Vortrag Jüdische Adressen? Hausnummerierung, Judenkonskriptionen und Adressbüros…
Ort: Juridicum der Universität Wien, Schottenbastei 10-16, 4.OG, SEM42
Abstract:
Meine bisherigen, im Rahmen einer Dissertation sowie einer Habilitationsschrift geleisteten Forschungen zur Geschichte der Volkszählung, Hausnummerierung und zu den Adressbüros in der Frühen Neuzeit weisen immer wieder Berührungspunkte zur jüdischen Geschichte auf, die ich bei dem Vortrag zur Diskussion stellen möchte: Am Anfang werde ich die so genannten Judenkonskriptionen behandeln; dabei handelte es sich um schriftliche Erfassungen von Juden und Jüdinnen, die spätestens seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Böhmen, später dann auch in Wien durchgeführt wurden. Sie hatten zunächst noch vorwiegend fiskalische Zwecke und sollten die Datengrundlage für die Besteuerung der Juden und Jüdinnen liefern. In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich allerdings der mit den Erfassungen verbundene Zweck: Die Konskriptionen sollten nunmehr die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung vorbereiten, ganz gleich ob in Wien, oder in Prag.
Besonders betonenswert ist, dass im Zuge dieser Judenkonskriptionen Techniken ausformuliert und zum Teil auch eingesetzt wurden, deren Anwendung seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf die Gesamtheit der Bevölkerung ausgedehnt wurde. Dazu zählen u. a. die Hausnummerierung und die Benennung, das heißt die Vergabe eines eindeutigen und auch nicht mehr änderbaren Namens. Weiters ist bemerkenswert, dass bei der 1770-1772 im Zuge der Seelenkonskription erfolgten Einführung der Hausnummerierung in den böhmischen und österreichischen Ländern der Habsburgermonarchie die Behörden zwischen so genannten christlichen und jüdischen Häusern unterschieden: Für letztere d.h für Häuser, die im Besitz von Juden waren , wurden nicht wie sonst üblich teutsche (also arabische), sondern Römische, lateinische Zahlenzeichen verwendet, womit die scharfe Trennlinie, die zwischen den christlichen und jüdischen Seelen gezogen war, noch einmal unterstrichen wurde. Auch nach der Abschaffung der Judenkennzeichen 1781 blieb dieses Unterscheidungsmerkmal anhand der Hausnummern vorhanden, bis ins 19. Jahrhundert hinein.
Die ab dem 17. Jahrhundert in den großen Metropolen erfolgte Gründung so genannter Adressbüros wiederum war wiederholt von antijüdischer Rhetorik begleitet. Bei diesen Adressbüros handelte es sich um Informationsvermittlungseinrichtungen, die dem Austausch von Waren, Immobilien, Kapital und Arbeit gewidmet waren und deren Gründer zuweilen argumentierten, dass ihre Errichtung dem Jüdischen Wucher Einhalt gebieten würde; oft wurde in einem Atemzug zugleich gegen die so genannten Zubringerinnen und tändler weiber gewettert, das heißt gegen Frauen, die DienstbotInnenvermittlung bzw. Pfandleihe betrieben. Im Fall eines der von Leibniz projektierten Adressbüros plante der Universalgelehrte, dieses auch zur Aufsicht über die Juden zu verwenden. Trotz dieser antijüdischen Stoßrichtung der Adressbüros kam es zumindest einmal vor, dass Juden zum Inhaber eines Privilegs eines Adressbüros wurden: Das 1755 im mährischen Brünn gegründete Fragamt wurde 1764 vom jüdischen Unternehmer Hönig übernommen, von 1781 bis 1792 wurde es von seinen zum Christentum konvertierten Söhnen geleitet.