Docupedia-Zeitgeschichte auf der Konferenz „Zeitgeschichte schreiben in der Gegenwart. Narrative – Medien – Adressaten“ 2009/03/24

Docupedia-Zeitgeschichte auf der Konferenz „Zeitgeschichte schreiben in der Gegenwart. Narrative – Medien – Adressaten"
Von: Karsten Borgmann
Veröffentlicht am: 24.03.2009

Den Veränderungen nachzuspüren, denen die Zeitgeschichtsschreibung am Beginn des 21. Jahrhunderts unterworfen ist, war Ziel einer gut besuchten Konferenz des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam am 20. und 21.03.2009 (Programm). Neben Fragen nach veränderten Darstellungsformen und Konzepten der Zeitgeschichtsschreibung in den klassischen Medien Buch und Zeitschriftenartikel wurde auf der Veranstaltung auch die Rückwirkung digitaler und vernetzter Technologien auf die Produktion und Rezeption zeithistorischer Geschichtswissenschaft behandelt. Einige subjektive Eindrücke seien hier kurz festgehalten.

Wie sehr der technologische Wandel insbesondere im Bereich der Medien die Arbeit der Zeitgeschichte verändert hat und weiterhin verändern wird, wurde in fast allen Panels der Tagung durchaus kontrovers diskutiert. Betont wurde dabei unter anderem, dass mit dem Übergang zur elektronischen Kommunikation seit etwa Mitte der neunziger Jahre die Überlieferung wichtiger Quellen störanfälliger wurde. Das Web 1.0, wenn man so die vergangenen 15 Jahre des Internets beschreiben will, die vor allem durch den Aufbau einer Masseninfrastruktur für Online-Kommunikation gekennzeichnet waren, wurde von einigen Konferenzteilnehmern als neues „Dark Age” beschworen. Die formative Phase des Internets sei praktisch kaum archiviert, und Historikerinnen und Historiker könnten auch in naher Zukunft mit dem Verlust zentraler Quellenbestände konfrontiert sein, wenn von idiosynkratischen Homepages und überquellenden privaten E-Mail-Boxen, aber auch von der elektronischen Kommunikation in Institutionen nur noch wenig bis nichts mehr übrig geblieben sei. Die Rekonstruktion historisch bedeutsamer Entscheidungsprozesse als wichtige Aufgabe von Zeithistorikerinnen und -historikern werde deshalb zukünftig schwieriger, auch wenn Archivare bereits begonnen hätten, Konzepte zur Sicherung dieses Quellenmaterials zu erarbeiten.

Dieser eher skeptischen Analyse eines schon erlittenen oder weiterhin drohenden Verlustes wurden auf der Tagung aber auch die neuen Chancen des „Suchens und Findens” und die Entstehung einer neuen, vielfach größeren Überlieferungsschicht massenhafter Netzpublikationen entgegengehalten. Viel mehr als noch in den neunziger Jahren wird Massenkommunikation heute gespeichert, weiterverwendet und ausgewertet. Das „Gedächtnis” des Internet ist im Web 2.0 deutlich stärker ausgeprägt, allerdings auch weitgehend öffentlicher Kontrolle entzogen. Niemand kann abschätzen, ob die Unternehmen und Organisationen, die heute vorbildlose Datenbestände bereitstellen (man denke nur an YouTube) dies auch zukünftig tun werden. Die Zeitgeschichtsschreibung, ebenso wie die Archivwissenschaft, muss hier dringend Standards für den Umgang mit der entstehenden digitalen Online-Überlieferung entwickeln. Vielleicht lassen sich hier – ähnlich wie bereits vor einigen Jahren im Zuge des „visual turn” und der Frage des geschichtswissenschaftlichen Umgangs mit Bildmaterialien – grundlegende Desiderate für die Methodik der Geschichtsschreibung formulieren. Mehr noch: Wahrscheinlich ist eine im Kontext der „digitalen Wende” erneuerte Methodik der Zeitgeschichte nicht nur möglich, sondern unumgänglich, denn dem Verlust der Quellen entspricht auf der anderen Seite ihre neue Überfülle. Die Zeitgeschichte steht deshalb nicht nur vor der Frage, wie eine Quellenkritik der Online-Überlieferung aussehen könnte. Vielmehr wird sie Strategien entwickeln und begründen müssen, wie die Flut verfügbarer Informationen hierarchisiert und geordnet werden kann.

Probleme des kollaborativen Arbeitens an wissenschaftlichen Inhalten, wie sie auch unser Projekt Docupedia-Zeitgeschichte beschäftigen, wurden auf der Tagung immer wieder angesprochen. Explizit tat dies Peter Haber am Freitagnachmittag. Haber gab in seinem Vortrag zunächst eine Übersicht über die Tradition „nicht-linearer” Texte, also von Texten, die beim Lesen nicht unbedingt die Kenntnis vorhergehender bzw. noch folgender Informationen über den behandelten Gegenstand voraussetzen. Als klassische Beispiele nannte Haber die Kommentarbereiche und Apparate von wissenschaftlichen Artikeln oder auch Textbooks und Materialsammlungen für die Lehre, die Fragmente aus anderen Texten zu neuen Einheiten zusammenstellen. Insbesondere hier sah Haber Ansatzpunkte für die kollaborative Erstellung von wissenschaftlichen Inhalten; zumal auch die Rezeption von Fachtexten im Netz, wie sie zumeist beim schnellen Recherchieren von brauchbaren Inhalten für die eigene Argumentation stattfindet, punktuell und nicht-linear erfolgt.

Die Bedeutung des Autors und der Autorin als Instanz der Produktion wissenschaftlicher Inhalte, deren Leistung auch zur leichteren Rezeption dieser Inhalte beiträgt, wurde von verschiedenen Konferenzteilnehmern hervorgehoben. Eher eine Ausnahme bildete in dieser Hinsicht die im Ton einer Warnung vorgetragene Einschätzung des Verlagsvertreters in der Abschlussdiskussion, dass mit der Durchsetzung neuer Nutzungsregimes (Google, Creative Commons, Open Access) und dem Erfolg weitgehend anonymer Plattformen zur Wissensaggregierung (Wikipedia) der Autor zunächst enteignet und dann überflüssig würde. Eher zeigte sich, so zum Beispiel in der angeregten Diskussion nach der Projektpräsentation von Docupedia-Zeitgeschichte durch Jürgen Danyel, dass die Chancen von Wikis und andere Plattformen des Web 2.0 für die Wissenschaft gerade in der Unterstützung des Autors gesehen werden. Diese Techniken erlauben theoretisch, den informellen wissenschaftlichen Austausch über Personen, Literatur und Ergebnisse festzuhalten, der die Produktion von wissenschaftlichen Texten begleitet. Diese ganz überwiegend „nicht-linearen” Texte, z.B. Kommentare, Literaturhinweise, Hinweise auf Projekte und Wissenschaftler, kann ein Autor dann im selben Publikationssystem zur Weiterentwicklung seines Textes nutzen. Vor allem diese Möglichkeit von „Zeitgeschichte schreiben in der Gegenwart” soll zukünftig im Projekt Docupedia-Zeitgeschichte untersucht und erprobt werden.

Ein ausführlicher Tagungsbericht wird in Kürze auf H-Soz-u-Kult erscheinen.

Quelle: http://docupedia.de/zg/Blog:Docupedia-Zeitgeschichte_auf_der_Konferenz_%E2%80%9EZeitgeschichte_schreiben_in_der_Gegenwart._Narrative_%E2%80%93_Medien_%E2%80%93_Adressaten%22_2009/03/24

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Zwei Neue Redaktionsmitglieder im Projekt Docupedia-Zeitgeschichte

Das Docupedia-Team erhält Verstärkung im redaktionellen Bereich. Christine Bartlitz und Christoph Kalter werden in den nächsten Monaten intensiv die Einwerbung der ersten Artikel bis zum Start der ersten Fassung des Portals vorantreiben. Beide bringen einschlägige Erfahrungen in der Wissenschaft und bei der Betreuung von Publikationsprojekten in die Arbeit ein.

Christine Bartlitz M.A.

Christine Bartlitz M.A.

ist Historikerin, Autorin und Lektorin. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin und einem Geschichtsstudium an der Universität Bremen hat sie mehrere Jahre lang als Redakteurin bei der UFA Film & TV Produktion Potsdam-Babelsberg, Abteilung Kommunikation und Marketing, gearbeitet.

Wissenschaftlich hat sich Christine Bartlitz im Zentrum für Zeithistorische Forschung von 2001 bis 2003 mit „Massenmedien im Kalten Krieg” beschäftigt und danach den Wissenschaftsservice „nostramemoria” sowie die biografische Agentur „leben-schreiben. Erzählte Erinnerungen im Buch” gegründet. Seit 2006 arbeitet sie außerdem als Lektorin für den Metropol Verlag in Berlin. Kontakt: <bartlitz@zzf-pdm.de>

Christoph Kalter M.A.

Christoph Kalter M.A.

hat Geschichte und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin und an der Université Bordeaux 3-Michel de Montaigne in Frankreich studiert (als Stipendiat des DAAD).

Seit 2006 arbeitet er an einer Dissertation zur Politik- und Kulturgeschichte der sogenannten Dritten Welt und der radikalen Linken in Frankreich in den „langen” 1960er-Jahren.

Seinem Interesse an der Vermittlung historischer Themen in einer breiteren Öffentlichkeit ist Christoph Kalter im Rahmen von Praktika, Werkverträgen und Honorartätigkeiten in historischen Museen und in einer Fernsehproduktionsfirma nachgegangen (Praktikum Mémorial Caen-Normandie; Ausstellungsmitarbeit und Publikumsführungen Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Fachberatung und Recherche Fernseh-Vierteiler „Napoleon und die Deutschen”, WDR/MDR, arte). Kontakt: <kalter@zzf-pdm.de>

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Zwei Neue Redaktionsmitglieder im Projekt Docupedia-Zeitgeschichte 2009/03/23

Zwei Neue Redaktionsmitglieder im Projekt Docupedia-Zeitgeschichte
Von: Karsten Borgmann
Veröffentlicht am: 23.03.2009

Das Docupedia-Team erhält Verstärkung im redaktionellen Bereich. Christine Bartlitz und Christoph Kalter werden in den nächsten Monaten intensiv die Einwerbung der ersten Artikel bis zum Start der ersten Fassung des Portals vorantreiben. Beide bringen einschlägige Erfahrungen in der Wissenschaft und bei der Betreuung von Publikationsprojekten in die Arbeit ein.

Christine Bartlitz M.A.

ist Historikerin, Autorin und Lektorin. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin und einem Geschichtsstudium an der Universität Bremen hat sie mehrere Jahre lang als Redakteurin bei der UFA Film & TV Produktion Potsdam-Babelsberg, Abteilung Kommunikation und Marketing, gearbeitet.

Wissenschaftlich hat sich Christine Bartlitz im Zentrum für Zeithistorische Forschung von 2001 bis 2003 mit „Massenmedien im Kalten Krieg” beschäftigt und danach den Wissenschaftsservice „nostramemoria” sowie die biografische Agentur „leben-schreiben. Erzählte Erinnerungen im Buch” gegründet. Seit 2006 arbeitet sie außerdem als Lektorin für den Metropol Verlag in Berlin. Kontakt: <bartlitz@zzf-pdm.de>

Christoph Kalter M.A.

hat Geschichte und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin und an der Université Bordeaux 3-Michel de Montaigne in Frankreich studiert (als Stipendiat des DAAD).

Seit 2006 arbeitet er an einer Dissertation zur Politik- und Kulturgeschichte der sogenannten Dritten Welt und der radikalen Linken in Frankreich in den „langen” 1960er-Jahren.

Seinem Interesse an der Vermittlung historischer Themen in einer breiteren Öffentlichkeit ist Christoph Kalter im Rahmen von Praktika, Werkverträgen und Honorartätigkeiten in historischen Museen und in einer Fernsehproduktionsfirma nachgegangen (Praktikum Mémorial Caen-Normandie; Ausstellungsmitarbeit und Publikumsführungen Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Fachberatung und Recherche Fernseh-Vierteiler „Napoleon und die Deutschen”, WDR/MDR, arte). Kontakt: <kalter@zzf-pdm.de>

Quelle: http://docupedia.de/zg/Blog:Zwei_Neue_Redaktionsmitglieder_im_Projekt_Docupedia-Zeitgeschichte_2009/03/23

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Zum Konzept von Docupedia-Zeitgeschichte

von Dr. Jürgen Danyel, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Docupedia – eine Standortbestimmung der Zeitgeschichte als Disziplin

Die zeithistorische Forschung in Deutschland hat ihre Fragestellungen, Perspektiven und methodischen Zugriffe in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Die Disziplin ist inzwischen durch einen enormen inneren Differenzierungsprozess gekennzeichnet. Betrachtet man die Konjunkturen der zeithistorischen Forschung in den letzten Jahrzehnten, so überrascht, dass es bislang kaum Versuche gibt, den inzwischen erreichten Stand der Diskussion um zentrale Begriffe, forschungsleitende Konzepte und Methoden der Zeitgeschichte im Sinne einer Selbstverständigung der Disziplin über ihre eigenen Grundlagen zu dokumentieren. Die „neue Unübersichtlichkeit“ einer stark ausdifferenzierten Forschungslandschaft erfordert jedoch dringend eine solche theoretische und methodische Selbstvergewisserung, nicht zuletzt um einen Bezugsrahmen für die Flut der Spezialuntersuchungen zu schaffen.

Docupedia-Zeitgeschichte möchte einen Beitrag zur theoretischen und methodischen Standortbestimmung der Zeitgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin leisten. Das für das Internet konzipierte Nachschlagewerk wird zentrale Begriffe, Konzepte, Forschungsrichtungen und methodische Ansätze der zeithistorischen Forschung dokumentieren. Darüber hinaus werden theoretische Ansätze aus dem Bereich der Philosophie, Soziologie, Anthropologie und anderer Nachbardisziplinen einbezogen, die in zunehmendem Maße von Zeithistorikern rezipiert und für ihre Forschungen adaptiert werden. Vorgestellt und bilanziert werden soll das deutlich erweiterte Spektrum der im Bereich der zeithistorischen Forschung genutzten Quellen und damit verbundenen methodischen Fragen sowie wichtige Debatten, von denen Impulse für die Forschung und das Selbstverständnis des Faches ausgegangen sind.

Zeithistorische Forschung im Umbruch

Nach wie vor bilden die Erforschung der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zentrale Felder der deutschen, zum Teil auch der internationalen Forschung und innerfachlichen Debatte. Gleichzeitig hat die Disziplin nach 1989 mit der Erforschung der Geschichte der DDR und der deutschen Teilung sowie mit der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit neue Impulse erhalten. Diese Entwicklung hatte nicht nur institutionelle Neugründungen bzw. neue Schwerpunktbildungen etablierter Forschungseinrichtungen zur Folge, sondern war durch eine Fülle von Projekten, Publikationen und Debatten gekennzeichnet. Die dabei zutage getretene „Verinselung“ und Überspezialisierung konnte inzwischen durch vergleichende Fragestellungen und eine damit verbundene Ausweitung der Perspektive auf die Geschichte der staatssozialistischen Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa aufgebrochen werden.

Die Rolle der Medien in den modernen Gesellschaften wie auch die Medialisierung zeithistorischer Themen sind zu wichtigen Forschungsfeldern der Zeitgeschichte geworden. Audiovisuelle Materialien sind zu gleichwertigen Quellen der Forschung avanciert – zumindest auf der programmatischen Ebene. Ähnlich wie von der Kulturgeschichte sind außerdem von der Visual History wichtige Impulse für die zeithistorische Forschung ausgegangen.

Öffentliche und innerfachliche Debatten haben immer wieder die Theorie- und Methodendiskussion des Faches vorangetrieben. Die Diskussionen um einen deutschen „Sonderweg“, um die Interpretation des Nationalsozialismus, den Vergleich der Diktaturen, das Verhältnis von Nationalgeschichte und Europäisierung bzw. Globalisierung sind aus der Geschichte des Faches ebenso wenig wegzudenken wie der Streit um die deutsche Verantwortung für den Beginn des Ersten Weltkriegs, die Rolle der Wehrmacht im NS-Vernichtungskrieg oder das Verhältnis von Herrschaft und Alltag in der DDR.

Mit dem wachsenden zeitlichen Abstand nimmt die zeithistorische Forschung inzwischen stärker die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in den Blick, beginnend mit den Umbrüchen und Krisen der Moderne in den 1970er-Jahren über die Zäsur von 1989/90 und den mit ihr verbundenen Transformationsprozessen bis hin zur jüngsten Zeitgeschichte.

Die Dynamik des Faches

Docupedia-Zeitgeschichte will nicht nur verfestigtes Wissen abbilden, sondern die Dynamik des Faches zeigen. Die zeithistorische Forschung soll als eine Disziplin vorgestellt werden, die sich auch auf dem Feld ihrer theoretischen und methodischen Grundlagen im Wandel befindet. Neben den inzwischen allgemein akzeptierten Begriffen und Methoden sollen neue Ansätze vorgestellt werden, die sich noch in der Diskussion befinden oder Kontroversen ausgelöst haben. Neben den großen Linien soll das Augenmerk auch auf die wachsende Zahl von „Theorien mittlerer Reichweite“ gerichtet werden, die sich inzwischen auf vielen Forschungsfeldern erfolgreich etabliert haben.

Die Entwicklung der Disziplin vollzieht sich längst nicht mehr im engen Rahmen nationaler fachlicher Communities. Deshalb werden in Docupedia-Zeitgeschichte auch Beiträge aufgenommen, die transnationale Einflüsse und Wechselwirkungen im Bereich der Theorie- und Methodendiskussion der Zeitgeschichte und die Rezeption bestimmter Konzepte in anderen Forschungskontexten zeigen. Durch Parallelbeiträge sollen jeweils spezifische „Einfärbungen“ einzelner Begriffe und Konzepte etwa im angelsächsischen, französischen oder ostmitteleuropäischen Raum im Unterschied zur deutschen Forschungstradition vorgestellt werden. Neben den überwiegend deutschsprachigen Beiträgen sind deshalb auch englische Texte vorgesehen.

Docupedia – ein Medienexperiment

Als elektronische Publikation mit einem flexiblen Redaktionsmodell und der Einbindung von partizipativen Komponenten kann Docupedia-Zeitgeschichte wesentlich schneller als klassische gedruckte Nachschlagewerke auf neue Entwicklungen in der Forschung reagieren und Debatten innerhalb des Faches aufnehmen. Im Unterschied zur freien Enzyklopädie Wikipedia, deren Publikationsplattform das Projekt adaptiert und weiterentwickelt, berücksichtigt Docupedia-Zeitgeschichte die etablierten Qualitätsstandards einer Disziplin und die Verantwortung des Autors für seinen Text. Die Qualität der Beiträge wird durch die Gewinnung fachlich kompetenter Autorinnen und Autoren, ein repräsentatives Herausgebergremium und eine Fachredaktion gewährleistet.

Die bislang noch redaktionsintern entwickelte Liste der geplanten Beiträge erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Docupedia-Zeitgeschichte ist ein offenes Projekt, das laufend durch neue Beiträge ergänzt werden kann. Neben der Fachredaktion können Autoren, Herausgeber und Nutzer Vorschläge für neue Themen unterbreiten oder die Überarbeitung bereits publizierter Texte anregen und dies durch gezielte Kommentare unterstützen.

Auf die Einbeziehung von Artikeln zu Ereignissen, Personen und Prozessen aus dem Bereich der „Realgeschichte“ wird bewusst verzichtet. Letztere sind in der Wikipedia oder in speziellen zeithistorischen Informationsangeboten im Internet breit vertreten. Viele Beiträge werden jedoch Bezüge zur Realgeschichte enthalten. Eine spätere Ausweitung in diese Richtung ist grundsätzlich möglich, sollte jedoch von der Akzeptanz des Projekts abhängig gemacht werden.

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Zum Konzept von Docupedia-Zeitgeschichte 2010/01/31

Zum Konzept von Docupedia-Zeitgeschichte
Von: Dr. Jürgen Danyel
Veröffentlicht am: 17.03.2009

Docupedia – eine Standortbestimmung der Zeitgeschichte als Disziplin

Die zeithistorische Forschung in Deutschland hat ihre Fragestellungen, Perspektiven und methodischen Zugriffe in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Die Disziplin ist inzwischen durch einen enormen inneren Differenzierungsprozess gekennzeichnet. Betrachtet man die Konjunkturen der zeithistorischen Forschung in den letzten Jahrzehnten, so überrascht, dass es bislang kaum Versuche gibt, den inzwischen erreichten Stand der Diskussion um zentrale Begriffe, forschungsleitende Konzepte und Methoden der Zeitgeschichte im Sinne einer Selbstverständigung der Disziplin über ihre eigenen Grundlagen zu dokumentieren. Die „neue Unübersichtlichkeit“ einer stark ausdifferenzierten Forschungslandschaft erfordert jedoch dringend eine solche theoretische und methodische Selbstvergewisserung, nicht zuletzt um einen Bezugsrahmen für die Flut der Spezialuntersuchungen zu schaffen.

Docupedia-Zeitgeschichte möchte einen Beitrag zur theoretischen und methodischen Standortbestimmung der Zeitgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin leisten. Das für das Internet konzipierte Nachschlagewerk wird zentrale Begriffe, Konzepte, Forschungsrichtungen und methodische Ansätze der zeithistorischen Forschung dokumentieren. Darüber hinaus werden theoretische Ansätze aus dem Bereich der Philosophie, Soziologie, Anthropologie und anderer Nachbardisziplinen einbezogen, die in zunehmendem Maße von Zeithistorikern rezipiert und für ihre Forschungen adaptiert werden. Vorgestellt und bilanziert werden soll das deutlich erweiterte Spektrum der im Bereich der zeithistorischen Forschung genutzten Quellen und damit verbundenen methodischen Fragen sowie wichtige Debatten, von denen Impulse für die Forschung und das Selbstverständnis des Faches ausgegangen sind.

Zeithistorische Forschung im Umbruch

Nach wie vor bilden die Erforschung der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zentrale Felder der deutschen, zum Teil auch der internationalen Forschung und innerfachlichen Debatte. Gleichzeitig hat die Disziplin nach 1989 mit der Erforschung der Geschichte der DDR und der deutschen Teilung sowie mit der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit neue Impulse erhalten. Diese Entwicklung hatte nicht nur institutionelle Neugründungen bzw. neue Schwerpunktbildungen etablierter Forschungseinrichtungen zur Folge, sondern war durch eine Fülle von Projekten, Publikationen und Debatten gekennzeichnet. Die dabei zutage getretene „Verinselung“ und Überspezialisierung konnte inzwischen durch vergleichende Fragestellungen und eine damit verbundene Ausweitung der Perspektive auf die Geschichte der staatssozialistischen Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa aufgebrochen werden.

Die Rolle der Medien in den modernen Gesellschaften wie auch die Medialisierung zeithistorischer Themen sind zu wichtigen Forschungsfeldern der Zeitgeschichte geworden. Audiovisuelle Materialien sind zu gleichwertigen Quellen der Forschung avanciert – zumindest auf der programmatischen Ebene. Ähnlich wie von der Kulturgeschichte sind außerdem von der Visual History wichtige Impulse für die zeithistorische Forschung ausgegangen.

Öffentliche und innerfachliche Debatten haben immer wieder die Theorie- und Methodendiskussion des Faches vorangetrieben. Die Diskussionen um einen deutschen „Sonderweg“, um die Interpretation des Nationalsozialismus, den Vergleich der Diktaturen, das Verhältnis von Nationalgeschichte und Europäisierung bzw. Globalisierung sind aus der Geschichte des Faches ebenso wenig wegzudenken wie der Streit um die deutsche Verantwortung für den Beginn des Ersten Weltkriegs, die Rolle der Wehrmacht im NS-Vernichtungskrieg oder das Verhältnis von Herrschaft und Alltag in der DDR.

Mit dem wachsenden zeitlichen Abstand nimmt die zeithistorische Forschung inzwischen stärker die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in den Blick, beginnend mit den Umbrüchen und Krisen der Moderne in den 1970er-Jahren über die Zäsur von 1989/90 und den mit ihr verbundenen Transformationsprozessen bis hin zur jüngsten Zeitgeschichte.

Die Dynamik des Faches

Docupedia-Zeitgeschichte will nicht nur verfestigtes Wissen abbilden, sondern die Dynamik des Faches zeigen. Die zeithistorische Forschung soll als eine Disziplin vorgestellt werden, die sich auch auf dem Feld ihrer theoretischen und methodischen Grundlagen im Wandel befindet. Neben den inzwischen allgemein akzeptierten Begriffen und Methoden sollen neue Ansätze vorgestellt werden, die sich noch in der Diskussion befinden oder Kontroversen ausgelöst haben. Neben den großen Linien soll das Augenmerk auch auf die wachsende Zahl von „Theorien mittlerer Reichweite“ gerichtet werden, die sich inzwischen auf vielen Forschungsfeldern erfolgreich etabliert haben.

Die Entwicklung der Disziplin vollzieht sich längst nicht mehr im engen Rahmen nationaler fachlicher Communities. Deshalb werden in Docupedia-Zeitgeschichte auch Beiträge aufgenommen, die transnationale Einflüsse und Wechselwirkungen im Bereich der Theorie- und Methodendiskussion der Zeitgeschichte und die Rezeption bestimmter Konzepte in anderen Forschungskontexten zeigen. Durch Parallelbeiträge sollen jeweils spezifische „Einfärbungen“ einzelner Begriffe und Konzepte etwa im angelsächsischen, französischen oder ostmitteleuropäischen Raum im Unterschied zur deutschen Forschungstradition vorgestellt werden. Neben den überwiegend deutschsprachigen Beiträgen sind deshalb auch englische Texte vorgesehen.

Docupedia – ein Medienexperiment

Als elektronische Publikation mit einem flexiblen Redaktionsmodell und der Einbindung von partizipativen Komponenten kann Docupedia-Zeitgeschichte wesentlich schneller als klassische gedruckte Nachschlagewerke auf neue Entwicklungen in der Forschung reagieren und Debatten innerhalb des Faches aufnehmen. Im Unterschied zur freien Enzyklopädie Wikipedia, deren Publikationsplattform das Projekt adaptiert und weiterentwickelt, berücksichtigt Docupedia-Zeitgeschichte die etablierten Qualitätsstandards einer Disziplin und die Verantwortung des Autors für seinen Text. Die Qualität der Beiträge wird durch die Gewinnung fachlich kompetenter Autorinnen und Autoren, ein repräsentatives Herausgebergremium und eine Fachredaktion gewährleistet.

Die bislang noch redaktionsintern entwickelte Liste der geplanten Beiträge erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Docupedia-Zeitgeschichte ist ein offenes Projekt, das laufend durch neue Beiträge ergänzt werden kann. Neben der Fachredaktion können Autoren, Herausgeber und Nutzer Vorschläge für neue Themen unterbreiten oder die Überarbeitung bereits publizierter Texte anregen und dies durch gezielte Kommentare unterstützen.

Auf die Einbeziehung von Artikeln zu Ereignissen, Personen und Prozessen aus dem Bereich der „Realgeschichte“ wird bewusst verzichtet. Letztere sind in der Wikipedia oder in speziellen zeithistorischen Informationsangeboten im Internet breit vertreten. Viele Beiträge werden jedoch Bezüge zur Realgeschichte enthalten. Eine spätere Ausweitung in diese Richtung ist grundsätzlich möglich, sollte jedoch von der Akzeptanz des Projekts abhängig gemacht werden.

Quelle: http://docupedia.de/zg/Blog:Zum_Konzept_von_Docupedia-Zeitgeschichte_2010/01/31

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Bericht über das Arbeitsgespräch mit Björn Hoffmann, Meyers Lexikon Online am 26.01.2009 in der Humboldt-Universität zu Berlin

meyer_logo1Mit über 150.000 Artikeln und rund 5 Millionen Bildern ist Meyers Lexikon Online das derzeit umfangreichste frei zugängliche Online-Nachschlagewerk im deutschsprachigen Raum, dessen Inhalte, anders als im Falle der Wikipedia, von einer Redaktion herausgegeben und geprüft werden. 2006 stellte der Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG die Inhalte der 10. Auflage von Meyers 24-bändigen Lexikon komplett ins Netz und beendete die Produktion der gedruckten Ausgabe. Seit 2007 können Leser und Nutzer an den Artikeln im Netz mitschreiben, die dann durch die Lexikonredaktion geprüft werden.

Aktuell steht das Projekts leider vor dem Aus, da der Verlag kürzlich den Verkauf der Marken Brockhaus und Meyer und die Trennung vom Geschäft mit lexikalischen Nachschlagewerken bekannt gab. Die Schließung des Lexikon Portals wurde für den 31. Januar 2009 angekündigt. In dem Arbeitsgespräch, das das Docupedia-Zeitgeschichte Team mit dem Leiter des Bereichs Online-Publishing im Verlag und Absolventen der Humboldt-Universität Björn Hoffmann führte, ging es jedoch im Wesentlichen nicht um die verlagspolitischen Entscheidungen. Stattdessen drehten sich die Fragen um technische und redaktionelle Erfahrungen aus über drei Jahren Arbeit mit einem Wiki-gestützten Online-Lexikon und möglicherweise daraus entstehenden Konsequenzen für die Umsetzung des Projekts Docupedia-Zeitgeschichte.

Meyers Lexikon Online hat die Zielsetzung, lexikalisch relevante und redaktionell geprüfte Inhalte anzubieten. Insbesondere dieses Merkmal der Verlässlichkeit wurde in vielen Kommentaren durch Nutzer des Lexikons immer wieder positiv hervorgehoben, berichtete Hoffmann. Das Verlagsangebot hätte sich so klar gegenüber der populären Wikipedia positioniert. Eine Nachfrage nach qualitätsgesicherten Inhalten, von Nutzern sicherlich oft auch ergänzend zur Wikipedia herangezogen, hätte sich immer wieder bestätigt. Meyers Lexikon Online kann derzeit sechs bis sieben Millionen Zugriffe (Page-Impressions) monatlich aufweisen und dies, so Hoffmann, ohne intensive Werbemaßnahmen des Verlags. Über 90 Prozent der Nutzer kämen über Suchmaschinen, bzw. Google. Spitzenwerte erreicht die Nutzung regelmäßig am späten Nachmittag, der „typischen Hausaufgabenzeit“, wie Hoffmann erläuterte.

In technischer Hinsicht setzte Meyers Lexikon Online von Beginn an auf eine Wiki-Plattform. Zunächst kam das von der Wikipedia bekannte MediaWiki, dann seit 2008 das eher im Unternehmensbereich verbreitete System Confluence der Firma Atlassian zum Einsatz. Den Wechsel auf Confluence begründete Hoffmann mit der besseren Abbildbarkeit von Redaktionsprozessen sowie der, aus Firmensicht, langfristig sichereren Unterstützung durch den Anbieter. Auch wären lokale Suchfunktionen, die insbesondere für die Redaktion ein wichtiges Arbeitsmittel darstellen, in MediaWiki nicht so differenziert wie benötigt umzusetzen gewesen. Die Confluence Oberfläche stelle zudem wesentlich mehr Möglichkeiten bereit, den teilweise sehr detaillierten Anforderungen von Content- und Werbepartnern nachzukommen. Zusätzliche Features, wie der in Confluence von Anfang an vorhandene „Rich-Text Editor“, wären hingegen durch die Entwicklung vergleichbarer Extensions für MediaWiki nicht mehr so entscheidend. Auch stelle das vor allem als Intranet-Wiki entwickelte Confluence für vergleichbare Web-Performance größere Hardwareanforderungen.

Unter redaktionellen Gesichtspunkten konnte im Zuge des Aufbaus des Online-Angebots eine aus dem Print-Bereich kommende 60-köpfige Lexikonredaktion erfolgreich auf Anforderungen des Online-Publizierens umgestellt werden. Eine Aufgabe der Redaktion ist es seither, laufend Beiträge und Änderungen zu prüfen, die im „Werkstattbereich“ des Lexikons entstehen, diese ggf. zu bearbeiten und sie dann im „Wissensbereich“ zu publizieren. Beide genannten Bereiche des Lexikons, inklusive aller überarbeiteten Versionen der Artikel, sind öffentlich zugänglich. Nur im „Werkstattbereich“ haben angemeldete Nutzer auch Schreibrechte an den Artikeln. Technisch wurden „Werkstatt-“ und „Wissensbereich“ im Wiki-System durch Einsatz unterschiedlicher Namensräume realisiert. Damit Verlinkungen, die im Werkstattbereich angelegt wurden, immer auf Artikel im Wissensbereich verweisen, wurde eine Software zur automatischen Korrektur der angegebenen Adressen eingesetzt (s. dazu auch den Blog Beitrag von B. Hoffmann).

Bewährt hätte sich ebenfalls, wie Hoffmann es nannte, die „Kathedralarchitektur“ der Redaktion, in der Zuständigkeiten und Aufgaben zentral festgelegt werden. So können einerseits Marginalien aus dem laufenden Betrieb des Portals bereits früh abgefangen werden, bevor sich die eigentlichen Redaktionsmitglieder damit beschäftigen müssen. Andererseits ist so die schnelle Bearbeitung von zuletzt rund 1.000 Nutzerbeiträgen im Jahr möglich. Als schwierig hätte sich jedoch die redaktionelle Nachverfolgung der sehr zahlreichen Beiträge auf den Diskussionsseiten einzelner Artikel herausgestellt. Hier wären nur selten Beiträge zu verzeichnen gewesen, aus denen unmittelbar Hinweise zur redaktionellen Bearbeitung oder Erstellung von Artikeln resultierten.

Insgesamt sah Hoffmann das für Meyers Lexikon Online entwickelte Modell der Kooperation zwischen Redaktion und Nutzeröffentlichkeit als sehr erfolgreich an. Viele Themen, die im „klassischen“ Lexikon nicht vorgesehen waren, wären erst durch Nutzerbeteiligung hinzugekommen. Für die Bearbeitung von Themen außerhalb des fachlichen Kompetenzbereichs der Redaktion wurden einzelne Experten als Autoren eingesetzt, die Themenvorschläge von Nutzern zu Artikeln ausarbeiteten. Einzelne Autoren wurden zur Veröffentlichung von Artikeln in Eigenverantwortung berechtigt, der Kreis der verantwortlichen Mitwirkenden so sukzessive erweitert. Die stärkere Beteiligung von Wissenschaftlern oder auch Institutionen, die Verantwortung für einzelne Bereiche des Lexikons übernehmen, ist im Projekt angedacht, wurde aber noch nicht umgesetzt.

Gefragt nach häufigen Problemen, die sich beim Betrieb des Portals herausstellten, wies Hoffmann auf den bekannterweise schwierigen Umgang im hochgeladenen Bildern hin. Aufgrund der komplizierten Urheberrechtslage beschäftigte der Verlag hier einen speziell ausgebildeten Mitarbeiter, der jedes hochgeladene Bild vor Veröffentlichung auf seine Verwendbarkeit prüfe. Viel Arbeit machen auch sehr spezielle Themenvorschläge von Nutzern, die dann erst einmal durch die Redaktion ausgearbeitet werden müssen. Die Möglichkeit zur Gestaltung einzelner Teilnehmerprofile (Homepages) wurde von den registrierten Nutzern kaum wahrgenommen. Möglicherweise ist dies aber auch der in dieser Hinsicht schlechten Usability des Angebots geschuldet, da der Zugang zu dieser Funktion schwer zu finden ist.

Insgesamt bestätigten sich in dem Gespräch mit Björn Hoffmann viele Überlegungen, die auch im des Projekt Docupedia-Zeitgeschichte diskutiert werden. So war es erfreulich zu hören, dass trotz des sehr breiten Angebots der Wikipedia noch ausreichend Nachfrage für redaktionsgeprüfte Inhalte in vielen Themenbereichen besteht. Auch das Modell eines „Werkstatt-“ und eines geprüften „Wissensbereichs“ wird sich, leicht modifiziert, in Docupedia-Zeitgeschichte wiederfinden. Die Arbeitsteilung zwischen einer zentralen Online-Redaktion und einem erweiterten Kreis von Redakteuren hat sich auch in anderen wissenschaftsnahen Informationsangeboten, wie beispielsweise H-Soz-u-Kult, bewährt. Ob man allerdings in einem auf die unbezahlte engagierte Mitwirkung aus der Fachöffentlichkeit angewiesenen Projekt ein ähnliches Verfahren der zentralen Steuerung von Aufgaben umsetzen kann, erscheint fraglich. Sicher ist auf jeden Fall, dass Docupedia-Zeitgeschichte nicht mit 150.000 Artikeln und einem großen Stab von Redakteuren starten wird. Bis der Umstieg auf ein Enterprise Wiki wie Confluence nötig wird, kann also noch etwas Zeit vergehen.

Nachtrag:

Das MLO-Portal wurde am 23.03.2009 abgeschaltet (s. http://blog.meyers.de/576-meyers-lexikon-online-wird-abgeschaltet ). Meyers Medien (http://medien.meyers.de/), der Meyers online-Blog (http://blog.meyers.de/) und die Verlagswebseite (http://www.meyers.de/) bleiben zunächst noch erhalten.

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Workshop Docupedia-Zeitgeschichte: Bericht über die Ergebnisse

Das Projekt Docupedia-Zeitgeschichte veranstaltete am 12.11.2008 in der Humboldt-Universität Berlin einen Workshop mit rund 25 Zeithistorikerinnen und -historikern sowie Experten aus den Bereichen Lexikografie und Medientheorie (s. Teilnehmerliste). Diskutiert wurden die inhaltliche Konzeption des geplanten Online-Nachschlagewerks sowie erste Überlegungen für ein Redaktionsmodell. Vor der Veranstaltung war den Teilnehmern eine Liste mit möglichen Artikeln und -themen sowie ein Text mit ersten Überlegungen zur redaktionellen Konzeption zur Verfügung gestellt worden.

Jürgen Danyel, Projektleiter vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, stellte in einem kurzen Statement Überlegungen vor, die bei der Entwicklung des Projekts eine Rolle gespielt haben. Die Wiki-Technik erlaube es mit Docupedia-Zeitgeschichte ein flexibles Instrument der fachlichen Selbstverständigung im Bereich der Zeitgeschichte zu entwickeln, das schneller auf neue Trends und Debatten reagiert und disziplinäre Grenzen überschreitet. Dazu zählen auch die methodischen Herausforderungen, die sich für die zeithistorische Forschung aus dem Umgang mit audiovisuellen Quellen ergeben. Ziel des Projekts sei es, einen thematisch fokussierten Zugang zu den Konzepten und Methoden der Zeitgeschichte zu liefern und die Vernetzung der zeithistorischen Forschung zu verbessern. Mit dem Projekt könnten verschiedene Arbeitsfelder gebündelt und bestehende Informationsangebote unter dem Dach eines übergreifenden Eintrags im Nachschlagewerk zusammengeführt werden. Weiterhin diene das Vorhaben auch dazu, die erfolgreiche Zusammenarbeit von Clio-online, Zeitgeschichte-online und H-Soz-u-Kult fortzusetzen.

Im Anschluss unternahm Jan-Holger Kirsch (Zentrum für Zeithistorische Forschung) den Versuch, den Beitrag von Lexika zur Kanonisierung der Zeitgeschichtsforschung in historischer Perspektive zu umreißen. Er wies darauf hin, dass auch klassische Lexika wie „Zedlers Universal Lexicon“ im 18. Jahrhundert oder die bekannten „Konversationslexika“ des 19. Jahrhunderts bereits als kollektive Werke angelegt waren. Heute sei die wissenschaftliche Community vermutlich stärker als früher mit einer Nachfrage nach kanonisiertem Wissen konfrontiert. Ursachen würden in der stärkeren Standardisierung von Studiengängen, der wachsenden Unübersichtlichkeit zeithistorischer Forschungsprobleme im Zuge der Auflösung nationalstaatlicher Großerzählungen und den Anforderungen eines zunehmenden Austauschs zwischen Wissenschaft und Publikum liegen. Hinsichtlich dieser drei Aspekte könne Docupedia-Zeitgeschichte unter Verwendung eines „pragmatischen Wissensbegriffs“ einen Beitrag leisten. Abschließend wies Kirsch darauf hin, dass es bislang kein vergleichbar umfassend angelegtes Nachschlagewerk zu Begriffen und Konzepten der Zeitgeschichte gebe – vermutlich weil die strukturellen Gegebenheiten bislang keine so übergreifende Kooperation über verschiedene Forschungseinrichtungen der Zeitgeschichte hinweg ermöglicht hätten.

Nach diesen inhaltlichen Vorüberlegungen präsentierte der für Planung und Koordination zuständige Projektmitarbeiter Karsten Borgmann (Humboldt-Universität/ZZF) ein erstes Modell möglicher redaktioneller Abläufe. Die technische Entwicklung von Docupedia-Zeitgeschichte leitet sich aus einer Reihe redaktioneller Anforderungen ab: Autorinnen und Autoren der Artikel müssen eine schnelle Aktualisierung ihrer eigenen Texte vornehmen können, Beiträge und Bearbeitungen durch Nutzer der Plattform sollten möglichst auf Einzelbereiche konzentriert und für den Autor oder die Autorin nachvollziehbar erfolgen, in die Artikel werden thematisch passende Online-Informationsangebote integriert und die Möglichkeit zur Open-Access-Veröffentlichung von Texten und Materialien sollte im Kontext eines Artikels gegeben sein.

Als erste Antwort auf diese Anforderungen wurde ein Modell vorgestellt, das grundsätzlich zwei Bereiche einer Artikel-Seite mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Funktionalitäten unterscheidet: Die „Publikationsversion“ als Artikelseite, die von einem zuständigen Autor betreut wird, und die „Arbeitsversion“, an der Nutzer Änderungen vornehmen sowie eigene Kommentare und Texte beitragen können. Beide Bereiche werden jeweils ergänzt durch „Apparate“, in denen Zusatzinformationen automatisiert eingeblendet werden oder die Möglichkeit zum „Beitragen“ gegeben wird.

Mit der gestalterischen Trennung zweier Funktionsbereiche soll der Versuch unternommen werden, eine der Wiki-Logik entsprechende „dynamische“ Version der Artikelpublikation von einer eher statischen Variante zu trennen, die als Publikation eines Autors „zitierfähig“ wird. Die Beziehung zwischen diesen beiden Texten stellt der Autor oder die Autorin her, indem von Zeit zu Zeit aus den im Wiki erfolgten Veränderungen eine autorisierte “stabile” Version generiert wird.

Daran schloss sich eine offene Diskussion an, die von Rüdiger Hohls von der Humboldt-Universität moderiert wurde. Nahezu alle Diskutanten zeigten sich sehr angetan und betonten, dass das Experiment „Docupedia-Zeitgeschichte“ sehr unterstützungswürdig und vielversprechend sei. Auch wurde die große Bedeutung hervorgehoben, die verlässliche Übersichtsdarstellungen der verschiedenen Gebiete und Methoden der Zeitgeschichte für die Lehre hätten. Hinsichtlich der hier erstmalig vorgestellten Entwürfe zur praktischen Umsetzung wurde jedoch auch eine Reihe von Kritikpunkten deutlich, die im Folgenden wiedergegeben werden.

Weitgehend kritisch wurde die praktische Umsetzbarkeit des vorgeschlagenen Redaktionsmodells kommentiert. Wenn, wie vorgeschlagen, Autorinnen und Autoren „genötigt“ wären, laufend auf Änderungen von Nutzern in der Arbeitsversion zu reagieren, führe dies, so u.a. Thomas Mergel, zu einem „Kommunikations-Overflow“ und zu einer Verpflichtung für die Autoren, deren Ausmaß sie nicht absehen könnten. Andere der Anwesenden stimmten zu, dass die wissenschaftlichen Autoren so in eine langfristige Redaktionsrolle gedrängt würden, die abschreckend wirke. Innerhalb des Projekts, so u.a. auch Rüdiger Hohls, fehle bislang eine Reflexion über die Zielgruppe, sowohl hinsichtlich der Autoren wie auch der Nutzer. Das Projekt sollte nicht nur eine kommende Generation von Nutzern mit möglicherweise anderen Medienkompetenzen und -erfahrungen ansprechen.

Andere Anwesende, wie Michael Wildt, betonten die große Chance, Entwicklung und Diskursivität der historischen Forschung insbesondere in den Versionen der „Arbeitsfassung“ abzubilden. Allerdings sei grundsätzlich zu fragen, ob der gewünschte Einblick in die Diskursivität des geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, festgehalten in den vielen Einträgen der Versionsgeschichte eines Artikels, so tatsächlich möglich werde. Zudem gebe es berechtigte Zweifel an der „Schwarmintelligenz“ (Gabriele Metzler), die womöglich bei Wikipedia zu einer breiten Faktenbasis beitrage, aber nicht zwingend zu besseren Artikeln führe (Annette Vowinckel). Argumente und neue Perspektiven in den Geistes- und Sozialwissenschaften würden sich eher über „Gegentexte“ entwickeln (Christoph Classen). Insofern, und hier stimmten viele der Anwesenden zu, wäre eventuell der Kommentar das geeignetere Beitragsformat, durch das Autorinnen und Autoren der Artikel zur Aktualisierung angeregt würden.

Bezweifelt wurde außerdem, so u.a. durch Stefan Jordan, dass ein durch die Leistung eines Autors geprägter Text mittels kollektiver Bearbeitung verbessert werden könnte. Hier wären durch das additive Schreiben wohl eher negative Einflüsse zu verzeichnen. Stattdessen sollten Nutzerbeiträge als eine Art „Spielwiese“ im Kontext eines Artikels aufgenommen werden. Tendenziell sei es sinnvoller, die Fortentwicklung der Artikel, wie vorgesehen, durch gezielte Nutzerbeiträge in Form von Kommentaren, Ergänzungen des Literaturapparats oder dem Upload von Texten und Materialien zu fördern.

Peter Haber plädierte vehement dafür, Docupedia-Zeitgeschichte noch stärker als „mediales Experiment“ zu definieren, in dem die Grenzen der kollaborativen Arbeit an Texten und Argumenten in den Geisteswissenschaften ausgelotet werden. Diese Reflexion solle möglichst transparent erfolgen, und es sollten auch systematisch die Erfolge und Misserfolge vergleichbarer Projekte ausgewertet werden, die in Auseinandersetzung mit der Wikipedia entstanden sind.

Eine Reihe von ergänzenden Hinweisen bezog sich auf die vorläufige Vorschlagsliste möglicher Artikel. Friedrich Jaeger wies darauf hin, dass bei aller Offenheit gegenüber den dynamischen Entwicklungen im Fach Zeitgeschichte ein Gesamtentwurf über die Richtung des Nachschlagewerks sicherlich hilfreich sei. Über die Arbeit am Konzept würden für alle Beteiligten auch die impliziten Inklusions- und Exklusionsmechanismen klarer. Ein solches Konzept könne sich auch entwickeln, es sollte nur transparent werden. Auf die Aufnahme von Artikeln zu einzelnen Zeithistorikern sollte verzichtet werden, wie neben anderen Hanna Schissler bemerkte. Hier wäre jeder Versuch der „Kanonisierung“ leicht angreifbar.

Das weitgehende Fehlen außereuropäischer Themen und Perspektiven wurde bemerkt, allerdings in der Diskussion mit Blick auf die Unbestimmtheit dieses Desiderats auch problematisiert. Hanna Schissler schlug vor, im weiteren Verlauf gezielt weitere Historikerinnen und Historiker anzusprechen und sie um die Ergänzung der vorliegenden Liste von Fachbegriffen zu bitten. Außerdem, so Schissler, sollte man sich um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bemühen, die im Ausland arbeiten und andere Perspektiven einbringen könnten. Dies könnte vielleicht auch durch die Aufnahme englischsprachiger Stichwörter bzw. Artikel erreicht werden, wie in der Diskussion bemerkt wurde.

Auf die im Entwurf der Themenliste enthaltene Unterscheidung von wissenschaftlichen Konzepten und Quellenbegriffen sollte nach Ansicht von Stefan-Ludwig Hoffmann und anderen verzichtet werden; der mögliche Blick auf den Diskussionsverlauf in der Versionsgeschichte der Artikel würde zeigen, wie sich diese Unterscheidung selber laufend relativiere.

Insgesamt war die Diskussion durch produktive Beiträge geprägt, die den Ansatz des Vorhabens grundsätzlich würdigten und zur Präzisierung beitrugen. Auch erklärte sich ein Großteil der anwesenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bereit, das Projekt aktiv zu unterstützen und ggf. als Herausgeber und Autoren Themenbereiche zu betreuen. Empfohlen wurde, die Entwicklung des Projekts möglichst transparent zu gestalten. Der veranstaltete Workshop war ein erster Schritt in dieser Richtung. Über weitere wird an dieser Stelle berichtet werden.

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Workshop Docupedia-Zeitgeschichte 12.11.2008: Teilnehmerliste

Karsten Borgmann, Humboldt-Universität, Docupedia-Zeitgeschichte

Daniel Burckhardt, Humboldt-Universität, Docupedia-Zeitgeschichte

Dr. Christoph Classen, Zentrum für Zeithistorische Forschung

Dr. Jürgen Danyel, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Zeitgeschichte-online

Patricia Fechner, Humboldt-Universität zu Berlin, Computer und Medienservice / Docupedia-Zeitgeschichte

Christoph Gumb, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl Geschichte Osteuropas

Dr. Peter Haber, Universität Basel, Historisches Seminar

Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann, Zentrum für Zeithistorische Forschung

Dr. Rüdiger Hohls, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften

Dr. Stefan Jordan, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Prof. Dr. Friedrich Jaeger, Kulturwissenschaftliches Institut Essen

Dr. Jan-Holger Kirsch, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Zeitgeschichte-online, Docupedia-Zeitgeschichte

Prof. Dr. Thomas Mergel, Humboldt-Universität, Institut für Geschichtswissenschaften

Thomas Meyer, Humboldt-Universität, Institut für Geschichtswissenschaften / Clio-online

Prof. Dr. Gabriele Metzler, Humboldt-Universität, Institut für Geschichtswissenschaften

Uwe Müller, Humboldt-Universität, Computer und Medienservice

Alexandra Pfeiff, Humboldt-Universität, Docupedia-Zeitgeschichte

Prof. Dr. Martin Sabrow, Zentrum für Zeithistorische Forschung

Prof. Dr. Hanna Schissler, Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung

Dr. Annette Schuhmann, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Zeitgeschichte-online

Dr. Katja Stopka, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Bibliothek

PD Dr. Annette Vowinckel, Zentrum für Zeithistorische Forschung

Prof. Dr. Michael Wildt, Hamburger Institut für Sozialforschung

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