Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg. Zwischen privater und professioneller Praxis

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

 

Der Zweite Weltkrieg ist trotz der zeitlichen Distanz von fast 75 Jahren wie kein anderer Krieg in der deutschen Erinnerungskultur präsent. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, das bis in die heutige Zeit auf individueller wie kollektiver Ebene von allen Generationen mit ganz bestimmten Bildern assoziiert wird. Diese ausgeprägte visuelle Dimension der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hängt unmittelbar mit dessen historischer Situierung im beginnenden „Visuellen Zeitalter“ zusammen.

Einerseits lieferten professionelle Fotografen im staatlichen Auftrag Aufnahmen, durch die ein einheitlich konstruiertes Bild des Krieges für die Öffentlichkeit entstehen konnte. Die eigens dafür in den „Propagandakompanien“ (PK) zusammengefassten Berufsfotografen begleiteten die Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS und erstellten Material für die Kriegsberichterstattung in den deutschen und neutralen Medien. Ihre vorrangige Prämisse war dabei die gezielte Modellierung einer virtuellen Kriegsrealität, eines gewollten Bild des Krieges, das den Zielen und Zwecken der Staats- und Wehrmachtführung entsprach und der deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden sollte.

Andererseits wurden durch die zahlreichen privat fotografierenden Soldaten sehr viele individuelle Bilder des Krieges konstruiert. Durch diverse technische Neuerungen begünstigt, erreichte das Fotografieren auch im privaten Gebrauch einen Höhepunkt und entwickelte sich in den 1920er-Jahren zu einem alle Gesellschaftsschichten durchdringenden Phänomen. Es zeigte sich, dass Amateure und Knipser gerade auch in der Ausnahmesituation Krieg weiter fotografierten und in ihren Aufnahmen zwischen soldatischer Alltagsfotografie, touristischem Blick und bellizistischer Sensationsfotografie oszillierten. Dabei gestalteten die Soldaten, bewusst wie unbewusst, ihren ganz privaten Bilderkosmos.

Die fotografische Dokumentation der beteiligten deutschen Soldaten soll in der Veranstaltung aus verschiedenen Blickwinkeln (Produktion, Distribution, Rezeption usw.) betrachtet werden, um anschließend einen Vergleich zwischen professioneller und privater Praxis zu versuchen. Der konzipierte Workshop hat damit das Ziel, Dependenzen, Ähnlichkeiten und Differenzen der privaten und professionellen deutschen Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen.

Armin Kille, Tristan Schäfer, Thomas Lienkamp

 

Programm

Freitag, 13.03.2015, 13:00 – 17:30
13:00 Begrüßung
13:15 Einführung – PD Dr. Jens Jäger (Köln)
13:30 Dr. Bernd Boll (Freiburg): Dokument oder Propaganda? Quellenkritische Anmerkungen zum Foto- und Filmmaterial der deutschen Propagandatruppen 1938-1945
14:05 Diskussion
14:35 Pause (15 Min.)
14:50 Dr. Petra Bopp (Hamburg): Das „Millionenheer der Amateurphotographen“ im Zweiten Weltkrieg. Produktion, Distribution und Rezeption von Fotokonvoluten der Wehrmachtsoldaten 1939-1948
15:25 Diskussion
15:55 Pause (35 Min.)
16:30 Prof. Dr. Rolf Sachsse (Saarbrücken): Von „wertvoller Blockadebrecherarbeit“ zum Wunsch, „mit Gewehr und Kamera dienen zu dürfen“. Notizen zur Verschränkung von professioneller und amateurhafter Fotografie im Zweiten Weltkrieg
17:05 Diskussion
17:35 Ende

Samstag, 14.03.2015, 10:00 – 16:30
10:00 Begrüßung / Vorstellungsrunde
10:25 Tristan Schäfer (Köln): Amateurfotografische Fotoalben deutscher Wehrmachtsoldaten zwischen Weltanschauung, Selbstmitteilung und Erinnerung | 10:45 Diskussion
11:10 Pause (10 Min.)
11:20 Armin Kille (Köln): Der Krieg erzählt in Bildern. Fotografien deutscher Soldaten in Feldpostbriefen und Kriegstagebüchern. Ein Fallbeispiel | 11:40 Diskussion
12:05 Olli Kleemola (Turku, Finnland): Sich wiederholende Bilder des Krieges? |12:25 Diskussion
12:50 Pause (60 Min.)
13:50 Thomas Lienkamp (Köln): Die Fotoproduktion der „Heeres-Propagandakompanie 689“. Ein Werkstattbericht | 14:10 Diskussion
14:35 João Franzolin (Flensburg): Die Geschichte der Zeitschrift „Die Wehrmacht” (1936-1944): Publikationsaspekte, Personal, Berichterstattung und Propaganda | 14:55 Diskussion
15:20 Pause (20 Min.)
15:40 Sebastian Kindler (Berlin): Der Einsatz von PK-Fotografen im Krieg gegen die UdSSR. Das Beispiel Benno Wundshammer | 16:00 Diskussion
16:25 Verabschiedung
16:30 Ende

Der Workshop findet statt im Anna-Maria von Schürmann-Raum (3.229), Historisches Institut, im Gebäude Philosophikum (Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln) auf dem Campus der Universität zu Köln.

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/07/deutsche-kriegsfotografie-im-zweiten-weltkrieg-zwischen-privater-und-professioneller-praxis/

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Das historische Bildarchiv im digitalen Zeitalter

Ein Problem derzeitiger Onlineangebote zur Bildrecherche ist ihre Reduktion auf zumeist knappe Aussagen zum Bildinhalt. Hier ein Beispiel aus dem Online-Bildkatalog des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung: Die Montage zeigt zum einen die spärlichen Angaben zur Aufnahme des Epitaphs Johannes Zecks in der Danziger Marienkirche im Bildkatalog, zum anderen eine Zusammenstellung der Zusatzmaterialien, die sowohl im Entstehungs- wie Rezeptionskontext des abgebildeten Fotos stehen und sich ebenfalls in den Sammlungen des Herder-Instituts befinden (Herder-Institut, Bildarchiv: Inv.-Nr. 89629; Dokumentesammlung: Drost 100–75, -19, -20, Bibliothek: 7 IX C4). Das Beispiel macht deutlich, welcher Verlust an Zusatzinformationen eine reine Nutzung der Onlineangebote mit sich bringen kann im Gegensatz zu einer Zusatzrecherche im analogen Archiv.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Fotografie als historische Quelle ernst nehmen, steigern die Ansprüche an das Wissen über die einzelne Bildvorlage. Es geht nicht mehr nur um das abgebildete Objekt oder Geschehen, sondern zunehmend rücken der Entstehungshintergrund und die mögliche Rezeption einer Fotografie ins Zentrum des Interesses.
Fotografien sind faszinierende Quellen, sie können uns einen Eindruck von materiellen Dingen, aber auch Ereignissen vermitteln, wie dies kein Text vermag. Fotografien wirken auf die Betrachtenden in vielschichtiger Weise, sie wirken emotional, und sie verführen allzu leicht, das Abgebildete als wahr und authentisch zu betrachten – schließlich war die fotografierende Person anwesend, also Augenzeuge des auf dem Foto Gezeigten. Fotografien halten einen äußert kurzen Augenblick, einen kleinen Ausschnitt des Geschehenen und des vom Fotografen bzw. der Fotografin Gesehenen für die Nachwelt fest. Dieser kurze mehr oder minder zufällig festgehaltene Moment und Ausschnitt kann nun immer wieder betrachtet sowie verglichen werden und bekommt so eine ungeahnte Bedeutung. Fotografien benötigen häufig begleitende Texte, die uns erst den Zugang zum Bildinhalt ermöglichen. Doch auch diese Texte sind oft problematisch, sie bedürfen einer quellenkritischen Betrachtung wie die Bilder selbst. Fotografien zu betrachten ist zudem ein komplexer Vorgang, bei dem wir zugleich die Bildvorlage und deren Bildinhalt wahrnehmen.

In Zeiten, in denen von der Wissenschaft eine stärkere Kontextualisierung der Bilder eingefordert wird, müssen nicht nur die Auswahlkriterien für die Digitalisierung kritisch reflektiert werden, sondern auch die Modalitäten der Bereitstellung von Bildern im Netz. Wissenschaftliche Bildarchive müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die Informationen, die ein herkömmlicher Archivbesuch bietet (Originale mit Beschriftungen und ursprünglichen Hüllen, fachliche Beratung, Verweise auf weitere Bestände), im Onlinearchiv kompensiert bzw. zu neuen Informationsangeboten ausgebaut werden können.
Viele Fragen mussten in den Archiven geklärt werden bzw. sind einem laufenden Klärungsprozess unterworfen: In welcher Qualität wird digitalisiert? Welche Bestände werden digitalisiert? Wird die Sicherheitsverfilmung mit analogem Fotomaterial weitergeführt? Wie gehen wir mit digital entstandenen Fotografien um? Wie sieht die Langzeitarchivierung in Zukunft aus? Wie soll sich die Bilddatenbank entwickeln?

Seit der Onlineschaltung des Bildkatalogs im Jahr 2005 sind die schriftlichen Anfragen an das Herder-Institut rapide angestiegen, während die Nutzungszahlen im Archiv selbst leicht zurückgehen. Diese Entwicklung sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Selbstverständlich ist es sehr erfreulich, dass unsere Sammlungen von mehr Menschen wahrgenommen werden, gleichzeitig ist das eigene Wissen über die Bestände nicht mehr so gefragt – im Zeitalter des „visual turn“ eine vielleicht bedenkliche Entwicklung.

Ein Problem derzeitiger Onlineangebote zur Bildrecherche ist ihre Reduktion auf zumeist knappe Aussagen zum Bildinhalt. Hier ein Beispiel aus dem Online-Bildkatalog des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung: Die Montage zeigt zum einen die spärlichen Angaben zur Aufnahme des Epitaphs Johannes Zecks in der Danziger Marienkirche im Bildkatalog, zum anderen eine Zusammenstellung der Zusatzmaterialien, die sowohl im Entstehungs- wie Rezeptionskontext des abgebildeten Fotos stehen und sich ebenfalls in den Sammlungen des Herder-Instituts befinden (Herder-Institut, Bildarchiv: Inv.-Nr. 89629; Dokumentesammlung: Drost 100–75, -19, -20, Bibliothek: 7 IX C4). Das Beispiel macht deutlich, welcher Verlust an Zusatzinformationen eine reine Nutzung der Onlineangebote mit sich bringen kann im Gegensatz zu einer Zusatzrecherche im analogen Archiv.

Ein Problem derzeitiger Onlineangebote zur Bildrecherche ist ihre Reduktion auf zumeist knappe Aussagen zum Bildinhalt. Hier ein Beispiel aus dem Online-Bildkatalog des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung: Die Montage zeigt zum einen die spärlichen Angaben zur Aufnahme des Epitaphs Johannes Zecks in der Danziger Marienkirche im Bildkatalog, zum anderen eine Zusammenstellung der Zusatzmaterialien, die sowohl im Entstehungs- wie Rezeptionskontext des abgebildeten Fotos stehen und sich ebenfalls in den Sammlungen des Herder-Instituts befinden (Herder-Institut, Bildarchiv: Inv.-Nr. 89629; Dokumentesammlung: Drost 100–75, -19, -20, Bibliothek: 7 IX C4). Das Beispiel macht deutlich, welcher Verlust an Zusatzinformationen eine reine Nutzung der Onlineangebote mit sich bringen kann im Gegensatz zu einer Zusatzrecherche im analogen Archiv.

Institution: Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft (Projekt: „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“)

Thema: Das historische Bildarchiv im digitalen Zeitalter: Überlieferung, Sammlung und digitale Re-Kontextualisierung

Betreuer: Prof. Dr. Peter Haslinger

Laufzeit: 2012-2015

Quelle: http://www.visual-history.de/?p=301

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