Forsch voran, den Blick nach hinten

 

Die Präsidentschaft Ronald Reagans ist der politische Fixpunkt der amerikanischen Konservativen. Auf ihn beziehen sie sich, ihn haben sie zum Säulenheiligen gemacht. In geringerem Maße, aber durchaus wahrnehmbar gilt dasselbe in Teilen des progressiven Spektrums für Franklin Roosevelt (die moderate Linke tut sich traditionell schwer damit, den Gottvater des amerikanischen Sozial- und Interventionsstaats zu verehren, weswegen sich das dort nicht so durchgesetzt hat). Gerne wird mit Verweis auf die Großen Alten der Status Quo beklagt oder der eigenen Politik eine Aura von höchsten Weihen gegeben. Aber diese Mythenbildung mit ihrem Blick nach hinten schadet mehr als sie nützt. Das zeigt bereits der Blick darauf, wo sie herkommt.

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Die Mär vom Wirtschaftswunder (Überarbeitung)


Jeder Staat hat seinen Gründungsmythos. Das Deutsche Reich hatte Sedan, die Weimarer Republik den Versailler Vertrag und die Revolution von 1918/19, Frankreich die Französische Revolution, England die Glorious Revolution, die USA den Unabhängigkeitskrieg. Die UdSSR hatte die Oktoberrevolution, China hat den Langen Marsch, Vietnam den Krieg gegen Frankreich und Israel den Krieg von 1948, den es mit Palästina als Gründungsmythos teilt. Die obige Aufzählung zeigt, dass Gründungsmythen nicht immer, aber doch meist positiv sind. Was die obige Darstellung noch nicht zeigt, was aber kurz skizziert werden soll, ist, dass diese Gründungsmythen historisch nie haltbar sind und stark eine bestimmte Deutung forcieren, die wichtige Tatsachen unter den Tisch fallen lässt. Sedan ist hier noch am Ehrlichsten; die gewonnene Schlacht gegen die Franzosen und anschließend die Ausrufung des Reiches im Spiegelsaal von Versailles sind faktisch belegte Ereignisse; freilich unterscheidet sich ihre Interpretation.


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Die Simulation von Widerstand als kollektive Seelenmassage


Geschichten über das Leben in der Diktatur erfreuen sich einer ungebrochenen Beliebtheit, was angesichts unserer Erfahrungen mit solchen - die zwölf Jahre des Dritten Reiches und, für diejenigen, die das Pech hatten auf der östlichen Seite der Zonengrenze zu leben, weitere vierzig Jahre "realsozialistische" Diktatur - wenig verwundern dürfte. Oftmals drehen sich solche Geschichten entweder zentral um Widerstand gegen diese Diktaturen oder sie haben widerständlerische Elemente in einigen oder allen Charakteren. Mir ist dabei ein Trend aufgefallen: Deutsche Geschichten dieser Art, ob in Roman oder Film, neigen zu einer entpolitisierten, existenziellen Art des Widerstands. Und ich halte das für ein Problem.


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Die Bilderstürmer


In den USA ist eine Debatte entbrannt, die mit voller Wucht auch nach Europa herübergeschwappt ist: Wenn Statuen oder andere Monumente an Menschen erinnern, die aus heutiger Sicht eher zweifelhaften Leumund haben - Sklavenhalter, Sklavenhändler, Massenmörder, Killer - sollten diese Statuen dann im öffentlichen Raum stehen bleiben? Sollten Straßen, Schulen und Kasernen nach ihnen benannt sein? Sollten ihr Bilder und Büsten prominent die Zimmer von Amtsstuben schmücken? Wir kennen die Debatte hierzulande auch. Aber wie so Vieles haben die Ereignisse um George Floyds Ermordung und die seither wieder entbrannten Black-Lives-Matter-Proteste hier für eine neue und verstärkte Sichtbarkeit gesorgt. Sollten also Statuen fallen? Oder sind sie als historische Erinnerungsorte zu bewahren?


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Die Geschichte der EU Teil 5: Krise


Dies ist eine Serie über die Geschichte der Europäischen Union, ihr politisches System und die Frage, wie demokratisch sie eigentlich ist. Teil 1 befindet sich hier. Teil 2 befindet sich hier. Teil 3 befindet sich hier. Teil 4 befindet sich hier

Mit nunmehr 25 Mitgliedsstaaten war die Vorstellung, weiterhin nach dem alten Konsensprinzip operieren zu können, völlig illusorisch geworden. Auch die Regelung, dass jedes Land in der Kommission zwei Kommissare stellte, war angesichts eines Exekutivorgans mit 50 Beauftragten wahnwitzig. Auch war dem gestiegenen Gewicht Deutschlands seit der Wiedervereinigung nicht Rechnung getragen worden. Die Politische Einheit blieb weiterhin frommer Wunsch, vor allem auf dem Gebiet einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Entsprechend fanden sich die EU-Staaten neben der parallelen Herausforderung der Osterweiterung auch in einer weiteren Runde von Reformgesprächen.


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Die Geschichte der EU, Teil 4


Dies ist eine Serie über die Geschichte der Europäischen Union, ihr politisches System und die Frage, wie demokratisch sie eigentlich ist. Teil 1 befindet sich hier. Teil 2 befindet sich hier. Teil 3 befindet sich hier

Ab Mitte der 1980er Jahre nahm die Reformdebatte innerhalb der EG wieder an Fahrt auf. Maßgeblich war einmal mehr Frankreich, dieses Mal in Form des Kommissionspräsidenten Jacques Delors. Er entwarf 1985 Vorschläge für eine tiefgreifende Reform der EG mit der expliziten Zielsetzung der Vollendung des Binnenmarkts. Dieser war seit 1957 das Fernziel der EWG gewesen, genauso wie die Überführung der Europäischen Gemeinschaften (Plural) in eine Europäische Gemeinschaft (Singular). Aber Delors ging noch weiter als nur den Binnenmarkt vervollständigen zu wollen. Der Prozess, den er in Gang setzte, sollte innerhalb nur eines Jahrzehnts nicht nur die Europäische Gemeinschaft schaffen, sondern sie auch gleich durch etwas viel Größeres ersetzen - eine Europäische Union.



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Geschichte der EU, Teil 3


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Die Aufgabe der Blockadehaltung seitens Frankreich und die Erweiterung der EU in Richtung Norden waren jedoch kaum angetan, in der EG großen Reformergeist zu wecken und die Integration weiter voranzutreiben. Der Anbruch der 1970er Jahre war mit einer Dauerkrise verknüpft, die ich die "Große Krise des Westens" nenne. Nie schien das Modell des Ostblocks so attraktiv und als Alternative wie in den 1970er Jahren, nie zweifelten die westlichen Länder so sehr an der Überlegenheit ihres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Es kommt nicht von ungefähr, dass Reagan, Thatcher und Kohl um 1980 alle mit dem Versprechen auf eine geistig-moralische Wende der ein oder anderen Art reüssierten. Auch die EG konnte von dieser Krise nicht unbeeinträchtigt bleiben.


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Geschichte der EU, Teil 2


Dies ist eine Serie über die Geschichte der Europäischen Union, ihr politisches System und die Frage, wie demokratisch sie eigentlich ist. Teil 1 befindet sich hier

Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft verlegten sich die westeuropäischen Länder darauf, erst einmal bei der wirtschaftlichen Einigung weiter voranzuschreiten - ein Projekt, das sich mit der EGKS bereits äußerst erfolgreich angelassen hatte. Die EGKS hatte zwar als deutsch-französisches Programm begonnen, aber immer die Beitrittsperspektive der anderen europäischen Marktwirtschaften und Demokratien im Auge gehabt.

Die waren damals überschaubar: die drei Benelux-Staaten, Italien und Großbritannien sowie den skandinavischen Ländern. Spanien, Portugal und Griechenland waren brutale Militärdiktaturen, mit denen man zwar militärisch in der NATO kooperierte und von denen man Gastarbeiter anwarb, die aber sonst für das Projekt keine Rolle spielten. Dänemark, Großbritannien und Norwegen hatten ihre eigenen Vorbehalte gegen eine Mitgliedschaft in der neuen Wirtschaftsgemeinschaft und assoziierten sich lieber im Rahmen des Freihandels. Und Schweden und Finnland hatten, wie auch Österreich, eine Neutralitätsverpflichtung gegenüber der Sowjetunion und blieben daher bündnisfrei, während die Schweiz traditionell ihre Neutralität wahrte.


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Die Geschichte der EU, Teil 1


Die Europäische Union ist ein Projekt, das viele Gegner hat. Kaum ein Vorwurf wird so oft gegen die Europäische Union erhoben wie der, dass sie undemokratisch sei. Selbst EU-Befürworter tun sich schwer damit, sie von diesem Vorwurf grundsätzlich freizusprechen. Ihre arkanen Strukturen helfen ihr dabei nicht unbedingt; ein Verfassungsschaubild der EU löst nicht nur eine erbitterte Diskussion darüber aus, ob sie überhaupt eine Verfassung hat oder eine haben darf, sondern sieht auch aus, als sei eine Rotte McKinsey-Berater mit einem Organigramm angerückt. Ich will versuchen, mich dieser Frage zu stellen, aber angesichts dessen, dass die meisten Leute die Struktur der EU überhaupt nicht kennen und nicht wissen, wie diese einzuordnen ist, werden wir nicht umhin kommen, eine Art Grundlagenkurs vorzuschieben.


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Das große Kanzlerranking


Angesichts des bevorstehenden Endes der langen Kanzlerschaft Angela Merkels sind Diskussionen über die Bedeutung ihrer Kanzlerschaft und ihren Platz in der Geschichte in vollem Schwung. Um aber einschätzen zu können, wo Merkels Platz in der Geschichte ist, ist ein Blick auf die anderen Kanzler der BRD unausweichlich. Der Versuch, eine Ranking-Liste zu erstellen, ist naturgemäß mit Schwierigkeiten behaftet, weil jede Wertung in einem gewissen Maße arbiträr ist - des einen LieblingskanzlerIn ist des anderen Gottseibeiuns. Ich habe mich daher dazu entschieden, für diese Übung die Frage zu stellen, wie konsequenzenreich, wie bedeutsam der jeweilige Kanzler oder die Kanzlerin für Deutschland waren.


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