Thomas Maissen (Paris), Die Bedeutung der christlichen Bildsprache für die Legitimation frühneuzeitlicher Staatlichkeit

Introduction

Die Entwicklung des Toleranzkonzepts und die Ausbreitung der Religionsfreiheit erfolgten im Rahmen des modernen Staats und als eine seiner Hauptleistungen: der Schutz individueller Rechte gegen kollektive Überzeugungen, selbst wenn es diejenigen der staatstragenden Bevölkerungsmehrheit sind. Um dies zu gewährleisten, mussten sich unterschiedliche Punktionssysteme herausdifferenzieren, Religion und Politik. Wohl konzentrierte Letztere einerseits die Gestaltungsvollmacht für die Rechtsordnung exklusiv
bei Staatsdienern, die sich aber – andererseits – idealerweise Unparteilichkeit in der religiösen Sphäre auferlegten. Diese etwa in Lackes Epistola de tolerantia (1689) greifbare Trennung der Zuständigkeiten und der damit postulierte konfessionsneutrale Staat selbst waren allerdings ihrerseits auch erst das Ergebnis eines längeren Prozesses. An dessen Anfang stand dieselbe enge Verschränkung von spirituellen und politischen Gewalten und Funktionen, wie sie weltweit für vormoderne Zivilisationen typisch war, in denen das Wort «Religion» erst als missionarischer Import ein nur durch diese Begriffssetzung definiertes Funktionssystem eigener Qualität schuf.

Dieses folgende Kapitel beschreibt die  frühneuzeitliche Transformation des Politischen als Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols und insbesondere dessen Erörterung und Legitimation in den zeitgenössischen Bildmedien. An diesen wird illustriert, wie der Bruch mit der  bestehenden politischen Semantik, selbst wenn er in den Konsequenzen radikal war, sich der herkömmlichen (Bild-)Sprache bediente, um plausibel vermittelt und legitimiert zu werden. In der vormodernen Konstellation war dies die christliche Sprache und Symbolik.

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Quelle: https://vwm.hypotheses.org/491

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