In meinen Dino-Schuhen

DinoschuheDass unsere Markenwelt immer stärker geschlechtsspezifisch konsumierbar geworden ist kann man ebenso als Doing Gender 1oder als Abgrenzungsphänomen2interpretieren. Neu ist das Phänomen nicht. Nervig ist es spätestens dann, wenn man ein Produkt haben möchte und feststellen muss, dass der Hersteller einen selbst nicht als genuine Zielgruppe dafür erachtet.

Dann gibt es mindestens zwei Lösungen: 1) entweder das Produkt dennoch kaufen und als Frau* Männerprodukte oder als Mann* Frauenprodukte verwenden oder 2) den Zustand in Frage stellen und fordern, dass es das spezifische Produkt entweder unisex oder für alle in unterschiedlichen Varianten angeboten wird. Es muss ja nicht gleich eine Petition gestartet werden, die Möglichkeit die eigenen Interessen zu vertreten ist bei vielen Firmen über das formale Instrument des Beschwerdebriefes oder der zeitgemäßen Entsprechung von Social Media-Kanälen gegeben. Dass das dann nicht immer Wirkung zeigt – geschenkt!

Ein 8-jähriges Mädchen und ihre Mutter haben gerade erst eine solche Anfrage an einen international agierenden Schuh-Hersteller gestellt.

@clarksshoes My daughter has written you a letter about your sexist shoes. Not all girls want to be pretty princesses pic.twitter.com/oOHc1xDi1x

— Jane Trow (@jane_trow) 3. März 2015

Die Geschichte dahinter ist schnell erzählt: Sophia brauchte neue Schuhe, doch die Dino-Schuh, die ihr gefielen sind für Jungs gedacht. Was nicht weiter tragisch gewesen wäre, denn anscheinend waren weder Form und blaue Farbgestaltung ein Hindernisgrund. Problematischer scheint die Aussage einer Verkaufskraft im Laden, dass die Schuhe nicht für die weibliche Knochenstruktur geeignet seien.3 Eine Aussage, die sich so nicht in der Beschreibung des Produkts wiederfinden lässt und vermutlich eine Interpretation der Person war, die die Schuhe verkaufen sollte. Allerdings ist es nicht verwunderlich, dass man nach Erklärungen sucht, warum ein Produkt für Jungs oder Mädchen bestimmt ist, aber es wenig Gründe dafür gibt. Wo kein Sinn zu finden ist, wird mitunter eigenmächtig Sinn konstruiert, auch wenn dieser letztendlich nicht zutrifft und vom Hersteller auch nicht intendiert ist.

Warum berichte ich nun über ein Phänomen des Doing Gender im Mobilvideo-Blog? Es ist die folgende virale Reaktion von Wissenschaftlerinnen unter dem Hashtag #inmyshoes, die auf Twitter erfolgte:

c’mon – #WomenInScience, i think @jane_trow needs some inspirational #InMyShoes pics for #SophieTrow. Show the shoes you #science in!

— trowelblazers (@trowelblazers) 6. März 2015

My field shoes, still caked in mud from Dinosaur Provincial Park in Canada! #InMyShoes http://t.co/Ohw2KxGUX3 pic.twitter.com/jdv4DhFs2c

— Sarah Z. Gibson (@gombessagirl) 10. März 2015

Another #InMyShoes contribution from me, three geology ladies in Utah circa 2006. #tbt @trowelblazers @jane_trow pic.twitter.com/DT6BaCpTog

— Sarah Z. Gibson (@gombessagirl) 20. März 2015

#InMyShoes @clarksshoes PHDs wear badass boots, write books and change minds. That’s women’s work. pic.twitter.com/3ecOEFcRBc

— Nicole G. Van Cleve (@nvancleve) 20. März 2015

With PhD in medieval literature I’m always on a Quest for knowledge, sometimes in red shoes #rubyslippers #InMyShoes pic.twitter.com/ZV8gPfJnDw

— Annabelle Hornung (@AB_Hornung) 22. März 2015

Man kann natürlich argumentieren, dass das eine emotionalisierende Selbstvegewisserungsaktion ist, die nach 15 Minuten Ruhm konsequenzlos verpufft. Ich muss gestehen, ich lasse mich gerne mal be-/rühren und scrolle mit Neugier durch die Vielfalt der Fotos. Als Wissenschaftlerin habe ich im Alltag wenig mit Dinosauriern zu tun. In der Lehre beschäftige ich mich eher mit Themen des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien insbesondere in der Schule (obwohl auch hier gibt es mitunter anschlussfähige Artefakte: https://www.youtube.com/watch?v=d4is36b0yfQ). Und in meiner Forschung untersuche ich die Mobilvideopraxen von Jugendlichen.
Aus dieser Forschungsperspektive heraus habe ich mich dann auch geäussert, denn digitale Medien haben das Potenzial Ermöglichungsräume für Wünsche und alternative Realitäten zu sein. Ob roter Ballerina oder schwere Schnürschuh, jeder Schuh kann so zum Dino-Schuh werden:

  1. Sulmowaski, Jedrzei (2012): …zum Beispiel wegen des Geschenkpapiers – Ein grafisches Essay zu Undoing Gender, S. 6-11. In: Soziologie Magazin 1/2013. Online verfügbar (2015):  http://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/718/files/2013/04/zum-Beispiel-wegen-des-Geschenkpapiers-Ein-grafisches-Essay-zu-Undoing-Gender-Jedrzej-Sulmowski.pdf
  2. Schrupp, Antje (2012): Beim pinken Überraschungsei geht es nicht um Mädchen, sondern um Jungen.  Online verfügbar (2015): http://antjeschrupp.com/2012/08/23/beim-pinken-uberraschungsei-geht-es-nicht-um-madchen-sondern-um-jungen/
  3. Das People Magazin schreibt am 18.03.2015: “However, the salesclerk told Sophie and her mother that these shoes were for boys’ feet and not for the ‘female bone structure’.”

Quelle: http://mobilvideo.hypotheses.org/470

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