China-Bilder 2015: Cebit, der China-Kracher

Bei der CeBIT 2015 war die Volksrepublik China Partnerland. Der Auftritt stand unter dem Motto “Innovation, Convergence, Cooperation”((Partnerland China. Neue Impulse für deutsche und chinesische Unternehmen, abgerufen am 21.3.2015.))  Die ZDF-Satire heute-show konnte an der Messe, “die das seltene Talent hat, immer falsche Partnerländer zu finden,” nicht vorbeigehen.

In der Sendung vom 20.3.2015 kam “CeBit, der China-Kracher”[1], der einmal mehr auf dem Klavier von Klischee und Stereotyp vor sich hin klimpert.

Den Hintergrund für Oliver Welkes Anmoderation (00:00-00:30)  bilden “3 Chinesen mit dem CeBIT-Pass” – die “drei Chinesen mit dem Kontrabass” müssen also wieder herhalten.

In einem Satz wird die Internet-Zensur in der VR China gestreift[2] – untermalt mit einem Clip von “New Tang Dynasty Television Deutschland”[3] (00:30-00:42)). Der Clip ist inzwischen fast 3 Jahre alt.[4].

Quelle: Screenshot ZDF (heute-show, 20.3.2015)
Quelle: Screenshot ZDF (heute-show, 20.3.2015)

Vor dem Hintergrundbild”Netz des himmlischen Friedens” (00:43-01:10) sinniert Oliver Welke über Internetzensur und Pressefreiheit. “Netz des himmlischen Friedens” zeigt einen Mann mit einer Einkaufstüte in der linken Hand  vor einem riesenhaften, etwas altertümlich anmutenden PC. Das Motiv verweist auf den ‘Tank Man’, jenen Unbekannten, der sich am 5. Juni 1989 den Panzern in den Weg stellt – und dessen Bild in einer Aufname von Jeff Widener um die Welt ging. [5]. Es sei dahingestellt, ob die Anspielung vom Publikum erkannt und spontan dekodiert wird, super-originell ist nicht gerade.[6] Die Szene mit dem Panzer kommt übrigens in einer Folge der Zeichentrick-Serie The Simpsons vor: in  “Goo Goo Gai Pan” (Season 16, Episode 12, Erstausstahlung am 13.3.2005.)).

Dann geht es um das Thema Produktpiraterie – Stichwort: “Die kopieren alles” (01:11) mit Beispielen aus dem Automobilsektor. Verantwortlich ist “Der Spion der mich kopierte”[7].

Der zum Themenkomplex Menschenrechte wird von Albrecht von Humboldt kurz gestreift (1:58); Menschenrechte wären “eine feine Sache”, aber dann kommt ein Schnitt, und ein Chinese sagt: “[…] eine Zuvielbetonung von Menschenrechte ist auch nicht gesund”. (2:12). Die Quelle des Clips wird nicht angegeben, der Sprecher wird in dem Clip nicht identifiziert, im Insert bleibt nur “Zentrum für Globale Studien, Universität Bonn” stehen.  Ursprünglich stammen die Äußerungen aus einer von Frank Sieren moderierten Diskussion zwischen Altbundeshkanzler Helmut Schmidt und Gu Xuewu, dem Direktor des Center for Global Sudies der Universität Bonn, über “„Wandel durch Annäherung: Der Aufstieg Chinas verändert die Welt — wie gehen wir in Europa damit um?” vom 31. 1. 2012. [8], die Passage beginnt bei 2:30.

Schnell geht es wieder zum “Ideenklau” zurück (2:30): “Industriespionage ist natürlich ein Problem. Die Chinesen haben eigentlich ja nichts mehr selber erfunden seit dem Glückskeks.” Das ist nicht unoriginell, denn Glückskekse sind wohl eine japanisch-amerikanische Erfindung[9]

Und es geht um das Nachmachen und Nachbauen, denn Ulrich von Heesen berichtet von der “Cheebit in der Nähe von Peking” – die haargenau so aussieht wie die CeBIT, von der Albrecht Humboldt berichtet: Die Chinesen hätten nicht nur die Messe, sondern ganz Hannover nachgebaut inklusive der ‘nachgebauten Hannoveraner’ (Christian Wulff, Bettina Wulff, die Scorpions und Veronika Ferres).  Ulrich von Heesen redet sich immer mehr in Rage und meint dann: “Welke, ich sage Ihnen, die Chinesen machen uns platt. Die kopieren nach und nach alles, was Deutschland stark macht.” Oliver Welke wiegelt ab, Industriespionage sei zwar ein Problem, aber man dürfe sich nicht reinsteigern. Aber beim nächsten Schnitt auf Ulrich von Heesen bei der “Cheebit” ist dieser verschwunden, an seiner Stelle steht ein Chinese, der ansonsten so aussieht wie der Außenreporter der heute-show (und die Zuschauer in chinesischer Sprache herzlich bei der Chebit begrüßt).

Der “China-Kracher” in Kurzfassung:

  • “drei Chinesen mit dem Kontrabass”
  • (Internet-)Zensur
  • Industriespionage
  • Umgang mit Menschenrechten
  • Produktpiraterie
  • Kopiermaschine China

Und es bleibt die Frage: Worüber hat das Saalpublikum beim Glückskeks-Gag gelacht?

 

 

 

 

  1. In der ZDF-Mediathek ist der Beitrag “CeBit, der China-Kracher” bis inkl. 27.3.2015 abrufbar. Der Clip findet sich derzeit auch auf youtube.
  2. Zu den blockierten Begriffen s. Jason Q. Ng: Blocked on weibo : what gets suppressed on China’s version of Twitter (and why) (New York : The New Press[2013) und Ng’s tumblr “Blocked on Weibo” mit einer Liste blockierter Wörter, die (Stand 21.3.2015) 9054 Begriffe enthält..
  3. New Tang Dynasty Television 新唐人電視臺 wurde 2001 gegründet. Der Sender mit Hauptsitz New York, steht Falun Gong nahe.
  4. Der Clip “‘Die Wahrheit’ hinter Chinas ‘Great Fire Wall’” wurde im youtube-Kanal von NTD.de am 20.07.2012 veröffentlicht. [Zuletzt abgerufen am 21.3.2015].
  5. S. Kate Picket: “Tank Man at 25: Behind the Iconic Tiananmen Square“, TIME Magazine: Light Box: The Backstory Wednesday, June 4, 2014. Zu anderen Versionen siehe u.a. Te-Ping Chen: “The Other ‘Tank Man’ Photographs“. Wall Street Journal,  May 30, 2014, 8:10 AM HKT.
  6. S. dazu die Beispiele bei Jonahan Kaiman: “Tiananmen Square online searches censored by Chinese authorities“. The Guardian Tuesday 4 June 2013 13.55 BST [abgerufen am 21.3.2015].
  7. Der Spion, der mich liebte (R: Lewis Gilbert, 1977) ist der zehnte Film der James-Bond-Reihe, s. The Spy Who loved Me in der Internet Movie Database. In Martin Kilians “Der Spion, der mich kopierte” (Tages-Anzeiger, 09.09.2014 [abgerufen am 21.3.2015] geht es nicht um China, sondern um Nachrichtendieste und Wirtschaftsspionage.
  8. Das Video wurde im youtube-Kanal der Robert-Bosch-Stiftung am 3.2.2012 veröffentlicht [abgerufen am 21.3.2015].
  9. S. dazu: Jennifer 8. Lee: The Fortune Cookie Chronicles. (New York City: Twelve Books 2008). Eine Kurzversion findet sich in: Jennifer 8. Lee: “Solving a Riddle Wrapped in a Mystery Inside a Cookie”, The New York Times, January 16, 2008 [abgerufen am 21.3.2015].

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/2054

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Ein “Napoleonhasser”?! – Zweiter Beitrag zur Blogserie Theodor von Hallberg-Broich

Von Martin Otto Braun

Zweiter Beitrag zur Blogserie “Der adlige ‘Eremit’ Theodor von Hallberg Broich und der Erfolg einer konstruierten Familiengeschichte”.

Die im vorherigen Beitrag der Blogserie erwähnten jüngeren Biographien Theodor von Hallberg-Broichs schöpfen für die erste Lebenshälfte aus den bereits im 19. Jahrhundert erschienenen Werken des mit Hallberg vertraulichen Umgang pflegenden Johannes Gistel sowie des hallbergschen Enkels Baron Matthias von Künßberg-Thurnau.1 Viele Angaben zum Verhältnis des Freiherrn zu Napoleon bzw. des Franzosen, stammen somit aus dem direkten Umkreis Hallbergs. Sie sind auf ihren Wahrheitsgehalt bislang nur selten anhand von archivalischen Quellen überprüft worden.

Objekt des Hasses? Napoleon auf dem Kaiserthron in einer Darstellung Jean Dominique Ingres' (1780-1867) (Bild: Jean Auguste Dominique Ingres [Public domain], via Wikimedia Commons).
Objekt des Hasses? Napoleon auf dem Kaiserthron in einer Darstellung Jean Dominique Ingres’ (1780-1867) (Bild: Jean Auguste Dominique Ingres [Public domain], via Wikimedia Commons).

Bereits Wolter von Egan-Krieger zweifelte in seiner 2007 erschienenen Biographie des „Eremiten“ den Wahrheitsgehalt der Aussagen Gistels an.2 Die archivalischen Bezugspunkte seiner Hallberg-Biographie entstammen unter anderem dem Geheimen  Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin und bayerischen Kommunalarchiven.

Trotz seiner Quellenfunde umreißt Egan-Krieger bereits im Vorwort die Schwierigkeit sich der historischen Person des Freiherrn zu nähern:

„Innerhalb meiner Recherchen habe ich zwar manches Dunkel im Lebenslauf Hallbergs zu lichten vermocht […], – ein überzeugendes Gesamtbild von ihm zu zeichnen gelang mir allerdings nicht. […] So gibt es so gut wie keine Aufzeichnungen über die ersten vier Jahrzehnte seines Daseins, dafür erstickt man förmlich in Selbstzeugnissen des Fünfzig- bis Siebzigjährigen.“3

Erzfeind Napoleon

Dieser Hinweis ist umso bemerkenswerter, als sich alle Hallberg-Biographen bis in die Gegenwart hinein in einem Punkt vollkommen einig sind: Theodor von Hallberg-Broich gilt als erbitterter Gegner Frankreichs und „Napoleonhasser“.4

Seine Biographen machen diese Feindseligkeit unter anderem an Theodor von Hallberg-Broichs Tätigkeit als Organisator und Anführer des bergischen Landsturms in den Befreiungskriegen der Jahre 1813 bis 1815 fest. In diesem Zuge wird ihm zugeschrieben, als erster mit seinen Truppen den Rhein bei Koblenz überschritten zu haben.5 Hallberg-Broich habe hierbei nicht nur den militärischen Rang eines „Feldobristhauptmanns“ erlangen können, sondern sei schließlich auch zum „Generalmarschcomissärs der kaiserlich russischen Truppen“ ernannt worden.6 Dass es sich zumindest bei Hallbergs angeblichem Rheinübergang und seinem Titel eines „Feldobristhauptmanns“ um eine von ihm selbstersonnene Legende handelte, hat bereits eine Untersuchung Helge Göhrings gezeigt.7 Doch auch für die Zeit vor den Befreiungskriegen ist – gerade vor dem Hintergrund der erwähnten Quellenlücken – Skepsis angebracht.

Portrait des Zoologen Johannes von Nepomuk Franz Xaver Gistel (1809-1873) (Bild: von Unbekannt (http://hbs.bishopmuseum.org/dipterists/dipt-g.html) [Public domain], via Wikimedia Commons).
Portrait des Zoologen Johannes von Nepomuk Franz Xaver Gistel (1809-1873) (Bild: von Unbekannt (http://hbs.bishopmuseum.org/dipterists/dipt-g.html) [Public domain], via Wikimedia Commons).

So gibt der früheste Hallberg-Biograph, Künßberg-Thurnau zum Ende seiner „Biographischen Skizzen“ an, dass Theodor von Hallberg 1785 eine Leutnants-Stelle im „General-Campranaischen Infanterieregiment“ in Jülich innegehabt und im Jahre 1793 – dem Todesjahr seines Vaters – seinen Abschied als kurbayerischer Hauptmann erhalten habe.

Hiernach sei Hallberg-Broich nach Amerika gereist. Nach einer unglücklich endenden Liebschaft mit einer englischen „Lady Stuart“ habe sich Hallberg-Broich auf seine Güter in die Rheinprovinzen zurückbegeben und dort ein „höchst einsiedlerisches Leben“ geführt, wobei er mit der „politischen Lage Deutschlands und Frankreichs“ beschäftigt gewesen sei.8 Interessanter als dies scheint bei Künßberg-Thurnau jedoch die Reaktion des Freiherrn auf den 2. Koalitionskrieg (1799–1800),9 der Hallberg-Broich offenbar schlagartig aus der zuvor beschriebenen Lethargie riss:

„Endlich rückten die Franzosen an den Rhein und Hallberg machte dem damaligen Churfürsten von Köln, einem österreichischen Erzherzog, den Vorschlag das Volk zu bewaffnen und damit Napoleon I. zu bekriegen. Da man dieses nicht begreifen konnte, so reiste Hallberg nach Wien, (1800) nahm Audienz bei Kaiser Franz II. welchem er seinen Vorschlag überreichte. Nachdem ihn der Kaiser zu lesen angefangen hatte, verabschiedete er den Hallberg mit den Worten: ‚Das verstehen wir nicht.‘ Hallberg, welcher sich jedoch mit dieser Antwort nicht zu begnügen schien, suchte anderweitig seine Ideeen (sic!) durchzuführen, bis er endlich in den Narrenthurm eingesperrt wurde, um von seinen Ansichten geheilt zu werden. Nach acht Tagen wurde er hieraus entlassen, nachdem er während diesem Zeitraume seine Ansichten widerrufen hatte.“10

Ruhe vor dem Sturm?

Nach der oben erwähnten Episode war das patriotische Feuer bei Hallberg-Broich jedoch offenbar erloschen, denn überraschenderweise berichtet Künßberg-Thurnau über eine mehrjährige Wanderschaft des Freiherrn durch die deutsch-österreichischen Provinzen, die Schweiz, Ungarn und Siebenbürgen.11

Titelbild aus Johanns Gistels “Leben des preußischen General’s Freiherrn Theodor von Hallberg-Broich, genannt “Eremit von Gauting”, Berlin 1863 (Bild: Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia).
Titelbild aus Johanns Gistels “Leben des preußischen General’s Freiherrn Theodor von Hallberg-Broich, genannt “Eremit von Gauting”, Berlin 1863 (Bild: Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia).

Erst nach dieser „Ruhephase“ führt der Biograph einen ausführlichen Hinweis an, der von weiteren Aufstandsplänen Hallberg-Broichs gegen Napoleon zeugen soll:

„‚Vertraute Briefe über die inneren Verhältnisse am preußischen Hofe seit dem Tode Friedrich II.‘ Amsterdam und Cöln 1808, enthalten im Bande III auf pag. 311 folgendes: ‚Um diese Zeit (1806) war es, als einer der thätigsten Patrioten unseres Landes der Herr von Hallberg-Broich dem Könige einen Plan zu einem allgemeinen Aufgebote darlegte. (…) Förster und Förstersöhne, aller herrschaftlichen Jäger der Städte, wie des Landes waren erlesen, das Schützenkorps dieses allgemeinen Aufstandes zu formieren, – aber es erhielt die königliche Sanction nicht (nur ein großer Aufstand konnte Preußen 1806 sowie Frankreich 1792 retten) – und kurz darauf als der Feind die Weichsel passiert hatte, sich uns eilig näherte, und alles vor sich her zurückdrängte, da war der Zeitpunkt vielleicht verschwunden‘.“12

Das Zitat verliert an Tragkraft, wenn man sich die Mühe macht, es im Original zu überprüfen. Hier steht an Stelle des bei Künßberg-Thurnau ausgeschriebenen „Herr von Hallberg-Broich“ lediglich die Abkürzung „H. v. H. B.“.13 Diese Initialen stimmen zwar durchaus mit dem Namenszug Hallberg-Broichs überein, eine eindeutige Aufschlüsselung des Namens wird im Original jedoch nicht gegeben.14 Dass es sich hierbei tatsächlich um Theodor von Hallberg-Broich gehandelt hat, ist somit nicht eindeutig nachweisbar.

Verhaftung und Einkerkerung

Anders verhält es sich mit der historischen Belegbarkeit eines weiteren Ereignisses, das bei von Künßberg-Thurnau unmittelbar auf die Pläne zum Aufstand von 1806 folgt. Der Biograph berichtet von einer willkürlichen Verhaftung Hallberg-Broichs durch französische Soldaten, die ihn über 36 Gefängnisstationen nach Paris transportierten. Matthias von Künßberg-Thurnau gibt eine Haftzeit des Freiherrn von Hallberg-Broich von insgesamt acht Monaten an, wobei der Delinquent starkes körperliches und seelisches Leid zu ertragen gehabt habe.

Während dieser Zeit soll Theodor von Hallberg-Broich immer wieder vergeblich Briefe aus dem Gefängnis an Napoleon geschrieben haben, um diesen um ein Verhör zu bitten. Aber nur ein Gnadengesuch seiner Mutter bei Kaiserin Josephine habe Hallberg-Broich – ohne vorheriges Verhör – schließlich aus der Haft befreit. Erst hiernach erfährt der Leser den Grund für Hallberg-Broichs Inhaftierung: „Hallberg war beschuldigt worden, an dem von einer Räuberbande ausgeübten Morde Theil genommen zu haben.“15

Fassen wir also zusammen: Hallberg war ein zwar unschuldig wegen Mordes inhaftierter, aber dennoch fanatischer Feind Napoleons. Saß Hallberg also aufgrund seiner vorangegangenen Aufstandspläne in Haft? Wohl kaum… Eine näheren Betrachtung der zeitgenössischen Quellen soll hierzu im nächsten Beitrag Auskunft geben.

Anmerkungen:

1 Künßberg-Thurnau gibt in seiner Schrift die Verwandtschaft ausdrücklich als Grund an, weswegen der Leser seine unparteiische Stellung bezweifeln könnte. Deswegen, so Künßberg-Thurnau, habe er sich weitestgehend darauf beschränkt, nur eigene Schriften Theodor von Hallberg-Broichs wiederzugeben. Siehe Matthias von Künßberg-Thurnau, Kriegsgeschichten, Reisen und Dichtungen. Aus den Papieren des Herrn Freiherrn von Hallberg-Broich (Eremit von Gauting), Landshut 1862, Vorrede (ohne Seitenangabe).

2 In seiner Biographie kann Egan-Krieger bereits kritisch auf einige Unklarheiten in den Angaben Gistels verweisen, wie etwa den Fenstersprung von Hallbergs zweiter Ehefrau Karoline, den der “Eremit” angeblich als Liebesbeweis von ihr verlangt haben soll. Quellenmäßige Belege lassen sich für diese Anekdote – wie auch für andere – nicht finden. Egan-Krieger vermutet den Grund für die Erwähnung solcher Anekdoten in der von Gistel geschriebenen Hallberg-Biographie in privaten Zwistigkeiten der beiden. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Gistel und Hallberg sei, laut Wolter von Egan-Krieger, um das Jahr 1836 beendet worden. Grund für das Zerwürfnis war, laut Egan-Krieger, die in einer Gesellschaft stattgefundene Verlesung eines von Gistel geschriebenen Lobgedichts auf Napoleon I. Hallberg-Broich, „maßlos in seinem Hass gegenüber dem einstigen französischen Imperator“, habe nach der Verlesung wutentbrannt die Gesellschaft verlassen und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden seien hierauf eingeschlafen. Im Vorwort seiner Studie verweist Egan-Krieger daher explizit auf die Unvereinbarkeit der Aussagen Gistels mit den hinterlassenen Papieren von Theodor von Hallberg-Broich und die große konservierende Bedeutung, die in diesem Zusammenhang der Schrift Matthias von Künßberg-Thurnaus zukomme. Zu allen Angaben vgl. Wolter von Egan-Krieger, Zwischen Weitsicht und Widersinn: Theodor Freiherr von Hallberg-Broich – Eine Lebensbeschreibung, Norderstedt 2007, S. 9–11 und S. 262–273.

3 Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 11.

4 Exemplarisch sei hier nur ein Aufsatz Schröders aus dem Jahr 1913 angeführt, der in der Zeitschrift “Der Niederrhein” unter dem Titel “Ein Napoleonhasser. Zur Erinnerung an Freiherrn von Hallberg Broich” erschien und auf den sich die Überschrift dieses Blogsposts bezieht. Siehe [Vorname unbekannt] Schröder, Ein Napoleonhasser. Zur Erinnerung an Freiherren von Hallberg-Broich, in: Der Niederrhein – Monatsschrift für Heimatkunde und Heimatpflege, Heft 1 (1913).

5 Zur angeblichen Überschreitung des Rheins während der Befreiungskriege siehe Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 179; Johannes Gistel, Leben des preußischen General’s Freiherrn von Hallberg-Broich, genannt Eremit von Gauting, Berlin 1863, S. 30.

6 Vgl. Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 179–180; Gistel 1863 (wie Anm. 5), S. 30–33; Werner Bülow, Der Eremit von Gauting – Theodor Freiherr von Hallberg-Broichs Leben, Ansichten und Reisen, Rosenheim 1991, S. 24–26; Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 40–47. Zur Tätigkeit von Hallberg-Broichs für den bergischen Landsturm liegen im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (seit 05.05.2014 Duisburg) Akten vor, die Aufschluss über die Organisation der Truppe bzw. Hallbergs Wirken geben. Siehe: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement vom Nieder- und Mittelrhein, Formation der Bürgermiliz, Nr. 472–474; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement Berg, Organisation der Landespolizei in Verbindung mit dem Landsturm als Polizeimiliz, Nr. 1884; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement Berg, Frühlingsmanöver des Landsturms Siegburg am 7. März 1815 (Einladung durch Feldobristhauptmann Freiherr von Hallberg), Nr. 1490.

7 Helge Göhring zitiert zum Beweis einige Stellen aus den in Fußnote 6 angegebenen Akten. Siehe Helge Göhring, Der tolle Hallberg auf Haus Attenbach – Legende und Wirklichkeit eines Sonderlings zur Zeit des Bergischen Landsturms, in: Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises, Jg. 59 (1991), S. 148–157.

8 Zu sämtlichen Angaben siehe Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 174–175.

9 Zur Geschichte Jülichs in französischer Zeit siehe Vorstand des Jülicher Geschichtsvereins in Verbindung mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Jülich (Hrsg.), Julier – France: Jülich in Frankreich 1794–1814 (=Jülicher Forschungen, Heft 3 = Führer des Stadtgeschichtlichen Museums Jülich, Nr. 5), Jülich 1994. Dass er sich zumindest kurzfristig nach der Einnahme Jülichs durch die Franzosen am 3. Oktober 1794 noch in Koblenz aufgehalten und diese Abwesenheit auch den Franzosen ordnungsgemäß mitgeteilt hatte, hat Schröder in seinem Aufsatz von 1913 festgestellt. Vgl. Schröder 1913 (wie Anm. 4), S. 127.

10 Künßberg Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 175.

11 Wolter von Egan-Krieger vermutet, dass Hallberg-Broich aufgrund des drastischen Misserfolgs seiner ersten Aufstandspläne weitere zurückgestellt habe. Er bezweifelt jedoch den „Urlaubscharakter“ der Reise. Vgl. Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 24-25. Ob die Reise überhaupt stattgefunden hat, ist zu bezweifeln.

12 Zitiert nach Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 175-176.

13 Friedrich von Coelln, Vertraute Briefe über die innern Verhältnisse am Preußischen Hofe seit dem Tode Friedrichs II., Bd. III, Amsterdam und Köln 1808, S. 352.

14 Wolter von Egan-Krieger zitiert zwar offenbar die Original-Schrift, da er die Abkürzung verwendet, scheint in der Aufschlüsselung, die bei ihm der Abkürzung in eckigen Klammern folgt, jedoch von Matthias von Künßberg-Thurnaus Schrift beeinflusst. Vgl. Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 26.

15 Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 176.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/617

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Die Bayerische Staatsbibliothek im digitalen Zeitalter. Bibliotheksforum Bayern / Sonderheft

https://www.bibliotheksforum-bayern.de/index.php?id=132 „Dieser Spagat zwischen der Bibliothek als physischem Ort des Wissens und kulturellen Austauschs einerseits und der Entgrenzung in den weltweit vernetzten digitalen Informationsraum andererseits wird auch künftig das Handeln der Bayerischen Staatsbibliothek maßgeblich bestimmen. Im Fokus wird dabei immer und zuallererst der wissenschaftliche Nutzer stehen.“ (Rolf Griebel)

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/03/5738/

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Lexikon zur Computergeschichte: Windows Bitmap – BMP

Im Jahre 1990 wurde mit Windows 3.0 das Dateiformat Bitmap (*.bmp) eingeführt, welches die Darstellung von Rastergrafiken ermöglicht. Seine Versionierung orientierte sich ursprünglich an Windows, weshalb es mit der letztlich am weitesten verbreiteten Version 3 beginnt. Nach notwendigen Informationen im Informationsblock (Farbpalette, Farbtiefe, Breite etc.) werden Zeile für Zeile Pixel als die einzelnen Bits codiert. […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/03/5736/

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Ö1-Diagonal zu Österreich und die Aufklärung

Morgen auf Ö1-Diagonal (21.3.2015, 17:05-19:00):

"Mehr Licht!" Österreich und die Aufklärung. Präsentation: Peter Lachnit

Die Aufklärung ist in Österreich immer mehr von oben herab gewährt als von unten erkämpft worden. Josef II., der die Klöster aufgelöst und die Todesstrafe abgeschafft hat, war um einiges radikaler als das Land, dessen Kaiser er war. Erzherzog Johann ist auch eher wegen seiner Liebesaffäre zur Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl in Erinnerung geblieben als dadurch, dass ihn die Frankfurter Nationalversammlung während der Revolution von 1848 zum Staatsoberhaupt wählte. Im Österreich der katholischen Gegenreformation wurde die Aufklärung eher als verdächtiges Werk norddeutscher Protestanten betrachtet; der Kopf des 1795 als "Jakobiner", also als Anhänger der Französischen Revolution hingerichteten Franz Hebenstreit wurde bis vor drei Jahren im Wiener Kriminalmuseum zur Schau gestellt. Revolutionen und Volkserhebungen sind hierzulande schnell entweder niederkartätscht oder in staatstreue Bahnen gelenkt worden.

Welche Auswirkungen hat das alles auf das Verhältnis der Österreicher/innen zur Obrigkeit, auf ihre Bereitschaft zu Religionskritik und Zivilcourage? Wären etwa die "Charlie Hebdo"-Karikaturen hierzulande möglich gewesen?

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022409005/

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Rezensions-Digest Februar 2015-Nachtrag: Historische Zeitschrift

Die Links zur Historischen Zeitschrift sind nicht Open Access, sondern nur über Institutionen mit einem Abonnement aufrufbar.

Hillard von Thiessen: Rezension von: Guido Braun / Arno Strohmeyer (Hrsg.): Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner zum 65. Geburtstag. (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, 36.) Münster 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 201-202.

doi:10.1515/hzhz-2015-0052

Gerhard Fritz: Rezension von: Faramerz Dabhoiwala: Lust und Freiheit. Die Geschichte der ersten sexuellen Revolution. Aus dem Engl. v. Esther u. Hainer Kober. Stuttgart 2014, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 211-212.

doi:10.1515/hzhz-2015-0058

Arno Herzig: Rezension von: Irene A. Diekmann (Hrsg.): Das Emanzipationsedikt von 1812 in Preußen. Der lange Weg der Juden zu „Einländern“ und „preußischen Staatsbürgern“. (Europäisch-jüdische Studien, Beiträge, Bd. 15.) Berlin/Boston 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 218-220.

doi:10.1515/hzhz-2015-0062

Rainer Walz: Rezension von: Johannes Dillinger: Kinder im Hexenprozess. Magie und Kindheit in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 202-204.

doi:10.1515/hzhz-2015-0053

Werner Troßbach: Rezension von: S. A. Eddie: Freedom’s Price. Serfdom, Subjection, and Reform in Prussia, 1648–1848. Oxford 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 209-211.

doi:10.1515/hzhz-2015-0057

Dieter Langewiesche: Rezension von: Alan Forrest / Étienne François / Hagemann (Eds.): War Memories. The Revolutionary and Napoleonic Wars in Modern European Culture. (War, Culture and Society, 1750–1850.) Basingstoke 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 217-218.

doi:10.1515/hzhz-2015-0061

Stefan Rohdewald: Rezension von: David Frick: Kith, Kin, and Neighbors. Communities and Confessions in Seventeenth-Century Wilno. Ithaca/London 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 212-215.

doi:10.1515/hzhz-2015-0059

Axel Gotthard: Rezension von: Franz Fuchs / Stefan Petersen / Wagner (Hrsg.): Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19.) Würzburg 2014, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 204-205

doi:10.1515/hzhz-2015-0054

Harm Klueting: Rezension von: Martin Hille: Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517–1618. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 81.) Göttingen 2010, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 205-207.

doi:10.1515/hzhz-2015-0055

Andreas Pečar: Rezension von: Irene Kubiska-Scharl / Michael Pölzl: Die Karrieren des Wiener Hofpersonals 1711–1765. Eine Darstellung anhand der Hofkalender und Hofparteienprotokolle. (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 58.) Innsbruck 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 215-217.

doi:10.1515/hzhz-2015-0060

Hermann Wellenreuther: Rezension von: Dominik Nagl: No Part of the Mother Country, but Distinct Dominions. Rechtstransfer, Staatsbildung und Governance in England, Massachusetts und South Carolina, 1630–1769. (Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Nordamerikas, Bd. 33.) Münster 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 207-209.

doi:10.1515/hzhz-2015-0056

Margrit Schulte Beerbühl: Rezension von: Peer Vries: Ursprünge des modernen Wirtschaftswachstums. England, China und die Welt in der Frühen Neuzeit. Aus dem Engl. v. Felix Kurz. (Schriftenreihe der FRIAS School of History, Bd. 8.) Göttingen 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 198-201.

doi:10.1515/hzhz-2015-0051

Maximilian Schuh: Rezension von: Martin Wallraff (Hrsg.): Gelehrte zwischen Humanismus und Reformation. Kontexte der Universitätsgründung in Basel 1460. (Litterae et Theologia, Bd. 2.) Berlin/Boston 2011, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 195-196.

doi:10.1515/hzhz-2015-0049

Cornel Zwierlein: Rezension von: Donald Weinstein: Savonarola. The Rise und Fall of a Renaissance Prophet. New Haven/London 2011, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 196-198.

doi:10.1515/hzhz-2015-0050

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1994

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Aktualität der Faschismustheorie. Symposium zu Ehren von Prof. Dr. Reinhard Kühnl (1936 – 2014)

Am 10. Juli 2015 in Marburg

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum siebzigsten Mal die Befreiung vom deutschen Faschismus. Dieses Jubiläum nimmt der BdWi zum Anlass, um gemeinsam mit verschiedenen KooperationspartnerInnen eine Fachtagung zum Stand der Forschung über aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus in Europa durchzuführen. Diese Veranstaltung widmen wir der Erinnerung an den 2014 verstorbenen BdWi-Mitbegründer Reinhard Kühnl und der Würdigung seiner Verdienste um die politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Faschismus.
Neben einer Bestandsaufnahme des aktuellen Stands der Faschismusforschung wollen wir konkrete Phänomene aufgreifen, etwa zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in Ungarn und Frankreich sowie der »Alternative für Deutschland«.
Analysieren wollen wir auch die NSU-Berichterstattung und neuere Erscheinungen wie die Identitäre Bewegung und die wachsende Bedeutung von sozialen Netzwerken.

Vorläufiger Planungsstand zum Ablauf:
Eröffnung und Laudatio:
* Reiner Rilling (langjähriger Geschäftsführer des BdWi und Weggenosse von Reinhard Kühnl, angefragt)

Keynote:
* Prof. Dr. Axel Schildt, Uni Hamburg: »Über den heuristischen Wert und die Risiken der Verwendung faschismustheoretischer Ansätze für die Geschichtswissenschaft«

weitere Referent_innen:
* Prof. Dr. Karin Priester, Uni Münster: »Das Phänomen des Berlusconismus«
* Magdalena Marsovszky, Budapest/München: »Kultur des Faschismus« in Ungarn
(angefragt)
* Prof. Dr. Fabian Virchow, FH Düsseldorf: zur NSU-Berichterstattung
* Julian Bruns / Kathrin Glösel / Natascha Strobl, Wien, Autorenteam des Buchs »Die Identitären« (angefragt)
* Alexander Häusler, FH Düsseldorf: AfD, innerer Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Faschismus (angefragt)

Der Zeit- und Themenplan wird noch aktualisiert, bitte auf Ankündigungen achten auf der Webseite http://www.bdwi.de/bdwi/termine/event_27525.html
VeranstalterInnen: BdWi, DGB-Region Mittelhessen, Hochschule Fulda – FB Sozial- und Kulturwissenschaften, Philipps-Universität Marburg – Institut für Politikwissenschaft und Forschungsgruppe Europäische Integration, AStA Uni Marburg (angefragt), Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen (angefragt), u. a. (Stand 20. März)


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Biographie, Faschismus, Geschichte, Geschichtspolitik, Historiker, Veranstaltung, Vermittlung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2015/03/20/aktualitat-der-faschismustheorie-symposium-zu-ehren-von-prof-dr-reinhard-kuhnl-1936-2014/

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Über das Verständnis des Begriffs Resilienz in der Psychologie

Meyen (2015) beschreibt die Entwicklung des Resilienzbegriffs in Anlehnung an Endreß und Maurer (2015) folgendermaßen: „[g]eschlüpft Anfang der 1970er Jahre bei den Ökologen, wenig später aufgenommen, gehegt und gepflegt bei den Entwicklungspsychologen und dann still und heimlich aufgebrochen zu den Sozialwissenschaftlern“. In der Psychologie versteht man unter Resilienz „die Widerstandsfähigkeit eines Individuums, sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln“ (Warner, 2014).

Klassischerweise sah man Resilienz als immunisierende angeborene Eigenschaft an, also als ein Persönlichkeitsmerkmal, welches man lediglich wecken und trainieren müsse, so besäße man eine Art universelle Unverletzlichkeit (Anthony & Cohler, 1987). In den 1980er Jahren entwickelte sich dann allerdings eine realistischere Auffassung von Resilienz als eine zumeist zeitlich begrenzte, von verschiedenen Schutzfaktoren gespeiste psychische Widerstandsfähigkeit (Fingerle, 2007). Mittlerweile ist nun der Begriff der „protektiven Faktoren“ üblich, der jedoch uneinheitlich und in Abwechslung mit den Begriffen Schutzfaktoren oder Ressourcen verwendet wird. Die Merkmalen der Personen bzw. Gruppen, der Umgebung sowie deren Interaktion werden nun gleichermaßen berücksichtigt.

Insgesamt geht es bei der Resilienz um die Bedingungen und Ressourcen, die der psychischen Widerstandskraft des Menschen zuträglich sind um die gesunde Entwicklung zu schützen, und sie steht damit im Gegensatz zur (Klinischen) Psychologie, die sich mit Ursachen und Korrelaten von psychischen Krankheiten und normativen Abweichungen befasst. Im Kern geht es stärker um das `Was hält gesund?´ statt das `Was macht krank?´ – Salutogenese und positive Psychologie anstelle von Pathogenese.

Diesen Ansatz verfolgte auch die Forschergruppe um Emmy Werner bei der Arbeit an der vielzitierten Studie auf der hawaiianischen Insel Kauai (Werner, 1999), bei welcher knapp 700 Kinder über 40 Jahre hinweg begleitet wurden. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass die Kombination aus problematischen biologischen Faktoren, wie Schwangerschaftskomplikationen oder Komplikationen bei der Geburt, und umweltbedingte Faktoren, wie ungünstigen Familienbedingungen, in vielen, aber nicht allen Fällen, ungünstigen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern nehmen. Diejenigen Kinder von Kauai, die trotz der enormen Risiken ihr Leben positiv gestalten konnten besaßen wohl das, was Resilienz ausmacht.

Die protektiven Faktoren, die bei ungünstigen Umgebungsbedingungen resiliente Entwicklungen begünstigen, können in Anlehnung an den ökosystemischen Ansatz von Bronfenbrenner (1992) verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Hieraus leitet sich die Annahme ab, dass an der Entwicklung von Resilienz adaptive Systeme auf vier Ebenen beteiligt sind: erstens personale Kompetenzen des Kindes, wie Stressverarbeitung, Selbstregulation, Motivation und Lernen, zweitens das Familiensystem mit Bindung, Interaktion und Erziehung, drittens Ressourcen des sozialen Netzwerks (Schule, Gleichaltrige) und viertens gesellschaftlich-kulturelle Faktoren, wie Normen und Werte.

Im Fokus der Resilienzforschung steht die Identifikation der protektiven Faktoren, die als (Moderator-) Merkmale die Wirkung der Risikofaktoren auf den Outcome lindern oder neutralisieren sollen. Einige der resilienzfördernden Faktoren aus den verschiedenen Systemen konnten so bereits bestätigt werden (z.B. mindestens durchschnittliche Intelligenz und akademische Fähigkeiten (Rechtschreibung, Mathematik), hohe Sozialkompetenz, familiärer Zusammenhalt, Verfügbarkeit sozialer Unterstützung oder ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert von Kindergesundheit und Bildung).

In der gegenwärtigen Forschung hat die Rolle von Resilienz bei der Bewältigung von Belastungen im Berufs- und Alltagsleben an Bedeutung gewonnen. In diesem Bezug steht auch unsere Fragestellung im Projekt „Medienkompetenz als Resilienzfaktor“ des Bayerischen Forschungsverbunds Fit for Change: Ist Medienkompetenz ein Resilienzfaktor? Wie steht er mit anderen Schutz- und Risikofaktoren in (kausalem) Zusammenhang? Und wie können wir Medienkompetenz trainieren?

Im Zeitalter des rasanten technologischen Wandels kann Medienkompetenz einen Schutzfaktor darstellen um sich an die neuen Bedingungen anzupassen und um die zum Teil negativen Medienwirkungen zu kompensieren. Vorherige Studien zur Entwicklung der Medienkompetenz bei Vorschulkindern attestieren ihr einen stärkeren Einfluss auf schulische Vorläuferfertigkeiten in Mathematik und im Schriftspracherwerb als Intelligenz (vgl. Nieding et al., in press).

Im Projekt wird mittels des Würzburger Medienkompetenztests WüMek Medienkompetenz auf fünf Dimensionen online erhoben. Eine erste Querschnittstudie, die zwischen August und November 2014 stattfand, zeigte bereits einen starken Zusammenhang zwischen Medienkompetenz und Resilienzfaktoren wie Intelligenz, akademische Fähigkeiten, Empathie und potenziellen Risikofaktoren wie Computerspielabhängigkeit.

Im Rahmen der nun folgenden Längsschnittuntersuchung über einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen wir mittels WüMek die Entwicklung der Medienkompetenz bei 200 13- und 19-Jährigen zu zwei Messzeitpunkten. Dabei lässt sich zusätzlich der kausale Einfluss von Medienkompetenz auf die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten ermitteln um weitere Belege für die Rolle von Medienkompetenz als Schutz- und Resilienzfaktor zu liefern.

 

Literatur

Anthony, E. J., & Cohler, B. J. (Eds.). (1987). The invulnerable child. Guilford Press.

Bronfenbrenner, U. (1992). Ecological systems theory. Jessica Kingsley Publishers.

Davidson, R. J. (2000). Affective style, psychopathology, and resilience: brain mechanisms and plasticity. American Psychologist, 55(11), 1196.

Endreß, M. & Maurer, A. (2015). Resilienz im Sozialen. Wiesbaden: VS-Verlag.

Fingerle, M. (2007). Der „riskante “Begriff der Resilienz–Überlegungen zur Resilienzförderung im Sinne der Organisation von Passungsverhältnissen. Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz, 2, 299-310.

Meyen, M. (2015). Resilienz als diskursive Formation. Was das neue Zauberwort für die Wissenschaft bedeuten könnte. In: Resilienz (online). URL: http://resilienz.hypotheses.org/365 (abgerufen am 02.03.2015).

Nieding, G., Ohler, P., Rey, G.D., Möckel, T., Diergarten, A.K. & Schneider, W. (in press). The development of media sign literacy – a longitudinal study with 4-year-old children.

Warner, L. (2014). Resilienz. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (17. Aufl., S. 1326). Bern: Verlag Hans Huber.

Werner, E. E. (1999). Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz. Was Kinder stärkt: Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. München, Basel, 25-36.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/443

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Workshop-Reihe zur Einführung in die DH

gemeldet von Nanette Rißler-Pipka

Am Institut für Spanien-, Portugal- und Lateinamerikastudien der Universität Augsburg startet zum nächsten Sommersemester eine Workshop-Reihe zur Einführung in die Digital Humanities. Zielgruppe sind Studierende, aber auch interessierte KollegInnen, die evtl. auch eigene Anwendungsbeispiele in die Workshops mitbringen.

Programm: 

  • 22. Mai Martina Semlak (Graz): Digitales Edieren
  • 12. Juni Jörg Lehmann (Berlin): Metadatenanalyse und Topic Modeling
  • 26. Juni Thomas Kollatz (Duisburg-Essen): Arbeiten mit dem DARIAH-Geo-Browser
  • 10. Juli Nanette Rißler-Pipka (Siegen): Quantitative Textanalyse

Vorlesung jeweils 11.45 – 13.15 Uhr
Gebäude D, HS 2107
Workshop jeweils 14.00 – 17.15 Uhr
Gebäude D, Seminarraum 1005
Wegen des begrenzten Platzangebots ist eine verbindliche Anmeldung zum Workshop notwendig: maria.fuso@phil.uni-augsburg.de Telefon 0821/598-565

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4876

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