Thyssen Lectures zum Ersten Weltkrieg

Krumeich_Portrait

Gerd Krumeich

Gerd Krumeich eröffnet am 5. November an der Dokuz Eylül Universität in Izmir und am 7. November im Istanbuler Sakıp Sabancı Museum die Reihe Thyssen Lectures. Unter dem Titel „Der Erste Weltkrieg: Vom Krieg der Großmächte zur Katastrophe Europas“ wird er in seinem Eröffnungsvortrag ausführen, wie sich Kriegsbild und Rüstung kurz vor Ausbruch des Krieges darstellten, und wie durch die Inanspruchnahme aller materiellen und moralischen Ressourcen, durch Massenproduktion und durch ungehemmte Propaganda, der Krieg sich allmählich zum totalen Krieg entwickelte – und wie auch nach Ende des Krieges Hass und Kriegsbereitschaft weiterschwelten. Der simultan übersetzte Vortrag wird eingeleitet durch die türkischen Historiker Prof. Dr. Kemal Arı in Izmir und Prof. Dr. Cemil Koçak in Istanbul.

Der ausgewiesende Weltkriegsforscher Krumeich arbeitet in erster Linie über die Entwicklungen an der Westfront, beschäftigt sich aber auch mit der Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs und der Erinnerungskultur, wobei er eng mit französischen Wissenschaftlern kooperiert. Damit steht er programmatisch für den Anspruch der Thyssen Lectures, ein wissenschaftliches Diskussionsforum für Sichtweisen jenseits der Nationalgeschichtsschreibung zu schaffen.

Der Erste Weltkrieg als eine der großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts führte zum Zusammenbruch des Osmanischen Reichs wie auch anderer multiethnischer Imperien und zum Zerfall der alten politischen und wirtschaftlichen Ordnung. Das Näherrücken des hundertjährig
en Kriegsjubiläums nehmen das Orient-Institut Istanbul und die Fritz Thyssen Stiftung in Kooperation mit führenden wissenschaftlichen Institutionen der Türkei zum Anlass, sich in einer international besetzten Vortragsreihe mit der Genese, dem Verlauf und den Folgen des „Großen Krieges“ zu beschäftigen. Die Vortragsreihe soll auch ein neues Licht auf die Entwicklung der auf den Trümmern des Krieges entstandenen Staaten wie der Türkischen Republik werfen. Im Rahmen der Thyssen Lectures werden zwischen 2013 und 2017 acht international renommierte Weltkriegsforscher an einer der führenden Istanbuler Universitäten und im Anschluss an einer Universität außerhalb Istanbuls vortragen. Dabei arbeitet das Orient-Institut Istanbul eng mit dem Tarih Vakfı, der Historischen Stiftung, zusammen.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1211

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Literatur Konkret zum Stand des Feminismus

Sollte irgendwer noch immer kein Konkret-Abo abgeschlossen haben, das in der aktuellen Ausgabe enthaltene Literaturheft mit dem Schwerpunkt Zum Stand des Feminismus ist ein starkes Argument dafür: Zu lesen sind u.a. Interviews mit Reyhan Sahin aka Lady Bitch Ray sowie mit Ruth Klüger, eine fundierte Judith Butler-Kritik von Karina Korecky, sowie ein Text von Barbara Kirchner zur Frage, wo denn "der Aufschrei [bleibt], wenn sich Geld- und Hodensäcke über Frauenförderung und Meinungsdeppen über Gender auslassen?"

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/527996993/

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Es ist Open Access Week!

openaccess

Bereits zum sechsten Mal findet derzeit die internationale Open Access Week statt, die weltweit auf das Potential frei verfügbaren Web Contents in Wissenschaft und Forschung aufmerksam machen möchte. Dabei ist die gesamte Community zur Beteiligung aufgerufen, um die freie Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsmaterial, -publikationen und -daten weiter zu etablieren:

“Open Access” to information – the free, immediate, online access to the results of scholarly research, and the right to use and re-use those results as you need – has the power to transform the way research and scientific inquiry are conducted. It has direct and widespread implications for academia, medicine, science, industry, and for society as a whole.

Wie WissenschaftlerInnen Open Access dezidiert (be-)fördern können, dazu außerdem ein instruktiver blog post inkl. Linksammlung von Klaus Graf bei unseren KollegInnen von hypotheses.org: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1742

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2428

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14. Das Private wird historisch

FamilienbildEine eigene Geschichte

Einst lautete ein Sponti-Spruch der 68er: Das Private ist politisch. Ein Satz, der Hoffnung und Programm zugleich war. Die Belange der Vielen sollten zum Maßstab politischer Prozesse werden, Individuum und Familie sollten Ausgangs- und Zielpunkt politischer Entscheidungen sein, und nicht zuletzt sollte damit das Versprechen verbunden sein, dass die Einzelnen als aktiv Teilnehmende im Feld des Politischen einen Unterschied machen könnten.

Ein halbes Jahrhundert später kann man Zweifel hegen, ob das Private überhaupt noch politisch sein will. Eher hat sich eine andere Maxime etabliert: Das Private ist historisch. Man will nicht mehr einen Unterschied in politischen Entscheidungsprozessen machen, sondern in der zukünftigen Vergangenheit. I am history.

Für diese Entwicklung gibt es unterschiedliche Indizien. Die Ausweitung und Demokratisierung medialer Artikulationsmöglichkeiten gibt jeder und jedem die Mittel an die Hand, die „eigene Geschichte“ zu veröffentlichen und zu verewigen (je nachdem, wie lange eine solche Ewigkeit dauern mag). Gleichzeitig verlangt unser Mediensystem nach solchen „Geschichten“, schließlich will es gefüttert werden, so dass die Grenzen des Berichtenswerten beständig neu bestimmt werden.

So mag es Zeiten gegeben haben, in denen der Status des „Zeitzeugen“ noch mit der Aura des Besonderen umgeben war. Das waren nicht nur Menschen, die aufgrund glücklicher historischer und biologischer Umstände ein gewisses Alter erreicht hatten, sondern die in dieser Lebensspanne auch etwas erlebt hatten, das sie vor anderen auszeichnete. Dieser Typus des Zeitzeugen ist nicht nur dadurch entwertet worden, dass er in der einen oder anderen historischen Fernsehproduktion ein paar Mal zu oft auf der Mattscheibe zu sehen war [1], sondern dass ihm inzwischen jegliche Exklusivität abhandengekommen ist. Wir alle sind Zeitzeugen (von was auch immer)! Wir alle sind das „Gedächtnis der Nation“, dürfen in einen Bus steigen, der in ganz Deutschland herumfährt, um dort eine „spannende Geschichte zu erzählen“, die nicht „verloren gehen“ soll, sondern „nachfolgenden Generationen zur Verfügung“ gestellt wird – wenn diese Generationen denn vor lauter Erinnerungs- und Vergangenheitsaufarbeitung überhaupt noch zum Luftholen kommen.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ wäre ein weiteres, beliebig herausgegriffenes Beispiel. Auch sie ist auf den Nostalgiezug aufgesprungen und hat mit „Die Zeit der Leser“ eine eigene Seite aufgesetzt, in der das Privathistorische einmal an die große Öffentlichkeit gebracht werden darf. Dort wird dann aus Großvaters Notizbuch zitiert, werden Muttis Küchenrezepte zum Besten gegeben, werden Damals-und-Heute-Fotos gegenübergestellt und wird die gute alte Zeit häuslich-familiärer Eintracht besungen.

Als wäre „Ich“ nie gewesen

Mittels Privathistorisierung, so steht zu vermuten, soll die Schere zwischen Weltzeit und Lebenszeit geschlossen werden, sollen die überbordend komplexen Vorgänge, die wir als „Geschichte“ zu bezeichnen pflegen, mit der eigenen Biographie gekoppelt werden. [2] Schließlich geht es um das Ärgernis, dass die Welt nach dem sehr vorhersehbaren individuellen Ende weiterbestehen soll, dass „die Geschichte“ auch nach dem eigenen Dahinscheiden einfach so weitergehen wird, als sei nichts gewesen – und vor allem als sei „Ich“ nie gewesen. Es ist für so manchen historisch gesinnten Menschen wohl nur schwer erträglich, dass nach dem eigenen vergänglichen Leben noch so viel mehr Vergangenheit aufgehäuft werden wird, in der „Ich“ nicht vorkommt, dass dieser Zustand sofort geändert werden muss. Man versucht Vergangenheit zu hinterlassen, um postmortale Zukunft zu gewinnen.

Wenn ich dagegen Bedenken äußere, klingt das verdächtig nach beleidigtem Geschichtsprofessor, der sich seiner Interpretationshoheit über die Vergangenheit beraubt sieht. Auch wenn ich solche Reflexe gar nicht ausschließen möchte, meine ich doch an diversen (nicht-professoralen) Stellen ein gewisses Genervtsein über den einen oder anderen Auswuchs der Geschichtskultur des frühen 21. Jahrhunderts zu bemerken. Aber was nervt so daran? Warum will man nicht jede Familiengeschichte als Buch veröffentlicht sehen, nicht jedes Tagebuch im Internet lesen können, nicht jedes Alltagserlebnis in der Zeitung abgedruckt finden?

Weil es sich um eine Verwechselung von Relevanz und Referenz handelt. Fraglos sind diese Kindheitserlebnisse, Urlaubserinnerungen oder Familienschicksale bedeutsame Ereignisse. Aber nicht für jeden. Die Alltagshistoriker des eigenen Lebens, die aus jedem Wochenendausflug ein Ereignis zu machen versuchen, das der Welt nicht vorenthalten werden darf, wollen einen Unterschied machen, der nur durch andere gemacht werden kann.

Was an diesen Privatgeschichten zuweilen so peinlich wirkt und sogar zum Fremdschämen provoziert, ist die selbstherrliche Bedeutungszuschreibung. Wie kann man davon ausgehen, dass ausgerechnet das eigene Leben all den anderen etwas zu sagen hätte? Das Historische, das wir im Nachhinein über andere produzieren und das andere später irgendwann über uns produzieren werden, entsteht einerseits über Relationierung, soll heißen: Eine gegenwärtige Kultur stellt mit bestimmten Teilen der Vergangenheit Beziehungen her, von denen sie meint, dass sie wichtig für ihre eigene Selbstdeutung sind. Andererseits entsteht dieses Historische über eine sehr rigide Selektion, soll heißen: Nur ein verschwindend geringer Teil des Vergangenen übersteht diese Relevanzprüfung. Der Rest verschwindet im Orkus des Vergessens.

Womöglich ist es gerade diese Demütigung, die für einige nur schwer zu ertragen ist – die lastende Gewissheit, in nicht allzu ferner Zukunft niemandem mehr etwas zu sagen zu haben. Aber wir sind ein paar Milliarden. Wo kämen wir hin, wenn auf unabsehbare Zeit jeder allen etwas zu sagen hätte?

Vergangenheit ist nicht vorhersagbar

Bei alldem geht es nicht um die Frage, ob der Alltag der Vielen den Wert zugesprochen bekommt, „historisch“ zu sein oder nicht. Es ist nur zu begrüßen, wenn die Produktion von Geschichte demokratisiert wird und an Vielfalt gewinnt. Aber eitle Selbstdarstellung in Form von Möchtegern-Historisierung zählt nicht unbedingt dazu. Denn ansonsten verliert die Geschichte ihr kritisches Potential. [3]

Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Produktion von Geschichte dazu dienen soll, die Erinnerung zu bewahren, und zwar im besten Fall an alles und jeden. Die Historie hätte demnach im Idealfall die Aufgabe, eine naturgetreue Kopie alles Geschehenen anzufertigen. Eine solche totale Memoria ist nicht nur unmöglich, sondern würde auch zu weitgehenden Lähmungserscheinungen führen. In der Erzählung „Das unerbittliche Gedächtnis“ von Jorge Luis Borges besitzt die Hauptfigur Ireneo Funes diese totale Erinnerung – und muss genau deswegen eine Existenz führen, in der Handeln, Denken und Sinnhaftigkeit keinen Platz mehr haben, weil sie von der überwältigenden Vielfalt der erinnerten Einzelheiten überwuchert werden.[4]

Daher zum Mitmeißeln: Geschichtsschreibung betreibt keine Mumifizierung des Gewesenen, will nicht bewahren, um vor dem Vergessen zu retten. Im Gegenteil: Vergessen ist gut, Vergessen ist richtig, Vergessen ist überlebensnotwendig. Genauso wie das Erinnern. Aber wir erinnern uns nicht um des Erinnerns willen, sondern weil wir hier und heute Fragen haben, bei denen wir das Gestern für hilfreich halten.

Wir können durchaus versuchen, heute schon unsere eigenen Geschichten für morgen zu produzieren, unser Privates schon jetzt historisch aufzubereiten, jetzt schon Vergangenheit aufzuhäufen, um die zukünftige Geschichte bereits Hier und Heute zu schreiben. Es könnte aber sein, dass in künftigen Gegenwarten dieses Bemühen nur ein Stirnrunzeln hervorruft angesichts der Obsession, jeder Kleinigkeit den Wert des Historischen zumessen zu wollen. Denn die Vergangenheit ist genauso wenig vorhersagbar wie die Zukunft. Wir wissen nicht, was das Morgen bringen wird. Wir wissen aber auch nicht, was das Gestern uns noch bedeuten kann.

[1] Martin Sabrow/Norbert Frei: Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945. Göttingen 2012

[2] Hans Blumenberg: Lebenszeit und Weltzeit, Frankfurt a.M. 2001

[3] Achim Landwehr: Die Kunst sich nicht allzu sicher zu sein: Möglichkeiten kritischer Geschichtsschreibung, in: WerkstattGeschichte 61 (2012) 206-211

[4] Jorge Luis Borges: Fiktionen. Erzählungen 1939-1944, 6. Aufl. Frankfurt a.M. 1999, 95-104


Einsortiert unter:Geschichtskultur, Geschichtsmedien Tagged: Erinnerung, Gedächtnis, Vergessen

Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2013/10/23/14-das-private-wird-historisch/

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Verweigertes Kulturgut. Über ein Kirchenarchiv, freie Forschung und Laizismus

Historiker erforschen vergangene Kulturen. Deren Zeugnisse können Gegenstände sein – und Schriften. Letztere sind für mich der wichtigste Weg, um an die katholischen Religionskulturen des 16. Jahrhunderts heranzukommen. Was dem Archäologen die Ausgrabungsstätte oder dem Kunstwissenschaftler das Museum, ist dem Historiker deshalb das Archiv. Freie Forschung braucht freien Zugang zu den Archiven und freie, moderne Arbeitsbedingungen in diesen. Auch in Kirchenarchiven. In Regensburg ist das auf eine empörende Art nicht möglich. Über meine Erlebnisse dort möchte ich einen Beitrag zur Blogparade “Mein faszinierendes Kulturerlebnis”, die sich auch an Historiker wendet, von Kultur-Museum-Talk beisteuern. Faszinierend war meine Regensburger Erfahrung allerdings mehr im anthropologischen Sinn. Ich lernte bei dem, was mir im Bischöflichen Zentralarchiv (BZAR) widerfuhr, wenig über Geschichte. Dafür viel über Auswüchse des (Archiv-)Systems Kirche und dessen klerikale Funktionäre. Es geht um de facto verweigerten Zugriff auf Archivmaterial. Es war im April 2012. Ich bin auf meiner ersten wirklich langen Archivreise durch Ostbayern unterwegs. Nach einer Station in Passau komme ich für einige Tage ins Diözesanarchiv Regensburg. Die Quellenlage dort ist für mich vielversprechend. Es geht um Berichte über Predigerauseinandersetzungen und vor allem einen großen Packen Briefe des Dompropstes von Reisen durch das Alte Reich in den 1520er Jahren.1 Ein Ego-Dokument [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1773

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Internationale Open Access Week: Wie Wissenschaftsblogger Open Access fördern können

Die meisten WissenschaftlerInnen befürworten Open Access. Sie wollen – auch aus eigenem Interesse – einen besseren Zugang zu den Resultaten wissenschaftlicher Forschung, zu Zeitschriftenartikeln, Buchbeiträgen oder Büchern, zu Forschungsdaten und digitalisiertem Kulturgut.Vom 21. bis zum 27. Oktober 2013 findet derzeit wieder die Internationale Open Access Woche statt, in der unzählige Institutionen weltweit auf die Vorzüge von Open Access aufmerksam machen (offizielle Website).  Gefragt sind aber auch die Blogger und diejenigen, die in den Social Media aktiv sind, auf Facebook, Google+ oder Twitter, denn die großen Medien werden voraussichtlich die Open Access Week wie in den vergangenen Jahren weitgehend ignorieren.

Natürlich ist es wichtig, dass Open Access nicht nur in einer von 52 Wochen ein Thema ist. Die folgenden Tipps gelten daher nicht nur für diese Woche.

Open Access immer wieder thematisieren!

Vorbildlich ist die Artikelserie in dem von Maria Rottler in unserem Portal betriebenen Gemeinschaftsblog Ordensgeschichte. Es heißt dort: “In dieser Rubrik werden Bücher und Artikel, die sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden beschäftigen und die nun (auch) online – und zwar Open Access – zur Verfügung stehen, aufgeführt. Das soll auch als Anreiz verstanden werden.  Alle hier aufgeführten Titel wurden auch in die kollaborative Bibliographie bei Zotero eingetragen.” Dort findet sich auch ein Link zu einer Darstellung der Rechtsfragen.

Open Access Publikationen zusammenstellen und verlinken!

Es sollte immer wieder auf (neue und alte) Open Access Publikationen aufmerksam gemacht werden. Analog zu den Rezensions-Digests bräuchten wir vergleichbare Zusammenstellungen für neu erschienene Beiträge aus Open Access Zeitschriften (“goldener Weg”) und die einschlägigen Inhalte der Hochschulschriftenserver. Auch wenn hier im deutschsprachigen Raum immer noch vergleichsweise wenige geisteswissenschaftliche Fachaufsätze im Zuge des “grünen Wegs” von Open Access in Repositorien verfügbar sind, so sollte man doch die vielen elektronischen Dissertationen (von anderen Abschlussarbeiten einmal abgesehen) nicht übersehen, die normalerweise in wissenschaftlichen Zeitschriften nicht rezensiert werden.

Man kann die Sichtbarkeit solcher Publikationen ebenfalls erhöhen, indem man sie in der Wikipedia oder gegebenenfalls auch auf Wikisource verlinkt – wenn die Links denn den Kriterien dieser Communities genügen.

Sinnvollerweise sollten bibliographische Nachweise der Open Access Veröffentlichungen in einem Austauschformat z.B. auf Zotero frei nachnutzbar bereitstehen.

Eigene Publikationen Open Access veröffentlichen und dies auch anderen empfehlen!

Da es an passenden renommierten Open-Access-Journals in den Geisteswissenschaften oft fehlt und nach wie vor die Publikation in einer angesehenen Nicht-Open-Access-Zeitschrift gerade von jungen Wissenschaftlern aus Karrieregründen bevorzugt wird, kommt eine Zweitveröffentlichung in einem Repositorium in Betracht. Das demnächst in Kraft tretende (missratene) gesetzliche Zweitveröffentlichungsrecht  in Deutschland war ja von dem Wunsch motiviert, es Wissenschaftlern zu ermöglichen, auch dann Open Access zu publizieren, wenn ihnen dies die vertragliche Vereinbarung mit dem Verlag untersagt.

In welchem Format veröffentlichen? Wenn es rechtlich geht: als Faksimilescan des Originals, vorzugsweise als PDF mit darunterliegendem OCR-Text, sonst eben in der letzten Autorenversion (“final draft”).

Wo veröffentlichen? Mit Blick auf die Langzeitarchivierung und die Sichtbarkeit z.B. in BASE ist ein Repositorium die beste Wahl. Wer an keines angeschlossen ist, kann Qucosa nehmen. Aber auch wer die eigene Homepage, Academia.edu, ResearchGate, Mendeley, Scribd usw. wählt, nützt der Wissenschaft.

Man sollte über diese Möglichkeiten immer wieder im KollegInnenkreis sprechen und auch bei Kontakten mit anderen Wissenschaftlern, wenn es um die Übersendung von Arbeiten geht, einfließen lassen, dass es doch schön wäre, wenn der Beitrag auch Open Access zur Verfügung stünde.  Auch wenn man in vielen Fällen keinen Erfolg damit hat, die erfolgreichen Versuche lohnen den Aufwand!

Blogs für (kleinere) wissenschaftliche Publikationen nutzen!

Ob Miszellen oder Opuscula (“Wiedergeburt der Miszelle im Geist des Open Access”) - langsam beginnen WissenschaftlerInnen wissenschaftliche Inhalte auch in Blogs zu veröffentlichen. Dies sollte weiter ausgebaut werden. Meinen Plan eines Miszellen-Blogs habe ich nicht aufgegeben.

Forschungsdaten zugänglich machen, Digitalisierungen anregen!

“Bei jedem Projekt (z.B. Veröffentlichung, auch Aufsätze) sich fragen: Welche Quellen und Sekundärliteratur kann ich online der Allgemeinheit zugänglich machen?” (Kontext). Forschungsdaten klingt ein wenig hochtrabend für Materialien (Bilder, Texte usw.), die keinen Eingang in einen wissenschaftlichen Beitrag finden, aber trotzdem für andere von Nutzen sind. Ich selbst habe auch schon sehr viele Digitalisate gemeinfreier Literatur (mitunter auch von handschriftlichen Quellen) erfolgreich von Bibliotheken und anderen Institutionen “erbettelt” und diese natürlich im Internet Archive oder Wikimedia Commons zugänglich gemacht, wenn die Bibliothek kein eigenes Angebot unterhielt. Jüngst ließ sich sogar ein Archiv erweichen. Fragen kostet nichts!

Open Access geht uns alle an, und jede/r kann etwas für ihn tun!

Und nun husch, über Open Access bloggen …

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1742

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Ein stiller Blick zurück

StadtAAm Fotosammlung 101-372-001 high

Das Bild ist 11,2 cm breit und 8 cm hoch. Die Sepiafarben der Aufnahme sind von den letzten hundert Jahren stark ausgebleicht, beinahe schon ausradiert worden. Nur das kalte Auge eines hochwertigen Scanners vermag noch letzte Bruchstücke zu erkennen. Teure Software berechnet Verluste und versucht auszugleichen, bemüht sich um eine ungefähre Rekonstruktion des bereits Verschwundenen. Besser erhalten als die Braun- und Grautöne der Kamera ist die Handschrift der vormaligen Besitzerin, selbst längst verstorben, die jene Aufnahme vor Jahrzehnten einmal mit dem Vermerk „nicht wegschmeißen“ dem Amberger Stadtmuseum schenkte, von wo aus sie in die Fotosammlung des Stadtarchivs gelangte.

Nur die wenigsten Betrachter des 21. Jahrhunderts stutzen nicht bei einem flüchtigen ersten Blick. Zu vertraut ist der oft selbst genutzte Kreisverkehr am Nabburger Tor, das unverkennbar in der rechten Ecke aus dem erahnten Grün der mächtigen Bäume lugt. Sein Nicht-Vorhandensein irritiert, ebenso wie der reiche Baumbestand, der zur Linken nur einen vagen Blick hinein in eine uns unbekannte Straße zulässt. Die überall gut zu erkennenden Jägerzäune mögen seinerzeit ausgereicht haben, um einem der vier Radfahrer Einhalt zu gebieten, die der Szenerie zumindest einen Hauch Betriebsamkeit verleihen. Doch bleibt es dabei – Hektik ist dieser Szene so fern wie die französische Front des Ersten Weltkrieges, während dem diese Aufnahme entstand.

Keines der vier „Automobilfuhrwerke“, die das Adressbuch des Jahres 1914 für die Stadt ausweist ist zu sehen, auch keines der natürlich noch von Pferden bewegten Frachtfuhrwerke ist zu entdecken. Erst recht kein Automobil – kaum verwunderlich, bewegte sich anno dazumal sogar der rechtskundige Bürgermeister Dr. Eduard Klug eher auf Schusters Rappen durch die Stadt.

Ein Kreisverkehr ist jenen nicht nur fremd, sie haben schlicht keinen Bedarf für derlei Dinge. Zur Rechten führt die Straße nach Regensburg (sie tut es heute noch). Weiter oben ahnt der Betrachter eher die Straße, die dort zum Werksgelände der Baumannschen Emaillfabrik und zum Bahnhof führen muss und der nicht einer der stummen Geister zuzustreben scheint. Das Nabburger Tor entlässt eine größere Menge Volks aus dem sicheren Schutz der ehrwürdigen Stadt und einige wenige kommen aus der zur Linken Richtung Wingershofer Tor abzweigenden und reich mit Bäumen bestandenen Chaussee, die gute vierhundert Meter weiter einen Knick stadtauswärts vollführen wird, um etwa auf der Höhe des heutigen Kneippbeckens die Vils zu überqueren. Die Kurfürstenbrücke ist noch nicht erdacht und späteren Zeiten vorbehalten.

Bleibt die Frage, was der linke Bildrand vor unserem neugierig gewordenen Auge verbirgt, dem die längst Entschlafenen sämtlich zuzustreben scheinen. Einige wenige weiße Hemdkragen sind zu sehen, doch die zweckmäßige Kleidung zielstrebiger Arbeiter dominiert das Bild und am linken unteren Rand ist gar ein Uniformierter zu erkennen. Sie alle haben das gleiche Ziel: Den Eingang der königlichen Gewehrfabrik, in jenen Jahren der noch ungeahnten Weltwende des Ersten Weltkrieges die größte Waffenschmiede des Bayerischen Königreiches. In deren produktivster Zeit finden dort gut 4.000 Menschen (1916) ein knappes Auskommen – geprägt durch schmale Lebensmittelzuteilungen und viele Arbeitsstunden. Viele von ihnen waren treue Kunden der unsichtbaren Gaststätte Velhorn, deren Standort gleich beim Werkstor uns dieselbe aufmerksame Hand bezeichnet hat, die schon wohlwollend auf die Präsenz des Nabburger Tores hinwies.

Schon bald wird sich der Krieg auch hier als der „große Beschleuniger“ erweisen – die Niederlage wird die Schließung der Fabrik erzwingen. Schon ein Jahr nach Ende des Krieges wird sich der Magistrat der Stadt mit der Beschaffung eines Lastkraftwagens inklusive Anhänger für das städtische Gaswerk (ein direkter Nachbar der todgeweihten Gewehrfabrik) beschäftigen, da die Zahl der verfügbaren Pferde verschwindend gering geworden ist.

Ohne es zu wissen hat der unbekannte Fotograf nicht nur die anonymen Akteure einer alltäglichen Szene festgehalten, die Straßen und Orte konserviert – er hat auch die Beschaulichkeit einer Zeit eingefroren, deren Ende bereits unmittelbar bevorstand.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/460

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Beiträge deutschsprachiger Geschichtsblogs auf einen Blick: Planet History

Seit gestern gibt es Planet History, eine Website die aktuelle Beiträge aus deutschsprachigen Geschichtsblogs über RSS-Feeds bereit stellt. Insgesamt 142 Weblogs aus dem Bereich der Geschichtswissenschaft werden dort aktuell angezeigt, die Hälfte etwa kommt von der Blogplattform de.hypotheses.org1. Das Projekt ist von Michael Schmalenstroer, der damit das Ziel verfolgt, “etwas Übersicht in die doch recht zersplitterte Geschichtsblogosphäre zu bringen”2. Für interessierte Leserinnen und Leser ist diese Blog-Sammelstelle in der Tat sehr hilfreich. Das Blog der AG Digitale Geschichtswissenschaft ist übrigens auch schon miterfasst.

  1. Siehe dazu den Beitrag im Redaktionsblog: Aggregator für deutschsprachige Geschichtsblogs: Planet History (21.10.2013).
  2. Michael Schmalenstroer, Planet History, ein Blogaggregator für die Geschichtswissenschaft (21.10.2013).

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/315

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Aggregator für deutschsprachige Geschichtsblogs: Planet History

planetHistoryDie Anzahl an deutschsprachigen Geschichtsblogs erweitert sich ständig. Alleine bei de.hypotheses sind es mittlerweile über 70 Blogs zu historischen Themen. Da ist es nicht leicht, die Übersicht zu bewahren. Seit gestern hilft dabei “Planet History“, ein Aggregator für deutschsprachige Geschichtsblog, den Michael Schmalenstroer aufgesetzt hat.

Auf der mit WordPress gestalteten Seite werden automatisiert Beiträge von geschichtswissenschaftlichen Blogs aus dem deutschsprachigen Bereich eingelesen und als Teaser dargestellt, der zurück auf den Originaltitel verlinkt. Das Team von de.hypotheses hat ihm dazu die Liste der rund 70 Geschichtsblogs der Plattform mit den RSS-Feeds zur Verfügung gestellt. Insgesamt werden bei Planet History 142 Blogs aggregiert. Fehlende Blogs können natürlich nachgemeldet werden.

Auf der Seite “Über” bei Planet History heißt es:

“Planet History ist ein Blogaggregator, der die Beiträge der geschichtswissenschaftlichen Blogs des deutschsprachigen Raumes sammelt und verlinkt. Die Beiträge werden automatisiert ausgelesen und als Teaser dargestellt, welche direkt auf den Originalartikel verlinken. Ziel dieser Seite ist es, etwas Übersicht in die doch recht zersplitterte Geschichtsblogosphäre zu bringen und gerade kleine Blogs hervorzuheben. Das Themenspektrum ist bewußt breit gefasst – neben rein geschichtswissenschaftlichen Blogs sind auch einige Blogs aus verwandten Themenfeldern wie der Archivwissenschaft, dem Bibliothekswesen oder der Archäologie versammelt.”

Eine sehr gute Initiative, der wir viel Erfolg wünschen!

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Siehe auch:

Michael Schmalenstroer, Planet History, ein Blogaggregator für die Geschichtswissenschaft (21.10.2013).

Klaus Graf, Planet History, ein Blogaggregator für die Geschichtswissenschaft, in: Archivalia (21.10.2013).

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1730

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Statement: Dieter Frey “Wir brauchen ein totales Umdenken – Wir brauchen neue ‘Kulturen’”

??????????Betrachtet man das Problem der Generationengerechtigkeit aus dem Blickwinkel der Psychologie, geht es hier um die Umsetzung von Fairness und Gerechtigkeit. Dabei gilt es vier Arten von Fairness zu unterscheiden, nämlich a) die Ergebnisfairness, b) die prozedurale Fairness, c) die informationale Fairness und d) die interaktionale Fairness.

Sowohl die jüngere als auch die ältere Generation wird wahrscheinlich eine Einschränkung der Rente oder eine Erhöhung der Beitragszahlung für Renten als „unfair“ betrachten. Entscheidend ist deshalb, dass man dies über prozedurale Fairness und informationale Fairness kompensiert. Prozedurale Fairness bedeutet dabei, dass die Kriterien transparent gemacht werden, die zum jeweiligen Ergebnis führen, und von den Entscheidungsträgern eine hohe Objektivität gefordert wird. Informationale Fairness bedeutet, dass die potenziellen „bad news“ relativ früh genannt werden.

Aus dem Blickwinkel der Psychologie ist daher ein totales Umdenken notwendig. Es werden neue „Kulturen“ benötigt, die folgendes implizieren:

1. Einen fließenden Übergang von der Arbeit zur Rente. Die Leute sollen so lange arbeiten, wie sie arbeiten können.

2. Rentner sollten zurück an die Universitäten und Hochschulen, damit sie Know-how für ihre alten Berufe und für neue Berufe lernen (z. B. Sozialberufe/Kindererziehung).

3. Produktivitätszuwächse für die Allgemeinheit, um davon auch die Renten zu bezahlen.

4. Lebenslanges Lernen für alle Beteiligten.

5. Arbeit billiger machen. Das Problem dabei ist, dass die Arbeit vorhanden ist, oft aber die Fantasie fehlt, diese Arbeit auch in Arbeitsplätze zu transformieren. Die Arbeit ist heute zu teuer, weil ein hoher Prozentsatz durch Steuern reduziert wird. Wichtig dabei ist auch, das Vermögen zu besteuern und nicht nur die Arbeit. Zudem sollte der Produktivitätszuwachs nicht den Aktionären, sondern der Bevölkerung zukommen, damit die Schere zwischen Arm und Reich (insbesondere auch zwischen Rentnern und Nichtrentnern) nicht zu groß wird.

6. Zielorientierte Einwanderungspolitik.

7. Mehr Fantasie bei Maßnahmen zur Erhöhung der Kinderquote (Wir sind an letzter Stelle!)

Eine weitere psychologische Frage ist, wie man dies so umsetzen kann, dass Akzeptanz in der Bevölkerung besteht. Es gilt hier die Erfolgsfaktoren von Reformen umzusetzen. Dafür notwendig sind z. B. Sinnvermittlung, Transparenz und das Aufzeigen von Opportunitätskosten.

Prof. Dr. Dieter Frey ist seit 1993 Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der Träger des Deutschen Psychologie-Preises 1998 forscht auf den Gebieten des Entscheidungsverhaltens in Gruppen, Erhöhung von Kreativität und Motivation, Entstehung und Veränderungen von Einstellungen und Wertesystemen. Er war von 2003 bis 2012 Akademischer Leiter der Bayerischen EliteAkademie und ist Leiter des LMU-Centers für Leadership und People Management und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Foto: robert.steinhoefel | Fairness Zone | CC BY-NC-ND 2.0

Quelle: http://gid.hypotheses.org/918

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