Hilde Ottenheimer (1896–1942)

Nimmt man die Geschichte der jüdischen Sozialarbeit in den Blick, begegnet man in unterschiedlichen Zusammenhängen Hilde Ottenheimer. Sie wirkte als Geschäftsführerin des Würtembergischen Landesverbandes für Israelitische Wohlfahrtsbestrebungen (1919 bis 1922), danach für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, wo sie an Periodika wie Zedakah und Nachrichtendienst und später an der Jüdischen Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik mitarbeitete. Sie lieferte reformorientierte Beiträge zur jüdischen Sozial- und Jugendarbeit, Wohlfahrt, aber auch zur jüdischen Kultur.

Über ihre bis heute relevanten Publiktionen hinaus wissen wir allerdings nur eher wenig über sie.1 Ein rares Selbstzeugnis finden wir in ihrem Lebenslauf vom 29. Juni 1933, der ihrem an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin gerichteten Antrag um Zulassung zum Doktorexamen beiliegt. Ihr darin skizzierter Bildungsweg hatte zeitbedingt kaum geradlinig verlaufen können:

Ich bin am 11. Dezember 1896 in Ludwigsburg geboren. Nach Absolvierung der zehnklassigen Mädchenrealschule und eines einjährigen Kursus in einer höheren Handelsschule in Stuttgart arbeitete ich zwei Jahre als Bürogehilfin.

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Quelle: http://akjw.hypotheses.org/113

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Erich Mendelsohns »Haus der jüdischen Jugend« recherchieren

Wer sich mit deutsch-jüdischer Geschichte etwas näher befasst, der hat sicher schon etwas von Erich Mendelsohn, einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, gesehen oder gehört. Mir ist er wieder begegnet bei der Vorbereitung der Konferenz zur Jugendbewegung des Steinheim-Instituts und des Arbeitskreises jüdische Wohlfahrt — existierte doch in Essen in den 1930er Jahren ein von Mendelsohn entworfenes und in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes jüdisches Jugendheim. Ich bin nun seiner Geschichte für einen Beitrag in Kalonymos einmal näher nachgegangen. Was mir dabei wieder auffiel: Wer noch die prädigitalen (Un-) Möglichkeiten der Recherche, der Literatur- und Quellenbeschaffung erinnert,1 der weiß natürlich die heutigen Möglichkeiten mehr als zu schätzen. Obwohl die Materiallage zu Mendelsohns »Haus der jüdischen Jugend« nicht wirklich gut ist, kann man sich schnell nicht nur ein erstes Bild machen, sondern findet zügig relevante Quellen und sehr rare Fotos im Online-Archiv des Leo Baeck Institute Digibaeck und zeitgenössische Literatur in der Sammlung Judaica Frankfurt — nicht nur die Nachweise, sondern gleich die digitalisierten Originale. Beide Angebote ziehe ich grundsätzlich als Erstes zu Rate, sie sind unverzichtbar für Recherchen zur deutsch-jüdischen Geschichte.

Einen überaus interessanten und für mich neuen Einblick in Leben und Wirken des Architekten bietet zudem die 2014 erschienene Online-Edition des Briefwechsels von Erich und Luise Mendelsohn 1910-1953.2 Zwar bringt die Suche nach »Jugendheim« hier kein direktes Ergebnis, aber es gibt es doch die eine oder andere Passage, die man in diesen Zusammenhang stellen kann, und die durchaus Fragen aufwirft — was ja motiviert, am Thema dranzubleiben.

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Quelle: http://djgd.hypotheses.org/1013

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Ins Abseits digitalisiert ?

volkskalender-5619-titelblatt-bwWürde tatsächlich (noch) jemand den 1858 erschienenen Volkskalender und Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5619 (1859) suchen ? Wenn ja, er wird den Band in kaum einer Bibliothek finden. Diese Art von Gebrauchsdrucken ist nur selten aufgehoben worden, und entsprechend rar, gleichwohl durchaus von historischem Interesse.

So scheint also diese Ausgabe kaum erreichbar zu sein, die Recherche in den gängigen Online-Katalogen liefert nur wenige Treffer. Die Bibliothek des Hamburger Instituts für die Geschichte der deutschen Juden besitzt ein Exemplar, ein weiteres findet sich in der Germania Judaica in Köln, beide Präsenzbestand.

Dabei gibt es sogar ein uneingeschränkt zugängliches Digitalisat ! Denn ein Exemplar aus Harvard kann man bei Google Books einsehen. Das war natürlich ein Zufallsfund (denn die Katalogrecherche erbrachte ja zunächst nichts Digitales), den ich 2011 im Zusammenhang mit einem Aufsatz über Ludwig Philippson1 machte — das Jahrbuch enthält eine pittureske Lebens-Skizze zu seiner Person.

Aber warum ist es so schwer zu finden ? Des Rätsels Lösung: Dieses Exemplar ist zusammengebunden mit einem ganz anderen, älteren Buch, und beide offensichtlich ›in einem Rutsch‹ gemeinsam digitalisiert worden — aber nur der vordere Teil ist mit seinen Metadaten erfasst worden: Herrmann Schmeidler, Der Untergang des Reiches Juda, 1831.2

Interessanterweise findet sich in den Metadaten die (annähernd) richtige, nur auf Schmeidlers Buch sich beziehende Umfangsangabe von 167 Seiten — das Digitalisat selbst enthält aber insgesamt 350 Seiten. Zunächst hatte ich wegen dieser Diskrepanz vermutet, dass also doch (Etwas oder Jemandem) im Digitalisierungsworkflow etwas aufgefallen war, aber nun kam mir eine simplere Idee, und siehe da, richtig: Im OPAC der Widener Library (Harvard) findet sich natürlich der Hinweis »Bound with: Volkskalendar (!) und Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5619 (1859).«3

Erstaunlicherweise bekommen die großen Suchmaschinen und Aggregatoren, Google, Bing und Co., KVK und Worldcat davon nichts mit: Auf der Metadatenebene bleibt dieser digitalisierte Band des Volkskalenders verschwunden (immerhin schon seit 2008), und ist dabei doch immer nur einen Mausklick entfernt. Denn, das kommt noch hinzu: Kurioserweise wurde der Text des in gebrochener Type (»Fraktur«) gesetzten Jahrbuchs mittels automatischer OCR geradezu verblüffend gut erkannt, was mit einer Google-Suche nach eingeleitet von Dr. L. Schragge (Philippsons Pseudonym) zu illustrieren wäre. Nur das Titelblatt selbst hat sich erfolgreich aller maschinellen Versuche erwehrt, seiner Geheimnisse entrissen zu werden, so dass wir das Prachtstück natürlich gern hier abbilden.

Ein Blogbeitrag als Lückenfüller digitaler ›Regale‹ ? Warum nicht ! Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist diese Fassung des Volkskalender und Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5619 dadurch nun besser und direkter zu finden. Eine Web-Annotation an der entsprechenden Stelle im ZDB-Katalog würde ihr Übriges tun, aber das hat leider dort (noch) nicht funktioniert.4

Volkskalender und Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5619 (1859.) Herausgegeben von K. Klein. Siebenzehnter Jahrgang. Mainz. Le Rour’sche Hofbuchhandlung. 1859. [nicht fortlaufend paginiert] Enthält u.a.:

  • [Kalendarium] S. 3–23
  • Aristobul, der letzte Hasmonäer. Von Stadtrabbiner Präger in Mannheim, S. 3–28
  • Die Confirmation im Israelitenthume. 2. Artikel. Vom Ober-Rabbiner Dr. Aub in Mainz, S. 28–50 [S. 51–54 fehlen im Digitalisat]
  • Humanes Benehmen von Christen gegen Juden während des Mittelalters. Ein historischer Nachweis von Dr. M. Wiener, Oberlehrer in Hannover, S. 55–61
  • Spinoza, ein Denkerleben von Berthold Auerbach. Beurtheilt von Dr. Grünebaum, Bezirksrabbiner in Landau, S. 74–99
  • Ludwig Philippson, eine Lebens-Skizze. Verfasst von Lehrer Alexander Elsäßer in Jebenhausen, S. 99–121
  • Zur Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. [“Auszug einiger mit besonderen Umständen begleiteter Todesfälle aus dem Sterberegister …”] Mitgetheilt von Elias Ullmann, Secretär der Gemeinde, S. 123–126

 

  1. Harald Lordick / Beata Mache: »… nahm in Hauptsachen so entschieden das Wort« — Ludwig Philippson, Rabbiner und Publizist 1811–1889, in: Kalonymos 14.2011, Heft 4, S. 1–6, auch online als PDF
  2. Der Untergang des Reiches Juda: ein historisch-kritischer Versuch von Jo. C. Herrmann Schmeidler, Breslau: Georg Philipp Aderholz 1831.
  3. Ebenso bei Hathi Trust, wenn man dem Link View full catalog record folgt.
  4. Das wäre eine für die Nutzer sicher hilfreiche Ergänzung, denn immerhin findet man über den Katalog auch noch den Jahrgang 21.1864 als Digitalisat.

Quelle: http://djgd.hypotheses.org/565

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»Orte jüdischer Geschichte« — Inhalt und Funktion erweitert

kartenvisualisierung-judentum-in-europa-wikipedia-deEin beeindruckender Datensatz: Die Kategorie »Judentum in Europa« der Wikipedia (DE) enthält 11.249 Artikel auf Deutsch sowie Verknüpfungen zu 28.567 Fassungen dieser Artikel in weiteren Sprachen. Georeferenziert sind 2.586 Artikel, sie bilden (einschließlich ihrer Sprachversionen) die hauptsächliche Datenbasis der soeben aktualisierten Web-App »Orte jüdischer Geschichte«.

Die abgebildete Karte visualisiert diese Datenbasis.1 Artikel zu Synagogen und Friedhöfen (in Deutschland) sind in jeweils unterschiedlicher Farbe hervorgehoben. Inhalte der Wikipedia sind grundsätzlich kategorisiert — sie werden mindestens einer, meist mehreren Kategorien zugeordnet. Kategorien enthalten nicht nur Textbeiträge, sondern weitere (Unter-) Kategorien. So entsteht ein System, das einem hierarchisch organisierten Baum entspricht, der wiederum thematische Teilbäume enthält. Neben anderen Quellen wie epidat greift die App eben auf einen dieser Bäume zurück.

Mehr Daten und verfeinerter Algorithmus Da Wikipedia dynamisch wächst, bringt jedes Update automatisch mehr Informationen zu den Nutzern — eine sympathische Eigenschaft von Workflows, in denen APIs und Schnittstellen eine Rolle spielen dürfen (was übrigens auch für den RSS-Feed von epidat sowie den verwendeten Geoservice von DARIAH-DE gilt). Außerdem konnte ich meinen Algorithmus weiterentwickeln: einerseits die vielfältigen Notationsvarianten von Geokoordinaten besser auswerten und andererseits auch Artikel berücksichtigen, die mehr als nur eine Georeferenz enthalten (und deren Interpretation deshalb nicht immer ganz eindeutig war). Ein Beispiel dafür ist der jüdische Friedhof Schnaittach oder das Gebiet »Schwarze Poth« in der Essener Innenstadt, eines der zahlreichen sogenannten KZ-Außenlager, an das die Gedenkstätte »Stadtwunde« erinnert. Einstweilen noch experimentell ist, dass die App »Stolpersteine« anzeigt, ebenfalls aus der Wikipedia.

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orte-juedischer-geschichte-app-2015-001Neue Funktionen »Orte jüdischer Geschichte« lässt sich jetzt durch einige Optionen anpassen: die Kartenvorschau, die Anzahl der angezeigten »Treffer« und auch die Datenquellen lassen sich gezielt auswählen. Zudem kann jeder angezeigte »Ort« wiederum als Ausgangspunkt der nächsten Recherche dienen. Und ebenso praktisch wie naheliegend: Die App erlaubt nun (zunächst für Android), dass wir uns mittels der eingebauten Navigationsfunktion des Smartphones zum interessierenden Punkt leiten lassen.

app-juedische-orte.de.dariah.euEinen (gerade auch quantitativ bemerkenswerten) Überblick über die obersten Kategorien innerhalb der Kategorie »Judentum in Deutschland« schließlich gibt die folgende Tabelle2.

Synagoge in Deutschland 560
Jüdische Geschichte (Deutschland) 3893
Jüdisches Museum in Deutschland 49
Bezirksrabbinat 31
Judentum in Deutschland nach Bundesland 5685
Person des Judentums (Deutschland) 1880
Jüdische Organisation (Deutschland) 58
Synagogenbau in Deutschland 357
Jüdischer Friedhof in Deutschland 1042

 

  1. Stand: März 2015.
  2. Artikel gehören, wie gesagt, meist mehreren Kategorien an, so dass ein Aufsummieren hier nicht zweckmäßig ist.

Quelle: http://djgd.hypotheses.org/598

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