Abstract.
Thema und Fragestellung
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre werden in Bayern erstmalig in größerem Umfange Gebirgsbahnen gebaut. Der Blick in die Quellen zeigt eine Flut von Vorhaben, die geplant, umgesetzt, gescheitert oder Jahrzehnte später realisiert worden sind. Die Idee einer Zugspitzbahn wird ab 1890 verfolgt, die Wendelsteinbahn wird 1912 realisiert, andere Vorhaben können durch den Kriegsausbruch nicht mehr umgesetzt werden. Auf die wirtschaftliche Konsolidierung 1924 folgt eine regelrechte Welle entsprechender Bautätigkeit: Kreuzeckbahn 1926, Predigtstuhlbahn 1927, Wankbahn 1929, Zugspitzbahn 1928/1930 und Nebelhornbahn 1930. Eine zweite Welle wird in der Aufbauzeit der 1950er Jahre folgen: Wallbergbahn 1951, Brauneckbahn 1956 und Kampenwandbahn 1957. Die Massierung an Bergbahnprojekten tangiert die bayerische Identität: Eine heftige Debatte um die Erscheinungen der Moderne entzündet sich an den für das bayerische Selbst- und Außenbild zentral gewordenen Bergen. Der Konsens des neunzehnten Jahrhunderts, einerseits Industrialisierung und Ökonomie als vorrangig zu akzeptieren, andererseits individuelle Erholung in der Reservatzone Natur als bürgerliche Bewältigungsstrategie zu finden, steht zur Auflösung an. Auffällig ist die „hohe“ Ansiedlung dieses Themas im öffentlichen Diskurs: die engagierte Stellungnahme verschiedener Ministerien, die Erkundungsreise des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held in die Schweiz, die Verstimmung zwischen Bayern und Tirol beim Wettlauf um die technische Eroberung der Zugspitze, die engagierte Stellungnahme von Interessensverbänden (Alpenverein, Bergwacht, Natur- und Heimatschutzbewegung, Landesfremdenverkehrsverein) oder Lobbyarbeit seitens der Unternehmerschaft (Architektenverband, Baugewerbe). Das Reichsgericht muss entscheiden, ob es sich bei Bergbahnen um Luxus oder allgemeines Interesse handele. Lebhaft begleitet wird die Auseinandersetzung sowohl in der Tages- wie in der Fachpresse mit ganzseitigen Artikeln von Entscheidungsträgern wie Staatssekretären, Gutachtern und Firmenrepräsentanten. Das für die Zeit offensichtlich so virulente Thema wird dramaturgisch umgesetzt: Ödon von Horváth erlebt sein Durchbruch mit dem kritischen Volksstück „Die Bergbahn“ (1928).
Die Arbeit soll die äußeren Vorgänge und Entscheidungswege gebauter, geplanter und verworfener Bergbahnprojekte rekonstruieren und stellt somit einen Beitrag zur infrastrukturellen Erschließung Bayerns dar. Die Analyse der zeitgenössischen Diskurse lässt darüber hinaus Einsichten in die bisher wenig bearbeitete Ära Held etwa im Bereich der Umwelt-, Tourismus- und Wirtschaftsgeschichte erwarten und Neues zur Politik Dr. Helds beisteuern, der sich mit Nachdruck nicht nur verkehrspolitisch für den Main-Donau-Kanal engagierte, sondern auch den bayerischen Bergbahnbau dezidiert vertrat.
Quellenlage
Die staatliche Überlieferung zu den bayerischen Bergbahnen kann als sehr gut bezeichnet werden. Als zuständige Behörde für die Eisenbahnverwaltung – und damit für die Bergbahnen – dokumentierte das Wirtschaftsministerium alle Belange detailliert. Die Überlieferung im Ministerium des Äußeren ist intensiv, da der König / Ministerpräsident die Konzessionen für Planung, Bau und Betrieb erteilte, die Bahntrassen an Tiroler und Vorarlberger Berge grenzten und internationale Konkurrenz, Kooperation und Erfahrung im Bergbahnbau zu verhandeln waren. Daneben lässt sich auch für das Innenministerium eine umfangreiche und dichte Überlieferung feststellen. Aussagekräftig sind zudem die Akten der unteren, lokal zuständigen staatlichen Behörden, die in den Staatsarchiven verwahrt werden. Ferner zeigt bereits eine erste Sichtung für einige Interessensverbände (Deutscher und Österreichischer Alpenverein) und Firmen (Bleichert AG, Bayerische Zugspitzbahn AG, Wendelsteinbahn) einen hinreichenden Aktenbestand. Einen zusätzlichen reichen Fundus bietet die zeitgenössische Fach- und Zeitschriftenpresse.
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