verhindern. Er lehnte die Methoden ab, stand aber zur Sache.

Daher äußerte er sich nie öffentlich systemkritisch – im Gegenteil: 1976 unterstützte er die Ausbürgerung Biermanns, der doch seinerzeit am ehesten so etwas wie sein künstlerischer Nachfolger war. Um solche Widersprüche verstehen, wäre ein vergleichender Blick auf andere Kommunisten seiner Generation hilfreich gewesen: Allesamt waren sie rebellisch und aufrührerisch gegen Kapitalismus und Faschismus, gleichzeitig fast alle loyal bis zum Erbrechen gegenüber dem eigenen Apparat.
Vor diesem Hintergrund war Busch weit aufmüpfiger als andere, die zum Wohle der Sache noch unmittelbar vor ihrer Erschießung erfundene Verbrechen gestanden und die das Regime ihrer Peiniger verteidigten. Nicht nur Folter spielte hier eine Rolle, sondern die völlige Aufgabe der eigenen Identität gegenüber einer Idee, die zur Ideologie verkommen war.
Busch ließ sich niemals derart brechen. Er blieb als Mensch immer widerständig, bockig, egozentrisch, im wahrsten Sinne des Wortes eigensinnig. Aber den Schritt zum Dissidenten tat er trotz Parteiausschluß nie.

Eine facettenreiche Darstellung

Obwohl Voit kaum den Versuch macht, das Phänomen des Stalinismus zu erklären oder zu verstehen, so liefert er doch durch seine in über zehn Jahren Forschungsarbeit einzigartig recherchierte Zusammenstellung dem Publikum alles an die Hand, um sich selbst ein Bild von der widersprüchlichen Haltung Buschs zu machen. Ihn auf seinen politischen Abstand oder nicht-Abstand zur Diktatur zur verkürzen, ginge jedoch am Menschen Ernst Busch vorbei.

Voit präsentiert daher zahllose Facetten von Busch – auch unbekanntes über seine Anfänge als Kieler Arbeiterjunge, über erste Auftritte auf einer Kinderrepubliken der sozialdemokratischen Falken. Ja – auch der SPD stand Busch zeitweise nahe, bevor er sich in den 1920ern der KPD zuwandte, der er allerdings erst 1945 unter dem Eindruck der faschistischen Katastrophe beitrat. Entlassen aus dem Zuchthaus Brandenburg, geschlagen, gequält, die eine Gesichtshälfte gelähmt, war es damals unklar, ob Busch seine Karriere als Sänger und Schauspieler jemals fortsetzen konnte. Doch der Sänger gab nicht auf, obwohl er es nicht leicht hatte. Die Deutschen, so konstatierte Busch 1947, hätten gegen Faschismus und Judenverfolgung nie ernsthaft etwas einzuwenden gehabt – nur das Kriegverlieren habe sie am Ende doch gestört. Jeden Tag, so Busch, kämpften er und seine Mitarbeiter im Kulturbetrieb ein zweites Stalingrad.

Voit präsentiert alle Aspekte seines Themas mit einzigartiger Leichtigkeit. Man sieht diesem Buch nicht an, dass es aus einer Dissertation entstand – was angesichts der oft immer noch erschütternd langatmigen deutschen Wissenschaftsprosa eindeutig als Kompliment zu werten ist. Manchmal schießt er jedoch übers Ziel hinaus, die Sprache wird süffisant, der Härte des Dargestellten unangemessen. Voit rutscht hier mitunter in die Haltung des Geschichtenerzählers, an manchen Punkten verfehlt er systematische historische Erklärungsansätze – dennoch: Er erzählt seine Geschichte gut.

Jochen Voit: Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch – Die Biographie
Aufbau-Verlag, Berlin 2010, 515 Seiten, gebunden, 24,95 Euro


Einsortiert unter:Biographie

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/10/01/musik-fur-die-massen-zur-biographie-des-arbeitersangers-ernst-busch-eine-rezension/

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Zwischen Machtdemonstration, Banalität und Tabuisierung: Architektur und Ideologie

Architektur ist allgegenwärtig. Sie ist ein Phänomen der Dauer. Das Material, die Formensprache und die Verortung im öffentlichen Raum kann Macht symbolisieren, ein politisches System repräsentieren oder rein funktionalen Wert haben im Sinne einer modernen Shopping-Mall. Sie ist immer auch Geschichte und Teil des kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft.

In der größenwahnsinnigen NS-Philiosophie untersuchte Albert Speer als “Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt”, wie die Welthauptstadt Germania auch als Ruine noch Wirkung zeigen könnte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden große Steinbauten mit gleichmäßigen Fensterreihen tabuisiert, Fassaden mit öffentlichen Geldern neu gestaltet. Mit dem Ende des Kalten Krieges rückt Architektur in die öffentliche Debatte und wird Teil des historischen Aufarbeitungsprozess. Der Palast der Republik wird abgerissen, das neu zu errichtende Stadtschloss wird hingegen die jahrhundertelange Herrschaft der Hohenzollern repräsentieren.

Im MONTAGSRADIO, Ausgabe 14/2012, sprechen Markus Heidmeier und Kaja Wesner mit Fritz Neumeyer, Professor für Architekturtheorie der TU Berlin über die Ideologisierung von Architektur im 20. Jahrhundert, die Moralisierung der Architektur-Debatte in den 90er Jahren und Ideologie in städtebaulichen Konzepten.

Und hier die Timeline zum Gespräch

01:16 Architektur als Phänomen der Dauer und Machdemonstration

05:05 Zeitgemäßes Bauen: Rückgriff auf alte Formen?

08:06 Innovationen des 20. Jahrhunderts: das Neue als Ideologie

10:04 Ideologisierung der Architektur im 20. Jahrhundert

12:02 Tabuisierung der Geschichte spiegelt sich in der Architektur

14:42 Fragmentierung der Stadt nach zwei Weltkriegen?

19:02 Architektur als kollektives Gedächtnis?

21:39 Moralisierung der Architekturdebatte in den 90er Jahren

23:37 „Demokratie als Bauherr“

27:06 Städteplanung im 20. und 21. Jahrhundert

35:11 Privater Bau, Investitionen und Einkaufszentren

40:10 Die „spektakuläre Geste“ als Ausdruck der Finanzwelt

42:08 Montagsradio-Fragebogen

Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/10/01/zwischen-machtdemonstration-banalitat-und-tabuisierung-architektur-und-ideologie/

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Zukunft

Ich wünsche allen, die an den Themen von infoclio interessiert und beteiligt sind, viel Erfolg und Glück und vor allem Unterstützung! Die Zukunft liegt hier, gerne hätte auch ich daran weiter aktiv gearbeitet, doch heute werfe ich das Handtuch und schliesse ich alle digitalen Projekte ab, für einige Monate werden die websites zu ihnen noch bleiben, so unter anderem:

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Quelle: http://www.infoclio.ch/de/node/27417

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