China-Bilder im Oktober 2013: “Die chinesische Prinzessin”

Der WDR-Tatort “Die chinesische Prinzession” (Erstausstrahlung: Das Erste, 20.10.2013, 20:15) trug ziemlich dick auf. Im Drehbuch von Orkun Ertener werden viele Handlungsstränge miteinander verquickt. Der Münster-Tatort stellt die Protagonisten, Hauptkommisar Thiel (Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Börne (Jan Josef Liefers) vor ganz neue Herausforderungen, die mit dem sonst für das Münsteraner Duo üblichen Slapstick-Akzenten, die sich aus der Gegensätzlichkeit des Duos ergeben, wenig zu tun haben; Die chinesische Künstlerin Songma stellt ihre Werke im Westfälischen Landesmuseum aus – und Börne ist begeistert. Am Morgen nach der Vernissage ist die Künstlerin tot – und Börne steht unter dringedem Tatverdacht …

In die ca. 80 Minuten von der Auffindung der Leiche bis zur Lösung des Falles sind viele Themen gepfercht:

  • eine ‘chinesische Prinzession’ – und “Nessun dorma” aus Puccinis Turandot
  • China und Chinesisches als ‘das Andere’ und ‘das Fremde’ schlechthin
  • chinesische Kunst – hier Installationen von Bergen roter Lampions und Kissen und Wäldern aus grünen Bambusstangen[1] – als dissidente Stimme
  • Kunsttransporte als Möglichkeit, Dokumente über Landesgrenzen zu bringen
  • Triaden, die ihre dunklen Geschäfte unter dem Deckmantel des Export/Import-Unternehmens “Long” betreiben
  • undurchsichtige chinesische Diplomaten und die Aktivitäten des chinesischen Geheimdiensts
  • Amerikas Krieg gegen Terror  (ein nach jahrelanger Inhaftierung in Guantanamo freigelassener Uigure mit einem Pass der Palau taucht in Münster auf, wo er ermordet wird)[2]
  • Uiguren und ihre bedrohte kulturelle Identität

Trotz (oder wegen) des an sich ambitionierten Stoffes bleiben die ‘chinesischen’ Akteure stereotyp/schablonenhaft:
Die ‘chinesische Prinzessin’, die Künstlerin Songma (dargestellt von der in Taiwan geborenen, in Kaohsiung 高雄市 und Madrid ausgebildeten Huichi Chiu 邱惠祺) ist laut Drehbuch eine Nachfahrin des chinesischen Kaisers und der “Kaiserinnenwitwe”[3] und damit genau genommen eine mandschurische Prinzessin.[4] Ihre Aufmachung entspricht dem Abziehbild einer asiatischen Schönheit: tiefroten Lippen, sanft geschwungene tiefschwarze Brauen, das weiße Gesicht von tiefschwarzem Haar gerahmt.
Die Schläger des Triaden-Bosses sind großflächig tätowiert und besonders grausam gegen ‘Verräter’.
Die Diplomaten sind undurchsichtung und missbrauchen die diplomatische Immunität, um Regimegegner auszuschalten.
Die Verfolgten, wie z.B. die Assistentin der Künstlerin und ein Uigure, der ermordet wird, sind besonders bemitleidenswert.
Die Lösung hat – soviel sei angedeutet[5] – mit den ‘großen’ Themen wenig zu tun …

Last, but not least: Auch in diesem Setting bleiben die Gegensätze zwischen dem kultivierten Gerichtsmediziner  Prof. Börne und dem eher hemdsärmeligen Kommissar Thiel bestehen: Börne zeigt – vor allem in den ersten Minuten des Films – seine Begeisterung für die chinesische Kunst, er spricht die Künstlerin in chinesischer Sprache an. Thiel hingegen hat Probleme, sich die Namen der Chinesinnen und Chinesen zu merken, zunehmend genervt nennt er sie dann nicht mehr beim Namen, sondern spricht von  “Miau” oder “Tsching-Tschang-Tschung”.

China-Bilder im Herbst 2013 …

 

 

 

  1. Die grünen Stangen erinnern an Szenen aus Shí miàn mái fú 十面埋伏 (“House of Flying Daggers”) von Zhang Yimou aus dem Jahr 2004.
  2. “Palau to take Guantanamo Uighurs”. BBC News. 2009-06-10 <abgerufen am 23.10.2013>.
  3. “Die chinesische Prinzession” <abgerufen am 23.10.2013>.
  4. Dazu auch Holger Gertz: Münster-Tatort “Die chinesische Prinzessin” Großzügig aufgetragen (sueddeutsche.de 20. Oktober 2013 12:28).
  5. Die Folge ist noch bis Ende der Woche in der ARD-Mediathek abrufbar.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1078

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Die Anfänge der Acht Banner

Im Zuge ihrer zunehmenden militärischen und politischen Bedeutung in den Gebieten nördlich der Großen Mauer führten die Mandschuren 1601 das System der “Banner” ein.

“Nach der mandschurischen Wehrverfassung waren die mandschurischen, mongolischen und chinesischen Bannerleute in acht durch Farben unterschiedene Banner eingeteilt.”[1]

Die erstmals 1601 aufgestellten vier Einheiten (damals zu je 300 Mann) erhielten Fahnen in vier verschiedenen Farben (gelb, weiß, blau, rot). 1615 gab es bereits 200 Einheiten, was zur Einrichtung von vier weiteren “Bannern” führte. Zur Unterscheidung wurden diese ebenfalls in den Farben gelb, weiß, blau und rot gehaltenen neuen Banner nun jeweils mit einer Einfassung versehen. Das gelbe, weiße und blaue Banner waren rot eingefasst, das rote Banner war weiß eingefasst.[2]

Ab 1626 folgte dann die Aufstellung mongolischer Verbände. 1635 konnten dann neben den acht mandschurischen Bannern auch acht mongolische Banner aufgestellt werden. Nur ein Jahr später, 1636, kam es zur Bildung der ersten beiden chinesischen Banner. Zu diesen kamen bis 1643 noch sechs weitere chinesische Banner hinzu.[3]

  1. Erich Hauer: Handwörterbuch der Mandschusprache. 2. durchges. u. erw. Aufl., hg. von Oliver Corff (Wiesbaden 2007) 209 (Art. “gûsa, Banner”).
  2. H.S. Brunnert/V. V. Hagelstrom: Present Day Political Organization of China (Shanghai 1911), 323-325 (Nr. 718), Immanuel C. Y. Hsü: The Rise of Modern China (New York, 5. Aufl. 1995), 22. Vgl. auch Wolfgang Franke (Hg.) China-Handbuch (Düsseldorf 1974) Sp. 810 (gelb, weiß, rot, blau; „Militäreinheiten mit spezifischem sozialem Rahmen und äußeren Merkmalen […] hierarchisch gegliederte Militärinstitution“) und 816 („Mandschurei“, P. W. Thiele). – Übersetzungen für nicht-eingefaßte/eingefaßte Banner: vgl. ebd., Sp. 548 („Innere Mongolei, R. Kaschewsky): „Reines und Gerändertes […] Banner“; sowie Hauer/Corff: Handwörterbuch, 209: “Umrändertes Gelbes, Ganz Gelbes, Ganz Weißes, Ganz Rotes, Umrändertes Weißes, Umrändertes Rotes, Ganz Blaues, Umrändertes Blaues.”
  3. Herbert Franke/Rolf Trauzettel: Das Chinesische Kaiserreich (Frankfurt a. M. 1968) 279 f., Charles O. Hucker: Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford 1985) 91 (demnach die mongolischen und chinesischen Banner im J. 1635 eingerichtet). – Vgl. auch Jonathan D. Spence: The Search for Modern China (New York 1999) 30: chinesische Banner: zwei 1637, vier 1639, acht 1642; 1635 Aufstellung von acht mongolischen Bannern.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/845

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Social Media-Werkzeuge für Historiker/innen – Versuch einer Übersicht

 

2114683166_45ce6d7e43_mSeit etwa drei Wochen werden unter dem hashtag #digwerhist auf Twitter digitale Werkzeuge für Historiker/innen gesammelt. Die ursprüngliche Idee war, aus dem riesigen Angebot an Tools gemeinsam diejenigen herauszufiltern, die im wissenschaftlichen Alltag von der Community genutzt werden. Gleichzeitig sollten Anleitungen für den konkreten Einsatz der Werkzeuge gesammelt und aus den Tweets dann ein Blogbeitrag werden – ein viel zu ambitioniertes Vorhaben, wie sich schon nach kurzer Zeit herausstellte: Denn zu digitalen Werkzeugen im weitesten Sinne gehören Web 2.0-Tools genauso wie digitalisierte Quellensammlungen, E-Journals, Datenbanken, Bibliothekskataloge, Forschungsumgebungen, etc.

Daher werden hier mit dem Versuch einer ersten Übersicht und der Beschränkung auf Social-Media-Werkzeuge ausdrücklich kleinere Brötchen gebacken. Dass solche Sammlungen und Übersichten sinnvoll und nützlich sind und vor allem auch gewünscht werden, wird aus den bisherigen Reaktionen in den Sozialen Medien deutlich. Allen Hinweisgebern wird herzlich gedankt für das Teilen der wertvollen Tools. Ein besonderer Dank geht an Jan Hecker-Stampehl und Klaus Graf für Durchsicht und Ergänzungen dieses Beitrags. Das Sammeln digitaler Werkzeuge über den hashtag #digwerhist bei Twitter geht natürlich weiter.

Kommunikation, Kollaboration und Multimedia

Die folgende Übersicht über Social-Media-Tools orientiert sich an der Einteilung dieser Werkzeuge in die drei Bereiche Kommunikation, Kollaboration und Multimedia, wie sie in der Netzpublikation “Social media: A guide for researchers” aus dem Jahr 2011 vorgenommen wurde. Diese Einteilung ist idealtypisch und viele Werkzeuge lassen sich zwei oder drei Bereichen gleichzeitig zuordnen. Ich finde sie dennoch hilfreich, um den hauptsächlichen Sinn hinter den einzelnen Anwendungen zu verstehen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht und wäre auch völlig fehl am Platz. Wichtig erscheint mir außerdem, nicht nur eine Aufzählung zu bieten, sondern auch Beispiele und vor allem Anleitungen oder Erfahrungsberichte dazu aufzulisten. Allzu viele Anleitungen gibt es derzeit allerdings noch nicht (oder ich habe sie nicht gefunden). Der Überblick macht bestehende Lücken deutlich und bietet Anregungen für alle, die gerne eine Anleitung schreiben möchten (z.B. als (Gast)beitrag hier auf diesem Blog). Auch für die Beispielsammlungen mancher Tools werden eigene Artikel benötigt. Diese könnten hier nach und nach aktualisiert werden, so dass mit diesem Beitrag eine zentrale Anlaufstelle entsteht. In diesem Sinne sind Ergänzungen in den Kommentaren sehr erwünscht! Nicht immer bedeutet die bloße Nennung eines Tools auch automatisch eine Empfehlung dafür.

Vorweg werden Übersichten über digitale Tools für den wissenschaftlichen Bereich aufgezählt.

Übersichten und Verzeichnisse digitaler Tools

Bamboo DiRT: Registry of digital research tools for scholarly use
Sehr praktische und umfangreiche Übersichtsseite, die digitale Tools auflistet. Der Zugang erfolgt über die Aufgabenstellung, die man erledigen will, z.B. Analyze Text, Share bookmarks, Manage bibliographic information etc. Die einzelnen Werkzeuge sind auf den Unterseiten kurz erläutert. Schön ist, dass es eine Wunschliste gibt, in die man sein gewünschtes Tool eintragen kann, in der Hoffnung, dass es dann jemand programmiert.

American Historical Association “A Digital Tool Box for Historians”
Schön bunt ist sie, die Pinnwand bei Pinterest der AHA. Und voll auch: 142 Tools sind derzeit im Angebot. Leider sind diese aber nicht nach Sinn und Zweck geordnet und daher ohne systematischen Zugang. Wer bei Pinterest ist, kann der Pinnwand folgen und verpasst damit nicht, wenn ein neues Werkzeug “angeheftet” wird. Dazu müsste uns natürlich noch jemand erklären, wie Pinterest eigentlich funktioniert…

Apps für “digitale Historiker”
Unter diesem Titel gab Pascal Föhr auf seinem Blog Historical Source Criticism einen ersten Überblick über Apps für mobile Geräte speziell für Historiker. Es entspann sich eine rege Diskussion und in den Kommentaren wurden weitere Apps hinzugefügt, die schließlich in eine Tabelle zusammengefasst wurden, getrennt nach Betriebssystemen. Die Liste kann weiter ergänzt werden.

Ausgewählte Tools zur wissenschaftlichen Arbeit mit dem/im Social Web
Hinter diesem Titel befindet sich eine offene Wikimap, die mit mindmeister erstellt wurde. Unterteilt werden die Tools in diesem Mindmap z.B. nach “Kollaboration”, “Content/Recherche”, “Vernetzung, Kommunikation, Organisation” sowie “Web-Präsentation”.

Framasoft
Die französische Website Framasoft bietet einen Überblick über freie, dh. kostenlose Software, ohne Beschränkung auf den wissenschaftlichen Bereich. Die Übersicht ist in verschiedene Anwendungsbereiche wie Multimedia oder Education grob unterteilt. Allerdings muss man ein bisschen Französisch können, denn andere Sprache exisiteren für die Oberfläche leider nicht.

1. Bereich Kommunikation

Bloggen

Kostenlose Anwendungen zum Bloggen sind z.B.

Wer sein Blog nicht selbst hosten möchte oder kann und sich zudem von Anfang an in der Community vernetzen will, für den bietet die Plattform für geisteswissenschaftliche Blogs im deutschsprachigen Raum de.hypotheses.org eine Alternative.

Eine Übersicht zu Geschichtsblogs gibt es im Beitrag “Forschungsnotizbücher im Netz” mit weiteren Verweisen, sowie in der Liste der Geschichtsblogs im deutschsprachigen Raum. Kürzlich erschienen ist das Buch “Historyblogosphere – Bloggen in den Geschichtswissenschaften“, das frei online zugänglich ist. Ein Aggregator für deutschsprachige Geschichtsblogs, der Planet History, der aktuelle Beiträge aus 142 Geschichtsblogs anzeigt, ist vor kurzem freigeschaltet worden.

Microbloggen

Das bekannteste Beispiel für eine Anwendung im Bereich Microbloggen ist:

“Twitter ist ein hervorragendes Mittel, um einerseits auf dem Laufenden zu bleiben und um andererseits die Fachkollegen/innen über die eigenen Publikationen, Vorträge und Tätigkeiten zu informieren”, so liest man in der Anleitung: Twitter in der Wissenschaft – ein Leitfaden für Historiker/innen (21.8.2012).

Im Blog der Amercian Historical Association gibt es einen Beitrag über Hashtags im Bereich Geschichte: History-Hashtags: Exploring a Visual Network of Twitterstorians. Anstatt eine Liste anzulegen, wurden die hashtags mit der Anwendung Pearltree in Gruppen visuell dargestellt (Seite braucht etwas Zeit beim Laden).

Eine – noch junge – Alternative zu Twitter ist z.B. Quitter.

Social Networking

Neben Facebook, Google+, LinkedIn und vielen anderen gibt es auch Netze speziell für die Wissenschaft wie beispielsweise:

Anleitung von Maria Rottler: Share and follow research – Academia.edu (20.2.2013)

Erläuternder Artikel: Open Science: Facebook für Forscher (6.9.2013)

Auf Facebook gibt es seit kurzem eine eigene und offene Gruppe Digital History. Zu verweisen ist auch auf die offene Gruppe Geschichte & Kulturwissenschaften.

Aggregatoren

Aggregatoren sind Anwendungen, mit denen man Inhalte aus dem Netz (Twitter, Wikis, Zotero, Blogs…) über RSS-Feeds in einer eigenen Seite zusammenführen kann. Anwendungen für diese Dienste sind z.B.

Anleitung in Form eines Wikis: Intro to TagTeam

An dieser Stelle auch ein kurzer Hinweis allgemein auf RSS-Feeds und RSS-Reader: Um auf dem Laufenden zu bleiben, z.B. was Zeitschrifteninhalte, Blogs, Termine, Websites,  Suchanfragen in Bibliographien und Bibliothekskatalogen etc. anbelangt, sind RSS-Feeds ein sehr praktischer Dienst. Es gibt einen französischen Artikel zum Einsatz von RSS-Readern in den Geisteswissenschaften allgemein. Eine deutsche Version eines solchen Beitrags wäre wünschenswert, steht aber noch aus1.

Feeds können direkt im Browser gelesen oder in Mailprogrammen angzeigt werden. Damit sind sie aber nur lokal auf einem Rechner verfügbar. Daneben gibt es RSS-Reader, bei denen man ein Konto anlegt, so dass man die Feeds auf verschiedenen Geräten und u.a. auch mobil lesen kann. Ein RSS-Reader ist neben den bereits oben genannten z.B. Feedly, den ich selbst nutze und empfehlen kann.

2. Bereich Zusammenarbeit

Online-Konferenzen

Um eine kostenlose Videokonferenz abzuhalten bzw. einen Telefonanruf zu tätigen gibt es z.B. die folgenden Anwendungen:

Bei beiden Anbietern muss man vorher ein Konto anlegen. Doch während man bei Google Hangout mit beliebig vielen Teilnehmern gleichzeitig konferieren kann, ist dies bei Skype nur in der kostenpflichtigen Premium-Version zu haben.

Wikis

Mit Wikis können Gruppenarbeiten, Projektkoordinationen und Ergebnisdokumentationen vorgenommen werden, z.B. auch in der Lehre. Wer selbst ein Wiki erstellen möchte, kann das u.a. mit den folgenden Anwendungen tun:

Über Wikis speziell für Historikerinnen und Historiker müsste man einen eigenen Beitrag schreiben. Ein Beispiel ist die Seite Digitalisierte Nachlässe im Rahmen des deutschsprachigen Wikisource-Projekts, das Schwesterprojekt der mit Wikimedia-Software betriebenen Wikipedia. Weitere Wikis mit Geschichtsbezug, auf die mich Klaus Graf dankenswerter Weise hinwies, sind die Seiten Bibliographien, Digitale Sammlungen und Aufsatzrecherche in der Geschichtswissenschaft. Eine sehr nützliche Zusammenstellung von Wikis enthält die Seite Wunderwelt der Bibliotheken.

Social Documents

Gemeinsam im Netz ein Dokument zu schreiben und zu bearbeiten geht u.a. mit den folgenden Anwendungen:

Bei Google-Docs kann man kollaborativ und gleichzeitig an einem Dokument (Text, Tabelle…) arbeiten. Dazu wird begleitend ein Online-Chat angeboten, um sich parallel über die Arbeit austauschen zu können. Bei den EtherPads handelt es sich um Editoren, mit denen man gemeinsam Texte schreiben kann. Dabei haben die Mitwirkenden jeweils unterschiedliche Farben beim Schreiben, so dass eindrucksvolle, bunte Flickenteppich-Texte entstehen, aus denen hervorgeht, wer was geschrieben hat. Auch für die Etherpads gibt es einen begleitenden Chat.

Vor allem EtherPads können sehr gut in der Lehre, für Projekt-Brainstorming, für  gemeinsame Live-Protokolle etc. verwendet werden. Das Manifest der Digital Humanities ist beispielsweise in einer ersten Version auf diesem Framapad entstanden. Weitere Beispiele sind das Paläographie-Lern-Pad von Klaus Graf oder das jüngst eröffnete Pad Programmieren für Historiker von Michael Schmalenstroer.

Dokumente können auch online in der “Cloud” gespeichert werden und von dort aus mit anderen Nutzer/innen geteilt werden. Cloud-Dienste sind z.B. Dropbox aus den USA,  Alternativen aus Europa sind z.B. wuala oder fiabee. Eine Übersicht über die verschiedenen Angebote, die oftmals nur in der Grundausstattung kostenlos sind und bei größerem Speicherbedarf kostenpflichtig werden, gibt es hier.

Social Bookmarking

Social Bookmarking bezeichnet das gemeinsame Anlegen von Internetlesezeichen incl. deren Kommentierung und Ordnung. Das bedeutet, dass man Linklisten von interessanten Websites nicht für sich alleine als Lesezeichen im Browser ablegt, sondern gemeinsam mit Gleichgesinnten Sammlungen anlegt. Damit profitiert man von den Funden anderer und trägt so gemeinsam zu einer umfassenden Sammlung bei. Eine allgemeine Einführung findet sich im Beitrag Sind Social Bookmarking Dienste tatsächlich tot? (27.2.2012).

Der beste Dienst für Social Bookmarking aufgrund erweiterter Funktionalitäten wie die Möglichkeit, Unterstreichungen oder Anmerkungen anzubringen, ist derzeit  aus meiner Sicht:

Anleitung: Diigo – Informationskompetenz (IMB Uni-Augsburg, ohne Datum).

Ein Beispiel für eine offene diigo-Linksammlung ist die von Klaus Graf angelegte Sammlung zu digitalisierten Zeitschriften: https://www.diigo.com/user/klausgraf/Digi_Zeitungen.

Weitere Anwendungen sind z.B.:

Social Bibliographie

Unter Social Bibliographie versteht man das gemeinsame Erstellen von Online-Bibliographien. Dafür kann man beispielsweise die folgenden Dienste verwenden:

Beispiele für kollaborative Zotero-Bibliographien sind die Bibliographie zur Ordensgeschichte sowie die Bibliographie zum Ersten Weltkrieg First World War Studies.

Bei Mendeley gibt es eine gemeinsame Bibliographie zur digitalen Geschichte, angelegt und betreut von der AG Digitale Geschichtswissenschaft. Der Dienst ist jedoch vor kurzem an Elsevier verkauft worden, was in der Community auf Kritik stieß.

3. Bereich Multimedia

Fotografie

Zu den bekanntesten Social-Media-Anwendungen im Bereich der Fotografie zählen:

Beide Anwendungen eignen sich, um eigene Fotos dort hochzuladen und der Community zur Verfügung zu stellen. Auf beiden Foto-Plattformen sind natürlich bereits eine große Anzahl an Forschenden und an wissenschaftlichen Einrichtungen aktiv. Um diese vorzustellen, braucht es (mindestens) einen eigenen Beitrag, eine Aufgabe, der sich Jan Hecker-Stampehl dankenswerter Weise demnächst stellen will. Hier sei nur beispielhaft verwiesen auf die Flickr-Seite Commons, auf der umfangreiche digitale Sammlungen von Archiven, Bibliotheken und Forschungsstätten in public domain versammelt sind. Flickr selbst bietet in der erweiterten Suche einen Filter an, um Bilder, die unter Creative-Commons-Lizenz stehen, zu finden2.

Weitere Beispiele für den Einsatz von Flickr in historischen Projekten ist z.B. Photo Normandie mit einer Sammlung an Fotos von der Landung der Alliierten, die gemeinsam beschrieben werden (crowdsourcing) sowie die Foto Sammlung zum Ersten Weltkrieg der BDIC.

Darüber hinaus gibt es in Frankreich ein offenes Archiv speziell für das Teilen von wissenschaflichen Abbildungen, die alle unter eine CC-Lizenz stehen: MédiHAL.

Video

Für das Teilen von Videos gibt es u.a. die folgenden Portale, die aber nicht auf wissenschaftliche Inhalte beschränkt sind:

Ein unverzichtbarer Anbieter für Videos unter CC-Lizenz (wie auch für Bilder und andere Medien) ist das Internetarchive. Im Beitrag Freie Videos finden von Klaus Graf finden sich wichtige Hinweise zur Suche von rechtefreien Videos im Netz. Eine Suchmaschine speziell für wissenschaftliche Videos ist yovisto.

Präsentationen

Für das Online-Teilen von Präsentationen gibt es z.B. die Anwendung:

Eine Übersicht über weitere Tools sowie eine kurze Erläuterung sind in diesem englischsprachigen Beitrag zusammen gestellt. Anstatt Präsentationen von Vorträgen hinterher per Mail an die Zuhörenden zu verteilen, kann man sie über diese Tools der gesamten akademischen Community (und darüber hinaus) offen zur Verfügung stellen. Dabei kann individuell angegeben werden, ob und wie die Präsentationen nachgenutzt werden dürfen.

Weitere Anleitungen rund um Soziale Medien

In den sozialen Medien präsent zu sein und sich darüber zu vernetzen, zu kommunizieren und zu publizieren ist die eine Sache. Die andere ist, wie man den eigenen Erfolg für dieses Engagement misst. Für ein “Monitoring” im Bereich soziale Medien sei daher auf den sehr guten Beitrag von Wenke Bönisch auf diesem Blog hingewiesen: Social Media Monitoring für Wissenschaflter/innen (1.10.2013), der alles Wesentliche dazu erklärt.

Ausblick: Persönliche Berichte von Historiker/innen und wie sie digitale Werkzeuge nutzen

Bei der Abfassung dieser Übersicht entstand die Idee, praktische Erfahrungen zur Verwendung der digitalen Werkzeuge zu sammeln und darüber in einen Austausch zu geraten. Denn das Sammeln von Werkzeugen alleine ist zwar ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt. Hilfreich ist es aus meiner Sicht, dazu auch die konkrete Anwendung im wissenschaftlichen Alltag zu zeigen. Man könnte daher systematisch anhand eines Fragebogens den Einsatz dieser Tools im wissenschaftlichen Alltag abfragen, um so zu einer möglichst breiten Sammlung an Praktiken zu kommen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies zahlreiche Anregungen für die Praxis bringt. Da die Kollgen vom französichen Blog “La boite à outil” etwas Ähnliches planen, entstand die Idee, diese Praxisberichte gemeinsam anzugehen. Damit können gleichzeitig die eventuell national unterschiedlichen Handhabungen deutlich werden.

In eine ähnliche Richtung geht derzeit auch die Video-Serie “Max meets Lisa” Zwischen Büchern und Bytes. Geisteswissenschaftler, wie arbeitet Ihr heute?“, in der bisher zwei Videos erschienen sind.

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Literaturliste und weitere Hinweise

Wenke Bönisch, Wofür können Wissenschaftler Web 2.0/Internet nutzen?, in: Wissenschaft und neue Medien, 15.2.2011, http://digiwis.de/blog/2011/02/15/wofuer-koennen-wissenschaftler-web-2-0internet-nutzen/.

Wenke Bönisch, Sind Social Bookmarking Dienste tatsächlich tot? in: Digitale Geschichtswissenschaft, 27.2.2012, http://digiwis.de/blog/2012/02/27/sind-social-bookmarking-dienste-tatsaechlich-tot/.

Wenke Bönisch, Übersichtsliste und Eindrücke zur Geschichtsblogosphäre im deutschsprachigen Raum, in: Wissenschaft und neue Medien, 1.9.2012, http://digiwis.de/blog/2012/01/09/uebersichtsliste-und-eindruecke-zur-geschichtsblogosphaere-im-deutschsprachigen-raum/.

Wenke Bönisch, Social Media Monitoring für Wissenschaflter/innen, in: Digitale Geschichtswissenschaft, 1.10.2013, http://digigw.hypotheses.org/205.

Alan Cann, Konstantia Dimitriou, Tristram Hooley, fSocial media: A guide for researchers, Februar 2011 (pdf): http://www.rin.ac.uk/system/files/attachments/social_media_guide_for_screen_0.pdf.

Klaus Graf, Paläographie lernen mit dem Etherpad, in: Archivalia, 6.4.2011, http://archiv.twoday.net/stories/16552609/.

Klaus Graf, Blog & Recht: Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?, in: Archivalia, 8.12.2012, http://archiv.twoday.net/stories/219051498/.

Klaus Graf, Freie Videos finden, in: Archivalia, 22.5.2013, http://archiv.twoday.net/stories/410257652/.

Klaus Graf, Mareike König, Forschungsnotizbücher im Netz – Postskript zu einer Veröffentlichung, in: Redaktionsblog, 24.6.2013, http://redaktionsblog.hypotheses.org/1385.

Peter Haber, Eva Pfanzelter (Hg), Historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften, Oldenbourg 2013, http://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/216968.

Mareike König, Twitter in der Wissenschaft: Ein Leitfaden für Historiker/innen, in: Digital Humanities am DHIP, 21.08.2012 http://dhdhi.hypotheses.org/1072.

Dave Roos, How Desktop sharing Works, in: How Stuff Works, http://computer.howstuffworks.com/how-desktop-sharing-works3.htm.

Maria Rottler, Share and follow research – Academia.edu, in: Ordensgeschichte, 20.2.2013, http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2663.

Annette Schläfer, Organiser sa veille scientifique avec des flux RSS, in: Germano-Fil, 13.1.2012, http://germano-fil.hypotheses.org/756.

Annette Schläfer, Auf dem Laufenden bleiben: Zeitschrifteninhaltsdienste im Blog, in: Franco-fil, 10.9.2013, http://francofil.hypotheses.org/351.

Tim Sherratt, Exploring Digital History With NLA’s Tim Sherratt, in: Inside History, 10.9.2013, http://www.insidehistory.com.au/2013/09/exploring-digital-history-with-nlas-tim-sherratt/.

Michael van den Heuvel, Open Science: Facebook für Forscher, in: DocChec News, 6.9.2013, http://news.doccheck.com/de/24705/open-science-facebook-fur-forscher/.

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Abbildung: wrench rust von HVargas, CC-BY-SA 2.0.

 

  1. Ein Überblick, wie man u.a. mit RSS-Feeds bei Zeitschrifteninhalten auf dem Laufenden bleibt, gibt der Beitrag Auf dem Laufenden bleiben: Zeitschrifteninhaltsdienste im Blog Franco-fil
  2. Zur korrekten Verwendung von Bildern unter freier Lizenz siehe den Beitrag auf von Klaus Graf: Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?, in: Archivalia, 8.12.2012.

 

 

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/164

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Digitale Kunstgeschichte: Thema = Seminarform?

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Dass das Thema eines Seminars auch gleichzeitig die Seminarform sein kann, bewies ein ungewöhnliches Experiment der Kunstgeschichtlichen Institute der Goethe-Universität Frankfurt und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Per Videokonferenz wurde das Seminar übertragen und behandelte Themen wie Digital Humanities im deutschsprachigen Raum, Problematik des Urheberrechtes, Google Art Project, Social Media im Museum und Möglichkeiten und Grenzen des wissenschaftlichen Einsatzes von Social Media in den Geisteswissenschaften.

Einen Erfahrungsbericht der Studierenden finden Sie hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2442

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Das DHIP und Open Access – ein Überblick zur Open Access Woche #oaweek13

oaweek120x240Vom 21. bis 27. Oktober 2013 findet weltweit die Open Access Woche statt. Mit Veranstaltungen, Vorträgen, Aktionen in den sozialen Medien, Blogbeiträgen und Publikationen etc. wird dabei der Open-Access-Gedanke verbreitet. Das DHIP unterstützt mit seinen digitalen Angeboten auf verschiedene Weise die Open-Access-Bewegung:

Digitalisierung

Seit 2007 digitalisiert das Institut in Zusammenarbeit mit der BSB München auf der Plattform perspectivia.net die folgenden Publikationen, die im Open Access zugänglich sind:

- Die Zeitschrift Francia

- die Buchreihen Beihefte der Francia, Pariser Historische Studien.

Derzeit in Arbeit ist die Digitalisierung der Buchreihen Instrumenta und Studien zur Gallia Pontificia, die Mitte 2014 ebenfalls online frei zugänglich sein werden.

Aktuelle Open Access Publikationen

Das DHIP publiziert die OA-Zeitschriften Francia-Recensio und  Trivium sowie die OA-Buchreihen discussion auf perspectivia.net und Ateliers in Zusammenarbeit mit dem Oldenbourg-Verlag. Eine OA-Einzelveröffentlichung im Rahmen der Reihe Scholar Guide ist die Publikation “Faire de l’histoire en Allemagne“.

Die deutschsprachige Blogplattform für die Geisteswissenschaften de.hypotheses.org wird gemeinsam mit der Max-Weber-Stiftung sowie dem französischen Partner OpenEdition betrieben. Alle Blogs sind Open Access zugänglich, so beispielsweise die Blogs Germano-Fil und Franco-Fil zur Vermittlung von Informationskompetenz in einem deutsch-französischen Rahmen.

Das DHIP veröffentlicht außerdem auf seiner Website Podcasts und Videos von Veranstaltungen, die im Hause statt gefunden haben. Die Neuzugänge bei den Podcasts können über RSS-Feeds abonniert werden.

Datenbanken: Erschließungsprojekte im Open Access

Vor kurzem wurde der Archiv-Nachlass von Emmanuel Herzog von Croÿ (1718-1784) inventarisiert und digitalisiert. Inventar und Digitalisate sind im Netz frei zugänglich. Die Digitalisate wurden als “public domain” rechtefrei zur Verfügung gestellt[1].

Kurz vor Abschluss steht auch das Projekt einer Elektronischen Datenbank der Korrespondenz der Constance de Salm (1767-1845). Das Inventar wird frei im Netz zugänglich sein, den Zugriff auf die Digitalisate regelt das Archiv in Toulon[2].

Bereits seit längerem zugänglich sind die OA-Publikationen:

 Veranstaltungen

Das DHIP organisiert seit 2010 die Veranstaltungsreihe Digital Humanities am DHIP, in deren Rahmen auch dieses Blog hier entstanden ist. Open Access ist dabei immer ein zentrales Thema, zuletzt beispielsweise im Manifest des wissenschaftlichen Nachwuchs in den Digital Humanities.

 Bibliothek und Vermittlung

Die Bibliothek des DHIP unterstützt Open Access, in dem sie die Open Access-Plattform OpenEdition, die mit einem Freemium-Modell teilfinanziert ist, abonniert[4]. Die Bibliothek stellt außerdem auf ihrer Website neben den unter Lizenz stehende Abonnements bevorzugt OA-Produkte vor. Im Seminar “Acceder à la documentation et aux ressources scientifiques sur l’Allemagne” wird der Schwerpunkt ebenfalls auf die Vermittlung von Open-Access-Produkten gelegt.

In Blogbeiträgen und Übersetzungen wird außerdem für ein Transfer der Open-Access-Angebote zwischen Deutschland und Frankreich gesorgt. Beispiele sind der Mittwochstipp auf Franco-Fil[5]. und die Suggestion du jeudi auf Facebook bzw. auf Germano-Fil[6].Hinzu kommt ein Engagement in den sozialen Medien, neben den bereits erwähnten Blogs findet das bei Facebook, Twitter und Academia.edu statt.

Zuletzt wurde die Petition “I love Open Access” übersetzt und für deren Verbreitung im deutschsprachigen Raum gesorgt. Die Petition ist weiterhin online – die aktuelle Woche ist ein guter Anlass, um die Petition zu zeichnen!

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  1. Siehe dazu: Archivnachlass von Emmanuel Herzog von Croÿ (1718-1784) inventarisiert und digitalisiert, http://dhdhi.hypotheses.org/1879.
  2. Zum Projekt siehe: Elektronische Datenbank der Korrespondenz der Constance de Salm (1767-1845) in der Testphase, http://dhdhi.hypotheses.org/1575.
  3. Siehe dazu auch: Adressbuch der Deutschen in Paris von 1854, http://19jhdhip.hypotheses.org/20.
  4. Siehe dazu: Emotion und Open Access: die Diskussion in den französischen Geisteswissenschaften, http://dhdhi.hypotheses.org/1630.
  5. Siehe z.B. den Mittwochstipp 15: Open Access Week: Die Veranstaltungen vom 21.-25.10.2013 in Paris, http://francofil.hypotheses.org/1361.
  6. Siehe z.B. Les revues littéraires et scientifiques des Lumières – la collection des revues de la bibliothèque numérique de l’Université de Bielefeld, http://germano-fil.hypotheses.org/1820.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2040

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Thyssen Lectures zum Ersten Weltkrieg

Krumeich_Portrait

Gerd Krumeich

Gerd Krumeich eröffnet am 5. November an der Dokuz Eylül Universität in Izmir und am 7. November im Istanbuler Sakıp Sabancı Museum die Reihe Thyssen Lectures. Unter dem Titel „Der Erste Weltkrieg: Vom Krieg der Großmächte zur Katastrophe Europas“ wird er in seinem Eröffnungsvortrag ausführen, wie sich Kriegsbild und Rüstung kurz vor Ausbruch des Krieges darstellten, und wie durch die Inanspruchnahme aller materiellen und moralischen Ressourcen, durch Massenproduktion und durch ungehemmte Propaganda, der Krieg sich allmählich zum totalen Krieg entwickelte – und wie auch nach Ende des Krieges Hass und Kriegsbereitschaft weiterschwelten. Der simultan übersetzte Vortrag wird eingeleitet durch die türkischen Historiker Prof. Dr. Kemal Arı in Izmir und Prof. Dr. Cemil Koçak in Istanbul.

Der ausgewiesende Weltkriegsforscher Krumeich arbeitet in erster Linie über die Entwicklungen an der Westfront, beschäftigt sich aber auch mit der Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs und der Erinnerungskultur, wobei er eng mit französischen Wissenschaftlern kooperiert. Damit steht er programmatisch für den Anspruch der Thyssen Lectures, ein wissenschaftliches Diskussionsforum für Sichtweisen jenseits der Nationalgeschichtsschreibung zu schaffen.

Der Erste Weltkrieg als eine der großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts führte zum Zusammenbruch des Osmanischen Reichs wie auch anderer multiethnischer Imperien und zum Zerfall der alten politischen und wirtschaftlichen Ordnung. Das Näherrücken des hundertjährig
en Kriegsjubiläums nehmen das Orient-Institut Istanbul und die Fritz Thyssen Stiftung in Kooperation mit führenden wissenschaftlichen Institutionen der Türkei zum Anlass, sich in einer international besetzten Vortragsreihe mit der Genese, dem Verlauf und den Folgen des „Großen Krieges“ zu beschäftigen. Die Vortragsreihe soll auch ein neues Licht auf die Entwicklung der auf den Trümmern des Krieges entstandenen Staaten wie der Türkischen Republik werfen. Im Rahmen der Thyssen Lectures werden zwischen 2013 und 2017 acht international renommierte Weltkriegsforscher an einer der führenden Istanbuler Universitäten und im Anschluss an einer Universität außerhalb Istanbuls vortragen. Dabei arbeitet das Orient-Institut Istanbul eng mit dem Tarih Vakfı, der Historischen Stiftung, zusammen.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1211

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Literatur Konkret zum Stand des Feminismus

Sollte irgendwer noch immer kein Konkret-Abo abgeschlossen haben, das in der aktuellen Ausgabe enthaltene Literaturheft mit dem Schwerpunkt Zum Stand des Feminismus ist ein starkes Argument dafür: Zu lesen sind u.a. Interviews mit Reyhan Sahin aka Lady Bitch Ray sowie mit Ruth Klüger, eine fundierte Judith Butler-Kritik von Karina Korecky, sowie ein Text von Barbara Kirchner zur Frage, wo denn "der Aufschrei [bleibt], wenn sich Geld- und Hodensäcke über Frauenförderung und Meinungsdeppen über Gender auslassen?"

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/527996993/

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Es ist Open Access Week!

openaccess

Bereits zum sechsten Mal findet derzeit die internationale Open Access Week statt, die weltweit auf das Potential frei verfügbaren Web Contents in Wissenschaft und Forschung aufmerksam machen möchte. Dabei ist die gesamte Community zur Beteiligung aufgerufen, um die freie Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsmaterial, -publikationen und -daten weiter zu etablieren:

“Open Access” to information – the free, immediate, online access to the results of scholarly research, and the right to use and re-use those results as you need – has the power to transform the way research and scientific inquiry are conducted. It has direct and widespread implications for academia, medicine, science, industry, and for society as a whole.

Wie WissenschaftlerInnen Open Access dezidiert (be-)fördern können, dazu außerdem ein instruktiver blog post inkl. Linksammlung von Klaus Graf bei unseren KollegInnen von hypotheses.org: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1742

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2428

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14. Das Private wird historisch

FamilienbildEine eigene Geschichte

Einst lautete ein Sponti-Spruch der 68er: Das Private ist politisch. Ein Satz, der Hoffnung und Programm zugleich war. Die Belange der Vielen sollten zum Maßstab politischer Prozesse werden, Individuum und Familie sollten Ausgangs- und Zielpunkt politischer Entscheidungen sein, und nicht zuletzt sollte damit das Versprechen verbunden sein, dass die Einzelnen als aktiv Teilnehmende im Feld des Politischen einen Unterschied machen könnten.

Ein halbes Jahrhundert später kann man Zweifel hegen, ob das Private überhaupt noch politisch sein will. Eher hat sich eine andere Maxime etabliert: Das Private ist historisch. Man will nicht mehr einen Unterschied in politischen Entscheidungsprozessen machen, sondern in der zukünftigen Vergangenheit. I am history.

Für diese Entwicklung gibt es unterschiedliche Indizien. Die Ausweitung und Demokratisierung medialer Artikulationsmöglichkeiten gibt jeder und jedem die Mittel an die Hand, die „eigene Geschichte“ zu veröffentlichen und zu verewigen (je nachdem, wie lange eine solche Ewigkeit dauern mag). Gleichzeitig verlangt unser Mediensystem nach solchen „Geschichten“, schließlich will es gefüttert werden, so dass die Grenzen des Berichtenswerten beständig neu bestimmt werden.

So mag es Zeiten gegeben haben, in denen der Status des „Zeitzeugen“ noch mit der Aura des Besonderen umgeben war. Das waren nicht nur Menschen, die aufgrund glücklicher historischer und biologischer Umstände ein gewisses Alter erreicht hatten, sondern die in dieser Lebensspanne auch etwas erlebt hatten, das sie vor anderen auszeichnete. Dieser Typus des Zeitzeugen ist nicht nur dadurch entwertet worden, dass er in der einen oder anderen historischen Fernsehproduktion ein paar Mal zu oft auf der Mattscheibe zu sehen war [1], sondern dass ihm inzwischen jegliche Exklusivität abhandengekommen ist. Wir alle sind Zeitzeugen (von was auch immer)! Wir alle sind das „Gedächtnis der Nation“, dürfen in einen Bus steigen, der in ganz Deutschland herumfährt, um dort eine „spannende Geschichte zu erzählen“, die nicht „verloren gehen“ soll, sondern „nachfolgenden Generationen zur Verfügung“ gestellt wird – wenn diese Generationen denn vor lauter Erinnerungs- und Vergangenheitsaufarbeitung überhaupt noch zum Luftholen kommen.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ wäre ein weiteres, beliebig herausgegriffenes Beispiel. Auch sie ist auf den Nostalgiezug aufgesprungen und hat mit „Die Zeit der Leser“ eine eigene Seite aufgesetzt, in der das Privathistorische einmal an die große Öffentlichkeit gebracht werden darf. Dort wird dann aus Großvaters Notizbuch zitiert, werden Muttis Küchenrezepte zum Besten gegeben, werden Damals-und-Heute-Fotos gegenübergestellt und wird die gute alte Zeit häuslich-familiärer Eintracht besungen.

Als wäre „Ich“ nie gewesen

Mittels Privathistorisierung, so steht zu vermuten, soll die Schere zwischen Weltzeit und Lebenszeit geschlossen werden, sollen die überbordend komplexen Vorgänge, die wir als „Geschichte“ zu bezeichnen pflegen, mit der eigenen Biographie gekoppelt werden. [2] Schließlich geht es um das Ärgernis, dass die Welt nach dem sehr vorhersehbaren individuellen Ende weiterbestehen soll, dass „die Geschichte“ auch nach dem eigenen Dahinscheiden einfach so weitergehen wird, als sei nichts gewesen – und vor allem als sei „Ich“ nie gewesen. Es ist für so manchen historisch gesinnten Menschen wohl nur schwer erträglich, dass nach dem eigenen vergänglichen Leben noch so viel mehr Vergangenheit aufgehäuft werden wird, in der „Ich“ nicht vorkommt, dass dieser Zustand sofort geändert werden muss. Man versucht Vergangenheit zu hinterlassen, um postmortale Zukunft zu gewinnen.

Wenn ich dagegen Bedenken äußere, klingt das verdächtig nach beleidigtem Geschichtsprofessor, der sich seiner Interpretationshoheit über die Vergangenheit beraubt sieht. Auch wenn ich solche Reflexe gar nicht ausschließen möchte, meine ich doch an diversen (nicht-professoralen) Stellen ein gewisses Genervtsein über den einen oder anderen Auswuchs der Geschichtskultur des frühen 21. Jahrhunderts zu bemerken. Aber was nervt so daran? Warum will man nicht jede Familiengeschichte als Buch veröffentlicht sehen, nicht jedes Tagebuch im Internet lesen können, nicht jedes Alltagserlebnis in der Zeitung abgedruckt finden?

Weil es sich um eine Verwechselung von Relevanz und Referenz handelt. Fraglos sind diese Kindheitserlebnisse, Urlaubserinnerungen oder Familienschicksale bedeutsame Ereignisse. Aber nicht für jeden. Die Alltagshistoriker des eigenen Lebens, die aus jedem Wochenendausflug ein Ereignis zu machen versuchen, das der Welt nicht vorenthalten werden darf, wollen einen Unterschied machen, der nur durch andere gemacht werden kann.

Was an diesen Privatgeschichten zuweilen so peinlich wirkt und sogar zum Fremdschämen provoziert, ist die selbstherrliche Bedeutungszuschreibung. Wie kann man davon ausgehen, dass ausgerechnet das eigene Leben all den anderen etwas zu sagen hätte? Das Historische, das wir im Nachhinein über andere produzieren und das andere später irgendwann über uns produzieren werden, entsteht einerseits über Relationierung, soll heißen: Eine gegenwärtige Kultur stellt mit bestimmten Teilen der Vergangenheit Beziehungen her, von denen sie meint, dass sie wichtig für ihre eigene Selbstdeutung sind. Andererseits entsteht dieses Historische über eine sehr rigide Selektion, soll heißen: Nur ein verschwindend geringer Teil des Vergangenen übersteht diese Relevanzprüfung. Der Rest verschwindet im Orkus des Vergessens.

Womöglich ist es gerade diese Demütigung, die für einige nur schwer zu ertragen ist – die lastende Gewissheit, in nicht allzu ferner Zukunft niemandem mehr etwas zu sagen zu haben. Aber wir sind ein paar Milliarden. Wo kämen wir hin, wenn auf unabsehbare Zeit jeder allen etwas zu sagen hätte?

Vergangenheit ist nicht vorhersagbar

Bei alldem geht es nicht um die Frage, ob der Alltag der Vielen den Wert zugesprochen bekommt, „historisch“ zu sein oder nicht. Es ist nur zu begrüßen, wenn die Produktion von Geschichte demokratisiert wird und an Vielfalt gewinnt. Aber eitle Selbstdarstellung in Form von Möchtegern-Historisierung zählt nicht unbedingt dazu. Denn ansonsten verliert die Geschichte ihr kritisches Potential. [3]

Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Produktion von Geschichte dazu dienen soll, die Erinnerung zu bewahren, und zwar im besten Fall an alles und jeden. Die Historie hätte demnach im Idealfall die Aufgabe, eine naturgetreue Kopie alles Geschehenen anzufertigen. Eine solche totale Memoria ist nicht nur unmöglich, sondern würde auch zu weitgehenden Lähmungserscheinungen führen. In der Erzählung „Das unerbittliche Gedächtnis“ von Jorge Luis Borges besitzt die Hauptfigur Ireneo Funes diese totale Erinnerung – und muss genau deswegen eine Existenz führen, in der Handeln, Denken und Sinnhaftigkeit keinen Platz mehr haben, weil sie von der überwältigenden Vielfalt der erinnerten Einzelheiten überwuchert werden.[4]

Daher zum Mitmeißeln: Geschichtsschreibung betreibt keine Mumifizierung des Gewesenen, will nicht bewahren, um vor dem Vergessen zu retten. Im Gegenteil: Vergessen ist gut, Vergessen ist richtig, Vergessen ist überlebensnotwendig. Genauso wie das Erinnern. Aber wir erinnern uns nicht um des Erinnerns willen, sondern weil wir hier und heute Fragen haben, bei denen wir das Gestern für hilfreich halten.

Wir können durchaus versuchen, heute schon unsere eigenen Geschichten für morgen zu produzieren, unser Privates schon jetzt historisch aufzubereiten, jetzt schon Vergangenheit aufzuhäufen, um die zukünftige Geschichte bereits Hier und Heute zu schreiben. Es könnte aber sein, dass in künftigen Gegenwarten dieses Bemühen nur ein Stirnrunzeln hervorruft angesichts der Obsession, jeder Kleinigkeit den Wert des Historischen zumessen zu wollen. Denn die Vergangenheit ist genauso wenig vorhersagbar wie die Zukunft. Wir wissen nicht, was das Morgen bringen wird. Wir wissen aber auch nicht, was das Gestern uns noch bedeuten kann.

[1] Martin Sabrow/Norbert Frei: Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945. Göttingen 2012

[2] Hans Blumenberg: Lebenszeit und Weltzeit, Frankfurt a.M. 2001

[3] Achim Landwehr: Die Kunst sich nicht allzu sicher zu sein: Möglichkeiten kritischer Geschichtsschreibung, in: WerkstattGeschichte 61 (2012) 206-211

[4] Jorge Luis Borges: Fiktionen. Erzählungen 1939-1944, 6. Aufl. Frankfurt a.M. 1999, 95-104


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Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2013/10/23/14-das-private-wird-historisch/

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Verweigertes Kulturgut. Über ein Kirchenarchiv, freie Forschung und Laizismus

Historiker erforschen vergangene Kulturen. Deren Zeugnisse können Gegenstände sein – und Schriften. Letztere sind für mich der wichtigste Weg, um an die katholischen Religionskulturen des 16. Jahrhunderts heranzukommen. Was dem Archäologen die Ausgrabungsstätte oder dem Kunstwissenschaftler das Museum, ist dem Historiker deshalb das Archiv. Freie Forschung braucht freien Zugang zu den Archiven und freie, moderne Arbeitsbedingungen in diesen. Auch in Kirchenarchiven. In Regensburg ist das auf eine empörende Art nicht möglich. Über meine Erlebnisse dort möchte ich einen Beitrag zur Blogparade “Mein faszinierendes Kulturerlebnis”, die sich auch an Historiker wendet, von Kultur-Museum-Talk beisteuern. Faszinierend war meine Regensburger Erfahrung allerdings mehr im anthropologischen Sinn. Ich lernte bei dem, was mir im Bischöflichen Zentralarchiv (BZAR) widerfuhr, wenig über Geschichte. Dafür viel über Auswüchse des (Archiv-)Systems Kirche und dessen klerikale Funktionäre. Es geht um de facto verweigerten Zugriff auf Archivmaterial. Es war im April 2012. Ich bin auf meiner ersten wirklich langen Archivreise durch Ostbayern unterwegs. Nach einer Station in Passau komme ich für einige Tage ins Diözesanarchiv Regensburg. Die Quellenlage dort ist für mich vielversprechend. Es geht um Berichte über Predigerauseinandersetzungen und vor allem einen großen Packen Briefe des Dompropstes von Reisen durch das Alte Reich in den 1520er Jahren.1 Ein Ego-Dokument [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1773

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