Wer war Joachim von Sandrart? Nein, er war kein berühmter Söldnerführer und auch kein Geheimer Rat, der sich auf diplomatischem Parkett in diesem Konflikt engagiert hat. Und doch hat er in der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs seinen festen Platz; allerdings taucht er erst ganz am Ende dieses Konflikts auf. Denn nach dem Abschluß der Verhandlungen in Münster und Osnabrück begann 1649 in Nürnberg der sogenannte Exekutionstag, auf dem für die vielen noch offenen Probleme Lösungen gesucht wurden, vor allem für das Problem der Abdankung der Truppen. Eine wichtige Etappe zur Beantwortung solcher Fragen stellte der Interimsrezeß zwischen den Schweden und dem Kaiser vom 21. September 1649 dar. Zur Feier dieses Abkommens wurde ein feierliches Bankett ausgerichtet, das zwei Wochen später stattfand. Als Nürnberger Friedensmahl vom 5. Oktober ging es in die Geschichte ein und symbolisierte den erfolgreichen Abschluß dieser Verhandlungen. Sandrart erhielt damals den Auftrag, das Nürnberger Friedensmahl in einem repräsentativen Gemälde abzubilden, das ähnlich wie Gerard ter Borchs Gemälde des Friedens zu Münster zwischen Spanien und den Generalstaaten vor allem die an den Verhandlungen Beteiligten zeigt. Das „Friedensmahl“, riesenhaft in seinen Ausmaßen (290 x 445 cm), stellt eine der Ikonen des Friedensschlusses dar, für dessen zeitgenössische Breitenwirkung vor allem einige Kupferstiche sorgten.
Die Darstellung des Friedensmahls von 1649 ist sicherlich das bekannteste Gemälde Sandrarts und zweifelsohne dasjenige, das auch unter Nur-Historikern am besten bekannt sein dürfte. Dabei lohnt es durchaus, den Blick zu weiten und die insgesamt beeindruckende Lebensleistung des Künstlers wahrzunehmen. Dies ist jüngst in zweifacher Hinsicht sehr erleichtert worden. Zum einen ist seit einiger Zeit die kommentierte Online-Edition der „Teutschen Akademie“ verfügbar, ein monumentales Werk in drei Bänden, in dem Sandrart das kunsthistorische Wissen seiner Zeit vorstellt. Dem zuerst in deutscher Sprache erschienenen Werk folgte bald eine lateinische Ausgabe; beide sind hier verfügbar und durch verschiedene Indices mustergültig erschlossen. Zum anderen präsentiert die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel eine Ausstellung, die Sandrarts Biographie nachzeichnet, aber vor allem auch Einblicke in seine kunsttheoretischen Auffassungen bietet. Die Ausstellung kann nur noch bis zum 24. Februar 2013 besucht werden; danach wird man auf den Katalog „Unter Minervas Schutz“ zurückgreifen müssen.
Natürlich braucht man sich nicht weiter um Sandrart zu kümmern, wenn man einfach nur verstehen will, welcher Stellenwert der itio in partes im Rahmen des Westfälischen Friedenswerkes zukam oder wie man die Truppenmassen nach Ende der Kriegshandlungen loswurde. Aber eine solche Engstirnigkeit wird sich heute kaum jemand leisten können. Und selbst wenn man keine große Neigung zu kunsthistorischen Themen verspüren sollte, dient es in jedem Fall der Erweiterung des eigenen Horizonts, wenn man sich die Tatsache vergegenwärtigt, daß das berühmte Gemälde über das Nürnberger Friedensmahl eben nicht von irgendeinem Maler angefertigt wurde. Vielmehr handelt es sich bei Sandrart um einen der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit und zudem um eine intellektuelle Zelebrität, deren Einfluß man nur schwer überschätzen kann. Als wichtig erscheint mir auch, zu sehen, daß Sandrarts Wirken weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts reichte. Er stellte also eine der Persönlichkeiten dar, die von den Erfahrungen des Kriegs geprägt waren, aber an der Gestaltung der Nachkriegszeit lebhaften Anteil hatten.
Das Nürnberger Friedensmahl ist, wie gesagt, unter Historikern gut bekannt. Erläuterungen und gute Reproduktionen des Gemäldes sowie der Kupferstiche finden sich etwa im Katalog „Von teutscher Not zu höfischer Pracht 1648-1701“, S. 26-32, sowie im Ausstellungskatalog „1648. Krieg und Frieden in Europa“, S. 419 f.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/84