Virtuelles Sit-In

Daniel Becker

Online-Demonstrationen oder virtuelle Sit-ins sind eine Form des electronic civil disobedience, die in Computernetzwerken wie dem Internet praktiziert werden. In Anlehnung an die Sit-ins/Sitzstreiks der amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre stellen sie eine Form des gewaltlosen Protestes dar, bei dem ein Ort oder ein Gebäude durch massenhaftes Sitzen blockiert und für eine andere Nutzung unzugänglich gemacht wird. Im Unterschied zur (Haus-)Besetzung ist diese Blockade aber nur temporär angelegt und dient primär der Aufmerksamkeit und nicht der dauerhaften Inbesitznahme. Als virtuelle Sit-ins werden in der Regel koordinierte Attacken vieler Computersystem auf ein anderes bezeichnet, die mit dem Ziel durchgeführt werden, die Struktur des angegriffenen Systems zu überlasten und deren Dienst nicht mehr verfügbar zu machen; sogenannte DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service). Im Allgemeinen ist der virtuelle Sit-in nur ein Werkzeug für Netzaktivisten, er war aber ein wesentlicher Bestandteil des Toywar (1999/2000), zwischen dem Künstlerkollektiv etoy und dem Unternehmen eToys.

Dem Toywar ging ein Streit zwischen dem amerikanischen New-Economy Unternehmen eToys und dem besagten Künstlerkollektiv um die Domain www.etoy.com voraus.

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Quelle: http://nomoi.hypotheses.org/761

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Duran Adam – Standing Man

Christoph Scheurle

Am 18. Juni 2013 stellt sich der türkische Tänzer und Choreograf Erdem Gündüz für sechs Stunden auf den Taksim-Platz der türkischen Metropole Istanbul und schaut unverwandt die türkische Fahne und das überlebensgroße Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk an (Abb. I). An seinem Gürtel hängt eine Taucherbrille gegen eventuelle Tränengasangriffe, auf dem Rücken trägt er einen Rucksack, in dem sich außer einer Flasche Wasser nichts weiter befindet. Gündüz verharrt zunächst lange Zeit unbemerkt auf seinem Platz, dann werden Sicherheitsleute auf ihn aufmerksam und durchsuchen ihn. Gündüz lässt das ganze Procedere regungslos über sich ergehen. Da die Untersuchung nichts Verdächtiges hervorbringt, lassen ihn die Ordnungskräfte zunächst in Ruhe. Sie wissen nicht so recht, wie sie mit dem Mann umgehen sollen. Zwar manifestiert sich in seinem Auftreten und dem gewählten Ort eine Form des Protests – der Blick auf das Plakat von Atatürk erscheint als dezidierte Kritik und Befragung an der aktuellen Regierung unter Staatschef Erdogan – jedoch stellt Gündüz’ Performance keinen Gesetzesbruch dar.

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Quelle: http://nomoi.hypotheses.org/751

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