Zum Buchbegriff in der Diskussion um das digitale Publizieren in den Geisteswissenschaften. Überlegungen auch aus linguistischer und mediävistischer Sicht

Entpolarisierung und Öffnung

Um es für den wissenschaftlichen Bereich vorwegzunehmen (für andere Bereiche, wie etwa die Belletristik, ist die Lage eine andere): Die mittelfristige Zukunft im Bereich des wissenschaftlichen Kommunizierens und Publizierens ist digital und Open Access. Dabei möchte ich die sogenannte analoge Publikation nicht als Gegenpol oder Ausschlusskriterium zum Digitalen (und vice versa) im aktuellen Zeitstrang sehen. Wir sollten die besten Wege für digitale Publikationskulturen unter Beteiligung aller Akteure vorbereiten und vor allem auch im gegenwärtigen Diskurs eine Entpolarisierung zwischen Gedrucktem und Digitalem vornehmen. Dieser Prozess impliziert einen Wandel bezüglich der Formen und der Vielfalt der Publikationsformate, Hand in Hand mit der Entwicklung von Evaluations- und Anerkennungsmechanismen, die die Qualität und Vielfalt von digitalen Publikationen im Open Access – genauso wie die der analogen – in Einvernehmen mit den grundlegenden Prinzipien geisteswissenschaftlicher Forschung garantieren.

Dieser vielschichtige Veränderungsprozess hat bereits begonnen hat (schon alleine die zahlreichen Workshops und Tagungen zu diesem Thema sind mehr als Symptom). Angemessene und faire Praktiken, auch in und zusammen mit dem gewerblichen Bereich, sollten angestrebt werden, bei denen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht in noch größerem Maße wie bislang die goldenen Melkkühe für die Veröffentlichungen der eigenen Aufsätze und Bücher werden. Ein solches Szenario würde in der Tat genau das Gegenteil des fundamentalen Selbstverständnisses geisteswissenschaftlicher Forschung bedeuten.

ESF Young Researchers Forum "Changing Publication Cultures"

ESF Young Researchers Forum “Changing Publication Cultures”

Das Young Researchers Forum der European Science Foundation hat in einem Positionspapier mit dem Titel “Changing Publication Cultures in the Humanities” die neue Situation, der wir zur Zeit gegenüberstehen, überzeugend zusammengefasst:

“A key aspect of the future publishing culture in the humanities is to develop new opportunities to catalyse positive change in prevalent modes of institutional authority. It is necessary to facilitate access to the scholarly community in order to democratise participation and collaboration between peers because innovative scientific work takes place in numerous contexts outside traditional scholarly genres”. (p.7)

Dieses “Reformieren” (im wörtlichen Sinne – “eine neue Form geben”) der wissenschaftlichen Publikationspraktiken wird als Folge auch einen Wandel der Rollen der darin partizipierenden Individuen und Institutionen haben, etwas der Bibliotheken und Archive. Und auch das Verlagswesen ist hier tiefgreifend gefordert, ich zitiere noch einmal das Young Researchers Forum:

“The role of publishers will change from providing content to providing services to the authors and users of scholarly information. As content will increasingly be available in raw open access form, the challenge for the publisher is to provide suitable access and flexibility, assisting scholars to find, select, enrich, recombine, and cite the work of others. The repositories themselves should be maintained by public institutions capable of guaranteeing open and equal long-term access to the results and resources of the scholarly work. The role of the scholars as a global community is to provide the source of new scholarly knowledge and a guarantee of its high intellectual quality.” (p.7).

Letzter Punkt ist dann auch der entscheidende: Der Geisteswissenschaftler bleibt – wie seit jeher –der Garant der hohen intellektuellen Qualität des produzierten Outputs. Diese Verantwortung können und sollen wir nicht abgeben – und der Anspruch auf diese Garantie existierte und existiert per se und ist letztendlich, so würde ich aus der Sicht der Handschriftenforscherin uns Sprachhistorikerin formulieren, unabhängig von der Medialität des Textträgers.

Wissenschaftliche Erzählformen, Buch und Medialität

Somit greifen solche Argumentationen zu kurz, die in der Debatte um das digitale Publizieren eine vermeintliche, toposhaft idealisierende Dichotomie von herkömmlich Gedrucktem (im Sinne von gedruckter Qualität) versus digitale Flüchtigkeit aufbauen. Der Historiker Martin Schulze Wessel hielt vor kurzem auf einer Veranstaltung in München zum Thema “Nachwuchswissenschaftler, Verlage, Bibliotheken & Open Access. Zeitgemäßes Publizieren in den Geisteswissenschaften” – bei feinfühlig differenzierender Argumentation – letztendlich an der traditionellen Sichtweise fest: “Die große Erzählung bedarf des gedruckten Buches, da bin ich ganz sicher”. Ihm ist gewiss hinsichtlich des Umstands zuzustimmen, dass die „große Erzählung“ weiterhin – im Gegensatz etwa zu Datenbanken, optischen Visualisierungen und anderen neuen Wissensrepräsentationen – im Fließtext am besten, und zwar auch mit hohem literarischem Anspruch darstellbar ist, und dieser Fließtext in Buchform gut vermittelbar ist, aber das muss heutzutage nicht mehr unbedingt oder ausschließlich auf Papier geschehen. Auch digitale Buch-Publikationen können prinzipiell und werden auch einen verdientermaßen gleichen qualitativen Anspruch im monographischen Bereich erfüllen.

Vor allem der Luzerner Mittelalterhistoriker Valentin Gröbner, der diese Art der Polarisierung inzwischen geradezu zu seinem Markenzeichen entwickelte, hat kürzlich in einem Gastbeitrag auf der Online-Zeitschrift Public History Weekly (13.02.2014) im Hinblick auf die neuen Publikationskulturen plakativ festgehalten:

“Lektion? Keine Erlösung durch die neuen Medien, und auch kein Weltuntergang. Die schnellen digitalen Übertragungskanäle mit ihrem ununterbrochenen Aufdatieren schaffen ihre langsamen analogen Vorgänger auf Papier nicht ab, im Gegenteil. Noch nie waren gedruckte Aufsätze und Bücher so notwendig wie heute, nämlich als Filter für stabile Resultate: Hochfrequente “heiße” Kommunikationsmedien – wie dieses hier – alimentieren und fördern “kühlere” Speicher mit längerer Haltbarkeit. Deswegen wird in den digitalen Formaten auch ununterbrochen auf Papierpublikationen verwiesen. Das gilt für wissenschaftliche Netzpublikationen ebenso wie für jeden brauchbaren Wikipedia-Eintrag. Und aus richtig guten Blogs werden – Bücher. Hallo, digitale Revolution, ist da jemand?”

Die Passage ist linguistisch interessant, denn sie baut metaphernreich einen Gegensatz auf, der eigentlich an fundamentalen Anachronismen scheitert: die Annahme, dass es Bücher offenbar nur in gedruckten Formen gibt bzw. geben darf – und dass nur das auf Papier Gedruckte offenbar das Filternde, das Stabile, das Elitäre und das letztendlich Qualitätsvolle darstellt.[1] Kurzum: die Argumentation müsste spätestens bei historischer Betrachtung wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, da sie die Jahrhunderte, ja Jahrtausende vor der Einführung des Buchdruckes in Europa (wohl bewusst) aus dem Blickfeld nimmt. Sie scheitert somit letztendlich auch an der Grunddefinition des Buches. Ein Buch ist nicht per se ein auf Papier gedrucktes Garant für stabile Wissensvermittlung – sonst würden ganze Jahrhunderte Wissenserzeugung, Wissensvernetzung und Wissensweitergabe über das Pergament oder anderer Schriftträger ausgeblendet, und zwar solche Schriftkulturen, die mittels eines Schriftmediums erfolgreich funktionierten und im Mittelalter etwa Bücher produzierten, die per se keine zwei identischen Kopien des gleichen Textes erlaubten. Diese Verfahren der Buchproduktion erzeugten kollaborative und vielfach dynamische Wissensspeicher, die erst die Voraussetzungen schufen für die wissenschaftlichen Großunternehmungen ab dem Humanismus aufwärts. Diese mittelalterlichen Pergamenthandschriften, ja es sind Bücher, aber keine gedruckten, lehren den, der sich die Zeit nimmt aus der Vogelperspektive unserer digitalen Welt hineinzuschauen, dass wir es mit seltsamen Wiedererkennungswerten zu tun haben – und somit letztendlich auch das papierne Buch in einer longue durée hier seinen Platz noch einnehmen muss, ohne das endgültige A und O aller Dinge zu sein.

Alte BücherFreilich muss man, wenn man wissenschaftlich arbeiten will, nicht alles lesen, was im Netz steht, um nochmals den Titel eines Beitrages von Valentin Gröbner zu zitieren,[2] aber diese Frage stellt sich letztendlich für alles (inklusive der sogenannten “grauen Literatur”) auf Papier Gedruckte und davor Geschriebene, und somit wären wir wieder bei der Frage der Quellenkunde und Heuristik, die nur durch eine ganz immaterielle, und zwar intellektuelle Arbeit vollzogen werden kann. Insgesamt sollten wir die Vielfalt der neuen Publikations- und Kommunikationsformen im Netz wahrnehmen, mit den (noch) vorhandenen analogen kombinieren, in unsere wissenschaftlichen Arbeitsweisen integrieren, und auch deren positive Potentiale erkennen, von wissenschaftlichen Blogs, Mikropublikationen bis hin zu Online-Zeitschriften und Monographien, die selbstverständlich auch qualitativ hochwertig online veröffentlicht werden können, um nur einige zu nennen.

Hybridität und Digitalität

Vielleicht würde es auch einfach gut tun, unsere jetzige Hybridität zwischen analogen und digitalen Publikationskulturen zu erkennen, und im Kontext einer allgemeinen Digitalität entspannter damit umzugehen. Auch ich stehe gerne vor einem Regal und ziehe genau das (gedruckte) Buch zu einer bestimmten mittelalterlichen Bibliothek heraus, um darin konzentriert zu lesen oder einfach nur zu stöbern, – ich freue mich aber auch, wenn das gleiche Buch (oder eins, das ich eben nicht zur Hand habe) zum orts- und zeitungebundenen Lesen oder zum gezielten Durchsuchen digital verfügbar, und sogar eventuell von mir annotier- und mit anderen Quellen verlinkbar ist. Nicht zu schweigen von all den mittelalterlichen Handschriften, von denen ich jeden Tag dankbar bin, dass ich sie inzwischen zu Tausenden in hochqualitativer Auflösung und zum Teil in ihrem ursprünglichen – heute vielfach nicht mehr in der analogen Welt vorhandenen – Überlieferungskontext mit anderen Codices zusammen im Netz aufsuchen und benutzen kann.

(Die Ausführungen gehen auf einen Vortrag zurück, der auf Einladung von Marko Demantowski und Béatrice Ziegler am 24. März 2014 des Basler Kolloquium zur Didaktik der Geschichte und Politik gehalten wurde. Merci an Mareike Koenig und Georg Schelbert für Anregungen und Hinweise.)

 

[1] Die ganze Debatte erinnert zum Teil an die Diskussion um die deutsche Rechtschreibreform und das von manchen noch heute (vielleicht etwa auch in elitärem Habitus) praktizierte Festklammern an der alten Orthographie, wobei auch deren Unzulänglichkeiten beflissentlich ausgeblendet bzw. systematisch verdrängt werden.

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/376

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Codices im Netz – Die Digitalisierung mittelalterlicher Handschriften und ihre Konsequenzen

 

Ende November 2013 fand in Wolfenbüttel eine kleine, vom Mittelalter-Komitee der Herzog August Bibliothek organisierte Tagung zum Thema “Konsequenzen der Digitalisierung” statt. Zur Einstimmung in die Tagungsthematik hatten die drei Organisatoren (Stephan Müller/Wien, Felix Heinzer/Freiburg und ich) kurze Statements vorbereitet, die aus der jeweils eigenen Perspektive inhaltliche und methodische Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung von mittelalterlichen Bibliotheksbeständen und Konsequenzen für deren Erforschung reflektieren. Meine Eingangsüberlegungen können hier in leicht überarbeiteter Form nachgelesen werden. Auf der Tagung hielten ferner Erik Kwakkel (Leiden), Björn Ommer (Heidelberg), Manuel Braun (Stuttgart), Sonja Glauch und Florian Kragl (Erlangen) Vorträge zu laufenden Digital-Humanities-Projekten im Bereich der Analyse, Paläographie, Edition und Auswertung mittelalterlicher Handschriften. Die Ergebnisse der Tagung sollen in einem gemeinsamen Konzeptpapier zusammengefasst und als Blogbeitrag auf de.hypotheses publiziert werden.

Noch ein Turn

Von all den intellektuellen und technischen turns, die die Geistes- und Sozialwissenschaften im letzten Jahrhundert durchgeführt haben, ist der digitale zweifellos von einer anderen Natur und einer breiteren Wirkung, auch wenn nicht jeder in der akademischen Welt von uneingeschränkter Euphorie erfüllt ist. Die Entwicklung von Digitalität (digitality), im Sinne der Konzeptualisierung durch Nicholas Negroponte als ‘the condition of being digital’, ist nicht nur von allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz, vielmehr birgt sie auch bedeutende Konsequenzen für die akademische Welt und die Art und Weise, wie wir forschen. Hierbei stellt sich, insbesondere auch bei dem Thema der Wolfenbütteler Veranstaltung die grundlegende Frage: Digitalität verändert zweifellos unseren akademischen Alltag, aber wie sind diese Veränderungen methodologisch, und wenn man es so formulieren will, epistemologisch zu begleiten?

Vor allem die Sicherung, Dokumentierung und Bereitstellung des kulturellen Erbes in seiner materiellen Vielfältigkeit und Heterogenität stellen uns vor neue Herausforderungen. Hier sind grundlegende methodische Konzepte nicht nur für die so genannten Digital Humanities, sondern für alle geisteswissenschaftlichen, insbesondere auch die historisch arbeitenden Disziplinen insgesamt zu entwickeln. Die Frage ist also eindeutig nicht mehr die Frage nach dem ob der Digitalität und der digitalen Wissensbestände, sondern die nach dem wie. Der Bogen an Möglichkeiten spannt sich von mittlerweile anerkannten Parametern wie der Entwicklung und Anwendung von internationalen Standards, der prinzipiellen Verfügbarkeit des digitalisierten Materials über den Open Access Gedanken und der langfristigen Sicherung dieses Materials über die systematische Dokumentation der digitalen Erschließungstools bis hin zur Herausbildung und Akzeptanz neuer Publikations-, Evaluations- und Anerkennungskulturen im Rahmen digital-gestützter, geisteswissenschaftlicher Forschungsprozesse.

Kulturelle Artefakte und Forschungsobjekte im Wandel

Insbesondere wird nicht nur das Verhältnis zwischen Objekt bzw. Artefakt und wissenschaftlichem Beobachter neu ausgerichtet, sondern auch die prinzipielle Daseinsform dieser beiden Akteure im wissenschaftlichen Prozess, der unter Umständen entkörpert, entzeitlicht und enträumlicht werden kann. Es geht auch darum, das Verhältnis auszuloten zwischen dem historischen (analogen) Objekt und dessen digitalen Repräsentanten bzw. Abstraktionen, oder wie es unsere Oxforder Kollegin Ségolène Tarte formuliert, deren digitalen Avataren, die durchaus ihre eigene Existenzformen haben und auch eigene Gefahren im wissenschaftlichen Umgang mit ihnen bergen. Ferner gibt es auch die so genannten “digital born objects”, die so intendiert, gezielt produziert und ausschließlich digital existieren, wie etwa die nur virtuell vorhandene 3D-Rekonstruktion einer Handschriftenseite aus einem heute völlig verkohlten Fragment oder die Rekonstruktion eines Artefakts, das nie existierte, dessen Planung jedoch aus schriftlichen Quellen bekannt ist. Und schließlich gibt es Formen der Hybridität, der unterschiedliche Existenzformen vereinen.

In diesem Spannungsfeld der Objektvielfalt sind Forschungsprojekte im Rahmen der digitalen Erschließung und Analyse von Handschriftenbeständen angesiedelt, welche entsprechende Erkenntnismöglichkeiten eben nur durch die Existenz der Digitalisate ermöglichen. Dies betrifft sowohl das Digitalisat im Sinne der Einzelüberlieferung (etwa die Analyse einer Handschrift bzw. kleinerer Quellengruppen) als auch der Möglichkeit der Analyse und Auswertung von sehr großem Datenmaterial, das nur mit computergestützten Methoden zu bewältigen ist (hierzu hat Björn Ommer einen spannenden Vortrag zur Computer Vision gehalten). Die Herausforderung im Bereich der Digitalisierung ist es aber auch, wie bereits vielfach und auch auf der Wolfenbütteler Veranstaltung unterstrichen wurde, nicht nur Antworten auf die Fragen von heute (die wir ja kennen und formulieren können) zu finden, sondern auch zukünftige Fragen, die wir unter Umständen heute noch gar nicht fassen können, zu ermöglichen. Dies erfordert eine teilweise unübliche, noch zu erlernende methodologische Offenheit, und eine über die Perspektiven der Einzelfächer hinausgehende grundlegende Bereitschaft zur Interdisziplinarität.

Im Hinblick auf historische Bibliotheksbestände ist die Ausgangslage eine auf den ersten Blick Erfreuliche: Früh hat sich das “digitale” Augenmerk auf diese einmaligen Kulturbestände gerichtet, so dass inzwischen solide Erfahrungswerte vorhanden sind, und vielfach auch entsprechende Digitalisierungsstandards entwickelt werden konnten. Die Anzahl der Digitalisierungsprojekte oder der virtuellen Rekonstruktionsprojekte zu mittelalterlichen Bibliotheken ist etwa bereits für den europäischen Raum kaum zu überschauen, ganz zu schweigen von Vorhaben zu nicht-europäischen Schriftkulturen. Teilweise entstehen – auch durch besondere Umstände bedingt und abhängig von der jeweiligen Fragstellung oder Schwerpunktsetzung – so genannte Insellösungen, die nicht immer mit gängigen Digitalisierungs- und Kodierungsstandards kompatibel sind, und die somit auch eine Vergleichbarkeit und eine Interoperabilität der unterschiedlichen Digitalisierungsprojekte bereits auf nationaler Ebene erschweren. Hier wird eine der wichtigen Herausforderungen der nächsten Zeit sein, Brücken zu schlagen und Austauschmöglichkeiten der Formate zu ermöglichen, um übergreifende Untersuchungsszenarien zu ermöglichen.

Verlässt man die reine Digitalisierungsebene der Bestände in Richtung wissenschaftliche Erschließung, so können einerseits ausgehend von bereits vorhandenen, digitalisierten und entsprechend annotierten Beständen weiterführende Forschungsprojekte angeschlossen werden. Aus dem Trierer DFG-Projekt „Virtuelles Scriptorium St. Matthias“, das die heute dislozierte, mittelalterlich Bibliothek von St. Matthias in Trier virtuell rekonstruiert, ist zum Beispiel das größere, vom BMBF geförderte Kooperationsprojekt „eCodicology“ entstanden, in dem u. a. Philologen, Buchwissenschaftler und Informatiker aus Darmstadt, Karlsruhe und Trier Algorithmen zum automatischen Tagging mittelalterlicher Handschriften entwickeln, die Makro- und Mikro-Strukturelemente einer Handschriftenseite im Hinblick auf Layout und Aufmachung automatisch erkennen und diese Informationen in die Metadaten zu jedem Image einpflegen. Das geht so weit gut, weil wir uns quasi ins gemachte Bett legen, sprich eigene, homogene Daten zu 500 mittelalterlichen Handschriften zu forschungsfragengetriebenen Analysen verwenden können.

Hybridität der Angebote in den digitalen Wissensräumen und Hürden im Forschungsalltag

Anders sieht es bezüglich der Quellengrundlage bei Vorhaben bzw. forschungsgetriebenen Einzelfragen aus, die man gerne als “traditionelle” Vorgehensweise bezeichnet (aber nicht ganz zutreffend, da diese doch eine zeitlose Daseinsform geisteswissenschaftlicher Forschung darstellt), und die auch nicht mit einem vorhandenen, homogenen digitalen Korpus etwa einer Bibliothek bzw. einem bereits fertigen Digitalisierungsprojekts zu einem bestimmten Thema zu bewältigen ist (bzw. es zur Zeit noch nicht ist). Ich möchte hier von einem eigenen Beispiel ausgehen: Im Rahmen einer Untersuchung zur Kulturgeschichte der Annotation habe ich an einer kleineren interdisziplinären Fallstudie, bei der der Ausgangsgedanke war, die Textgeschichte (und auch Texterfindung) des berühmten Architekturtraktates des antiken Autors Vitruvius durch die Überlieferung annotierter Exemplare vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit zu erforschen. Eine erste Stichprobe ergab, (u.a. auch dank der Existenz einer Online-Vitruv-Datenbank, die zumindest einen Teil der Zeitstrecke abdeckte), dass offenbar genügend Digitalisate entsprechender zentraler Handschriften, Inkunabeln und frühen Drucke für diese Fallstudie zugänglich sein müssten. Soweit die Theorie, die Praxis sah jedoch etwas anders aus: Viele Digitalisate, auch aus bekannten Bibliotheken bzw. auf der Europeana-Plattform, waren qualitativ so heterogen, dass zum Teil im schwarz-weißen Avatar der Buchrand selber und auch die eigentlich im Ausgangsobjekt vorhandenen Marginalien nicht mehr erkennbar waren. Ferner gab es regelmäßig Fehlverknüpfungen bzw. ungenaue Zuweisungen der Digitalisate einerseits innerhalb der Bibliothekskataloge selber und andererseits (wenn auch in geringerer Anzahl) in die vorhandene Vitruvdatenbank. Was hier unter Umständen für eine wissenschafts- oder architekturhistorische Fragestellung zu verschmerzen gewesen wäre (aber wahrscheinlich auch dort nicht), war aus philologischer Sicht methodisch deprimierend. Das Resultat war, dass ich die im Netz gewonnenen Daten zwar genauestens im Sinne einer Quellenkritik und auf dem Hintergrund eines Gesamtkorpus geprüft habe, aber dann entschieden habe, das digitale Angebot eher als Zusatzmöglichkeit zu nutzen und sonst gezielt wiederum das Original in der Bibliothek aufzusuchen. Trotz des vermeintlich überlieferungsgeschichtlich gut dokumentierten Vitruv, hat also das zur Zeit vorhandene, recht üppige digitale Angebot nicht gereicht, um (bereits jetzt) eine digital indizierte Einzelstudie durchzuführen, unter anderem eben wegen der unterschiedlichen Qualität der Digitalisate und deren Erschließung. In diesem Zusammenhang kommen die Historizität und Heterogenität der Bestandsdigitalisierung selber zum Vorschein, die im Laufe der letzten fünfzehn Jahre entsprechende Variabilitäten erzeugt hat. Insgesamt wäre es bestimmt interessant für Vitruv-Forschergemeinschaft, auf eine auch eine unkomplizierte, kollaborative Forschungsplattform zurückzugreifen, in der eigene zusätzliche Digitalisate und Erkenntnisse hätten eingepflegt werden können, und so langsam aus dem vorhandenen digitalen Angebot zu schöpfen bzw. diesen gezielt zu ergänzen.

Als Zwischenfazit bleibt im Bereich der einzelnen forschungsfragengetriebenen Analysen (die man auch als bottom-up-Prozesse verstehen kann) der Befund eines qualitativ hybriden Angebots im Bereich der Digitalisierung und der digitalen Erschließung mittelalterlicher Quellen, bei dem wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr genau darauf achten müssen, womit wir es zu tun haben (bzw. in anderen Worten: Prüfe, bevor du dich bindest). Dies sollte jedoch kein Grund sein, digitale Quellen nicht zu nutzen, sondern auch als Ermutigung verstanden werden, sich für eine Verbesserung des Angebots und dessen transparente Dokumentation zu engagieren, und sich auch konsequent für eine entsprechende heuristische Quellenkritik (“critique des sources”) einzusetzen, wie wir es ja sonst auch bei der “traditionellen” Quellenarbeit mit historischem Material tun.

Brainstorming für eine übergreifende Dokumentation einer bestands- und forschungsorientierte Digitalisierung

Die Frage ist ferner, wie man internationale Standards, offene Schnittstellen und Best Practice-Verfahren für die Digitalisierung und Erschließung dieser Bestände nicht nur entwickeln kann (denn die gibt es ja vielfach schon), sondern auch so propagieren kann, dass Insellösungen eher vermieden bzw. mit ihren Besonderheiten anknüpffähig werden, sowie Anforderungen der disziplinenindizierten Grundlagenforschung (wie etwa mit dem Vitruvbeispiel) aufgefangen werden können.

In dieser Hinsicht wäre der Gedanke eines internationalen Digital Documentation Platform of Manuscript Collections  überlegenswert (hier könnte dann Erik Kwakkel zum Beispiel nach allen digitalisierten, westeuropäischen Handschriften des 12. Jahrhunderts sammlungsübergreifend suchen, wie er es sich in seinem Wolfenbütteler Vortrag gewünscht hat). Sinnvoll wären in diesem Sinne auch grenzüberschreitende Zusammenschlüsse versierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die als interdisziplinär aufgestelltes Gremium auch methodologisch-infrastrukturell operieren und das Verhältnis von Digitalisat und analoger Vorlage sowie das Verhältnis zwischen digitalisiertem historischem Objekt und Wissenschaftlern theoretisch ausloten (im Sinne kollaborativer Zusammenarbeit, ohne top-down-Vorgehen). Dabei wären Synergien mit anderen Initiativen zu digitalen Forschungsinfrastrukturen (etwa Nedimah, Dariah u. a.) und Census-Vorhaben zur mittelalterlichen Überlieferung auszuloten und anzustreben.

Auch die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs oder “Qualitätssigels” zur wissenschaftlichen Bewertung der digital zur Verfügung stehenden Handschriften bzw. Sammlungen sollte überlegt werden, anhand dessen die Benutzerin auf der jeweiligen Homepage übersichtlich und transparent über das Datenmaterial und dessen Aufbereitung informiert wird, und ihr auch die Möglichkeit eines direkten Feedbacks gegeben wird (etwas was ich mir schon lange für das VD16 und VD17 zum Beispiel wünsche). Notwendig sind ferner die Entwicklung und Auslotung von konkreten Benutzerszenarien und Benutzerstudien, mit deren Hilfe dokumentiert werden kann, welche Anforderungen an Digitalisate sowohl disziplinenorientiert als auch in übergreifender Sicht gestellt werden können und müssen.

Und schließlich sollten Studierende und der wissenschaftliche Nachwuchs frühzeitig für die Gesamtproblematik der Digitalisierung, dem Umgang mit dieser sowie ihrer Konsequenzen sensibilisiert und entsprechend ausgebildet werden – dies nicht nur in den neuen Studiengängen der Digital Humanities, sondern allgemein in den Einzeldisziplinen im Sinne einer traditionellen Heuristik und Quellenkunde im Umgang mit digitalisiertem Kulturgut.

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Für die Diskussion über und Anregungen zu meinem Eingangsstatement danke ich den Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmern sowie Vera Hildenbrandt (Trier Center for Digital Humanities), Falko Klaes (Universität Trier, Ältere Deutsche Philologie) und Georg Schelbert (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunstgeschichte).

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Literatur (Auswahl)

Claudine Moulin, Multiples vies paratextuelles: Vitruve, De Architectura, 2013 (abrufbar unter: http://annotatio.hypotheses.org/222)

Nicholas Negroponte, Being Digital, New York 1996

Ségolène Tarte, Interpreting Ancient Documents: Of Avatars, Uncertainty and Knowldege Creation, ESF exploratory workshop on Digital Palaeography, Würzburg, Germany, http://tinyurl.com/esfDPwkshp, Talk given on 22d July 2011(http://oxford.academia.edu/SegoleneTarte/Talks/49627/Interpreting_Ancient_Documents_Of_Avatars_Uncertainty_and_Knowldege_Creation)

Virtuelles Skirptorium St. Matthias: http://www.stmatthias.uni-trier.de/ (DFG-Projekt

ECodicology:  Algorithmen zum automatischen Tagging mittelalterlicher Handschriften: http://www.digitalhumanities.tu-darmstadt.de/index.php?id=ecodicology (BMBF-Projekt)

 

 

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/353

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Multiples vies paratextuelles: Vitruve, De Architectura

Un exemple de culture écrite tout à fait spectaculaire nous montrant l’importance de l’annotation est le cas de Vitruve ou plus précisément la tradition de son texte pivot sur l’architecture (“De Architectura”), le traité central pour notre connaissance des techniques architecturales de l’Antiquité classique. L’histoire de la tradition de ce texte est longue et paradigmatique, elle retrace la transmission d’une œuvre écrite sur plus de 2000 ans. La recherche contemporaine est riche en ce qui concerne la documentation de la filiation des témoins textuels (manuscrits et imprimés). Entretemps, certains outils numériques facilitent l’accès à ces sources, même si il manque encore un portail regroupant la recherche vitruvienne et l’ensemble de ses sources primaires. En outre, sur les sites existants, pas tous les exemplaires digitaux sont de bonne qualité et donc appropriés aux sortes de questions qui préoccupent une philologue et historienne du livre.

Vitruve, De architectura, BL London Harley 2767, fol. 16v

Vitruve, De architectura, BL London Harley 2767, fol. 16v

Sous cette approche, l’aspect fondamental de la transmission médiale et matérielle de ce texte mérite l’attention, elle dévoile, ce que j’aimerais appeler, des multiples vies. Bien sûr, nous ne possédons pas l’original du texte, et ce manque semble aussi être une chance inouïe. A travers l’histoire complexe des filiations textuelles, nous voyons les nombreuses copies et éditions essayant d’établir une sorte de dialogue avec un texte source virtuel et en quelque sorte aussi le transcender. Par exemple, nous savons grâce au texte retransmis que le traité contenait des illustrations (dont une, une rose des vents semble s’être perpétuée), mais celles-ci restent perdues … et ces images fantômes, alliées au texte existant, engendreront la fantaisie et l’impulsion créatrice de générations ultérieures de scribes et lecteurs, savants comme hommes du métier, les architectes.

Oxford BL, Auct. F.5.7 (Exemplaire de Pétrarque)

Oxford BL, Auct. F.5.7 (Exemplaire de Pétrarque)

Nous notons la transformation matérielle à travers les temps. Ecrit sur des rouleaux de papyrus vers les années 33 à 22 av. J.C., nous retrouvons le traité de Vitruve à l’époque carolingienne sur parchemin dans le fameux manuscrit MS Harleianus 2767, probablement commandité par Charlemagne et qui représente la plus ancienne copie existante de notre texte. Le traité n’est donc pas tout à fait inconnu au Moyen Âge. Il sera surtout mis en mire de façon plus intensive par les humanistes italiens, notamment Boccace et Pétrarque. De ce dernier nous avons un manuscrit annoté de sa propre main (vers 1350), aujourd’hui conservé à la Bodleian Library à Oxford. Une réception profonde du texte débuta avec l’humaniste florentin Poggio Bracciolini, qui découvrit en 1416 un exemplaire du texte dans la fameuse bibliothèque de St. Galle, en Suisse.  Et, bien-sûr, ce sera l’époque de la Renaissance où le texte jouera un rôle éminent, notamment en Italie aux 15e et 16e siècles, et aussi encore plus tard au 17e (par exemple sous Louis XIV avec la grande édition illustrée et traduction de Claude Perrault en 1673). En Italie, tous les grands noms de l’architecture se retrouvèrent en contact avec et autour de ce texte canonique, donnant un accès à l’art de construire de l’antiquité classique et apportant beaucoup d’énigmes aussi: Alberti, Bramante, Cesare Cesariano, Raphael, Antonio da Sangallo le jeune et Leonardo da Vinci pour en nommer que quelques-uns. Plusieurs d’entre eux essayèrent de traduire le texte ou de le faire traduire en italien (et l’illustrer), comme Cesariano, Raphael ou Antonio da Sangallo.

Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486],

Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486],

Avec l’apparition de l’imprimerie vers le milieu du 15e siècle une autre forme de matérialité de la transmission du savoir et de la diffusion des idées émergera, avec un autre support (le papier), une nouvelle vélocité et moins onéreuse que le parchemin écrit à la main. Il ne surprend donc pas que le texte de Vitruve soit lui aussi rapidement arrivé dans les officines, et cela peu après le début de cette invention. Comme avec beaucoup d’autres écrits, une comparaison avec la Bible ne serait pas exagérée, c’est grâce à l’imprimerie que les Dix livres d’architecture vitruviens vont pouvoir se répandre comme un feu à travers l’Europe, ouvrant ainsi le texte pour des couches de lecteurs diversifiées, dont aussi les architectes, loin du monde plutôt fermé des savants et hommes de lettres.

Une première édition sera éditée par Giovanni Sulpizio da Veroli et publiée à Rome vers 1486 (l’identité de l’imprimeur est incertaine). Cette édition est un point charnière en ce qui concerne l’histoire de la transmission du texte de Vitruve dans le cadre du changement médiatique et aussi pour l’étude paratextuelle: je la qualifierai de seuil, un objet délibérément non clos, faisant une offre, une proposition à ses lecteurs et dont l’éditeur est conscient des limites et des fautes. La mise en page est toute dans la tradition du livre médiéval, laissant de larges marges – et ceci délibérément comme le révèle Sulpizio dans sa lettre au lecteur. Il explique qu’il a laissé de larges marges et de la place libre pour que des lecteurs plus compétents que lui puissent y faire leurs ajouts et corrections et bien sûr aussi y ajouter les illustrations lorsqu’il y en aura. Voici donc un support où texte et paratextes sont conçus comme compléments, et les lecteurs sont appelés à se joindre à un effort collaboratif de la reconstruction du texte original et aussi à en faire son exégèse.

Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486], Ms Corsini 50. F.1, (Exemplaire de Giovanni Battista da Sangallo)

Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486], Ms Corsini 50. F.1, (Exemplaire de Giovanni Battista da Sangallo)

Une des copies de ce texte tombera sur un sol propice: dans les mains de Giovanni Battista da Sangallo, dit il Gobbo ‘le bossu’ (1496–1548), qui en fera un usage intensif, étalé sur plus de vingt ans d’utilisation – Sangallo y introduira des feuillets supplémentaires destinés à recueillir ses notes et dessins. Je ne peux ici aller dans les détails, mais nous y trouvons toutes sortes de variantes paratextuelles : l’ajout des titres des livres pour s’y retrouver dans cette incunable non paginée, des corrections de textes, des traces du travail de décodage du texte entrepris par un lecteur ne maitrisant pas vraiment le latin classique, des essais de traduction et bien sur des dessins, beaucoup de dessins – nous y trouvons des gloses textuelles et figuratives, et aussi parfois des mésinterprétations, ainsi que des remarques du lecteur sur ses propres annotations et dessins (“non sta bene”, “questo mi piace”). piace”). Malheureusement ce codex n’est pas (encore) accessible en ligne, mais seulement sous forme d’un facsimile imprimé.

Sans les notes de ce lecteur attentif – et sans les notes et traces dans les autres manuscrits et imprimés vitruviens de l’époque– nous saurions beaucoup moins sur la conception de l’architecture de l’Antiquité par les artistes et architectes de la Renaissance, une conception qui va aussi influencer leur façon de bâtir et concevoir l’architecture. L’impact vitruvien est tangible non seulement à travers l’histoire de transmission de son texte, mais aussi dans le travail concret des architectes de l’époque. Vitruve y laisse ses traces, par exemple aussi dans les croquis des artistes et architectes et les paratextes qu’ils y insèrent. Ainsi, un autre Sangallo, Antonio da Sangallo le jeune (le frère de Giovanni Battista), note à côté d’une de ses ébauches pour un portail ionique: “Non sta bene fu delle prime io facesse / non avea anchora inteso vitruvio / bene” (“Ce n’est pas bien, c’était un des premiers que j’ai faits; je n’avais pas encore bien compris Vitruve”).[i]
En fait ce serait un très beau projet de recherche interdisciplinaire d’étudier la réception de l’architecture à la Renaissance et à l’époque baroque bar le biais des inscriptions paratextuelles et autres traces laissés par les lecteurs dans les traités et dessins d’architecture, une idée que j’aimerais approfondir lors de ma conférence ce soir à Paris à l’EPHE/INHA.

Littérature (un petit choix)

Frédérique Lemerle – Yves Pauwels, Portail Architectura. Architecture, Textes, Images. XVIe et XVIIe siècles, Centre d’études supérieures de la Renaissance, Tours (http://architectura.cesr.univ-tours.fr/)

Claudine Moulin, Fascinating Margins. Towards a Cultural History of Annotation (02/2013, http://annotatio.hypotheses.org/93)

Vitruvius Pollio, Ten Books on Architecture: The Corsini Incunabulum with the annotations and autograph drawings of Giovanni Battista da Sangallo. Edited, with an introductory essay, by Ingrid D. Rowland , Rome: Edizioni dell’Elefante, 2003 (avec une introduction qui donne un aperçu sur les contextes historiques et une courte édtion des annotations)

et … merci à Georg Schelbert (@schelbertgeorg) et à sa profonde connaissance de l’oeuvre de la famille Sangallo.

[i] Il s’agit d’un dessin datant environ de 1527 qu’Antonio avait érigé dans les années 1510 (Florence, Gabinetto dei Disegni e Stampe dei Uffizi 989 recto); le portail ionique est décrit chez Vitruve dans le quatrième livre (IV, 6, 3–4).

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/222

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Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) et l’architecture

Georg Philipp Harsdörffer (1607 – 1658) est un des grands savants et médiateurs culturels de l`époque baroque dans les domaines de la philologie et des arts. Issu d’une famille noble du patriciat de Nuremberg, Harsdörffer fit des études juridiques et forgea son esprit d’homme lettré et érudit lors de son “Grand Tour” aux Pays-Bas, en France, en Angleterre,  en Suisse et en Italie. Surtout la culture et la littérature de l’Italie et de la France exercèrent sur lui une grande influence. De retour à Nuremberg, Harsdörffer y exerça non seulement des hautes fonctions publiques, mais il concentra aussi ses activités dans le domaine de la littérature, des langues, des arts, de la musicologie, des sciences mécaniques, de la compilation encyclopédique et de la traduction. Il fut membre de plusieurs sociétés littéraires, notamment de la célèbre Fruchtbringende Gesellschaft (« Société des Fructifiants »), fondée en 1607 par Louis de Anhalt-Köthen sur le modèle italien de l’Accademia de la Crusca.

Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658)

Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658)

Harsdörffer fonda lui-même à Nuremberg le Pegnesischer Blumenorden (« Ordre des Fleurs de la Pegnitz»). Avec ses écrits et ses activités sociétales Harsdörffer sera une des principales figures de l’échange culturel dans l’Europe du XVIIe siècle. Cette personnalité baroque a été beaucoup étudiée dans le cadre de la recherche en philologie, aussi bien du point de vue de la littérature que de la linguistique, depuis quelques années cet auteur est aussi dans le point de mire d’autres disciplines, notamment de la musicologie et de l’histoire de l’art, mais jusqu’á présent moins dans le domaine de l’histoire de l’architecture. C’est cet aspect que je soulignerai lors d’une conférence à l’EPHE/Sorbonne à Paris aujourd’hui.

G. Ph. Harsdörffer, Specimen Philologiae Germanicae, Nuremberg 1646

G. Ph. Harsdörffer, Specimen Philologiae Germanicae, Nuremberg 1646

Harsdörffer fait non seulement usage de métaphores architecturales pour expliquer son système linguistique et sa conception de la langue allemande (cf. Moulin 2011), comme par exemple dans la gravure de page de titre de son Specimen philoogiae germanicae paru en 1646.

A côté de cet emploi de l’architecture comme instrument métaphorique dans la pensée linguistique, Harsdörffer réfléchit aussi directement sur l’architecture, entre autres dans ses deux grandes œuvres encyclopédiques et récréatives, les Deliciae physico-mathematicae et les Jeux de Conversation pour Dames (Frauenzimmer Gesprächsspiele, = FZG). Dans ces deux ouvrages il désigne l’architecture comme le plus grand de tous les arts, comme le „allernohtwendigste zu deß Menschen Leben“ (Delitiae, II, 531; “le plus indispensable à la vie de l’homme”). Dans les Jeux de Conversation, Harsdörffer indique que „Vnter allen Sachen/ welche Menschen Sinn erfunden/ ist keine der Göttlichen Allmacht gleichständiger/ als das kunstrichtige Gebäu“ (FZG VIII, 432; “De toutes les choses que l’esprit humain a inventé il n’y en a aucun qui soit plus semblable à la puissance divine que l’édifice architectural construit selon les règles de l’art”). L’architecte est vu comme une personne érudite avec des connaissances profondes dans les autres arts et sciences et c’est à lui qu’incombe un rôle central dans le processus de la création artistique. Harsdörffer note „Der Baumeister ordnet alles nach seinem Wolfallen/ nachdeme ihn seine Kunst anweiset“ (FZG, VIII, 434; “L’architecte ordonne tout selon sa satisfaction, comme son art lui indique de faire”).

Dans ses ouvrages, Harsdörffer nous donne un tour d’ensemble de l’architecture telle qu’il la vue lui-même lors de son Grand Tour mais aussi en se basant – compilateur qu’il est – sur les topoi classiques et des nombreuses sources, notamment antiques, italiennes mais aussi allemandes. Les questions traitées vont de considérations générales, culturelles et artistiques jusqu’à des domaines plus techniques dans les Deliciae Physico-Mathematicae, dont les textes et les exercices posés essaient de garder un caractère divertissant.

Der Schauplatz ("Le théâtre"), FZG VI

Der Schauplatz (“Le théâtre”), FZG VI

Intéressant pour nous est aussi la conception du théâtre en tant que bâtiment que Harsdörffer laisse naître dans les Jeux de Conversation pour dames au fil d’une discussion entre ses protagonistes, accompagné d’illustrations qui déclinent les différentes possibilités de l’architecture et du décor de la scène (FZG VI, “Der Schauplatz”), le théâtre étant divisé en trois parties: le rideau, la scène elle-même et le recouvrement du plafond. Nous y trouvons des réminiscences avec l’architecte italien Sebastiano Serlio (Libro …d’architettura, deuxième livre, Venise 1566).

Les Cinq ordres (Deliciae, III, p 428)

Les Cinq ordres (Deliciae, III, p 428) 

 

Dans les Delitiae physico-mathematicae Harsdörffer divise l’architecture comme le veut la tradition en architecture civile et l’architecture martiale. Les Delitiae thématisent toutes sortes de questions architecturales, par exemple des problèmes concrets de construction, ou la Tour de Pise, les fortifications, les ponts, les palais et la construction de chambres où l’on peut écouter les autres et bien-sûr les cinq ordres (de colonnes). Il mentionne comme sources et ouvrages de référence les grands noms et œuvres topiques de l’architecture de la Renaissance comme l’édition de Vitruve par Guillaume Philandrier (1505-1563), Gaudenzio Merula (1500-1555), Diego Sagredo (ca. 1490- ca.1528), Leon Battista Alberti (1404-1472), Sebastiano Serlio (1475-1554), Giacomo Barozzi da Vignola (1507-1573).

"Alle Theile der Seulen Teutsche nennen" (Deliciae, II, p.541)

“Alle Theile der Seulen Teutsche nennen” (Deliciae, II, p.541) 

 

Un fil rouge dans tous les écrits harsdörfferiens sur l’architecture est celui de la terminologie, est c’est ceci qui m’intéresse aussi en tant que linguistique. En analysant les Delitiae j’ai par exemple remarqué que la terminologie étrangère (notamment latine) va diminuer, par exemple dans les registres en fin des volumes. En plus, Harsdörffer consacra beaucoup de pages à des réflexions sur la façon de transposer le vocabulaire architectural en allemand, quitte à donner deux variantes par exemple pour pyramis mit „Seulspitze/ Flammseule“. Ces observations peuvent servir à répondre in nuce à la question comment le vocabulaire architectural s’est forgé en allemand à l’époque baroque, et à partir de quand il s’est établi dans les traités d’architecture en Allemagne, une piste que nous suivons à mon institut à Trèves également pour l’architecte allemand Joseph Furttenbach l’ancien (1591-1667).

Ces travaux de recherche ne pourront se faire que dans un contexte interdisciplinaire, et c’est pourquoi je suis très heureuse de pouvoir partager mes analyses et résultats de recherche avec les étudiants en Histoire de l’Architecture de l’EPHE ce semestre dans le cadre d’une invitation comme professeur invitée auprès de ma collègue Sabine Frommel. On pourrait ainsi envisager de créer une base de données numérique et un portail de recherche documentant le vocabulaire d’architecture à la Renaissance et à l’époque baroque à partir des sources, c’est-à-dire les imprimés et manuscrits originaux, conçue véritablement pour un travail interdisciplinaire, et non dans la tour d’ivoire d’une seule discipline. Une telle banque de données aiderait les chercheurs en histoire de l’architecture à mieux comprendre les documents originaux et les historiens de la langue à découvrir et analyser le processus de formation de vocabulaire spécifiques aux différents pays et cultures.

Littérature (choix de quelques titres):

Georg Philipp Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele, I-VIII, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1643-1649, Tübingen 1968

Georg Philipp Harsdörffer, Kunsverständiger Discurs, Von der edlen Mahlerey, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1653, Heidelberg 2008

Georg Philipp Harsdörffer, Specimen Philologiæ Germanicæ, Nürnberg, Wolfgang Endter 1646 (VD17 3:609293B)

Georg Philipp Harsdörffer – Daniel Schwenter, Deliciae Physico-Mathematicae oder Mathematische und Philosophische Erquickstunden, I-III, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1636-1653, Frankfurt/M. 1990-1991

Jean-Daniel Krebs, Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658). Poétique et Poésie, I-II, Bern et al. 1983

Claudine Moulin, Grammatische Architekturen. Zur Konstitution von metasprachlichem Wissen in der Frühen Neuzeit, in: S. Frommel – G. Kamecke (dir.), Les sciences et leurs langages: Artifices et adoptions, Rome 2011, p. 25-44

Verzeichnis der Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17): www.vd17.de

Die Fruchtbringende Gesellschaft: http://www.die-fruchtbringende-gesellschaft.de (avec des liens vers les oeuvres de Harsdörffer accessibles en ligne)

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/212

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Fascinating Margins. Towards a Cultural History of Annotation


Stadtbibliothek Trier, Stadtbibliothek Trier Hs. 1093/1694 [früher 1464] (Prudentius) fol1v

In the past twenty-five years, hundreds of Medieval manuscripts have lain in front of me in many libraries of the world, and my fascination (and love) for them has not diminished, on the contrary. My primary research topic, vernacular, medieval glosses, brought me to study intensively the life of the margins, interlinea and flyleaves of manuscripts and books– one could say to investigate their other, secondary and partially hidden life. In fact, during my research time at the Bodleian Library in Oxford, I had a nickname, “The Lady with the Lamp”, because of my sitting hours for hours, bending over manuscripts with a torch and a magnifying glass – preferably next to a window with natural light. Up to now, this is the best method for deciphering difficult marginal inscriptions, especially when they are not written with ink, but scratched with a dry point stylus in the parchment pages. Of course, one needs a lot of patience (and passion) for this sort of exercise, and it does have something of a Zen practice, bringing calm and a sense of timeless infinity in you.

Marginalia in books became a genuine research topic for me, not only from the point of view of their importance for medieval philology – but as an essential cultural writing practice that we all know of and practice in our everyday life. In dealing with writing habits, apparently an almost natural compulsion or an urge to annotate can be noticed: C’est plus fort que soi, we just can’t help it. The French library scholar Daniel Ferrer characterizes this internal compulsion as a libido marginalium,[i] author Charles Simic points out „with which demonic obsession we cover the immaculate pages of our books with underlinings and scribblings“,[ii] and continues „Wheresoever I read, I of course need a pencil“.[iii]

A French speaking reader annotating Nietzsche (in French and German)

All in all, a larger book project emerged out of my interest in this topic, dealing with this special aspect of written culture through time, namely the writing and drawing of marginalia in texts and books. These annotations and other reading traces play a special role from the point of view of cultural and linguistic history, yet, up to now, they have not been analyzed in a greater context regarding their functional means as well as their textual and material tradition. On the one hand, these “paratexts” (Gérard Genette) belong to the rare witnesses of the historic and factual use and reception of books. Mark-ups in books help to answer the question by whom, when and why texts were read. Moreover, they uncover the process of knowledge acquisition and knowledge transmission throughout the ages. On the other hand, annotations are also closely linked to the materiality of the text, and a wide variety of layout strategies and inscription types can be identified. These will undergo further transformations following the medial change of letterpress printing and the digital world which will also result in the creation of new paratextual practices. My book project aims to study the cultural and historic dimension of annotating texts taking into account wide ranging interdisciplinary aspects. The typology of the wide variety of annotations which are in evidence since the Early Middle Ages will be analyzed. Furthermore, the annotations’ changes, transformations and tradition lines up to the modern digital age will be identified. The main focus of the research project lies on the diachronic analysis of the European tradition of annotations. However, the project will also draw a comparison between the European tradition and that of other written cultures, especially in Arabic and Asian areas.

A substantial corpus documenting annotation practices has already come together, and I hope to work on the project intensively in the next two years. Of course, I would be very grateful for further hints and thrilled about curious or unusual annotation practices my readers here have come across when reading or looking at manuscripts and books.

PS. After posting this blog I opened Twitter, and saw a cat walking through a manuscript (via @ttasovac, merci!)

Further reading:
Gérard Genette, Seuils, Paris 1987

Falko Klaes – Claudine Moulin, Wissensraum Glossen: Zur Erschließung der althochdeutschen Glossen zu Hrabanus Maurus, Archa Verbi 4 (2007) p. 68-89

Claudine Moulin, Zwischenzeichen. Die sprach- und kulturhistorische Bedeutung der Glossen, in: Rolf Bergmann und Stefanie Stricker (Hrsg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Ein Handbuch, Bd. 2, Berlin und  New York: Walter de Gruyter  2009, p. 1658-1676

Claudine Moulin, Am Rande der Blätter. Gebrauchsspuren, Glossen und Annotationen in Handschriften und Büchern aus kulturhistorischer Perspektive, in: Autorenbibliotheken, Bibliothèques d’auteurs, Biblioteche d’autore, Bibliotecas d’autur, Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31 (2010) p. 19-26

See also the Project “Kulturgeschichtliche Erschließung der volkssprachigen Glossenüberlieferung des Mittelalters“, Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum (HKFZ), University of Trier
and the Portal “Althochdeutsche und Altsächsische Glossen“, University of Bamberg.

[i] Introduction. «Un imperceptible trait de gomme de tragacanthe …», in: Paolo D’Iorio – Daniel Ferrer (Ed.), Bibliothèques d’écrivains, Paris: CNRS Éditions 2001, p. 13.

[ii] «mit welcher Besessenheit wir die makellosen Seiten unserer Bücher mit Unterstreichungen und Kritzeleien bedecken», in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung,  213 (15. Oktober 2008), p. 33.

[iii] „Wo auch immer ich lese, brauche ich natürlich einen Bleistift.“, in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung,  213 (15. Oktober 2008), p. 33.

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/93

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Der mittelalterliche Codex im virtuellen Raum – Zur Rekonstruktion der Bibliothek der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier

Die Benediktinerabtei St. Matthias enthielt eine der bedeutenden Skriptorien und Bibliotheken des Mittelalters. Der Bestand ist nicht nur für die Theologie, Geschichte und Altphilologie von zentraler Bedeutung, sondern auch für die Kunstgeschichte, Musikgeschichte, Medizin und Germanistik. Für letzteren Bereich ist eine bedeutende volkssprachige Überlieferung zu verzeichnen, die uns in den Beginn der Geschichte der vernakularen Sprachen im mittelalterlichen Europa führt, und deren textliche Vielfalt unter anderem Zaubersprüche, Segen, Glossen und kleinere Texte umfasst. Zusammen mit der althochdeutschen und altenglischen Überlieferung des nahe gelegenen Klosters Echternach bilden die Bestände aus St. Matthias eine einmalige Überlieferung im Bereich der Handschriftenkulturen des Mittelalters, insbesondere auch für den moselfränkischen Raum.

http://dfg-viewer.de/tei-prototyp/?set[image]=7&set[zoom]=min&set[debug]=0&set[double]=0&set[mets]=http%3A%2F%2Fzimks68.uni-trier.de%2Fstmatthias%2FT2229%2FT2229-digitalisat.xml

StB Trier Hs 2229/1751 8°, Abschrift des Kataloges aus dem 16 Jh.

Ziel des Projekts “Virtuelles Skriptorium St. Matthias” ist es, die überlieferten Handschriften aus St. Matthias zu digitalisieren und damit den mittelalterlichen Bestand virtuell zu rekonstruieren. Insgesamt umfasst der erhaltene Bestand etwa 500 Kodizes, die weltweit auf ca. 25 Standorte verteilt sind. Der weitaus überwiegende Anteil (etwa 400 Handschriften) liegt in Trier, und zwar in der Stadtbibliothek und in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars.
Insgesamt ordnet sich das Projekt in einen größeren Zusammenhang ein, in dem seit der letzten Dekade europaweit mittelalterliche Bibliotheken und Archive virtuell erfasst, dokumentiert bzw. rekonstruiert werden (siehe auch die Übersicht der relevanten Vorhaben von Klaus Graf). Eine solche rekonstruierte, virtuelle Bibliothek wird es ermöglichen, das geistige Profil und den “Wissensraum” wichtiger mittelalterlicher Bildungszentren zu erforschen und auch durch die Rekonstruktion selber auch neue Einblicke in die Produktions- und Rezeptionsbedingungen der jeweiligen Bestände zu geben.

Aus der Arbeit des Projekts zu St. Matthias ist auch das BMBF geförderte Projekt „eCodicology. Algorithmen zum automatischen Tagging
mittelalterlicher Handschriften“ entstanden, in dem Methoden und Software entwickelt werden, die u. a. die automatische Messung, Speicherung und Analyse von makro- und mikrostrukturelle Elementen digitalisierter Handschriftenseiten ermöglicht und in den Metadaten ablegt. Unter anderem sollen metrische Daten wie etwa Blattgröße, Schriftraumgröße, Zeilenzahl, Bildfelder, Überschriften, Register, Paratexte, Marginalien, Randzeichnungen, Verhältnis von Bildraum und Textraum erhoben sowie statistisch und qualitativ ausgewertet werden. Das Projekt wird im Jahr 2013 starten (Projektpartner TU Darmstadt, Universität Trier/Trier Center for Digital Humanities, Stadtbibliotheik Trier und KIT Karlsruhe).


Psalterium StBTrier HS7/9 8° s. X

Am 18. und 19. Januar 2013 organisieren wir eine internationale Tagung in Trier, die sich dem Thema „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ widmet. Es werden verschiedene Vorhaben, die sich im Bereich der Digital Humanities der Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheksbestände widmen, vorgestellt sowie konkrete Falleispiele erörtert, die aufzeigen, wie diese Bestände wissenschaftlich genutzt werden können. Darüber hinaus rücken unterschiedliche Anbindungsmöglichkeiten in größere Datenrepositorien, Handschriftenportale oder Verbundprojekte (wie etwa TextGrid, Dariah, eCodicology, Manuscripta mediaevalia) in den Fokus sowie auch rechtliche Aspekte wie etwa die Lizenzvergabe (im Rahmen der Erfahrungen mit Europeana). Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Kulturgeschichte, der Kunstgeschichte, den Philologien und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Die Tagung wird vom Historisch-Kulturwissenschaftlichen Zentrum (HKFZ Trier) gefördert und findet in der Abtei St. Matthias sowie in der Stadtbibliothek Trier statt. Das Programm ist hier einsehbar.

Gleichzeitig zur Tagung erscheint ein Sammelband über berühmte Handschriften aus St. Matthias, der auf eine Vortragsreihe der St. Matthias Stiftung und der Stadtbibliothek Trier  zurückgeht. Der Band enthält ferner ein von Reiner Nolden erarbeitetes Verzeichnis der Urkundenausfertigungen der Abtei St. Eucharius/St. Matthias.
Michael Embach/ Claudine Moulin (Hg.): Die Bibliothek der Abtei St. Matthias in Trier – von der mittelalterlichen Schreibstube zum virtuellen Skriptorium: Mit einem Verzeichnis der Mattheiser Urkunden im Stadtarchiv Trier, Trier 2013

Literaturhinweise und Links:

Petrus Becker: Die Benediktinerabtei St. Eucharius – St. Matthias vor Trier (Germania Sacra, Neue Folge 34: Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Das Erzbistum Trier 8), Berlin, New York 1996

Michael Embach, Claudine Moulin, Andrea Rapp: Die mittelalterliche Bibliothek als digitaler Wissensraum: Zur virtuellen Rekonstruktion der Bibliothek von Trier-St. Matthias, in: Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Festschrift für Kurt Gärtner zum 75. Geburtstag. Herausgegeben von Ralf Plate und Martin Schubert, Berlin 2011, S. 486-497

Falko Klaes, Trierer Glossenhandschriften, in: Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Hrsg. von Rolf Bergmann und Stephanie Stricker. Berlin – New York 2009, S. 1279-1296

Sabine Scholzen – Philipp Vanscheidt,  “Das Virtuelle Skriptorium St. Matthias”, in: Libri Pretiosi 14 (2011), S. 67-72

Von Artikeln bis zu Zaubersprüchen. Die ältesten deutschsprachigen Texte der Stadtbibliothek Trier (Studentisches Projekt, Universität Trier, FBII/ Ältere Deutsche Philologie, Leitung: Falko Klaes)

Website DFG-Projekt  Virtuelles Skriptorium St. Matthias

Das Projekt wird an der Universität Trier und der Stadtbibliothek Trier durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Claudine Moulin und Prof. Dr. Andrea Rapp (jetzt Technische Universität Darmstadt) sowie bei Prof. Dr. Michael Embach (Stadtbibliothek Trier). Wissenschaftliche Mitarbeiter sind Sabine Philippi (Stadtbibliothek Trier) und Philipp Vanscheidt (Universität Trier/ Technische Universität Darmstadt). Kooperationspartner sind die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier, das Trier Center for Digital Humanities, Manuscripta mediaevalia und TextGrid.

 

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/59

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Tagung: Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken

Bei der Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, Bestände mittelalterlicher Bibliotheken, die heute weltweit zerstreut sein können, digital zusammenzuführen und zu erschließen. Auch werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Bestände wissenschaftlich zu nutzen und die vorhandenen Daten und Metadaten in übergreifende Portale einzuspeisen. Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Veranstalter: Universität Trier, Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum Trier, Technische Universität Darmstadt, Stadtbibliothek/Stadtarchiv Trier Datum: [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1799

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Cartul@rium – Historische und linguistische Grenzpendler: Mittelalterliche Urkunden in der Großregion

Vor etwa drei Jahren sind auf Initiative der französischen Mittelalterhistorikerin Hélène Schneider (MSH, Universität Nancy) eine Handvoll Forscherinnen und Forscher zusammengekommen, um sich der unglaublich reichhaltigen mittelalterlichen Urkundenüberlieferung der Großregion zu widmen. Diese Region, die Luxemburg, Lothringen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Wallonien umfasst, ist, insgesamt betrachtet, seit vielen Jahrhunderten zweisprachig und bietet manche historische und linguistische Forschungsnuss, die es zu knacken gilt.

Das Vorhaben war ursprünglich als Pilotprojekt im Rahmen der Universität der Großregion konzipiert und wird durch die Idee der Interdisziplinarität sowie die dezidierte Arbeit an der Überlieferung selber getragen. Wie würden Historiker und Linguisten an den gleichen Quellen, die zum Teil noch ungehoben sind, interagieren? Wie miteinander darüber sprechen, geschweige denn diese so edieren, dass alle Disziplinen zufrieden sind? Es stellte sich schnell heraus, dass man diese Quellen nur gemeinsam verstehen und erschließen kann, und auch zunächst eine gemeinsame Sprache finden muss – eigentlich zwei gemeinsame Sprachen, deutsch und französisch. Eine der ersten Herausforderungen war es, gemeinsame Transkriptionsregeln zu entwickeln, die sowohl Historiker als auch Linguisten zufriedenstellen. Die einen normalisieren nämlich gerne, die anderen möchten am liebsten alle Schreibungen so dokumentieren, wie sie da in den Originalen stehen. Aus den Diskussionen entstanden eine Sensibilisierung und ein gegenseitiges Verständnis der Disziplinen füreinander, und so wurden dank der digitalen Technologien unterschiedliche Transkriptionstiefen erreicht.

Inzwischen sind an dieser Partnerschaft dreizehn Forscher beteiligt, Historiker sowie Germanisten und Romanisten, Doktoranden, Post-Docs, Forscher und Universitätsprofessoren – und alle hat die selber Neugierde und Faszination gepackt. Sie stammen u. a. aus dem Laboratoire d’Histoire der Universität Luxemburg, dem Centre de Médiévistique Jean Schneider et dem Centre d’Etudes Germaniques der Université de Lorraine, der Germanistik/Älteren Deutschen Philologie der Universität Trier (mitsamt Anbindung an das Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum HKFZ Trier) sowie dem Institut für Mittelalterliche Geschichte der Université Catholique de Louvain-la-Neuve. Das internationale Team arbeitet an eine gemeinsame Methodologie, die auch die Digital Humanities mit einbezieht. Die Analysen der Archivalien sollen sowohl auf historischer als auch linguistischer Basis möglich sein; ferner wurde eine Datenbank (entwickelt durch das ATILF/CNRS Nancy) entworfen, die die Erschließung der unterschiedlichen Fragestellungen unterstützen soll.

Die Leitidee des Projekts ist die Untersuchung des politischen, kulturellen Raumes der Großregion am Ende des Mittelalters. Sie gibt dazu Anlass, zwischen den Sprachen zu denken (« penser entre les langues »), um eine Formulierung eines vor kurzem erschienenen Buches von Heinz Wismann zu aufzugreifen.

Das Quellenkorpus des Forschungsprojekts wird gebildet durch Archivalien aus den fürstlichen Kanzleien der Herzogtümer von Lothringen und Luxembourg sowie derjenigen des Erzbistums Trier als Vergleichsebene. Wir haben es mit einer spannenden Zeit zu tun: dem 13. bis 15. Jahrhundert. Die Einflussbereiche politischer Mächte und die germanisch-romanische Sprachgrenze greifen hier vielfältig ineinander und bilden einen politisch-linguistischen Raum, der so mehrschichtig ist, dass man ihn kaum kartographisch darstellen kann. Die Wirrnisse der Zeit, insbesondere der Hundertjährige Krieg und die Pest, haben zu einer Übergangsphase zwischen den bis dahin dominierenden Feudalstrukturen und der modernen Staatenbildung geführt: die Archivalien sind dabei deren erste unmittelbare Zeugen, die es zu erschließen gilt.

Neben der gezielten Sammlung der Archivalien, die über die Großregion und Europa verstreut sind, steht die Erschließung dieser Quellen aus historischer und juristischer Sicht sowie auf der sprachlichen Ebene im Vordergrund. Diese Analyse führt zu einer vergleichenden Reflektion über die Fürstentümer, die Lehnsherrschaften und deren Praktiken, und zwar auch im Hinblick auf den Sprachwechsel und den Wortschatz. So begegnet etwa in französischen Urkunden das deutsche Lehnwort Burgfried, während in deutschsprachigen Urkunden etwa der französische Terminus denumerment (‘Aufzählung’) steht.


http://www.cartularium.msh-lorraine.eu/

Auf dieser Hintergrundfolie wurde beschlossen, sowohl eine systematische Datenbank der fürstlichen Urkunden als auch thematische Dossiers zu erstellen. Ein erstes Projektergebnis ist die digitale, zweisprachige Forschungsplattform Cartul@rium. Das Portal ist als Brückenschlag in der Forschung der Grande Région zu verstehen, und zwar nicht nur zwischen den Geisteswissenschaften und den neuen Technologien, sondern auch zwischen den Forschern und der Öffentlichkeit.

Das Portal enthält unter anderem eine detaillierte Bibliographie, die die Geschichte der Fürstentümer in der Grande Région und die entsprechenden Arbeitsinstrumente erschließt. Es stellt ferner zwei didaktische Anleitungen zur mittelalterlichen Handschriftenkunde zur Verfügung (romanisch und germanisch), die Studierende und Laien bei der Entzifferung der Urkunden behilflich sein soll. Und drittens will es in Zukunft die Siegel dieser Urkunden stärker berücksichtigen. Diese stellen eine vielfältige, oft unterschätzte Quelle u.a. für die Kunstgeschichte, die Sozialgeschichte und die politische Geschichte der Großregion dar. Siegel haben einen intensiven emblematischen Wert, neben dem die heutigen Geschäftslogos geradezu verblassen. Dieses Kulturgut ist unersetzlich, aber in großer Gefahr. Die digitale Erfassung stellt somit auch einen bewussten Akt der Kulturpflege dar.

Das Projekt wurde am 18. Oktober 2012 mit dem zweiten Interregionalen Wissenschaftspreis 2012 ausgezeichnet.

Weiterführende Literatur:

Claudine Moulin, Zeichen und ihre Deutung. Zum handschriftennahen Edieren schriftlicher Quellen in interdisziplinärem Kontext, in: Claudine Moulin – Michel Pauly, Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg. Unter Mitarbeit von Andreas Gniffke, Danièle Kass, Fausto Ravida und Nikolaus Ruge, VI, Luxembourg 2012, S. 9-17

Hélène Say – Hélène Schneider (Hg.), Le duc de Lorraine René II et la construction d’un état princier. Actes de la journée d’étude organisée à l’occasion du 500e anniversaire de la mort de René II, à Nancy (archives départementales de Meurthe-et-Moselle), le 12 décembre 2008, Lotharingia XVI, 2010

Heinz Wismann, Penser entre les langues, Paris 2012

Quelle: http://annotatio.hypotheses.org/39

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