Drei Gehorsamspflichten, vier Tugenden und sieben Scheidungsgründe

Im konfuzianisch geprägten China nahmen Frauen – nicht zuletzt durch die “drei Gehorsamspflichen und die vier Tugenden” (sancong side 三從四德) – im gesellschaftlichen Leben eine sehr untergeordnete Rolle ein. Die “drei Gehorsamspflichten” bestanden gegenüber dem Vater vor der Ehe, gegenüber dem Mann in der Ehe und gegenüber dem Sohn nach dem Tode des Mannes. Unter den “vier Tugenden” verstand man Sittsamkeit, geziemende Sprache und Fleiß.

Im allgemeinen gab es sieben Gründe (qichu 七出), die eine Scheidung rechtfertigten – diese waren seit der Tang-Zeit (618-906) gesetzlich festgelegt[1]:

  • kein männlicher Nachkomme (wu zi 無子)
  • Ehebruch (yinyi 淫佚)
  • Ungehorsam gegenüber den Schwiegereltern (bu shi jiu gu 不事舅姑)
  • Zank, Zwietracht (koushe 口舌) beziehungsweise Geschwätzigkeit (duoyan 多言)
  • Diebstahl (daoqie 盜竊)
  • Neid (duji 妒忌)
  • ansteckende Krankheit (eji 惡疾)

Im Herbst 1900, als die Welt noch ganz im Banne des Entsatzes der während des “Boxeraufstands” belagerten Gesandtschaften in Peking stand, hieß es in der im australischen Perth erscheinenden Zeitung The Inquirer and Commercial News zum ersten dieser sieben Gründe:

In a country where the avowed end of marriage is to raise up a posterity to burn incense at the ancestral graves, it is not strange that ‘childlessness’ should rank first among the grounds for divorce.[2]

Lag keiner dieser sieben Gründe vor, war dem Mann die Scheidung nicht erlaubt. Frauen konnten sich dann scheiden lassen, “wenn ihr Mann ihre Ahnen beschimpft oder ein Mitglied ihrer Sippe ermordet hatte.”[3]

  1. Die “westliche” Sinologie hat sich dieser sieben Gründe früh angenommen; vgl. etwa: William Frederick Mayers: The Chinese Reader’s Manual. A handbook of biographical, historical, mythological, and general literary reference. Reprinted from the Edition of 1874 (London: Probsthain | Shanghai: American Presbyterian Mission Press, 1910) 350 (Nr. 220).
  2. “Seven Grounds for Divorce.” The Inquirer and Commercial News (Perth), Vol. LVIII. No. 3.353, 19 October 1900, S. 1.
  3. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 251 (“Scheidung”).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1095

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Der Söldner Michael Burchardt

Der Werdegang von einfachen Söldnern hat von je her besondere Aufmerksamkeit erregt. Erhofft man sich hier doch konkreten Aufschluß darüber, wie die sog. kleinen Leute den Krieg erlebten. Der prominenteste einfache Söldner ist ohne Zweifel Peter Hagendorf, dessen Schicksal durch sein Tagebuch bekannt geworden ist. Von Michael Burchardt ist zwar kein Selbstzeugnis überliefert, doch aus Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert läßt sich sein Schicksal in Umrissen rekonstruieren.

Geboren im Jahr 1599 zog es ihn offenbar schon in den ersten Kriegsjahren zum Militär. Über seine Konfession erfahren wir explizit nichts, doch als Sohn des Stadtrichters von Jena hing er sicherlich der lutherischen Konfession an. Gleichwohl entschied er sich offenbar bewußt für den Kriegsdienst in der Armee der Katholischen Liga. Hier diente er im Leibregiment Tillys, wurde in einer der Kompagnien Quartiermeister. Er nahm an der Belagerung Magdeburgs teil, kurz darauf quittierte er den Dienst. Dies angeblich aus persönlichen Gründen, doch bald schon nahm er Kriegsdienste beim Herzog von Weimar für Gustav Adolf von Schweden an. Unter Banér kämpfte er dann bei Wittstock mit so großem Einsatz, daß man ihm anbot, Oberstleutnant zu werden. Aus nicht bekannten Gründen lehnte er ab, und im Jahr 1638 schied er endgültig aus dem Kriegsdienst aus.

Wir wissen zu wenig über ihn, um die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen zu erkennen. Warum er überhaupt in den Krieg zog, ist nicht klar. Der Hinweis auf „in ihm steckendes Soldatenblut“ ist wohl eher dem Zeitgeist von 1939 geschuldet, als eine knappe biographische Skizze über Michael Burchardt erschien. Immerhin nahmen auch Michaels ältere Brüder Kriegsdienste an. Daß sein Bruder Samuel ihn zunächst in seiner Kompagnie unterbrachte, ist ein gutes Beispiel für die verwandtschaftlichen Verflechtungen im Militär – beileibe kein Einzelfall, wie es sich auch bei Jan von Werth nachvollziehen läßt, in dessen Windschatten und unter dessen Protektion einige seiner Brüder Kriegsdienste leisteten.

Ob Burchardt wirklich die Armee des Kaisers nur verließ, weil sein Vater auf den Tod erkrankt war, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Denn er taucht doch sehr schnell wieder als Soldat auf, nur eben auf der Seite Gustav Adolfs: Ob er nicht doch der Faszination des „Löwen aus Mitternacht“ erlegen war und nun lieber für die protestantische Sache streiten wollte? Wenn ja, verflog diese Begeisterung in den Folgejahren. Denn einer militärischen Karriere verweigerte er sich, wurde eben nicht Oberstleutnant, sondern Bürger in Salzwedel, wo er eine Familie gründete und noch bis 1671 lebte. So besehen stellt Burchardt eine Instanz für die Söldner dar, die durch den Kriegsdienst keineswegs entwurzelt wurden; vielmehr stellten die Jahre im Militär nur eine Episode in seinem Leben dar und mündeten sehr bewußt in eine zivile Existenz.

Eine knappe Skizze zu Burchardt wurde von Ernst Otto Wentz in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, Bd. 53 (1939), S. 24-27, veröffentlicht. Die Jahresberichte übrigens hat der Verein dankenswerterweise komplett auf seiner Homepage als PDF frei zugänglich gemacht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/430

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“Es gibt immer weniger den Typus des „Missionars“, der seine persönliche Sichtweise in den Vordergrund rückt”


Interview mit Prof. Dr. Carola Richter

Prof. Dr. Carola Richter ist Juniorprofessorin für Internationale Kommunikation an der Freien Universität Berlin. Dort forscht sie zu Mediensystem und Kommunikationskulturen im Nahen Osten, Asien und Afrika. Beim WeberWorldCafé “Bürger, Blogger, Botschafter” am 28. April 2014 wird sie als Expertin zum Thema Mediendiplomatie Frage und Antwort stehen.

Prof. Carola Richter (Foto: privat)

Prof. Dr. Carola Richter (Foto: privat)

In ihrer Forschung setzen Sie sich unter anderem mit der Wirkung der Medien auf Gesellschaften auseinander. Durch mediale Berichterstattung bekommen wir Einsicht in Konflikte in anderen Ländern, die sich vor einem uns oft nicht ausreichend bekannten kulturellen, sozialen und politischen Hintergrund abspielen. Im NDR lief vor einiger Zeit ein spannender Beitrag über die einseitige deutsche Berichterstattung über die Unruhen in der Ukraine, in dem gezeigt wurde, dass in Deutschland fast nur Regierungskritiker zu Wort kommen, allen voran Vitali Klitschko. Andere Kräfte, wie beispielsweise die rechte Swoboda werden dabei außer Acht gelassen. Der  Russische Rundfunk wird oft als „Propagandamaschine Putins“ bezeichnet. Dort  werden die Umstürze in der Ukraine als „faschistischer Putsch“ bezeichnet und so diskreditiert.

Wie kann man mit diesem Dilemma der einseitigen Berichterstattung umgehen?

Der Tenor der Auslandsberichterstattung ist immer abhängig von verschiedenen Faktoren. Dabei spielen einerseits die individuelle Sozialisation der Journalisten, aber auch die so genannte Institutionensphäre – also die politische Ausrichtung der einzelnen Medien und die internen Redaktionsabläufe, sowie die Gesellschaftssphäre eine Rolle – also wie das Meinungsklima gegenüber einem bestimmten Land ist. Dieses Meinungsklima wird nicht zuletzt davon geprägt, wie die politischen Eliten das Land bewerten, wie die historischen Relationen zwischen den Gesellschaften sind und wie kulturell nah man sich zueinander fühlt.

In Bezug auf Russland gibt es eine klare Positionierung der Bundesregierung. Die historischen Beziehungen zu Russland waren nie frei von Problemen, und in vielen Bereichen fühlen sich die Deutschen den Russen kulturell eher fern. Dies trägt sicherlich zu einer gewissen Einheitlichkeit der Berichterstattung bei, auch wenn es vereinzelt durchaus (selbst)kritische Stimmen gibt. Auf russischer Seite sind angesichts dezidiert staatlich oder zumindest staats-oligarchisch gebundener Medien die Stimmen noch homogener.

Man kann als Rezipient immer versuchen, verschiedene Meinungen zu hören: Internet und Satellitenfernsehen ermöglichen uns ja das Wahrnehmen der anderen Seite. Aus journalismus-ethischer Sicht ist aber darauf zu dringen, dass die einzelnen deutschen Medien sich ihrer Verpflichtung zur Pluralität bewusster werden und versuchen, trotz aller Schwierigkeiten eine Vielzahl an Stimmen einzufangen und sich so autonom gegenüber der Politik verhalten, dass sie die Grenzen des Sagbaren selbst erweitern.

Kann es überhaupt „neutrale“ Auslandsberichterstattung geben? Sind JournalistInnen nicht schon auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen/ihrer Sozialisation voreingenommen?

Ich habe die JournalistInnen deutscher Qualitätsmedien und insbesondere AuslandskorrespondentInnen immer als sehr selbstreflektiert und gewissenhaft kennengelernt. Es gibt auch immer weniger den Typus des „Advokaten“ oder „Missionars“, der seine persönliche Sichtweise in den Vordergrund rückt. Natürlich sind trotzdem alle durch ihre Sozialisation geprägt, haben durch Sprachkenntnisse Zugang oder eben keinen zu bestimmten Quellen. Sie sind aber meiner Ansicht nach nicht die zentrale Komponente für eine problematische Berichterstattung. Vielmehr sind es die Anforderungen der Redaktion, die bestimmte Themen aus der Ferne als wichtig oder „nachrichtenwert“ erachtet, oder die bestimmte Akteure als Quellen bei anderen gesehen hat und nun auch diese Quellen nutzen möchte. Das Verhalten der Öffentlichkeit und der Behörden im Gastland gegenüber ausländischen Journalisten prägt sicherlich auch deren Berichterstattung. KollegInnen, die in China arbeiten, haben mir einmal gesagt, dass einem von den Behörden immer das Gefühl gegeben wird, man sei nicht willkommen oder sogar ein Gegner.

Neutrale Berichterstattung ist sicherlich auch nicht unbedingt notwendig, aber eine reflektierte Berichterstattung sollte leistbar sein. Warum berichte ich jetzt so? Wen wollte ich noch interviewen und warum taucht der/die als Quelle jetzt nicht auf? An welche Informationen konnte ich kommen und an welche nicht? Das Publikum hat ein Recht darauf, dass diese Fragen in der Berichterstattung beantwortet werden, um sich eine Meinung bilden zu können.

Sie haben viel zur Berichterstattung über den Nahen Osten und Nordafrika geforscht. Welche Narrative lassen sich dabei in den deutschen Medien erkennen? Welche Blickwinkel vermissen Sie?

Die Nahost-Berichterstattung ist gekennzeichnet von einer klaren Konfliktperspektive. Der Islam als prägende Religion der Region wird dabei als politische Ideologie interpretiert, die sich in verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen dem liberalen Westen gegenüberstellen lässt. Sei es bei der Stellung der Frau, der Bildung, Demokratiebestrebungen, dem Umgang mit Minderheiten – überall wird der Islam als eindimensionales Erklärungsmuster angeboten. Selbst der arabische Frühling mit seinen durch die Bürger eingeforderten massiven Umwälzungen hat dieses Muster nur kurzzeitig verändert. Häufig werden Maximalforderungen an die arabischen Gesellschaften gestellt, um damit deren Defizite überdeutlich sichtbar zu machen, ohne dies zugleich in den Kontext zu setzen, wie es denn anderswo ohne die Einflussvariable des Islam ist. Die Rechte Homosexueller sind in Ägypten bei Weitem nicht die gleichen wie die Heterosexueller – aber wie ist das denn in den USA? Es fehlt tatsächlich häufig an einer Einordnung der existierenden Probleme und einer etwas komplexeren Sichtung der Ursachen.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/102

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Germania Sacra: Online-Datenbank zu Klöstern und Stiften des Alten Reiches

Im Frühjahr 2014 wird die Germania Sacra eine Online-Datenbank zu Klöstern und Stiften des Alten Reiches freischalten. Die wissenschaftliche Datenbank zielt darauf ab, ein Recherchetool zu schaffen, das regional übergreifend Basisinformationen zu allen Klöstern und Stiften auf dem Gebiet des Alten Reiches von der Zeit der Gründung monastischer Gemeinschaften bis zur Reformation bzw. Säkularisation bietet. Als Vorschau auf die Datenbank zeigen wir auf diesen Seiten bereits einige Datensätze, in Kürze wird die kartenbasierte Recherche freigeschaltet werden. Die Datenbank hält für alle Institutionen Basisinformationen bereit, […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6992

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Der Raum der Entgrenzung. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation- Von Udo Thiedeke (Teil 3)

Im zweiten Teil von “Raum der Entgrenzungen. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation” ging es darum, einen Vorschlag zu machen, neue Medien soziologisch so zu modellieren, dass man sie als Mechanismen beobachten kann, die auf eine ihnen eigene Weise den … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6391

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Weitere E-Tutoren Kurse im Sommersemester 2014

Die Onlinelehre und der Einsatz von Tutorinnen und Tutoren ist im Hochschulalltag unverzichtbar. Das E-Learning-Labor der Hochschule Fulda bietet daher nicht nur Studierenden die Ausbildung zur E-Tutorin und zum E-Tutor an, sondern ermöglicht es auch regelmäßig den Lehrenden, sich intensiver mit dem Thema Tutorinnen und Tutoren in der Onlinelehre zu beschäftigen. Die angebotenen Kurse sind dann ganz konkret auf die Zielgruppe der Lehrenden (Professorinnen und Professoren, Lehrbeauftragte, in der Lehre beschäftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) bzw. der Studierenden ausgerichtet. Mehr lesen Termine im Sommersemester 2014 […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/6395

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Erschließung auf Facebook

Eine zunehmende Zahl von Archiven nutzt das Social-Media-Potential von Facebook. Die Möglichkeiten zur Erschließung der dort veröffentlichten Statusmeldungen sind äußerst rudimentär, aber durchaus spannend. Sie und Ihre Fans können Datum, Ort und Schlagwort als Sortier- und Suchkriterien nutzen und so eine größere Sichtbarkeit und Benutzerfreundlichkeit Ihres Facebook-Auftritts erreichen.

Die nachfolgenden Tipps beziehen sich auf die Administration Ihrer Facebook-Fanseite per Browser.

Die Datierung
Abweichend vom automatisch generierten Veröffentlichungsdatum bietet Facebook Ihnen die Möglichkeit, Ihre Statusmeldungen zurück zu datieren und Ihren Besuchern so über die Zeitleiste in der rechten Spalte in der chronologischen Reihenfolge der historisch-zeitlichen Bezugspunkte zugänglich zu machen.

Hierzu wählen Sie bei der Erstellung einer Statusmeldung das Uhrensymbol unten links und in der sich öffnenden Fußzeile die Option “Beitrag zurückdatieren”. Sie haben nun die Möglichkeit, Ihre historische Datierung nach Jahr, Monat und Tag einzugeben.

Wichtig ist hierbei, dass Sie das Startdatum Ihrer eigenen Facebook-Chronik vorab so weit zurückgesetzt haben, dass die von Ihnen beabsichtigten Rückdatierungen umfasst werden. Auf Grund der Facebook-Vorgaben erstreckt sich die Möglichkeit zur Rückdatierung allerdings aktuell nur bis zum 01. Januar 1905.

Unabhängig von dieser vorgenommenen Manipulation wird Ihre Statusmeldung auf der Startseite anderer Facebook-Nutzer unter dem automatisch generierten Veröffentlichungsdatum angezeigt.

N.B.: Diese Möglichkeit zur Rückdatierung bezieht sich auf Ihre Statusmeldungen, also die chronologische Erschließung Ihrer “Bestände” auf Facebook. Ergänzend sollten Sie Meilensteine nutzen, um die Geschichte Ihrer Institution zu erzählen.

Die Verortung
Um Ihren Besuchern die Orientierung auf einer Landkarte zu bieten, fügen Sie einfach einen Ort zu Ihrer Statusmeldung hinzu.

Hierzu wählen Sie bei der Erstellung einer Statusmeldung das Pinsymbol unten links und beginnen mit der Eingabe eines Ortsnamens. Während der Eingabe bietet Ihnen Facebook bereits bekannte Orte zur Übernahme an.

Sollte der von Ihnen gewünschte Ort noch nicht als Seite in Facebook vorhanden sein, so haben Sie zwei Möglichkeiten, einen eigenen Ort zu erstellen.

Zum einen über die Facebook-App auf einem GPS-fähigen Smartphone.

Zum anderen finden Sie in der Fußzeile Ihrer Facebook-Fanseite einen Link “Seite erstellen”. Die nachfolgende Auswahl kennen Sie von Ihren allerersten Schritten zur Erstellung Ihrer eigenen Facebook-Fanseite. Wählen Sie hier nun den Kasten “Lokales Unternehmen oder Ort” und geben Sie die Informationen zu Ortsname, Straße, Stadt und (aktuelle) Postleitzahl ein.

N.B.: Der Aufwand zur Erstellung einer neuen Ortsseite lohnt sich vermutlich nur, wenn Sie einen Ort mehrfach in der Erschließung Ihrer Statusmeldungen verwenden möchten.

Die Verschlagwortung
Seit 2013 bietet Facebook die Möglichkeit, Beiträge mit Hilfe sog. #Hashtags zu verschlagworten. Facebook-Nutzer können so mit einem Link aus Ihrer Statusmeldung heraus facebookweit Statusmeldungen zu demselben Thema finden.
Umgekehrt werden aber auch Ihre Statusmeldungen von Besuchern gefunden, die (noch) nicht zu ihren Fans zählen.

Beginnen Sie nach dem führenden Doppelkreuz mit der Eingabe eines freien Schlagwortes, so zeigt Ihnen Facebook durch eine blaue Hintergrundfärbung den Umfang des Schlagwortes an. Um das Schlagwort zu beenden, drücken Sie einfach die Leertaste. Phrasen-Schlagwörter schreiben Sie als ein zusammenhängendes Wort, ggf. der besseren Lesbarkeit halber mit Binnenmajuskel (#UserGeneratedContent). Verwenden Sie nicht mehr als 2 bis 4 Hashtags in einer Statusmeldung.

Die Umsetzung dieser Tipps finden Sie auf der Facebook-Seite von stadtteilgeschichten.net

Mit Dank an die Facebook-Seiten Historisches Freiburg und Hamburg vor 2000.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1372

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Startbahn, Spielwiese oder Sackgasse? Erfahrungen mit dem Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW

 

Vor kurzem machte ich beim archivischen Alltagsgeschäft eine interessante Entdeckung: Es ging um Überlieferungsbildung, in meinem Büro stapelten sich Akten einer Akzession des Polizeipräsidiums Mönchengladbach. Nicht die wirklich spannenden Einsatzakten, sondern eher polizeiliche Verwaltungstätigkeit. Hier war der nicht allzu seltene Fall eingetreten, dass die Akten einfach in einem Kellerraum gelagert und dort über Jahrzehnte mehr oder weniger vergessen wurden; die Akzession beinhaltete also durchaus Akten der 1960er und 1970er Jahre.

Bei der schnellen Durchsicht fiel ein Briefkopf ins Auge: „Hauptstaatsarchiv Düsseldorf“ – Spuren also der eigenen Amtsvorgänger: Im Mai 1968 bat der zuständige Dezernent des Hauptstaatsarchivs um einen Termin, um sich einen Überblick über die vorhandenen Akten zu verschaffen. Im Juni 1968, nach absolviertem Besuch, teilte das Hauptstaatsarchiv der Polizeibehörde mit, welche Aktenzeichen man für archivwürdig erachte und bitte in ein Aussonderungs­verzeichnis aufzunehmen seien. Danach passierte erst einmal nichts mehr. Im September 1969 fragte das Hauptstaatsarchiv den momentanen Sachstand ab und erhielt einen entschuldigenden Verweis auf andere dringende Arbeiten und eine sehr angespannte Personallage. Im März 1970 übersandte dann die Schutzpolizei eine Anbietungsliste mit immerhin 25 Aktenordnern. Das Hauptstaatsarchiv bewertete diese Liste, schlug aber vor, mit der Übernahme zu warten, bis auch die Kriminalpolizei ihre Akten angeboten habe. Offenkundig ein Fehler, denn das dauerte. Im August 1971 erfolgte hier die nächste Anfrage, im Dezember 1971 dann die Antwort, dass die Aussonderungsarbeiten bei der Kriminalpolizei noch nicht abgeschlossen seien. Im Dezember 1973 startete das Hauptstaatsarchiv dann die nächste Anfrage, mit dem Ergebnis, dass im Januar 1974 tatsächlich eine Anbietung erfolgte – von sage und schreibe einer einzigen Akte. Der Vorgang endet übrigens mit einem erneuten Schreiben des Hauptstaatsarchivs vom August 1974, man hätte der Presse entnommen, dass auf der Schlibecker Mülldeponie Akten der Polizei­direktion Mönchengladbach gefunden worden seien. Die Abgabepflicht solle doch bitte beachtet werden.

 

Traditionelle Arbeitsstrukturen

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Nach dem ersten Schmunzeln fiel mir auf, dass diese Akzession zwar zeitlich langdauernd und inhaltlich mager verlief, mir – und wahrscheinlich Ihnen genauso – der dahinter stehende Workflow aber sehr bekannt vorkommt: Anschreiben der Behörde, Bitte um Anbietungen, Nachhaken nach Antwort, Umgang mit Vertröstungen, Betonung der Anbietungspflicht, Abgabe von Akten, Zweifel an der Vollständigkeit. Die Kollegen vor mehr als einem halben Jahrhundert haben ihre Arbeit also genau so erledigt, wie ich das auch heute noch mache. Gut, die Kollegen haben Briefe geschrieben, ich Mails, und die Aussonderungsliste lag damals in Matrizen-Form vor und heute im Excel-Format. Die eigentliche Aufgabenerledigung hat sich in ihrer Struktur aber kein bisschen verändert.

Und dieser Befund scheint mir für viele Strukturen im Archivwesen symptomatisch zu sein: Die Behördenbetreuung funktioniert heute genau so wie vor 50 Jahren, die Lesesäle funktionieren heute genau so wie vor 50 Jahren, der Nutzerkontakt läuft heute genau so ab wie vor 50 Jahren, Fachaufsätze werden so publiziert wie vor 50 Jahren. Dass in dem genannten halben Jahrhundert sich aber nicht weniger als eine digitale Revolution abgespielt hat und auch weiterhin abspielt, ist praktisch nicht zu erkennen. Gut, wir alle haben eine Homepage, die – mal mehr, mal weniger umfassend – Informationen im Internet bereit stellt. Die Funktionalität hinter dieser Homepage ist aber sehr traditionell: Der Betreiber stellt Informationen zur Verfügung, die Besucher müssen sich mit der Rolle des passiven Rezipienten begnügen. Interaktion und Kommunikation, ein virtueller Dialog, sind strukturell überhaupt nicht angelegt.

Wenn nun ein Findbuch online statt gedruckt vorliegt, wenn eine Veranstaltung nicht per Flyer, sondern per Mailingliste beworben wird, wenn Formulare zwar download­bar sind, nur um dann postalisch zurückgeschickt werden zu müssen, dann hat ein Archiv seinen analogen Arbeits- und Denkstrukturen vielleicht ein digitales Mäntlein umgehängt, aber es hat seine Arbeit nicht digital definiert. Von genuin digitalen Funktionalitäten kann noch überhaupt keine Rede sein. Damit soll überhaupt nicht die erhebliche Leistung geschmälert werden, Beständeübersichten, Findmittel und auch Digitalisate online zu bekommen, für solche persistenten Informationen ist eine Homepage (auch in Form eines Archivportals) auch prädestiniert, man sollte sich nur bewusst sein, dass mit diesem Prozedere nichts anderes gemacht wird, als den Lesesaal, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, auf eine statische Homepage, eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts, zu transferieren. Der Entwicklungsstand des Internets mindestens der letzten zehn Jahre wird davon aber gar nicht berührt: das Social Web mit allen seinen Medien und Möglichkeiten.

Neue Medien

Hier möchte ich mit meinem heutigen Vortrag anknüpfen. Ich will Anregungen geben, wie ein Archiv versuchen kann, sich von den statischen Strukturen des traditionellen Internets zu lösen und in den sozialen Medien präsent zu sein. Konkret gemeint ist – Sie haben es dem Titel entnommen – das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und sein Auftritt in dem sozialen Netzwerk Facebook. Versuchen, auf diesem Wort soll hier die Betonung liegen, denn es ist gegenwärtig noch ein vorsichtiges Austesten eines neuen Mediums; auch das Landesarchiv NRW hat keine ausformulierte digitale Strategie, wie mit all den neuen Entwicklungen umgegangen werden soll. Dem Dreiklang des Vortragstitels folgend, befinden wir uns also gerade auf der Spielwiese, wo wir schauen, was man so mit dem Medium anstellen kann.

Über den Nutzen von Facebook für Kultureinrichtungen im Allgemeinen und Archive im Speziellen muss ich dem hiesigen Publikum wohl nur wenig erzählen. Allein ein paar grundsätzliche Dinge möchte ich nennen, von denen auch das Landesarchiv NRW profitiert:

  • Facebook erlaubt es einer Kultureinrichtung, Informationen gezielt zu ihren Adressaten zu bringen
  • Facebook schafft einen Raum für Interaktion und Kommunikation mit seinen Adressaten: jegliche Information innerhalb des Netzwerkes kann kommentiert und weiterverbreitet werden; auch steht es jedem Nutzer frei, die Informationen der Kultureinrichtung mit eigenen Inhalten anzureichern
  • Facebook ermöglicht einer Kultureinrichtung ein fachliches Monitoring: man kann etwa verfolgen, was andere Archive machen, Inspiration für die eigene Arbeit gewinnen, von Problemlösungen andernorts profitieren etc.

Kurz gesagt (und das möchte ich ganz dick unterstrichen wissen): Facebook ist ein Instrument zum Informationsmanagement. Das soziale Netzwerk eröffnet Ihnen die Vernetzung mit einem interessierten Adressatenkreis einerseits und mit anderen Kultureinrichtungen andererseits. Sie erhalten Zugang zu einer erheblichen Menge an Informationen, die innerhalb dieses Netzwerks kursieren. Und Sie müssen die Gewinnung von Informationen noch nicht einmal aktiv betreiben, sondern können darauf vertrauen, dass Informationen Ihnen zufließen.

Verzichten Sie auf die Nutzung eines solchen Mediums, so verzichten Sie auf eine Präsenz in einem vielfrequentierten Diskursraum. Und zwar mit mehreren negativen Konsequenzen:

-       Erstens können Sie nicht als attraktive Kultureinrichtung und als Lieferant von interessanten Inhalten wahrgenommen werden; Sie können sich nicht als Ort der historischen Forschung und der kulturellen Bildung profilieren.

-       Zweitens fehlt Ihnen eine Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit Ihren Nutzern; Sie sind digital nicht sprachfähig.

-       Drittens haben Sie keine Möglichkeit, von den Informationen innerhalb des Netzwerks zu profitieren; Diskussionen laufen an Ihnen vorbei, Entwicklungen werden von Ihnen nicht rezipiert, Stimmungen nicht wahrgenommen.

Damit sind einige Kerngedanken angesprochen, die auch das Landesarchiv NRW bewogen haben, das soziale Netzwerk Facebook auszutesten. Der klassische Nutzerkontakt wird erweitert durch die offene Präsentation der eigenen Anliegen und Angebote. Das Archiv reagiert nicht mehr lediglich auf Nutzeranfragen, sondern weist von sich aus aktiv auf besondere Archivalien, bevorstehende Veranstaltungen oder fachliche Neuigkeiten hin. Jede dieser Meldungen via Facebook erreicht umgehend mehrere hundert Nutzer, sobald diese ihr eigenes Profil nutzen. Bei allen seinen „Fans“ ist das Landesarchiv somit regelmäßig präsent und kann Interesse für bestimmte Bestände und Themen wecken oder Meinungen und Ideen seiner Nutzer einholen. Es kann auch einfach nur mit den zahllosen Ereignissen und Schicksalen aus seinen Beständen unterhalten, damit aber gleichwohl seine Nutzer an sich binden und seinen kleinen Teil zur kulturellen Bildung beitragen. Auf Facebook findet nicht nur vieles seinen Platz, das in den klassischen Medien unter die Publikations­schwelle gefallen wäre (etwa interessante Archivalienfunde), sondern es ist insbesondere eine Vernetzung und Weiterleitung von Informationen möglich.

Mit der Nutzung von Facebook verbunden ist also eine gewisse Veränderung des archivischen Selbstverständnisses: Archive begnügen sich bisher damit, als passive Informationslieferanten auf Anfragen der Nutzerseite zu reagieren. Eine Archivalie lagert so lange im Magazin bis ein Nutzer kommt und nach Einsicht verlangt.  Eine proaktive Hinführung auf außergewöhnliche, archetypische, auffällige oder neue Bestände findet kaum statt. Archive verzichten somit auf eine Vermarktung ihres ureigensten Markenkerns. Auch machen Archive im Alltag wenig, um über ihr Innenleben – ihre Arbeit, ihre Herausforderungen, ihre Probleme – zu sprechen. Die Arbeit eines Archivs ist weitgehend unbekannt, bei der breiten Bevölkerung, bei den Behörden, und wenn es um Details geht, dann sogar bei den Berufskolleginnen und -kollegen. Im Normalfall weiß etwa ich als nordrhein-westfälischer Staatsarchivar wenig über das, was die Kollegen im – sagen wir – baden-württembergischen Landesarchiv oder in einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv so machen.

Soziale Medien können dieses hermetische Schweigen über Arbeit und Archivgut durchbrechen. Regelmäßige Postings sorgen für Interesse am Archiv und eine Bindung von Nutzern. Dabei geht es auch gar nicht um große oder spektakuläre Neuigkeiten. Es geht nicht um die hochglanzpolierte Präsentation der neuesten Erfolgserlebnisse. Es geht darum, seine Adressaten mit attraktiven Appetizern zu versorgen und das Archiv in ihrem Bewusstsein zu halten. Ein Digitalisat auf Facebook ersetzt nicht den Blick in die entsprechende Akte, macht aber neugierig aber auf Material, das im Archiv lagert. Ein Foto einer Veranstaltung im Archiv macht den dort gehaltenen Vortrag nicht erlebbar, wirbt aber für das Archiv als Ort kultureller Aktivitäten. Ein Foto einer schimmelbefallenen Akte beseitigt nicht den Wasserschaden in der Behördenregistratur, schafft aber ein Bewusstsein für die Fragilität von Kulturgut. Kurze Informationen generieren Aufmerksamkeit, wecken Interesse an Archiv und Archivgut oder verweisen auf weiterführende Informationsquellen. Das Archiv verharrt nicht in einer hermetischen Abgeschlossenheit, sondern erscheint als lebendiger Ort von historischer und kultureller Relevanz. Langfristig dürfte eine solche mediale Präsenz eine erhebliche Rolle für die erfolgreiche Positionierung von Archiven in der kulturellen Landschaft spielen.

 

Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW

Wie gestaltet das Landesarchiv NRW nun seinen Facebook-Auftritt? Die Bereitstellung von Inhalten erfolgt dezentral durch alle interessierten Kolleginnen und Kollegen. Wir haben keinen hauptamtlichen Redakteur o.ä., es wurden hierfür keine zusätzlichen Stellen geschaffen oder irgendwelche Stellenzuschnitte verändert. Das Dezernat Öffentlichkeitsarbeit hat zwar eine formale Federführung, aber betrieben wird Facebook als Projekt für alle Interessierten innerhalb des Landesarchivs – wir verteilen also die Arbeit (und natürlich auch das Vergnügen) auf viele Schultern. Und ja, das heißt tatsächlich: Jeder Interessierte im Landesarchiv kann sich von einem der Administratoren als sogenannter Inhaltsersteller freischalten lassen. Damit ist die Nutzung im Namen des Landesarchivs möglich, d.h. es können Beiträge erstellt, Bilder präsentiert, Kommentare getätigt und alles weitere genutzt werden, was Facebook so an Funktionalitäten bietet.

Das ist eine recht offene Einstellung zu der Thematik, die aber in den sozialen Medien durchaus Sinn macht: Facebook soll das Medium sein, das eng an der alltäglichen Arbeit im Archiv ist, das einen unmittelbaren und ungefilterten Einblick auf die Dinge gibt, die die Archivarinnen und Archivare so auf den Schreibtisch bekommen.

Den Rahmen für die Facebook-Aktivität der interessierten Kolleginnen und Kollegen setzt dabei im Wesentlichen die Social Media Guideline des Landesarchivs, die u.a. definiert, was denn gepostet werden soll, nämlich Hinweise auf öffentliche Veranstaltungen, auf neue Publikationen, auf organisatorische Veränderungen, Mitteilungen zu neuen bzw. neu erschlossenen Beständen sowie interessante Funde aus der archivischen Arbeit. Selbstverständlich gelten beim Posten auch die beamtenrechtlichen Verpflichtungen (etwa allgemeine Loyalitätspflicht oder Unparteilichkeit) sowie andere rechtliche Vorgaben (etwa das Urheberrecht).

Diese dezentrale Steuerung des Facebook-Auftritts funktioniert im Landesarchiv bisher recht gut. Ungefähr 20 Kolleginnen und Kollegen besitzen Schreibrechte, faktisch sind es 5 bis 6, die tatsächlich regelmäßig aktiv sind. Damit können wir mehrere Postings pro Woche bieten, hauptsächlich aus den Bereichen Archivgutpräsentation und Veranstaltungen. Unsere Beiträge sehen standardmäßig mehrere hundert Leute; unsere attraktivsten Beiträge sind bis an den fünfstelligen Bereich an Lesern vorgedrungen. Kommentare oder Nachrichten – von denen wir noch nicht so viele haben, wie wir uns das wünschen würden – wurden bisher stets zeitnah beantwortet. Ohne übermäßigen Aufwand können wir also alle Interessenten regelmäßig mit verschiedensten Informationen versorgen und damit eine konstante Bindung von Archiv und Nutzern schaffen.

 

Probleme

Also alles bestens im Social Web? Leider keineswegs; es gibt mehrere Aspekte, die einer selbstverständlichen souveränen Nutzung sozialer Medien durch das Landes­archiv NRW entgegen stehen. So dürfte die größte Schwierigkeit beim Betrieb eines Facebook-Auftritts nicht etwa inhaltlicher, rechtlicher oder technischer Natur sein, sondern eher aus einer Mentalitätsfrage resultieren. Soziale Medien sind nicht nur technologische Neuerungen, sie sind vor allem erst einmal soziokommunikative Veränderungen; sie fordern den Habitus, die Mentalität, vielleicht gar das gegen­wärtige Berufsverständnis der Archivarinnen und Archivare überhaupt heraus. Soziale Medien bedingen einen anderen Umgang mit Informationen, mit Nutzern, mit Öffentlichkeit, folgen etwa auch anderen Geschwindigkeiten. Nutzerorientierung und Vernetzung, Dialog und Interaktion, der Austausch von Wissen und das Teilen von Informationen sind zentrale Funktionalitäten von sozialen Medien, die das deutsche Archivwesen noch nicht wirklich für sich entdeckt hat; das Landesarchiv NRW ist dabei keine Ausnahme. Was soll denn das überhaupt? ist die häufig anklingende Frage – und unausgesprochen dahinterstehend: So was haben wir ja noch nie gemacht.

Negativ macht sich hier bemerkbar, dass zentrale Kategorien des digitalen Diskurses in der archivischen Fachwelt bisher kaum reflektiert worden sind. Stellvertretend sei hier etwa die Idee des Open Access genannt, also des freien Zugangs zu Informationen und Daten. Einer uneingeschränkten Nutzung oder gar Weiternutzung von Archivgut (jenseits aller Schutzfristen selbstverständlich) fühlen sich Archive nicht verpflichtet: Jede Nutzung bedingt einen Antrag, jede Vervielfältigung bedarf eines Kopier­auftrags, jede Veröffentlichung bedarf der Zustimmung. Offene Angebote, offene Daten, offene Diskurse haben Archive sich noch nicht wirklich zu Eigen gemacht.

Letztlich zeigt sich nicht unbedingt in einer Abwehr sondern vielmehr in einer Ignoranz solcher digitaler Diskurse der vielzitierte „digital divide“, der spürbare Graben in der Mediennutzung unterschiedlicher Alters-, Berufs- und ähnlicher Gruppen. Facebook erscheint auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen eher als eine jugendliche Spielerei, pubertär, unreif, jedenfalls nicht als ernstzunehmendes Medium für etablierte Kultur­einrichtungen. Aus dieser Perspektive wird Facebook als ein Ort irrelevanter Informationen wahrgenommen, wo allenfalls Partybilder oder Halbstarkensprüche gepostet werden. Weitgehend unbekannt scheint dagegen die Tatsache, dass auch viele Kultureinrichtungen über diesen Kanal jeden Tag immense Mengen von Nachrichten und Mitteilungen versenden, dass dort archivische, historische und kulturelle Fachdiskussionen geführt werden, dass sich dort auch Forscher (also: Archivbenutzer) vernetzen, kurzum: dass auch Archive einen erheblichen Mehrwert aus der Nutzung dieses Mediums ziehen können.

Begleitet wird die Unkenntnis des Mediums von diffusen Ängsten. Datenkraken, Hackerangriffe, Abmahnwellen, so scheint sich das Internet zu präsentieren. Das eigene Statusupdate auf Facebook, die skandalöse Totalüberwachung der NSA, der virtuelle Freundeskreis in einem sozialen Netzwerk, die digitalen Abgründe des Internets, alles scheint irgendwie zusammen zu gehören, alles ist irgendwie eine gleichwertige Bedrohung des Bekannten und Vertrauten: Irgendwer könnte irgendwo irgendwas mit den präsentierten Inhalten machen.

Solche Ängste und Vorbehalte sorgen natürlich dafür, dass keineswegs alle Organisationseinheiten des Landesarchivs das Angebot zur Partizipation am Facebook-Auftritt nutzen. Da die Beteiligung auf freiwilliger Basis abläuft, können die geposteten Meldungen keinen flächendeckenden Überblick in die Arbeit des Landes­archivs geben, sondern stellen vielmehr nur punktuelle Einblicke dar. In der einen Abteilung stellt vielleicht der eine Kollege gelegentlich frühneuzeitliche Akten vor, in der anderen Abteilung ist die Kollegin vielleicht vorwiegend an der Meldung bevorstehender Veranstaltungen interessiert. Ein Ungleichgewicht, abhängig von der individuellen Mediennutzung, ist somit unvermeidbar. Vielleicht zeigt sich hier am deutlichsten, dass Facebook für das Landesarchiv gegenwärtig nur Spielwiese ist und nicht Startbahn; wer möchte, kann sich beteiligen, eine selbstverständliche Begleitung aller archivischen Arbeitsbereiche durch soziale Medien ist nicht gegeben oder intendiert. Entsprechend steht Facebook bisweilen auch recht unverbunden neben der restlichen Arbeit des Landesarchivs. Ob Meldungen und Neuigkeiten ihren Weg in die sozialen Medien finden, hängt vom Interesse der betreffenden Kolleginnen und Kollegen ab. Eine strategische Nutzung von Facebook zur Nutzergewinnung und -information, zum Aufbau digitaler Förderer- und Unterstützerkreise, zur Vernetzung mit anderen Archiven und Kultureinrichtungen ist gegenwärtig nicht der Fall, noch ist das soziale Netzwerk also keine Startbahn für einen digitalen Nutzerkontakt.

Dieser digitale Nutzerkontakt – und das ist schließlich das dritte und letzte Problemfeld, das ich ansprechen möchte – leidet schließlich auch unter nur schwach ausgeprägten Gesprächsangeboten. Auch wenn in unserer Social Media Guideline explizit formuliert ist, dass Facebook ein Dialogkanal und nicht ein weiterer Informationskanal sein soll, so tendiert die tatsächliche Nutzung doch eher zu Letzterem. Das Landesarchiv nutzt Facebook überwiegend als „Schaufenster“, in welchem es Archivalien, Neuigkeiten, Pressemeldungen etc. präsentiert, kaum aber als Medium, um seine Nutzer gezielt anzusprechen. Die Infrastruktur für den Dialog wäre vorhanden, woran es mangelt, ist eher der Mut zu einer Nutzung. So könnte etwa die Frage, wie unserer Service denn zu bewerten und was denn verbesserbar wäre, öffentliche Negativmeldungen nach sich ziehen. Die Aufforderung, sich zu Überlieferungs- oder Erschließungsfragen zu äußern, könnte als Eingriff in die eigene Fachkompetenz verstanden werden. Die Bitte, die Arbeit des Archivs zu unterstützen (etwa durch Transkriptions- oder Verschlagwortungsprojekte, eben das vielzitierte Crowdsourcing), müsste eine Veränderung von etablierten Arbeitsstrukturen nötig machen. Die verstärkte Nutzerorientierung, die mit einer Nutzung sozialer Medien einher geht, ist also nichts, was sich „mal eben einfach so“ in etablierte Arbeits­prozesse einfügt; die Besonderheiten dieser Mediennutzung und die bisherige Arbeitspraxis fremdeln noch miteinander.

 

Fazit

Was bleibt also als Fazit? Das Landesarchiv NRW hat erste Schritte unternommen, um in den sozialen Medien präsent zu sein. Wir spüren deutliches Interesse an dem, was wir dort präsentieren, gerade interessantes Archivgut erzeugt Aufmerksamkeit und erreicht ohne großen Aufwand einen größeren Adressatenkreis als herkömmliche digitale Angebote. Auch das thematische Monitoring funktioniert problemlos und erbringt zahlreiche archivische, historische und kulturelle Informationen. Als Sackgasse hat sich der Schritt zur Nutzung von Facebook also nicht erwiesen, verstanden etwa in dem Sinne, dass wir kein Interesse generieren könnten oder der alltägliche Ressourcenaufwand zu groß wäre. Als Startbahn in eine digitale Zukunft hat sich die bisherige Nutzung des sozialen Netzwerks allerdings auch nicht erwiesen. Allerdings liegt das weniger an der Plattform als vielmehr an unserem Angebot, das noch zu individuell und sprunghaft bleibt; wie wir das vorhandene Potential mehrerer hundert Adressaten für unsere Arbeit nutzen wollen, wie wir gar zu beiderseitigem Gewinn ins Gespräch kommen können und wollen, harrt noch einer Entscheidung. Die Facebook-Nutzung  bleibt also gegenwärtig noch eine Spielwiese, wo wir ausprobieren und einüben können, was an Bedeutung stetig zunehmen dürfte: der digitale Nutzerkontakt. Denn eins scheint sicher: Je digitaler die Archive werden (Stichworte: Archivportal, virtueller Lesesaal), desto wichtiger werden auch die Instrumente, um mit Nutzern digital zu kommunizieren. Weitere Diskussionen über die Nutzung von sozialen Medien scheinen also dringend nötig!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1571

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Der Raum der Entgrenzung. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation- Von Udo Thiedeke (Teil 2)

Im ersten Teil von “Raum der Entgrenzungen. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation” ging es zunächst darum, die Grundlagen des Begriffs Cyberspace zu klären und Computer und Computernetze als neue Medien vorzustellen. Cyberspace wird bislang meist als künstlicher Raum dargestellt, … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6389

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Twitter-Wall der Tagung “Offene Archive 2.1″, 3. – 4. April 2014 in Stuttgart

Leider wurden m. E. nicht alle Tweets erfasst und auch die Retweets werden bei Storify nicht einzeln aufgeführt.
Bei der Tagung selbst wurde aber insgesamt mehr als 1000 mal getwittert!

Danke an alle “Mittwitterer” für das rege Befüllen der Twitterwall! :-)

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1561

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