Linkdossier: „Im Gedenkjahr nichts Neues?“ Der Erste Weltkrieg und die Zukunft Europas

Auch anlässlich der Podiumsdiskussion „Im Gedenkjahr nichts Neues?“ Der Erste Weltkrieg und die Zukunft Europas am 16. September 2014 haben wir hier wieder einige Links zu interessanten Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg und Erinnerungskultur gesammelt, da das Internet immer mehr zum Gedächtnisort wird.

Online-Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung

Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet nicht nur ein umfangreiches Dossier zum Ersten Weltkrieg an, sondern gibt auch ein kostenloses E-Book heraus – Aus dem Vorstellungstext:

Die Edition versammelt 22 Texte zum Ersten Weltkrieg und zur unmittelbaren Vorkriegszeit: 13 davon sind 2013 und 2014 in “Aus Politik und Zeitgeschichte” erschienen, sechs wurden als Radioessays in der Reihe “Wegmarken” im Deutschlandfunk gesendet. Den Abschluss bilden drei Impulsreferate, die im April 2014 auf dem Symposium “1914–2014″ des Deutschlandfunks gehalten wurden.

Kein Denkmal für den Toten

In ihrem Artikel in der Zeit setzen sich Alma Hannig und Paul Miller mit der Erinnerung an Franz Ferdinand auseinander und beleuchten die Frage, warum der Tod das Lebenswerk des Erzherzogs überschattet:

Man kann nicht erwarten, dass die Erinnerung den folgenreichen Tod des Thronfolgers ausklammert. Aber er wird darauf reduziert. Der Erzherzog hat ein halbes Jahrhundert lang gelebt, sich für die Habsburgermonarchie sowie die Modernisierung ihrer Armee engagiert und schließlich eine der glücklichsten Ehen und Familien in der habsburgischen Geschichte geführt. Vielleicht ist all dies nicht so aufregend wie das Drama vom 28. Juni 1914, aber es verdient einen prominenteren Platz im kollektiven Gedächtnis der Österreicher.

 

Kollektives und kulturelles Erinnern

In seinem Aufsatz setzt sich Christoph Cornelißen mit Erinnerungskultur auseinander. Er kontrastiert das “kollektive Gedächtnis” und das “kulturelle Gedächtnis”, schildert die Wandlung vom Heldenmythos zum Opfergedenken und der (pop-)kulturellen Auseinandersetzung mit Geschichte.

Erinnerungskulturen sollten aber nicht, wie es oft geschieht, als statische Gedächtnisse von Gruppen verstanden werden, sondern vielmehr als ein dynamischer Prozess, in dem politische und gesellschaftliche Aspekte ausgehandelt werden. Wenn man also Erinnerungskulturen moderner Gesellschaften untersucht, geht es darum, das In-, Mit- und Nebeneinander eines von diversen Erinnerungskokurrenzen geprägten dynamischen Geschehens auszuloten. Je nach Generationszugehörigkeit, Geschlecht, Religion, Ethnie oder auch sozialen wie milieubedingten Zusammenhängen werden die gleichen Vorgänge untereschiedlich erinnert, auch deswegen, wie die Wortführer der jeweiligen Gruppen spezifische soziale Autobiografien konstruieren, die dann den Individuen eine zumindest partielle Identitätsfindung erlauben.

 

Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird

Schon 2012 wurde Erinnerungskultur im Rahmen von Geisteswissenschaften im Dialog unter dem Titel besprochen. Bei perspectivia.net finden Sie Audiomitschnitte der Vorträge von Prof. Dr. Ute Daniel, Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Duchhardt, Prof. Dr. Günther Heydemann sowie der Podiumsdiskussion mit der Moderation von Hilde Weeg. Falls Ihnen der Audiomitschnitt nicht genügt und Sie die TeilnehmerInnen in voller Person sehen möchten gibt es ebenfalls einen Videomitschnitt. Auch unser Linkdossier zur Geschichtspolitik bietet eine Übersicht.

Aktivitäten der Max Weber Stiftung zum Centennium

Auch die Institute der Max Weber Stiftung begleiten den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Die Projekte widmen sich dabei unterschiedlichen regionalen Perspektiven, von der virtuellen Ausstellung und Katalog der Bandō-Sammlung des Deutschen Instituts für Japanstudien Tokyo, das Originalmaterialen aus dem Kriegsgefangenenlager Bandō zugänglich macht bis zum Grande Guerre-Blog, das die Projekte der Institute näher vorstellt.

WeberWorldCafé

Vor der Podiumsdiskussion findet das zweite WeberWorldCafé statt. Unter dem Titel „Narrating the First World War – Experiences and Reports from Transregional Perspectives“ diskutieren NachwuchswissenschaftlerInnen mit Experten an mehreren Tischen zu Fragestellungen aus transregionaler Perspektive. So rückt das alltägliche Leben im Krieg in außereuropäischen Regionen ebenso in Blickfeld wie der Umgang mit dem Kriegsleid in der Literatur. Auf dem Blog zur Veranstaltung finden Sie weitere Linktipps sowie vorab Interviews mit den ExpertInnen.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/1121

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Karl Lutz: Lichtbildervorträge während des Krieges

Lichtbildervorträge Karl Lutz
Lichtbildervorträge Karl Lutz
"Kompanieabend" Karl Lutz
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Lichtbildervorträge Karl Lutz
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Lichtbildervorträge Karl Lutz
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Die wenigen schriftlichen Dokumente im Fotonachlass Karl Lutz (Stadtarchiv Speyer) sowie in seiner Landauer Personalakte (als Stadtarchivar von Landau/Pfalz, bis zum Ende des 2. Weltkriegs) haben bereits erste Hinweise darauf gegeben, dass Lutz seine Fotos auch für Vorträge und Präsentationen verwendete – und die Fotoaufnahmen hinter der Front nicht zuletzt hierfür auch dezidiert angefertigt wurden. Jetzt fanden sich im Rahmen der Erschließung auch einige Fotos, die Lutz bezüglich seiner Lichtbildervorträge anfertigte. Die Beispiele sind aus dem Jahr 1942.

Quelle: http://kriegsfoto.hypotheses.org/359

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Wie kann ein Mythos „komisch“ werden?

von Francesco Paolo Bianchi

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© ellenmol1814 – Fotolia.com

Mythos und Komödie: Wie passt das zusammen? Denken wir an einen Mythos, den die meisten Menschen vielleicht aus der Schule, vielleicht aus Filmen kennen: das Urteil des Paris. Ein Held soll zwischen den drei Göttinnen Aphrodite, Athena und Hera wählen, welche die schönste ist und entscheidet sich für Aphrodite, die ihm dafür die Liebe der schönste Frau der Welt, Helena von Troja, verspricht. Die folgenschwere Entscheidung führt zum Trojanischen Krieg und daraus entsteht eine der wichtigsten Epengeschichte der Antike. In Dramen werden diese und andere Mythen oft aufgegriffen, da sie tragische Geschichten von Göttern und Helden erzählen. Aber wie tauchen sie in Komödien auf? Im antiken Griechenland waren  Komödien eine wichtige Erzählform. Ein Beispiel sind die Werke von Aristophanes, dem bekanntesten Dichter der sogenannten archaia, der alten griechischen Komödie (ca. V-IV Jh. v.Ch.). Was passierte aber, wenn nun Komiker versuchten, die Mythengeschichten in ihre Komödien einzubauen? Wie wurden sie „komisch“ dargestellt?

Die Antwort ist leider nicht in einem ausführlich studierten Text wie den Komödien des Aristophanes zu finden. In seinen vollständig erhaltenen Werken greift er nur selten Mythen auf. Doch in anderen Quellen aus derselben Zeit finden wir Hinweise darauf, auf welche Weise Mythen in der griechischen Komödie auftauchen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts haben zwei Papyrologen, Bernard Grenfell und Alexander Hunt, einen Papyrus gefunden, der eine Zusammenfassung einer Komödie von Kratinos enthält (ca. 490-420 v.Chr.). Dieser war ein Dichter, Zeitgenosse und Konkurrent des Aristophanes. Ihr Titel ist Dionysalexandros und sie beschreibt eine „komische“ Version des Urteils des Paris.

Der Zustand des Papyrus ist komplizierter, als wir Forscher es uns wünschen würden. Der Anfang der Zusammenfassung (1/3) ist ganz verloren. Was wir dennoch lesen können, ist oftmals schwierig zu deuten. Können wir aber unsere Frage zum „komischen“ Mythos anhand dieser Quelle beantworten? Wir finden zwar einen in einer Komödie aufgearbeiteten Mythos, aber zur genauen Verwirklichung des Prozesses bleiben viele Fragen offen. Insbesondere fällt es uns schwer, dieses Fragment mit weiteren überlieferten Fragmenten der Komödie, 13 insgesamt, zu verbinden.

Papyrustext einer Zusammenfassung der Komödie des Kratinos auf Alt-Griechisch: Abschrift von Francesco Bianchi.

Oxyrhynchus Papyri, iv. ( Grenfell und Hunt 1904) stellt eine Zusammenfassung der Komödie des Kratinos auf Alt-Griechisch dar: Abschrift von Francesco Paolo Bianchi.

Im Papyrus erhalten wir nur eine generelle Antwort auf unsere Forschungsfrage: Dionysus, der Gott des Theaters, nimmt die Rolle des Paris ein. Er beurteilt die Göttinnen, und entscheidet sich für Aphrodite. Daraufhin raubt er Helena aus Sparta. Die Griechen, aber, verbrennen das Land, auf dem er sich befindet, und er versteckt sich. Der echte Paris entdeckt ihn und übergibt ihn den Griechen. Helena aber behält Paris bei sich und heiratet sie. Die Zusammenfassung auf dem Papyrus erklärt auch, dass Perikles, einer der berühmtesten Politiker des fünften Jahrhunderts vor Christus, in der Komödie verspottet wurde: die Figur des Dionysus stellt in der Komödie Perikles dar. Wie jedoch die einzelnen Elemente der Komödie zusammenpassen, bleibt unklar.

Eine Lösung zu diesen und ähnlichen Problemen zu finden, ist einer der Schwerpunkte meiner Forschung bei dem KomFrag-Projekt. In einer freundlichen und anregenden Gruppe von Forscherinnen und Forschern stelle ich meine Ergebnisse in wöchentlichen Sitzungen vor. Ich diskutiere gerne mit den anderen Teilnehmern, und alle zusammen versuchen wir, diese und ähnliche komplexe Fragen zu beantworten. Es gelingt uns nicht immer, doch auch kleine Antworten können den Wissensdurst stillen und unser Verständnisse der antiken Komödie verbessern.

Quelle: http://komfrag.hypotheses.org/56

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Studentische Besprechungen Neuer Medien zu Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik

http://zwopktnull.hypotheses.org Das Blog “geschichte zwopunktnull” präsentiert Beiträge zum “Digitalen” in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik. Die Texte entstehen im Zusammenhang mit geschichtsdidaktischen Hauptseminaren am Historischen Institut der Universität Duisburg-Essen. © Text: http://zwopktnull.hypotheses.org

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/07/5268/

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Sciencestarter-Wettbewerb : Die digitale Gesellschaft

Unser diesjähriger Sciencestarter-Wettbewerb ist gestartet. 1.000 Euro zusätzliche Förderung winken dem Gewinner-Projekt unseres Sciencestarter-Wettbewerbs zum Wissenschaftsjahr 2014 – Die digitale Gesellschaft. Eingereicht werden können Projekte aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation aller Disziplinen, die ihr Projekt zu einem Thema rund um … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7115

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Veranstaltungshinweis “Mit Netz und offenen Daten – Kulturgut digital” am 12. September 2014 am Zuse-Institut Berlin

*Mit Netz und offenen Daten – Kulturgut digital, 12. September 2014, Zuse-Institut Berlin*

logo-thicklinesAus der Ankündigung:

Wir möchten am 12. September 2014 einen Tag lang die Möglichkeiten und Herausforderungen der nachhaltigen Digitalisierung und Langzeitverfügbarkeit von digitalem Kulturgut erkunden. Wir laden Sie ein zu einem Streifzug durch die Berliner Digitalisierungsprojekte 2013 und 2014 und möchten mit Ihnen darüber sprechen, wie man Kulturdaten nicht nur zugänglich, sondern sie nachhaltig verfügbar machen und öffnen kann. Dazu wollen wir mit Ihnen, den digiS-Projektpartnern und Gästen von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Open Knowledge Foundation, der Deutschen Digitalen Bibliothek, Wikimedia Deutschland, der Europeana und der Stiftung Deutsche Kinemathek in den “Paardialog” treten. Überdies können wir Tim Renner, Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten Berlin, als Gast auf unserer Veranstaltung begrüßen.

Das ausführliche Programm und die Anmeldung finden Sie auf unserer Webseite. Anmeldeschluss ist der 05. September 2014. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Müller

 

digiS – Servicestelle Digitalisierung
Anja Müller
Projektkoordination
 
Zuse-Institut Berlin
Takustraße 7
D-14195 Berlin
 
t +49-30-84185-363
f +49-30-84185-269
manja.mueller@zib.de
mdigis@zib.de
www.servicestelle-digitalisierung.de

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3819

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Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte (Jacobus de Vitriaco: Historia Occidentalis, deutsch), 7

[Fortsetzung des Übersetzungsprojekts]

Siebtes Kapitel

Über den Zustand der Stadt Paris

In jenen üblen und dunklen Tagen und gefährlichen Zeiten wandelte die Stadt Paris in Dunkelheit, wie andere Städte auch eingehüllt in verschiedene Verbrechen und zahlreiche Gemeinheiten, die nun durch das rechte Eingreifen des Himmels, der das Verwüstete in Wonne und das Verödete in den Sitz des Herrn verwandelt, zu einer gläubigen und ruhmreichen Stadt geworden ist, der Stadt des großen Königs. Wie der Garten der Freude und Ursprung der Wonne ist sie angefüllt mit allen Arten von Obstbäumen, und in der gesamten Welt atmet man die Süße (ihres) Geruchs. Wie aus einer Schatztruhe holt der höchste Vater das Neue und das Alte aus ihr hervor.

Sie selbst, gleichsam wie eine Quelle des Aufgangs und ein Brunnen des lebendigen Wassers, bewässert die Oberfläche der gesamten Erde, wobei sie den Königen wohlschmeckendes Brot und andere Köstlichkeiten darreicht und der gesamten Kirche Gottes über Honig und Honigwaben hinaus die überaus süßen Brüste anbietet.

Damals jedoch war der Klerus in ihr verdorbener als das übrige Volk, gleichsam ein stinkender Bock und ein krankes Schaf. Durch verderbliches Beispiel korrumpierte sie viele ihrer Besucher, die von überall her zu ihr strömten, und sie verschlang ihre Bewohner und versenkte sie mit sich in die Tiefe. Einfache Unzucht hielten sie für keine Sünde. Huren zogen überall öffentlich auf den Plätzen und Straßen der Stadt vorbeigehende Kleriker gleichsam mit Gewalt in ihre Bordelle. Wenn sich aber welche beharrlich weigerten hineinzugehen, dann nannten sie diese Sodomiten und schrien hinter ihnen her. Dieses hässliche und abscheuliche Übel hatte die Stadt so sehr in Besatz genommen, gleichwie ein nicht behandelbarer Aussatz und ein unheilbares Gift, dass sie es für etwas Ehrbares hielten, wenn jemand sich öffentlich eine oder mehrere Konkubinen hielt. In ein und demselben Haus wurden oben Vorlesungen gehalten, während unten die Dirnen lebten. Im Obergeschoss lehrten die Magister, im Untergeschoss gingen die Huren ihren verwerflichen Geschäften nach. Aus dem einen Teil (des Hauses) heraus stritten die Huren untereinander und mit den Kupplern, aus dem anderen Teil heraus plärrten die Disputierenden und die sich streitsüchtig aufführenden Kleriker.

Je mehr jedoch die üppig Lebenden und in ihren Ausgaben Freizügigen ihren Besitz auf sehr schändliche Weise verschwendeten, desto mehr vertraute man ihnen, und sie wurden von fast allen rechtschaffen und edel genannt. Wenn aber welche gemäß der apostolischen Lehre nüchtern, gerecht und fromm unter ihnen leben wollten, dann wurden diese sofort von den Unkeuschen und Weichlichen als geizig, elend, heuchlerisch und abergläubisch verurteilt.

Fast alle Pariser Gelehrten, Fremde wie Einheimische, beschäftigten sich mit nichts anderem als dem, etwas Neues zu lernen oder zu hören. Die einen lernten, um viel zu wissen. Das ist Neugier. Die anderen (lernten), um bekannt zu werden. Das ist Eitelkeit. Wieder andere (lernten), um Geld zu verdienen. Das ist Gier und das Übel der Simonie. Wenige jedoch lernten, um erbaut zu werden und zu erbauen.

Aber nicht nur aus dem Grund verschiedener Sekten(zugehörigkeit) oder aus dem Anlass der Disputation heraus widersprachen sich die Gegner gegenseitig, sondern auch wegen der Verschiedenheit der Herkunftsregionen stritten sie sich, sahen sich scheel an und zogen sich gegenseitig in den Schmutz, und brachten dabei gegeneinander auf unverschämte Weise Beleidigungen und Beschimpfungen hervor. Die Engländer nannten sie Säufer und Schwanzträger, die Franzosen eitel, weichlich und auf weibische Weise aufgeputzt, die Deutschen rasend und unsittlich in ihren Gelagen, die Normannen leer und prahlerisch und die Poitevins Verräter und Freunde des Reichtums. Diejenigen, die aus Burgund stammten, hielten sie für plump und dumm. Die Bretonen beurteilten sie als leichtfertig und unstet, und warfen ihnen häufig den Tod des Artus vor. Die Lombarden bezeichneten sie als gierig, bösartig und feige, die Römer als aufrührerisch, gewalttätig und eidbrüchig, die Sizilier als tyrannisch und grausam, die Brabanter als Männer des Blutes, Brandstifter, Eroberer und Vergewaltiger, die Flamen schließlich als reich, verschwenderisch, Trinkgelagen ergeben und nach Art der Butter weich und schlaff. Und bei Zank dieser Art gingen sie häufig von Worten zu Schlägen über.

So wollen wir aber von den Logikern schweigen, um deren Augen die Schmeißfliegen Ägyptens flogen, womit die sophistischen Spitzfindigkeiten gemeint sind, „damit die Redegewandtheit ihrer Sprache nicht durchschaut werden kann, in der“, so sagt Jesaja, „keine Weisheit ist“.[1]

Die Doktoren der Theologie, die auf dem Stuhl des Moses saßen, und die die Liebe nicht erbaute, ließ dafür das Wissen anschwellen. Als Lehrende, aber nicht zugleich Handelnde wurden sie wie das tönende Erz und die klingende Schelle, und wie ein steinerner Kanal, der Wasser in Gewürzgärten führt, aber in sich trocken bleibt. Nicht nur waren sie aufeinander neidisch und zogen die Studenten der anderen mit Schmeicheleien an sich, wobei sie den eigenen Ruhm suchten, sich um die Frucht der Geister aber nicht kümmerten, sondern sie vermehrten auch ihr Gehalt und jagten nach Würden, wobei sie das apostolische Wort mit allzu offenen Ohren aufnahmen: „Wer das Bischofsamt begehrt, begehrt ein gutes Werk.“[2] Weil sie jedoch nicht so sehr das Werk, als vielmehr die Berühmtheit liebten, wollten sie auf der Straße als erste gegrüßt werden, begehrten die vordersten Plätze in der Versammlung und die besten Liegen beim Fest. Während aber der Apostel Jakobus sagt: „Strebt nicht so sehr danach, Magister zu werden“,[3] beeilten sich so viele, Magister zu werden, dass die meisten von ihnen nur durch Bitte und Bestechung Schüler zu halten vermochten. Sicherer ist es jedoch zu hören als zu lehren, und besser ist ein demütiger Hörer als ein ungenügender und voreiliger Doktor. Der Herr hatte sich jedoch nur wenige unter ihnen als ehrliche und gottesfürchtige Männer bewahrt, die nicht auf der Straße der Sünder standen und nicht mit den anderen auf dem Stuhl der Pestilenz saßen.

[1]    Jes 33,19

[2]    1 Tim 3,1

[3]    Jak 3,1

D O W N L O A D

(pdf-Version)

Empfohlene Zitierweise: Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte 7, übers. von Christina Franke, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 24. Juli 2014, http://mittelalter.hypotheses.org/4096 (ISSN 2197-6120).

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/4096

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Neuerscheinung: Facing the Future – European Research Infrastructure for the Humanities and Social Sciences

Die Konferenz “Facing the Future”, die im November 2013 gemeinsam vom European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI), dem Europäischen Akademienverband All European Academies (ALLEA), der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und dem Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (Rat SWD) im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts “Bestandsaufnahme und Analyse geistes- und sozialwissenschaftlicher Grundlagenforschung an den europäischen Wissenschaftsakademien” organisiert wurde, hat ihre Ergebnisse in einem Buch zusammengefasst: “Facing the Future – European Research Infrastructure for the Humanities and Social Sciences” von Adrian Dusa Dietrich Nelle, Günter Stock und Gert G. Wagner (Herausgeber).

Ein pdf des Buches befindet sich hier.

ISBN 978-3-944417-03-5

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3816

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Der Einbürgerungstest. Geschichte als Eintrittskarte?

 

Welche Erzählungen über die Vergangenheit eine Gesellschaft bewahren will, zeigt sich bei den Tests zur Erlangung von Staatsbürgerschaft. Menschen, die sich für eine neue Staatsbürgerschaft bewerben, müssen in verschiedenen Ländern beweisen, dass sie über ein Grundwissen zur Geschichte des entsprechenden Landes verfügen. Im Schweizer Kanton Aargau beispielsweise werden den BewerberInnen mittels Zufallsgenerator 45 Fragen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad gestellt, die sie in 40 Minuten beantworten müssen.1 In einem aufwändigen Verfahren, an dem Politik, Wissenschaft und Praxis beteiligt waren, wurde ein Katalog von insgesamt 244 Fragen entwickelt. 92 Multiple-Choice-Fragen befassen sich mit Geschichte. Dazu kommen weitere 108 Fragen zu “Demokratie, Rechtsstaat und Föderalismus“ sowie 44 Fragen zu “Sozialstaat und Zivilgesellschaft“.

 

 

Schlüsselereignisse und bedeutsame Menschen

Die Fragen zur Geschichte zielen in unterschiedliche Richtungen. Rund ein Drittel der Fragen thematisiert Schlüsselereignisse, und in den je 4 Antwortmöglichkeiten, von denen immer genau eine richtig ist, werden Ursachen oder Folgen davon zur Auswahl unterbreitet. Auf die Frage “Was löste 1918 einen landesweiten Generalstreik aus?“ lautet die richtige Antwort “die soziale Not der Arbeiterschaft“. Ebenfalls rund ein Drittel der Fragen zur Geschichte thematisiert bedeutsame Schweizer Menschen aus der Vergangenheit. Wenn in der Frage der Name genannt wird, dann müssen die BewerberInnen oft eine wichtige Leistung der Menschen ankreuzen. Auf die Frage “Welche Organisation gründete Henry Dunant (1828-1910) in Genf?“ lautet die richtige Antwort “das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)“. Gefragt wird auch nach Wilhelm Tell als geschichtliche Sagenfigur, die gegen fremde Herrscher kämpfte. Es tauchen im Test also nicht nur historisch verbürgte Menschen auf, sondern auch solche, die nie gelebt haben, aber für die Schweizer Erinnerungskulturen bedeutsam sind.

Auswendig lernen oder Kurs besuchen?

Da alle Fragen im Internet zugänglich sind, können BewerberInnen die Lösungen auswendig lernen, sofern sie dafür die notwendigen Fähigkeiten haben und die Sprache beherrschen. In diesem Fall haben sie wohl wenig von der Schweizer Geschichte verstanden – aber einen Tatbeweis erbracht, dass ihnen die Staatsbürgerschaft wichtig ist. Sinn für historisches Denken machen solche Multiple-Choice-Fragen zu Schlüsselereignissen und Menschen nur dann, wenn sie Anlass sind, sich vorher oder nachher mit dem geschichtlichen Kontext auseinanderzusetzen. BewerberInnen für die Staatsbürgerschaft können dies in speziell dafür angebotenen Kursen oder mit der Lektüre eines Geschichtsbuchs tun. Interessant ist, dass beispielsweise Geschichts-Studierende an der PH Freiburg i.Br. oder Geschichts-Lehrpersonen im Südtirol ohne jegliche Vorbereitung im Durchschnitt gute bis sehr gute Resultate beim Schweizer Einbürgerungstest erzielen. Das schaffen sie ohne detaillierte Kenntnisse der Schlüsselereignisse und Menschen wohl einfach deshalb, weil sie vor dem Hintergrund ihres geschichtlichen Wissens bei vielen Fragen die richtige Lösung erschließen können.

Staatsbürgerschaftstest als Spiegel für Public History

So lohnt es sich denn, die Staatsbürgertests daraufhin zu analysieren, wer oder was darin vorkommt und wer oder was nicht. Staatsbürgertests sind ein guter Indikator für die Themen und Inhalte der staatlich erwünschten Public History. Hier ist abzulesen, welche Narrative eine Gesellschaft für ihre Mitglieder als zentral erachtet und aus welcher Perspektive Geschichte erzählt wird. Nicht thematisiert ist im Aargauer Staatsbürgertest etwa die Völkerwanderungszeit, wo die Ursachen für die Viersprachigkeit der Schweiz zu finden sind. Und nach wie vor wird das späte Mittelalter auf dem Gebiet der heutigen Schweiz ganz aus Sicht der Eidgenossenschaft erzählt: Winkelried, den Helden aus der Schlacht bei Sempach 1386, müssen alle künftigen SchweizerInnen kennen. Offenbar ist wichtig zu wissen, dass Eidgenossen ihr Leben heldenmütig auf dem Schlachtfeld opferten – um die Habsburger zu besiegen, zu denen damals auch die Menschen im Gebiet des heutigen Aargaus gehörten: Welch schönes Beispiel, dass die Sieger die Geschichte schreiben! Die Habsburger werden auch im Staatsbürgertest in Österreich thematisiert.2 Dort lautet die Frage „Wie hieß die einzige Frau an der Spitze des Hauses Habsburg?“ Gesucht ist Maria Theresia.

Sinnlose Schikane oder sinnvolle Integrationshilfe?

In den USA wird weder nach Winkelried noch nach Maria Theresia gesucht, sondern nach Susan B. Anthony.3 Wo liegt der Vorzug, wenn ich als künftiger Amerikaner weiß, dass sich Susan B. Anthony für die Bürgerrechte und Frauenrechte einsetzte? – Im günstigen Fall realisiere ich als Bewerber bei der Begegnung mit der Frage zu Susan B. Anthony, dass für das heutige Amerika offenbar die Bürger- und Frauenrechte als bedeutsame Errungenschaft betrachtet werden. Das wäre ein erster wichtiger Schritt zum Aufbau oder zur Festigung von Einstellungen, die für die Gesellschaft von Bedeutung sind. Wir wissen, dass Menschen, die sich bewusst, kritisch und vergleichend mit Argumenten auseinandersetzen, stabilere Einstellungen haben und sich konsistenter dazu verhalten. Dass dies geschieht, dafür reicht ein Multiple-Choice-Test nicht. Aber er kann dafür ein erster Schritt sein. Was folgen müsste und was im Aargau auch folgt, ist ein Gespräch über den Multiple-Choice-Test und über die richtigen und falschen Antworten. Es scheint mir deshalb klüger, sich bei den Staatsbürgertests für gute geschichtliche Fragen und für ein zielführendes Setting einzusetzen als bequem auf die Kritik aufzuspringen und die Staatsbürgertests in Bausch und Bogen abzulehnen.

 

 

Literatur

  • Bernhardt, Markus / Mayer, Ulrich / Gautschi, Peter: Historisches Wissen – was ist das eigentlich? In: Kühberger, Christoph (Hrsg.): Historisches Wissen. Geschichtsdidaktische Erkundung zu Art, Tiefe und Umfang für das historische Lernen. Schwalbach/Ts. 2012, S. 103-117.
  • Conrad, Christoph / Kocka, Jürgen (Hrsg.): Staatsbürgerschaft in Europa. Historische Erfahrungen und aktuelle Debatten. Hamburg 2001.
  • Windischbauer, Elfriede: Historisches Wissen als Voraussetzung für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. In: Kühberger, Christoph (Hrsg.): Historisches Wissen. Geschichtsdidaktische Erkundung zu Art, Tiefe und Umfang für das historische Lernen. Schwalbach/Ts. 2012, S. 249-265.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
© Wikimedia Commons. Der Schweizer Pass – Ausweis der Staatsbürgerschaft.

Empfohlene Zitierweise Gautschi, Peter: Der Einbürgerungstest. Geschichte als Eintrittskarte? In: Public History Weekly 2 (2014) 27, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2345.

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