Natürlich, eine alte Handschrift

“IV Kloster Lorch, Hort geheimnisumwitterter Handschriften Alte Klosterbibliotheken eigneten sich vorzüglich, wenn es galt alte Manuskripte zu fingieren (und zwar schon lange vor Umberto Ecos “Name der Rose”). So wurden in der Chronik der Truchsessen von Waldburg zwei erfundene frühmittelalterliche Adelslisten auf eine alte Chronik in St. Emmeram zu Regensburg und ein altes Messbuch im Kloster Murrhardt zurückgeführt. Bei der Aufarbeitung der Staufer-Überlieferungen des Klosters Lorch bei Schwäbisch Gmünd konnte ich feststellen, dass historische Traditionsbildung und der Bewertungsprozess der Kulturgutbewahrung eng korreliert waren. Und [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3518

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Besuch im Kloster Reisach im Inntal

Angeregt von einem Hinweis von Klaus Graf besuchte ich am Ostermontag, 1. April 2013, das Karmeliterkloster Reisach im bayerischen Inntal bei Oberaudorf. Den Komplex hat sicherlich jeder Italienurlauber bereits gesehen, der auf dem Weg von München zum Brenner war, da er in unmittelbarer Nähe der Autobahn liegt (vor der Ausfahrt Oberaudorf). Reisach war die letzte Klostergründung im Bistum Freising vor der Säkularisation. Es entstand 1731 als Gründung des geadelten Hofkammerrats Johann Georg von Messerer, Hofmarksherr im unmittelbar benachbarten Urfahrn (in Sicht- und Rufweite des [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3482

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Das Kloster als Paradies

1702 feierte die Schweizerische Benediktinerkongregation ihr 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass erschien als Festschrift die „IDea saCRæ CongregatIonIs heLVeto-beneDICtInæ“ (Sankt Gallen 1702), verfasst von dem Sankt Galler Mönch Mauritius Müller. Sein Mitbruder Gabriel Hecht entwarf die emblematischen Stiche, auf denen die einzelnen Klöster der Kongregation zu sehen sind. Gleich zwei von ihnen werden durch Paradies-Motive symbolisiert. Ein emblematisches Medaillon zeigt eine Insel in einem Fluss. Zwischen den Bäumen weiden friedlich verschiedene Tiere: Hirsche, Rinder, Schafe, ein Dromedar, auch ein Storchenpaar ist zu erkennen, ein [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3295

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Digitalisierungen frühneuzeitlicher Bücher zur nord- und osteuropäischen Geschichte

Untitled

Christoph Hartknoch: Alt- und Neues Preußen, 1684
Quelle: http://kpbc.umk.pl/publication/35924

Hier kommt ein Beitrag zu einem Thema, das eher am Rande der nordeuropäischen Geschichte angesiedelt ist bzw. „nordisch“ im Sinne von August Ludwig Schlözer breit auffasst. Das Thema – Digitalisierungsangebote zu Alten Büchern – ist aber vielleicht dennoch von größerem Interesse.
Für einen Text zu Ursprungsmythen in der Ostseeregion in der frühen Neuzeit und zu deren Parallelen und Verflechtungen hatte ich – aus der Notwendigkeit, eine Reihe von Texten noch einmal zu konsultieren – Gelegenheit, die unterschiedlichen Digitalisierungsangebote zu historischen Buchbeständen zu prüfen. Da es sich fast ausnahmslos um Publikationen vor 1900 handelte, fielen aus dem Urheberschutz resultierende Zugangsbeschränkungen kaum ins Gewicht, obwohl zur Orientierung in den unterschiedlichen nationalen Bestimmungen eigentlich eine gründliche juristische Schulung erforderlich wäre. Auch wenn nicht immer nachzuvollziehen ist, warum amerikanische Angebote in Europa vielfach nicht aufzurufen sind oder in Polen manche digitalisierte Bestände nicht einsehbar sind, war ich dennoch erstaunt, dass ich fast alle Texte online fand. Noch vor zehn Jahren wären dafür Reisen in drei bis vier Bibliotheken (etwa nach Warschau, Greifswald, Stockholm oder alternativ nach Berlin, Dorpat und Thorn und St. Petersburg) nötig gewesen. Dem Plus an Zeitgewinn bei der Arbeit am Bildschirm auf dem eigenen Schreibtisch steht freilich ein deutliches Minus in dem Verlust an sinnlicher Erfahrung bei dem Arbeiten mit den Originaldrucken vor Ort gegenüber. Die Aufrechnung von Für und Wider lässt sich erweitern: in Digitalisaten lässt sich nicht so einfach in größeren Schritten vor- und zurückblättern, und nicht alle Programme zur Anzeige haben mit dem technischen Fortschritt Schritt gehalten oder wollen den Export auf die heimische Festplatte erschweren, wenn nicht verhindern.
Aber nun zu den Beobachtungen: Die naheliegendste Zugriffsmöglichkeit via Google Books ist nicht die beste, vor allem wenn man über Google direkt sucht und nicht über Links von Bibliothekskatalogen auf die entsprechende Seite bei Google Books geführt wird. Denn hat man nicht auf Anhieb das richtige Buch gefunden bzw. ist es nicht zur Gänze einsehbar (was auch bei älteren polnischen Büchern häufig der Fall ist), dann wird es recht mühsam, die Suche zu verfeinern. Wenn man allerdings fündig geworden ist, dann ist das Herunterladen eines PDFs rasch und unkompliziert. Die Qualität bleibt aber in der Regel (schwarz-weiß) hinter direkt auf Bibliotheksseiten bereitgestellten Digitalisaten zurück.
Von den zahlreichen deutschen Digitalisierungsangeboten hat sich das Angebot der Bayrischen Staatsbibliothek als sinnvoll erwiesen: http://www.digitale-sammlungen.de/. Neben der Ansicht im Browser, die zum Teil durch Texterkennung unterstützt wird, ist das Herunterladen einzelner Seiten oder des ganzen Buches als PDF unkompliziert möglich. Bei einigen weiteren Bibliotheken funktionierte die Ansicht mit dem „DFG-Viewer“ ebenso gut, bei anderen ließ sich die Ansicht dagegen nicht starten. Die Staatsbibliothek Berlin bietet gute Ansichtsmöglichkeiten der Digitalisate, hat aber wichtige Zusatzfunktionen wie den Export der bibliographischen Angaben in Literaturverwaltungsprogramme in einen etwas verspielten „Werkzeugkasten“ versteckt.
In Polen gibt es ein zentrales Angebot des Verbandes Digitaler Bibliotheken (FBC): http://fbc.pionier.net.pl/. Von dort (die Suchseite ist mehrsprachig) wird man – falls das gesuchte Werk gefunden wird – auf die Seite der anbietenden Bibliothek weiterleitet. Diese bedienen sich in der Regel des djvu-Formats, das qualitativ gute Farbbilder mit kleinen Dateigrößen verbindet. Allerdings ist der Zugriff von Computern mit Mac OS auf Java-Programme nicht einfach. Obwohl die Seitenprogrammierung der einzelnen Bibliotheken ähnlich ist, konnte ich in einem Fall nicht auf das Angebot zugreifen. Im Erfolgsfall kann man das gefundene Werk als ganzes in einer zip-Datei mit djvu-Bildern herunterladen (was manchmal aber recht lange dauert) und dann ggf. in ein PDF umwandeln. Beeinträchtigt wird das Angebot allerdings dadurch, dass die einzelne Bibliotheken unterschiedliche Zugangsbeschränkungen haben, manche Bücher sind nur vor Ort digital einsehbar, andere Bibliotheken verlangen eine Registrierung, andere bieten die Möglichkeit des Herunterladens gar nicht an. Hier wäre eine Vereinheitlichung der Zugriffsmöglichkeiten sicher sinnvoll.
In Estland hatte EEVA, die digitale Textsammlung älterer Literatur Estlands, frühzeitig mit der Bereitstellung von Digitalisaten begonnen, allerdings ist das Angebot für die Zeit vor 1800 noch beschränkt. Zudem bietet die Seite nur die Möglichkeit zur Ansicht im Browser und zur Speicherung einzelner Buchseiten, nicht aber zum Herunterladen mehrerer Seiten oder des ganzen Werks als PDF. Diese Möglichkeit bietet dagegen die Estnische Nationalbibliothek: http://digar.nlib.ee/.
Als russische Quelle brauchte ich das „Stufenbuch“ Ivans IV., das vor dem Ersten Weltkrieg ediert worden war. Diese Edition in der Sammlung russischer Chroniken wurde als eine djvu-Datei pro Band sehr unkompliziert bereitgestellt.
Nützlich kann auch eine Recherche bei www.europeana.eu sein, die ähnlich wie FBC in Polen arbeitet und auf die das gesuchte Buch jeweils besitzende Bibliothek verweist. Sinnvoller als eine Suche bei Google Books kann eine Suche bei Hathi Trust sein, allerdings ist das in Europa abrufbare Angebot geringer als bei einem Zugriff aus den USA.
Ein Fazit kann angesichts der raschen Veränderungen auf diesem Feld nur eine kurze Halbwertszeit haben. Momentan ist noch eine breit angelegte Suchstrategie in zahlreichen unterschiedlichen Angeboten, Portalen und Katalogen erforderlich, aber es wäre sehr zu hoffen, dass die Digitalsierungen zukünftig auch direkt über normale Online-Kataloge erschlossen werden können. In manchen Fällen geht das bereits, in anderen Fällen fehlt dagegen der Hinweis im Katalog, selbst wenn das Buch von derselben Bibliothek digitalisiert wurde.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/1408

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Fascinating Margins. Towards a Cultural History of Annotation


Stadtbibliothek Trier, Stadtbibliothek Trier Hs. 1093/1694 [früher 1464] (Prudentius) fol1v

In the past twenty-five years, hundreds of Medieval manuscripts have lain in front of me in many libraries of the world, and my fascination (and love) for them has not diminished, on the contrary. My primary research topic, vernacular, medieval glosses, brought me to study intensively the life of the margins, interlinea and flyleaves of manuscripts and books– one could say to investigate their other, secondary and partially hidden life. In fact, during my research time at the Bodleian Library in Oxford, I had a nickname, “The Lady with the Lamp”, because of my sitting hours for hours, bending over manuscripts with a torch and a magnifying glass – preferably next to a window with natural light. Up to now, this is the best method for deciphering difficult marginal inscriptions, especially when they are not written with ink, but scratched with a dry point stylus in the parchment pages. Of course, one needs a lot of patience (and passion) for this sort of exercise, and it does have something of a Zen practice, bringing calm and a sense of timeless infinity in you.

Marginalia in books became a genuine research topic for me, not only from the point of view of their importance for medieval philology – but as an essential cultural writing practice that we all know of and practice in our everyday life. In dealing with writing habits, apparently an almost natural compulsion or an urge to annotate can be noticed: C’est plus fort que soi, we just can’t help it. The French library scholar Daniel Ferrer characterizes this internal compulsion as a libido marginalium,[i] author Charles Simic points out „with which demonic obsession we cover the immaculate pages of our books with underlinings and scribblings“,[ii] and continues „Wheresoever I read, I of course need a pencil“.[iii]

A French speaking reader annotating Nietzsche (in French and German)

All in all, a larger book project emerged out of my interest in this topic, dealing with this special aspect of written culture through time, namely the writing and drawing of marginalia in texts and books. These annotations and other reading traces play a special role from the point of view of cultural and linguistic history, yet, up to now, they have not been analyzed in a greater context regarding their functional means as well as their textual and material tradition. On the one hand, these “paratexts” (Gérard Genette) belong to the rare witnesses of the historic and factual use and reception of books. Mark-ups in books help to answer the question by whom, when and why texts were read. Moreover, they uncover the process of knowledge acquisition and knowledge transmission throughout the ages. On the other hand, annotations are also closely linked to the materiality of the text, and a wide variety of layout strategies and inscription types can be identified. These will undergo further transformations following the medial change of letterpress printing and the digital world which will also result in the creation of new paratextual practices. My book project aims to study the cultural and historic dimension of annotating texts taking into account wide ranging interdisciplinary aspects. The typology of the wide variety of annotations which are in evidence since the Early Middle Ages will be analyzed. Furthermore, the annotations’ changes, transformations and tradition lines up to the modern digital age will be identified. The main focus of the research project lies on the diachronic analysis of the European tradition of annotations. However, the project will also draw a comparison between the European tradition and that of other written cultures, especially in Arabic and Asian areas.

A substantial corpus documenting annotation practices has already come together, and I hope to work on the project intensively in the next two years. Of course, I would be very grateful for further hints and thrilled about curious or unusual annotation practices my readers here have come across when reading or looking at manuscripts and books.

PS. After posting this blog I opened Twitter, and saw a cat walking through a manuscript (via @ttasovac, merci!)

Further reading:
Gérard Genette, Seuils, Paris 1987

Falko Klaes – Claudine Moulin, Wissensraum Glossen: Zur Erschließung der althochdeutschen Glossen zu Hrabanus Maurus, Archa Verbi 4 (2007) p. 68-89

Claudine Moulin, Zwischenzeichen. Die sprach- und kulturhistorische Bedeutung der Glossen, in: Rolf Bergmann und Stefanie Stricker (Hrsg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Ein Handbuch, Bd. 2, Berlin und  New York: Walter de Gruyter  2009, p. 1658-1676

Claudine Moulin, Am Rande der Blätter. Gebrauchsspuren, Glossen und Annotationen in Handschriften und Büchern aus kulturhistorischer Perspektive, in: Autorenbibliotheken, Bibliothèques d’auteurs, Biblioteche d’autore, Bibliotecas d’autur, Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31 (2010) p. 19-26

See also the Project “Kulturgeschichtliche Erschließung der volkssprachigen Glossenüberlieferung des Mittelalters“, Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum (HKFZ), University of Trier
and the Portal “Althochdeutsche und Altsächsische Glossen“, University of Bamberg.

[i] Introduction. «Un imperceptible trait de gomme de tragacanthe …», in: Paolo D’Iorio – Daniel Ferrer (Ed.), Bibliothèques d’écrivains, Paris: CNRS Éditions 2001, p. 13.

[ii] «mit welcher Besessenheit wir die makellosen Seiten unserer Bücher mit Unterstreichungen und Kritzeleien bedecken», in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung,  213 (15. Oktober 2008), p. 33.

[iii] „Wo auch immer ich lese, brauche ich natürlich einen Bleistift.“, in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung,  213 (15. Oktober 2008), p. 33.

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/93

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aussichten Nr. 31 [28.12.2012]: Neue Einträge bei aussichten-online.net; Digest 01.12.2012-31.12.2012

Dieter Langewiesche: Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa (=Beck´sche Reihe 1399). München 2000. http://www.aussichten-online.net/2012/12/3296 http://www.uni-tuebingen.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/ Uni_Tuebingen/Fakultaeten/PhiloGeschichte/ Historisches_Seminar/Neuere_Geschichte/ langewiesche/09_nation_nationalismus_nationalstaat.pdf (URL in der Anzeige gekürzt) Auch wenn das Buch nur unter einer äußerst kryptischen und Standards Elektronischen Publizierens nur bedingt entsprechenden URL verfügbar ist, soll dies kein Grund sein, nicht auf eine Aufsatzsammlung des ausgewiesenen Nationalismus-Forschers […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/12/3725/

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Virtuelle Rekonstruktion historischer Klosterbibliotheken mit Digitalisaten

  Im Juni 2011 veröffentlichte ich in Archivalia einen kurzen Beitrag “Virtuelle Rekonstruktion historischer Handschriftenbibliotheken”. Im Mittelpunkt standen Kloster- und Stiftsbibliotheken. Es sollte auf Anhieb einleuchten, dass bei verstreuten Beständen eine virtuelle Rekonstruktion mit Digitalisaten jedem noch so schön gedruckten Buch vorzuziehen ist. Es wäre dringend wünschenswert, dass in einem Wiki Handschriftendigitalisate auch nach Provenienzen erschlossen würden. Unbrauchbar ist der nur einen winzigen Bruchteil aller Digitalisate erfassende Catalogue of Digitized Medieval Manuscripts, auch wenn man in ihm nach Provenance suchen kann. Es wäre schon hilfreich, [...]    

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1510

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Rolle vorwärts. Warum Mikrofilme endlich aus den Archiven verschwinden müssen

Viel zu lange und trotz guter Alternativen haben Historikerinnen und Historiker geschwiegen. Doch jetzt muss es raus: Mikrofilme und Mikrofiches haben in den Archiven des 21. Jahrhunderts nichts mehr verloren. Meine momentane Recherche im Hauptstaatsarchiv München brachte das Fass zum Überlaufen. Was ich dort sehen will, ist auf den Mikrofilmen, die ich bekam, teilweise gar nicht und immer so abgelichtet, dass eine wissenschaftliche Rückverfolgbarkeit nicht gewährleistet werden kann. Dazu kommen die üblichen Schwierigkeiten mit dem Format Mikrofilm. In Zeiten des digitalen Wissensmanagements droht der status quo in deutschen Archiven in Vergessenheit zu geraten. Zeit also für ein Wutpamphlet in sechs Punkten.


Mikrofilm-Lesegeräte im Hauptstaatsarchiv Stuttgart.
Quelle: www.landesarchiv-bw.de

1. Quellenbestände auf Mikrofilmen sind unübersichtlich und oft schlampig gespeichert. Was auf den langen Rollen abgelichtet ist, bleibt bisweilen unklar. Das liegt an ihrer schieren Länge – mitunter dutzende Aktenbestände wurden aneinandergereiht. Nummerierungen und Bezeichnungen stimmen nicht mit dem überein, was in den Findbüchern steht. Mehrmals ist es mir schon passiert, dass in den Schächtelchen falsche Rollen lagen. Zudem scheint mir die Verfilmung, die zumindest bei den mich interessierenden Beständen oft aus den 1960er Jahren stammt, ungenau und unsystematisch. Im aktuellen Münchner Fall wurden aus einer Bestandsgruppe Aktenteile fast willkürlich durcheinander aufgenommen. Es mangelt an einer klaren Führung durch den Mikrofilm.

2. Mikroformate sind oft unleserlich und lassen zentrale Quellenbestandteile verschwinden. Jeder, der schon mal eine Quelle auf Mikrofilm gelesen hat, kennt das Problem. Sie sind oft verwischt, undeutlich oder zu kleinformatig aufgenommen. Problematisch wird das besonders bei vormodernen Dokumenten, an denen die Zeit besonders genagt hat und deren Schrift und Sprache wissenschaftlich besonders anspruchsvoll sind. Für diese ist in puncto Analysefähigkeit der Mikrofilm die schlechteste Wahl. Allgemein problematisch ist die schwarz-weiß-Verfilmung. Unterschiedliche Schriftfarben oder farbige Vermerke – die entscheidend sind für die korrekte Quelleninterpretation – sind so nicht erkennbar. 

3. Die Arbeit an Mikroformat-Lesegeräten ist gesundheitsschädlich. Die Benutzer/innen sind an die Lage des Apparats gefesselt. Anders als bei Papierdokumenten oder am Netbook können sie die Position des Arbeitsgeräts oder die eigene Haltung nicht wirklich wechseln. Das geht auf den Rücken, genauso wie die oft schlechten Verfilmungen, die zum ständigen Vorbeugen zum Bildschirm zwingen. Die schaden auf Dauer den Augen. Oft stehen die Lesegeräte in separaten Kabinen, die durch die Apparate schnell warm werden. Die schlechte Luft, das ungünstige Sitzen und die schlechte Dokumentqualität erschweren die Konzentration. Es leiden Gesundheit und wissenschaftliche Qualität.

Kein guter Arbeitsplatz: Mikrofilm-Lesegerät.

4. Mikrofilme sind schwierig und teuer zu reproduzieren. Wenn schon die Verfilmungen schlecht sind, gilt das um so mehr für die Abzüge von den Filmen. Bedenkt man, dass die meisten Historikerinnen und Historiker heute nicht zum Exzerpieren, sondern zum Reproduzieren in die Archive gehen, hat das negative Folgen für den wissenschaftlichen output. Denn am heimischen Schreibtisch sind manche Mikrofilme so schlecht reproduziert, dass die Auswertung schwierig wird. Zudem sind meiner Erfahrung nach Mikrofilm-Kopien immer teurer als Kopien aus den Originalen. Warum, bleibt mir rätselhaft. Die Benutzerinnen und Benutzer zahlen mehr, bekommen aber eine schlechtere Qualität der Repros.

5. Die Lesegeräte sind störanfällig, die Technik ist oft veraltet. Auch dieses Phänomen kennen Archivbesucherinnen und -besucher. Gerade hat man sich auf der unübersichtlichen Filmrolle zurechtgefunden, in eine Handschrift eingelesen und angefangen zu kopieren oder zu exzerpieren – da geht das Licht aus und das Lesegerät macht schlapp. Alte Geräte überhitzen leicht und geräuschvoll. Moderne Lesegerät-Technik ist nicht Standard in deutschen Archiven.

6. Mikrofilme entfremden von den Quellen. Dieser Vorwurf wird von Traditionalisten gerne an Historikerinnen und Historiker gerichtet, die mit digitalisierten Quellen arbeiten oder selbst in Archiven (was in Deutschland selten genug der Fall ist) Quellen digitalisieren. Wo bleibt der Geschmack des Archivs? Der ist bereits seit den 1960er Jahren durch die Mikrofilme verloren gegangen. Wo hingegen Digitalisate authentischer abbilden oder die Reproduktion selbst am Original vorgenommen werden muss, ist der Kontakt mit den Quellen viel direkter, physischer und visuell nachdrücklicher. All das fällt bei Mikrofilmen weg. Sie stehen unüberwindlich zwischen Historiker/in und Quelle – zumal die Originaldokumente von den Archiven mit dem Hinweis auf die Mikrofilme hermetisch unter Verschluss gehalten werden.

Oft unübersichtlich und unsorgfältig: Mikrofilm-Rollen.

Mikrofilme eignen sich also nicht für eine qualitativ hochwertige, exakte, kostengünstige und effektive historische Arbeit. Sie schaden sogar dem Leistungsvermögen der Archivbesucher und verbauen den direkteren Gang ad fontes. Dennoch prägen sie vielfach den Archivalltag, v.a. in den großen Archiven. Darüber muss gesprochen werden. Denn es gibt Alternativen: Digitalisierung, Foto-Reproduktion durch die Benutzer/innen (wie es etwa in den Archives départementales in Frankreich auch für vormoderne Dokumente möglich ist) oder der direkte Zugriff auf die Quellen. Und schon vorweg: gerade für alte Dokumente dürfte die Bestellfrequenz ohnehin nicht sonderlich hoch sein. Zudem werden die Originale von geprüften und gut ausgebildeten Fachleuten eingesehen, die wissen, wie man mit altem Schriftgut umgeht. Alles ist besser als Mikrofilme.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/348

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aussichten Nr. 30 [30.11.2012]: Neue Einträge bei aussichten-online.net; Digest 01.11.2012-30.11.2012

Web 0.0: XML-Print. Ein ergonomisches Satzsystem für komplexe Textstrukturen http://www.aussichten-online.net/2012/11/3204/ www.xmlprint.eu Unter Federführung des Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften der Universität Trier entstand mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Programm zum Textsatz von XML-Dateien. Das Tool bietet verschiedene Formatierungsmöglichkeiten an, welche über eine XPATH-Anweisung einzelnen Teilen des XML-Baums zugewiesen werden können. […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/11/3644/

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Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern


Das 2002 begonnene Großprojekt „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern / German History in Documents and Images“ (DGDB/GHDI) ist abgeschlossen. Bei DGDB handelt es sich um eine digitale Quellensammlung zur Geschichte Deutschlands von 1500 bis zur Gegenwart. Das zweisprachige Projekt umfasst etwa 1.700 Primärtexte (im deutschen Original und englischer Übersetzung) und 2.400 Bildquellen, die von namhaften Fachvertretern zusammengestellt wurden.

Das Projekt ist unterteilt in zehn Zeitabschnitte und bietet neben einer Einführung in die zentralen Entwicklungen der deutschen Sozial-, Politik- und Kulturgeschichte des betreffenden Zeitabschnittes, ausgewählte Quellen – sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache –, ausgewählte Bildquellen der Zeit und solche, die sich auf diese beziehen, und ausgewähltes Kartenmaterial.

Die Dokumente und Bildquellen wurden in Kategorien eingeteilt und sind so durch Stichwort- und Autorensuche leicht zugänglich. Gerade außerhalb Deutschlands bietet DGDB ein Angebot, Dokumente, die sonst kaum verfügbar sind, zu nutzen. Zudem wurden alle deutschsprachigen Dokumente der Quellensammlung für das Projekt ins Englische übersetzt.

2010 erhielt DGDB den James Harvey Robinson Prize der American Historical Association für das beste Lehrmittel im Bereich Geschichte. Die Webseite wird mittlerweile täglich von ca. 10.000 Benutzern aus aller Welt aufgerufen. Ermöglicht wurde das Projekt durch die Unterstützung der Max Kade Stiftung, der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und den Friends of the GHI Washington.

Das Angebot ist unter www.germanhistorydocs.ghi-dc.org abrufbar.

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1175

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