Chilehaus: Auf dem Weg zum kulturellen Erbe

2015 entscheidet sich in Paris, ob Hamburg ein Weltkulturerbe bekommen wird. Die Kriterien und Auflagen der UNESCO sind umfassend und streng. Zwar stehen die Chancen gut, aber schon für die Bewerbung gab es hohe Hürden zu bewältigen. Welchen Mehrwert bietet ein Welterbetitel und was bedeutet er für die Stadt und seine Bewohner? – Von Christian Weber

Das kulturelle Erbe Hamburgs könnte 2015 eine Adelung erfahren. Die Kulturbehörde der Stadt hat sich 2014 mit einem Gebäudeensemble um die Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO beworben.

Das Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ besitzt laut der Initiatoren der Bewerbung einen hohen historischen Wert, den es zu schützen gelte. Die Bewerbungsmacher sehen in den beiden Komplexen die Grundlage für die Infrastruktur in Hamburg, die erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte des Hamburger Hafens und den Wohlstand der Stadt.

Der Senat hat im Februar 2014 die Kulturbehörde beauftragt über die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Auswärtige Amt, den ausgearbeiteten Aufnahmeantrag beim Welterbezentrum in Paris vorzulegen. Der Antrag wurde fristgerecht vorgelegt und noch im Laufe des Jahres 2014 wird eine Delegation der UNESCO nach Hamburg reisen, um die Bewerbung zu prüfen. Im Juni 2015 wird das Welterbekomitee in Paris die Entscheidung fällen.

Erfüllung der Kriterien

Für Hamburg wäre es der erste Beitrag zur Welterbeliste. Mit derzeit 39 Welterbetiteln, darunter die Altstadt von Lübeck und das Wattenmeer, gehört Deutschland zu den fünf Ländern mit den meisten Eintragungen des Kulturverzeichnisses. Während alle anderen Bundesländer schon einen Beitrag vorzeigen können, ist Hamburg das letzte deutsche Bundesland ohne Welterbetitel.

Bereits seit 1998 befindet sich das Chilehaus als einzelnes Objekt auf der Tentativliste, also der Vorschlagsammlung der KMK. Da eine Bewerbung für den Titel auf nationaler Ebene erfolgt, müssen sich die Länder ihrer föderalen Struktur entsprechend einigen, mit welchen Stätten eine deutsche Bewerbung bei der UNESCO eingeht.

  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Ostansicht Chilehaus: Die berühmte Spitze des Chilehauses, der"Bug", machte das Haus weltberühmt. Die Schiffsmetaphorik ist hier besonders gut sichtbar / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Südseite Chilehaus: Die Risalite und die Staffelgschosse geben dem Gebäude seine unverwechselbar Form / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    S-förmige Südseite Chilehaus: Die geschwungende Form des Hauses lässte mit wechselndem Licht immer wieder neue Impressionen entstehen / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Die Staffelgeschosse, die an Schiffsdecks erinnern, waren sehr fortschrittlich 1924. Mit ihnen wurde die Bauhöhe optimal ausgenutzt .... / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur, Staffelgeschoss
    ... und auch in Sachen Brandschutz bietet diese Bauweise Vorteile. Ein Satteldach aus Holzbalken ist deutlich brandgefährdeter / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Ein Problem des Chilehauses ist, dass es von keiner Seite in Gänze zu sehen ist. Die enge Bebauung des Viertels lässt immer nur einen Teilblick / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Sprinkenhof, Architektur
    Südseite des Sprinkenhofs: Die Ornamentik an der Fassade des Gebäudes lässt aus bestimmten Perspektiven beeindruckende Muster entstehen / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Sprinkenhof, Architektur
    Im Innenhof des des Sprinkenhofs setzt sich das Muster fort / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Brahms Kontor, Architektur
    Brahms Kontor an der Laiszhalle: Das Kontor ist in Teilen schon älter als das Chilehaus und ist mit seinen 15 Geschossen auch höher. Allerdings ist die äußere Form weit weniger virtuos / Foto: Christian Weber
  • Flatiron Building New York: Ob das 1902 fertiggestellte Hochhaus den Architekten des Chilehauses, Fritz Höger, inspiriert hat, ist nicht bekannt / Foto: Fotolia
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Kontorhäuser Speicherstadt: Die 15 zusammenhängenden Kontorhäusern gelten als der größte einheitlich geprägte Lagerhauskomplex der Welt / Foto: Christian Weber
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Die Speicherstadt wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. An vielen Stellen lässt sich die Symbiose aus alter und erneuerter Bausubstanz aus den 1950er Jahren betrachten / Foto: Christian Weber
  • Kaffeebörse, Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Vor allem am Sandtorkai 3 kann man die Unterschiede gut erkennen. Der Neubau von Werner Kallmorgen (links im Bild) von 1956 ist ein bekanntes Beispiel für den Wiederaufbau der Speicherstadt / Foto: Christian Weber
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    An vielen Stellen bietet die Speicherstadt einen ungetrübten Blick auf ausschließlich originale Bauabschnitte / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Innenstadt, Speicherstadt, Kontorhausviertel, Hafencity
    Kontorhausviertel, Speicherstadt und Hafencity: Zusammenspiel von kulturellem Erbe und Wachstumsviertel / Foto: Fotolia/ Peter Knechtges

(Für eine Großbildansicht bitte in die Bildmitte klicken)

Dabei sollten die Antragsteller darauf achten, dass die Objekte, die man mit einem Welterbetitel versehen möchte, in ihrem Genre nicht bereits überpräsent sind. Die Experten der UNESCO erwarten einen „außergewöhnlichen universellen Wert“ bei Listenanwärtern. Originalität ist neben „Authentizität“, also historischer Echtheit, und „Integrität“, was man mit Unversehrtheit übersetzen könnte, eines der wichtigsten Aufnahmekriterien.

Die Autoren formulieren im Bewerbungsschreiben den hohen Anteil des Ensembles in seiner Funktion als Logistik-, Lager- und Verwaltungskomplex, die das Ensemble für den industriellen Wandel in Hamburg und Umgebung hatte. Das gilt auch für die industriellen Prozesse des 19. und 20. Jahrhunderts und seine Auswirkungen auf transnationale industrielle Entwickelung in ganz Europa. Mit einer Ernennung zum Weltkulturerbe soll der kulturelle Wert dieses Erbes hervorgehoben werden.

Hervorragende Voraussetzung für das Kontorhausviertel mit Chilehaus

Das Chilehaus nimmt eine Führungsrolle im Bewerbungsprozess um den Welterbetitel ein. Anfangs war das Chilhaus alleiniger Bestandteil der Bewerbung. Der Titel der Bewerbung („Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“) lässt noch immer erkennen, dass das Chilehaus in den Augen der Bewerbungsmacher einen besonderen Platz im Ensemble einnimmt.

Von Kriegsschäden weitestgehend verschont, genießt das von Fritz Höger erbaute Chilehaus den Ruf, eines der bekanntesten Gebäude der Welt zu sein. Mit seinen zehn Stockwerken war es eines der ersten Hochhäuser Deutschlands. Vor allem mit seiner markanten Form und seiner schiffsbugartigen Ostspitze, hatte es schon vor seiner Fertigstellung weltweit für Aufsehen gesorgt. Zwar gab es bereits ein früheres „Hochhaus“ am Holstenwall, das heutige Brahms Kontor. Aber selbst nach seiner Fertigstellung 1927 konnte es mit seinen 15 Stockwerken, dem weitaus virtuoseren Chilehauses nicht den Rang ablaufen.

Sieht man von dem historischen Detail ab, dass die Baubehörde zu Baubeginn Wohnungen im Chilehaus forderte, ist das Chilehaus ein Archetyp des norddeutschen Kontorhauses. Die Forderung nach einer teilweisen Wohnnutzung hatte man allerdings schon weit vor der Fertigstellung des Chilehauses wieder verworfen. Es passte nicht in die von Wirtschaftskrisen geplagten 1920er Jahre. Geschuldet war die Auflage der Tatsache, dass sowohl im Kontorhausviertel, als auch in der Speicherstadt engbebaute Gängeviertel standen, welche Arbeiterquartiere beherbergten. Als Choleraherd ausgemacht, sah man sich nach der großen Epidemie von 1892 genötigt, die Quartiere abzureißen. Allein für die Speicherstadt mussten 20.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen.

 

Speicherstadt_Luftbild_no_text

 Speicherstadt und Hafencity: Kulturelles Erbe und Bauboom auf engstem Raum                     / Foto: Fotolia / Peter Knechtges
 

Das Chilehaus in seiner ungewöhnlichen Mischung aus Neogotik, Traditionsbewusstein und Moderne erfuhr vor und nach seiner Fertigstellung eine bis dato unbekannte mediale Verbreitung. Die namhaften Fotografien der Gebrüder Dransfeld vom „Bug“ des Hauses gingen damals um die Welt. Ende der 1920er Jahre war das Chilehaus mit seiner Schiffsmetaphorik ein beliebtes Motiv auf Postkarten, Holzschnitten, Postern und Lebensmittelpackungen.

Weder die Staffelgeschosse, die zurückspringenden Dachgeschosse, die sich nach oben hin verjüngen, waren wirklich neu, noch war es das erste Haus mit einer derart schiffsähnlichen Spitze. Vorbild könnte das sogenannte Flatiron Building des Chicagoer Architekten Daniel Hudson Burnham von 1902 an der 5th Avenue in New York gewesen sein. Die Zusammenhänge werden bis heute in Architekturkreisen diskutiert. Ob Architekt Fritz Höger besagtes Gebäude kannte, lässt sich nicht rekonstruieren.

Was aber dem möglichen Vorbild im Vergleich zum Chilehaus fehlt, ist die extravagante Mischung von Stilmitteln. Der Bockhorner Klinker, die gotischen Arkaden mit den kitschig anmutenden Putten und Tierfiguren des Hamburger Bildhauers Richard Kuöhl ergaben einen exotischen Stilmix. Die orientalisch-modern anmutenden Elemente und die markante S-förmigen Südseite riefen in den Augen vieler Betrachter verschiedenste, starke Reaktionen hervor.

Im gesamten Kontorhausviertel hat der Zweiten Weltkrieg nur wenige Schäden hinterlassen. Das Chilehaus wurde 1993 umfassend saniert. Die Integrität der Gebäude schätzen Experten als sehr gut ein und alle Gebäude werden ihrer ursprünglichen Bestimmung nach als Bürohäuser genutzt.

Das gilt auch für die anderen Gebäude der Bewerbung für den Welterbetitel. Auch Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof befinden sich in gutem Zustand, werden in ihrem ursprünglichen Sinne als Kontorhaus benutzt und bilden zusammen mit dem Chilehaus das Kontorhausviertel. Der ebenfalls beeindruckende Sprinkenhof wurde erst 2006 umfassend saniert.

Die Speicherstadt – ein Sonderfall

Die Speicherstadt gilt bis heute als der größte zusammenhängende und einheitlich geprägte Speicherkomplex der Welt. Die 15 Lagerhäuser wurden zwischen 1883 und 1927 hauptsächlich unter der Leitung von Franz Andreas Meyer gebaut, wobei der erste von drei Abschnitten 1888 fertiggestellt wurde. Kaiser Wilhelm II. legte damals persönlich den Schlussstein des Bauabschnitts.

Im Falle der Speicherstadt gestaltet sich die historische Einordnung der Bausubstanz ungleich schwieriger. 50% der Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und unter hohem Aufwand nach historischen Vorbildern wieder aufgebaut. Andere Gebäude wurden unter der Leitung von Werner Kallmorgen in den 1950er Jahren gänzlich ersetzt. Wie zum Beispiel beim Bau der Kaffeebörse am Sandtorkai. Man bescheinigte Kallmorgens Entwürfen ein hohes Maß an architektonischem Einfühlungsvermögen und eine hervorragende Korrespondenz der Gebäude mit der alten Bausubstanz.

 

Speicherstadt-Horizont

Speicherstadt: Die meisten der 15 Blöcke haben den  Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden     / Foto: Christian Weber
 

Die Funktion und Nutzung der Speicherstadt hatte sich bis in die 1980er Jahre kaum verändert. Erst mit dem Siegeszug des Containers verlor die Speicherstadt ihre Bedeutung als Lagerkomplex. Die Stadt sah damals von einem Verkauf der Gebäude ab und stellte die Speicherstadt 1991 unter Denkmalschutz. Eine Maßnahme, welche die Gebäude einem potentiellen Abriss entzog. Am 01. Januar 2003 wurde die Speicherstadt aus dem Freihafenstatus entlassen und seit 2008 ist sie Teil des Stadtteils HafenCity im Bezirk Hamburg-Mitte.

Der Gebäudekomplex wurde somit seiner ursprünglicher Funktion als Umschlagplatz und Warenlager beraubt. Heute befinden sich nur noch wenige Lagerflächen in der Speicherstadt. Ateliers, Firmen der kreativen Branche, Museen sowie Hotel und Gastronomie haben sich mittlerweile dort angesiedelt. Damit verliert die Speicherstadt einen Teil ihrer Relevanz, die UNESCO-Kriterien betreffend. Allerdings war es den Verantwortlichen immer noch möglich, den Anspruch an einen Welterbetitel in Bezug auf mehrere andere Punkte der Kriterien zu formulieren wie zum Kriterium I: „Angemeldete Güter sollten (i) „ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen“ oder bei Kriterium III: „Angemeldete Güter sollten (iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen.“ Die Speicherstadt erfüllt diese Kriterien nach Meinung der Experten aufgrund ihrer Architektur. Der Lagerhauskomplex mit seinen neugotischen Formen wird als exemplarisches Beispiel für die Stilrichtung der „Hannoverschen Schule“ angesehen. Auch die Einheitlichkeit des ursprünglichen Zustands wird oft betont.

Kosten und Nutzen des Projekts

Kritische Stimmen in Bezug auf die Bewerbung kamen aus Politik und Wirtschaft. Vor allem als die Initiatoren der Bewerbung 2005 die Speicherstadt in das UNESCO-Projekt mit einbezog. Zu dieser Zeit war die angrenzende HafenCity gerade in ihrer stärksten Wachstumsphase und exponierte Bauflächen in direkter Nähe zum zukünftigen Weltkulturerbe waren noch nicht bebaut. So zum Beispiel die Ericusspitze mit dem neuen SPIEGEL-Gebäude, welches 2011 eingeweiht und in Betrieb genommen wurde. Man sah das ungehinderte Wachstum des neuen Stadtteils durch mögliche Reglementierungen seitens der UNESCO gefährdet.

Die Befürworter des Projekts konnten jedoch überzeugen. Zahlreiche positive Gründe stehen überschaubaren Kosten gegenüber. Laut der Hamburger Kultursenatorin der Stadt Hamburg Barbara Kissler, wolle man mit der Bewerbung den festen Willen zum Erhalt der Gebäude ausdrücken und die historische Tradierung der Geschichte an eine breite Öffentlichkeit sicherstellen. Auch der freie Zugang für die Öffentlichkeit werde durch das Reglement der UNESCO sichergestellt.

Neben Erhalt und Schutz der Objekte sei noch die Wirkung des Welterbetitels als Touristenmagnet zu erwähnen. Die Aufnahme der bereits jetzt schon sehr beliebten Hamburger Wahrzeichen in die UNESCO-Liste könnte im Konkurrenzkampf deutscher Städte um den Zuspruch der Besucher ein gutes Marketingtool darstellen und die hohe Frequentierung für die Zukunft sichern oder sogar noch erhöhen.

Gerade dieser wirtschaftliche Aspekt bietet Konfliktpotential. Steigende Touristenzahlen sind für die Anwohner der angrenzenden Viertel nicht unbedingt erstrebenswert. Eine Umfrage der Initiative „Stimmen von St. Pauli“ ergab, dass die zunehmende Eventisierung durch Großveranstaltungen in den innerstädtischen Vierteln und die als negativ empfundenen Auswirkungen von steigenden Besucherzahlen ein drängendes Problem Bürger und Bürgerinnern darstellen.

Aus kunsthistorischer Sicht wurde die Relevanz der Bewerbung des Ensembles „ Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ zu keiner Zeit angezweifelt.

2011 richteten die ICOMOS Deutschland, die deutsche Untereinheit der UNESCO und das Denkmalschutzamt in Verbindung mit der Hafenuniversität und der Sutor-Stifung eine internationale Fachtagung zum Thema aus. Das Symposium „Stadtentwicklung zur Moderne, die Entstehung großstädtischer Hafen- und Bürohausquartiere“ kam zu dem Ergebnis, dass die Objekte in ihrer bauhistorischen Qualität den internationalen Vergleich mit anderen Kulturgütern nicht zu scheuen bräuchten und einer Bewerbung nichts im Wege stünde.

Erweiterung des Antrages um einen ganzen Stadtteil

Bis 2005 ging es beim Antrag der Kulturbehörde nur um eine Bewerbung des Chilehauses. Erst dann erweiterte man die Bewerbung auf das gesamte Kontorhausviertel, also zusätzlich um den Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof sowie auf die angrenzende Speicherstadt.

Die Idee der Erweiterung des Antrages geht vor allem zurück auf die Initiative „UNESCO Modernes Erbe Hamburgs“, welche vom Verlagshaus Gruner + Jahr und der Deutschen Umwelthilfe getragen wird. Das Engagement von Gruner + Jahr lässt sich vielleicht mit der Tatsache erklären, dass Gruner + Jahr in den Gründungsjahren der 1960er Jahre seine Verlagsbüros im Sprinkenhof und dem Chilehaus hatte.

Wichtig für das Gelingen des Projekts ist die Unterstützung aller Beteiligten, auch die der Besitzer. Die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), als Betreiber der Speicherstadt, als auch die Union Investment Real Estate GmbH, Inhaber des Chilehauses, müssen das Konzept mittragen. Berichten zufolge sind Betreiber und Denkmalschützer sich hier einig und alle Beteiligten stehen hinter der Bewerbung.

Die Verleihung des Welterbetitels ist mit strengen Auflagen in Bezug auf Erhaltung und denkmalgerechter Nutzung verbunden und die Inhaber müssen Management-Pläne für die Zukunft vorlegen. Das nimmt die Betreiber der Objekte in die Pflicht und setzt den Willen voraus, auch nach der etwaigen Anerkennung die Auflagen zu erfüllen, um den Titel nicht wieder zu verlieren. Die Aberkennung des Titels wie im Falle des „Dresdner Elbtals“ dient hier als negatives Beispiel. Durch den Bau der Waldschlösschenbrücke im Gebiet der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, sah die UNESCO die Kriterien für einen Welterbetitel als nicht mehr erfüllt an.

Ein Welterbetitel verpflichtet die Stadt Hamburg, Inhaber und Betreiber der Stätten zur denkmalgerechten Pflege und zum Schutz der Gebäude. Somit kann eine Ernennung der Stätten neben positiven Effekten für den Tourismus die weitaus wichtigere Aufgabe der Sicherung und Erhaltung des kulturellen Erbes leisten.

 

Zum Autor:

Christian Weber studiert Geschichte an der Uni Hamburg und ist seit 2013 Mitglied der Redaktion „Hamburgische Geschichten“.

Literaturempfehlungen:

  • Busch, Harald und Ricardo Federico Sloman: Das Chilehaus in Hamburg. sein Bauherr und sein Architekt, Festschrift aus Anlaß des 50jähr. Bestehens 1924 – 1974, hrsg. v. Friedrich Wilhelm Sloman, Hamburg 1974.
  • Fischer, Manfred F.: Das Chilehaus in Hamburg. Architektur u. Vision, hrsg. v. Klaus Frahm, Berlin 1999.
  • Hesse, Frank Pieter: Stadtentwicklung zur Moderne. Entstehung großstädtischer Hafen- und Bürohausquartiere,  internationale Fachtagung, veranstaltet von ICOMOS Deutschland und der Kulturbehörde Hamburg, Denkmalschutzamt Hamburg, 13., 14. Oktober 2011, Berlin 2012.
  • Nagel, Britta und Bernadette Grimmenstein: Chilehaus Hamburg, Berlin 2005.
  • Nicolaisen, Dörte: Studien zur Architektur in Hamburg 1910 – 1930, München 1985.
  • Sörgel, Herman: Das Chilehaus, Hamburg: Architekt Fr. Höger, Charlottenburg1925.
  • Voigt, Wolfgang: Hans und Oskar Gerson, hanseatische Moderne. Bauten in Hamburg und im kalifornischen Exil 1907 bis 1957, hrsg. v. Hartmut Frank u. a., Hamburg 2000.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1590

Weiterlesen

Ausstellung: „Krieg und Propaganda 14/18“

„Es geht um alles“ – so lockt derzeit das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg neue Besuche in seine Hallen. Im Jubiläenjahr 2014 schließt sich auch das MKG dem Gedenken an den hundert Jahre zurückliegenden Beginn des Ersten Weltkriegs an. Seit dem 20. Juni 2014 ist dort die Ausstellung „Krieg und Propaganda 14/18“ zu sehen. Mit über 400 Exponaten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs eröffnet die Ausstellung Einblicke in eine damals neue mediale Manipulation der Massen. – Von Patricia Wiesemann

Die aufwendig gestaltete Ausstellung bietet ihren Besuchern eine reiche Vielfalt unterschiedlicher Propagandamittel. Neben Plakaten, Grafiken und Bildpostkarten sind auch ein breites Spektrum an Fotografien und Zeitungen sowie Alltagsgegenstände wie Kinderspielzeuge zu sehen. Auch historisches Filmmaterial, Tonaufnahmen und zeitgenössische Musik kann im ersten Stock des Museums begutachtet werden. Die über drei Jahre zusammengetragenen Exponate stammen aus dem Deutschen Reich, Frankreich, Großbritannien, USA, Russland, Italien und Österreich-Ungarn.

Zu Beginn der Ausstellung wird der Besucher direkt in die Propagandaschlacht hineingezogen. Das im Eingang hängende Bild „Over the top“ des australischen Fotografen Frank Hurley zeigt ein Schlachtfeld zuzeiten des Ersten Weltkriegs. Flugzeuge am Himmel, von Explosionen aufgewirbelte Erdmassen, Soldaten in Schützengräben. Eine Momentaufnahme des Krieges. So scheint es – doch das Bild ist nicht echt, eine Fälschung. In Wahrheit handelt es sich um eine Komposition aus zwölf übereinander gelegten Negativen. Der Betrachter sieht sich einer konstruierten Realität gegenüber. Unbewusst wird er dadurch kurzzeitig Teil der manipulierten Masse im Sog der Propagandamaschinerie.

Den Gegner schlecht aussehen lassen

Der Besucher durchläuft zunächst einen Gang, in dem sich deutsche und britische Propaganda gegenüberstehen. Ihr Ziel: die Mobilisierung der Massen. „Helft uns siegen“, „It’s your duty!“ Krieg sei eine feine Sache. So die Botschaft, die im kollektiven Gedächtnis hängen bleiben sollte. Demonstrationen gegen den Krieg gab es offiziell nicht, dafür sorgte die Zensur. Einen positiv geführten Krieg vermarkten und den Gegner schlecht aussehen lassen, so die Vorstellung der Meinungsmacher im Deutschen Reichen, „Das ist der Weg zum Frieden – die Feinde wollen es so! Darum zeichne Kriegsanleihe!“ Dessen Gegner setzten derweil vor allem auf die Dämonisierung des barbarischen „Hunnen“ mit Pickelhaube: „Remember Belgium“, „Beat the Hun with Liberty Bonds“.

 Eine Auswahl von Exponaten aus dem Katalog der Ausstellung. (Für ein Großbildansicht bitte in die Bildmitte klicken)
 
  • Titelblatt der Leipziger „Illustrierten Zeitung“. Ausgabe von 1915 / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • Titelseite der britischen Illustrierten „The illustrated London News“ Ausgabe vom 23. Januar 1915 / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • "Le plan d’Hindenburg", aus: La Baïonnette, Nr. 101, 7. Juni 1917, von Maurice Neumont / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • "Daddy, what did you do in the Great War?", Farblithographie von Savile Lumley / Druck: Johnson, Riddle & Co. Ltd., London Victoria and Albert Museum, London / © V & A Images, London
  • "Pour le suprême Effort. Emprunt National" Farblithographie von Marcel Falter 1918 / Druck: Chaix, Paris / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • "Wir spielen Weltkrieg. Ein zeitgemaßes Buch fur unsere Kleinen" von Ernst Kreutzer um 1915 / Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart / © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
  • "I Want You for U.S. Army" 1917 , Aufruf der USA zur Rekrutierung von Soldaten / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • Kriegsspielzeug aus dem Jahre 1914. Ein uniformierte Puppe der Firma Steiff GmbH / Spielzeugmuseum Nürnberg / Foto: Christiane Richter
  • Geschicklichkeitsspiel „Die Böse 7“ um 1914 / Altonaer Museum, Hamburg © Stiftung Historische Museen Hamburg / Altonaer Museum / Foto: Elke Schneider
  • Murmelspiel „Trench Football“ eines unbekannten britischen Herstellers / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • Selbstgebauter Holzpanzer aus Holz / Stiftung Historische Museen Hamburg / Altonaer Museum / Foto: Elke Schneider
  • Eine improvisierte Musikkapelle 1915 / Foto: Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
  • "Go! It`s your duty lad. Join to-day". Eine klare Aufforderung an die Männer in den USA von 1915. / Druck: David Allen & Sons Ltd., Harrow/Middlesex Library of Congress, Washington D.C. Courtesy of Library of Congress, Washington D.C.
  • Charlie Chaplin auf einer Kriegskundgebung in New York 1918 / Otto Bettmann Archive / FPF, Pennsylvania/ © Bettmann / Corbis
  • "Boys Come over here you`re wanted". Das englische Plakat aus London von 1915 buhlt um die Gunst junger Männer / Druck: David Allen & Sons, London / Foto: Maria Thrun
  • "The Hun - his Mark. Blot it Out with Liberty Bonds" fordert die Lithografie aus New York von 1917 / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • O, bleibe mein!, - ein deutsche Bildpostkarte aus Berlin vom Juli 1917 / Verlag: Albert Fink, Berlin / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Foto: Maria Thrun
  • Die Ausstellung zeigt auch Fotografien, Zeitschriften und Bildpostkarten / Foto: Michaela Hille
  • Ausstellungsansicht: Über 400 Exponaten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zeigt die Ausstellung / Foto: Michaela Hille

 

Diese Gräuelpropaganda, die auch die Versenkung des britischen Schiffes Lusitania und die Erschießung der britischen Krankenschwester Edith Cavell aufgreift, wurde vor allem durch den niederländischen Zeichner und Karikaturisten Louis Raemaekers stark beeinflusst. Dessen Kriegszeichnungen waren derweil so erfolgreich, dass sie während des Krieges in zahlreichen internationalen Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert wurden – sehr zum Ärger der deutschen Reichsführung. Diese übte sich indes in Partizipation der Bevölkerung. Was heute wohl unter den neudeutschen Begriff „Crowdfunding“ fallen würde, fand damals in Massenveranstaltungen als sogenannte „Nagelungen“ von hölzernen Heldenfiguren statt.

Je nach finanziellen Möglichkeiten konnten Nägel unterschiedlichen Materials erworben und in die Holzfigur geschlagen werden. Auch diejenigen, die nicht mit der Waffe kämpften, konnten auf diese Weise etwas zum Krieg beizutragen. So entstand beispielsweise auch der „Isern Hinnerk“ aus Hannover. Darüber hinaus bediente sich die Kriegspropaganda schon im Alltag einfachster Methoden. Spielzeug und Geschichten wie „Max und Moritz – eine Soldatengeschichte“ verdeutlichen, dass der Werbefeldzug bereits im Kinderzimmer begann.

Atmosphärisch und grotesk

Die Ausstellung lässt den Besucher zunächst verschiedene Propagandastationen durchlaufen. Dabei folgt sie dem Narrativ der damaligen Zeit und stellt dadurch eine gewisse Distanz zwischen Objekt und Betrachter her. Sie transportiert allerdings auch eine emotional aufgeladene Atmosphäre, die der Besucher unweigerlich aufgreift. So sollte der Beginn der Ausstellung zu denken geben. Viele Ausstellungsstücke mögen heute grotesk und brachial erscheinen. Im zeitlichen Abstand wird Propaganda häufig mit ihrer für den „modernen“ Betrachter empfundenen Absurdität gleichgesetzt. Das Verbreiten weltanschaulicher Ideen zur Beeinflussung des allgemeinen Bewusstseins oder das Ausnutzen von Vertrauen und Anleiten einer nicht-hinterfragenden Öffentlichkeit erscheint befremdlich.

In hundert Jahren hat sich das Verhältnis zu Staat, Heimat und Vaterland wie auch das Verständnis von Menschlichkeit und Menschenwürde verändert. Mit dem Wandel in Denken und Moral geht auch ein technischer Fortschritt einher, der – oft wenig hinterfragt – unser mediales Zeitalter entscheidend prägt. Alles lässt sich heute minutiös medial-visuell in Form von Bildern begreiflich machen: royales Baby im Blazer, Wrackteile eines abgestürzten Flugzeugs, Kinder im Bombenschutt. Die Macht der Bilder leitet die Emotionen der Öffentlichkeit. Wie bei dem Bild im Eingang der Ausstellung stellt der Betrachter seine Echtheit kaum in Frage, bis er eines Besseren belehrt wird. Was wir sehen, ist real. Wie wirklich aber ist die abgebildete Realität, wie konstruiert ihr Rahmen und was sehen wir alles nicht? Ich denke, also bin ich. Ich seh’s, also stimmt’s?

 Informationen zur Ausstellung:

  • Die Ausstellung „Krieg und Propaganda 14/18“ läuft noch bis zum 2. November im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Steintorplatz, direkt am Hauptbahnhof, Öffnungszeiten: Di-Do 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr).
  • Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 7 Euro, donnerstags ab 17 Uhr erhalten alle Besucher ermäßigten Eintritt. Für bis unter 18-Jährige ist der Eintritt frei.
  • Der Katalog zur Ausstellung (224 Seiten, 180 Abbildungen in Farbe, in deutscher Sprache) ist im Museum für den Kaufpreis von 25 Euro erhältlich.
  • Weitere Informationen zur Ausstellung gibte es auf der Hompage des MKG oder im Medien-Portal der Ausstellung und telefonisch unter 040 / 428 134 – 880.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1675

Weiterlesen