Wie passe ich Fußnoten an? Über doppelte Klammern und Makros

Die meisten Bloggenden dürften früher oder später vor der Aufgabe stehen, eine Fußnote in einen Blogpost einbauen zu wollen, und werden merken: Das ist gar nicht so einfach. Wählt man die Funktion »aus Word einfügen«, geht die Verlinkung der Fußnote zum Fußnotentext verloren. Damit dies nicht passiert, genügt es, den Fußnotentext von Hand in jeweils zwei öffnende Klammern und zwei schließende Klammern zu setzen, und zwar an die Stelle, an der das hochgestellte und verlinkte Fußnotenzeichen im Text stehen soll.

Hier ein Beispiel, wie eine solche Fußnote im Backend aussieht:

Fußnoten im Backend

Im Frontend sieht es dann so aus:

Fußnoten im Frontend

Derzeit sind in einigen WordPress-Themes die Fußnoten sehr klein. Dies kann leider nicht eingestellt werden, hier ist eine generelles Update von WordPress gefragt….

Es gibt aber auch ein von OpenEdition programmiertes Makro, mit dem Fußnoten in Blogartikel automatisch eingefügt werden können. Und so geht es für Word 2003, 2007 oder 2010:

  1. Downloaden Sie das macro_notes_wordpress (.zip-Datei) und entpacken Sie die Datei. Das Makro selbst liegt im Vorlagen-Format .dot vor.
  2. Passen Sie die Sicherheitseinstellungen des Dokuments an, die die Ausführung von Makros betreffen:
    • In Word 2003 klicken Sie dafür auf Extras > Makro > Sicherheit > Niedrig.
    • In Word 2007 klicken Sie dafür auf Datei > Optionen > Vertrauensstellungscenter > Einstellungen für das Vertrauensstellungscenter > Einstellungen für Makros > Alle Makros aktivieren
    • In Word 2010 klicken Sie dafür auf Datei > Optionen > Sicherheitscenter > Einstellungen für das Sicherheitscenter > Einstellungen für Makros > Alle Makros aktivieren.
  3. Fügen Sie das Makro zu dem betreffenden Word-Dokument hinzu.
    • In Word 2003 finden Sie die Option unter Extras > Vorlagen und AddIns > Hinzufügen.
    • In Word 2007 und 2010 klicken Sie dafür auf Datei > Optionen > Add-Ins, wählen im Dropdown-Menü unten Vorlagen aus und klicken auf Gehe zu … Im folgenden Fenster können Sie über Hinzufügen das Makro importieren.
  4. Speichern Sie das Dokument und schließen Sie es, damit die Änderungen aktiviert werden.
  5. Öffnen Sie das Dokument erneut und klicken Sie auf die Schaltfläche »Convertir les notes au format WordPress«.
    • In Word 2003 ist die Schaltfläche in der Werkzeugleiste Notes Word verfügbar.
    • In Word 2007 und 2010 findet sich die Schaltfläche in der Rubrik Add-Ins.

Das Makro wandelt nun sämtliche Fußnoten im Dokumententext um und setzt sie in das oben erläuterte Format der doppelten Klammer. Der so entstandene Text kann kopiert und direkt in einen Artikel eingefügt werden.

Egal,ob per Hand oder per Makro eingefügt: WordPress erstellt aus den doppelten Umklammerungen die passenden Fußnoten.

Quelle: http://bloghaus.hypotheses.org/831

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Biyong 辟雍 – die kaiserliche “Lehrhalle”

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Pekinger Konfuziustempel (Kongmiao 孔廟) befinden sich die Gebäude der wechselweise als “Akademie” oder “Universität betitelten kaiserlichen Lehranstalt (Guozijian 國子監)[1]

Eine aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende russische Beschreibung Pekings wies auch darauf hin, dass sich in dieser Einrichtung unter anderem eine Halle befand, die der Kaiser einmal jährlich aufsuchte:

135. Ko-tseu-kian, die Universität. Unter den Gebäuden, aus denen dieses Institut besteht, ist der im Jahre 1785 erbaute Palast zu bemerken, der an vier Seiten mit einem breiten Graben umgeben ist, über welchen vier Brücken gespannt sind. [...] Am ersten Tage des zweiten Mondes besucht der Kaiser die sogenannte kaiserliche Schule (134), um dem Philosophen Khung-tseu seine Huldigungen darzubringen, und demnächst begibt er sich in den Universitätspalast, um die heiligen Bücher zu erklären. Die alten Cypressen, welche diesen Ort beschatten, wurden von einem Rektor gepflanzt, der unter der mongolischen Dynastie (1295-1341) lebte.[2]

Biyong

Biyong – die kaiserliche “Lehrhalle” – Foto: Georg Lehner

Das hier als “Universitätspalast” bezeichnete Gebäude trägt den Namen Biyong 辟雍[3]. In de Groots Beschreibung des konfuzianischen “Staatskults” wird dieser “Predigtsaal” wie folgt beschrieben:

[...] auf einer quadratischen Insel erbaut, die genau in der Mitte eines kreisrunden Teiches liegt. [...] Er ist gänzlich mit Marmorquadern gemauert und hat genau im Norden, Osten, Süden und Westen eine Steinbrücke [...] die ebenso wie der Teich beiderseits mit schweren Marmorgeländern versehen sind. Insel und Brücken sind auch mit Marmorsteinen gepflastert, gleichwie der umliegende Hof. Der Saal trägt ein doppeltes Dach mit gelbglasierten Ziegeln und hat gegenüber jeder Brücke einen Eingang; der südlichste ist der vornehmste und über ihm hängt eine Holztafel mit der Inschrift 辟雍 Pi’ Jung, dem Namen des Saales.”[4]

Im Inneren ist die Halle ganz im Sinne der ältesten kosmologischen Vorstellungen gestaltet. So wird er durch die 16 Pfeiler, die die Dachkonstruktion tragen, “in neun viereckige Fächer, welche die neun Hauptgegenden der Erde versinnbildlichen”[5] geteilt. Für den Kaiser ist der Platz in der Mitte der Halle vorgesehen. Für den kaiserlichen Lehrvortrag wird ein besonders günstiger Tag bestimmt und der Kaiser hält eine kurze Lesung von je einem Text aus den “vier heiligen Büchern” (sishu 四書) und aus den “fünf kanonischen Schriften” (wujing 五經), den wichtigsten Textgruppen des Konfuzianismus. [6]

 

  1. Bei J.J.M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918) 263 übersetzt mit “Institut für die Söhne der Dynastie.”
  2. “Beschreibung der Stadt Peking.” In: Allgemeine Bauzeitung, Jg. 1859, S. 335 f.
  3. Zum Begriff vgl. Charles O. Hucker: Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford 1985) 378 (Nr. 4604) „lit. to withdraw and be at peace [..] (2) Throughout imperial history an archaic reference to the National University [...] where men were prepared to become officials.“
  4. De Groot: Universismus, 264.
  5. Ebd.
  6. Zum Ablauf dieser kaiserlichen Lesung vgl. ebd., 264-267.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1137

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48. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Kommunalarchivare am 16./17.05.2014 in Coburg

Auf Wunsch von Maria Rottler – vielen Dank für Ihr Engagement! – poste ich hier zusätzlich meinen kurzen, ursprünglich auf dem Blog der Fernweiterbildung Archiv der Fachhochschule Potsdam veröffentlichten  Tagungsbericht:

 

Auf Einladung der Coburger Kollegen – denen auch an dieser Stelle nochmals für die hervorragende Organisation und Bewirtung gedankt sei – fand die 48. Jahrestagung des traditionell und wohl auch künftig eher losen Zusammenschlusses der bayerischen Kommunalarchivare dieses Jahr im schönen oberfränkischen Coburg statt.

Nachfolgend möchte ich ein paar wenige subjektive Eindrücke äußern, ein gedruckter Tagungsbericht wird in der Zeitschrift „Archive in Bayern“ erscheinen.

Was die Kollegen bewegt – Kommunalarchivare als Multitalente?

Allein das Programm der Versammlung lässt die Vielzahl der Herausforderungen für Kommunalarchivare im Arbeitsalltag erahnen: Von Fragen der Überlieferungsbildung über Digitalisierung, digitale Archivierung und Rechtsgrundlagen bis hin zu neuen Möglichkeiten und Herausforderungen des Internets für die kommunalarchivische Arbeit reicht das Spektrum an Themen, die die Kollegen bewegen.

Müssen Kommunalarchivare Multitalente sein? In der archivarischen Fachwelt meint man zu wissen, dass die ewige Diskussion der Abgrenzung von Kern- und freiwilligen Aufgaben nicht zielführend, ja sogar gefährlich ist. Bei extrem begrenzten personellen und finanziellen Mitteln – was soweit reicht, dass in kleinen bayerischen Gemeinden mitunter kein institutionell abgegrenztes oder eigens personell betreutes Archiv existiert – ergibt sich eine Priorisierung zwangsweise von selbst, indem etwaige Aufgaben aus Gründen der Ressourcen vernachlässigt werden müssen oder nicht als kommunalarchivisch erkannt werden.

Dennoch – die Wahrnehmung von „freiwilligen“ Aufgaben bedingt wohl mitunter, dass „Pflichtaufgaben“ durch Ausstattung mit notwendigen Mitteln überhaupt professionell erledigt werden können. Deutlich wird dies in der Wahrnehmung des Archivs durch die Träger: Die 2. Coburger Bürgermeisterin Dr. Birgit Weber (seit 05.05.2014 im Amt), die die Tagungsteilnehmer herzlich zu einem geselligem und kulinarisch ausgezeichnetem Empfang lud, erklärte bei der der Begrüßung, dass ihr das Coburger Stadtarchiv nur durch ein archivpädagogisches Projekt, an dem ihre Tochter teilnahm, bekannt sei…

Auch die Zukunft und Arbeit der Arbeitsgemeinschaft selbst hängt von der Situation der kleinen Gemeindearchive ab: So stellte selbst die Erhebung eines Mitgliedsbeitrages in einer festen Vereinsstruktur ein möglicherweise nicht überwindbares Hindernis für die Beteiligung der kleinen Archive in der Arbeitsgemeinschaft dar, welche sich gerade für diese – so mein persönlicher Eindruck – als Plattform für den fachlichen Austausch und kooperative Hilfestellung versteht.

Auch die Unterarbeitsgruppe „Bewertung von Archivgut“ sieht ihre Ausarbeitung von Bewertungsempfehlungen anhand des mehrheitlich und wohl nahezu flächendeckend in bayerischen Gemeinden eingesetzten Einheitsaktenplanes als Handreichung für die „kleineren“, denen ein Verweis auf die informations- und archivwissenschaftliche Überlieferungsbildungsdiskussion in der Fachliteratur nicht ausreichte: Die Arbeiten ziehen sich hin – immerhin wurden bereits Empfehlungen für die Hauptgruppen „Schulwesen“, „Bauen, Planen, Gewässer, Wohnen“, und „Finanzwesen“ erarbeitet. Die Unterarbeitsgruppe sucht weitere bayerische Kommunalarchivare zur produktiven Mitarbeit!

Neue Möglichkeiten des Internets für Kommunalarchive

Die 2. Arbeitssitzung am 17.05.2014 stand ganz im Zeichen „Neue Möglichkeiten des Internets für Kommunalarchive.“ Besprochen und diskutiert wurde sowohl die Präsentation des Archivs und seiner Archivalien für die Zielgruppen „potentielle Nutzer“ und „Stakeholder“, als auch die neuen Möglichkeiten fachlicher Vernetzung.

Ich möchte hier nur kurz auf letzteren Aspekt eingehen: Der fachliche Austausch ist wichtig und sollte dazu führen, sich mit seinen Herausforderungen in guter Gesellschaft zu wissen und ggf. sogar fachliche Probleme zu lösen. Sicher ist dies auch über virtuelle Räume möglich und sinnvoll (Angela Stilwell stellte unter anderem die Facebook-Gruppe „Archivfragen“ und weitere Möglichkeiten kollegialen Austausches vor).

Generation „Kopf unten“?

Der persönliche Kontakt und die Besprechung alter und neuer Probleme in einem geschlossenen Raum unter Fachkollegen kann zum Glück auch dazu führen, dass Meinungen außerhalb des Protokolls geäußert werden – Videoaufzeichnungen und Echtzeitprotokollierung via Twitter, Facebook & Co. tragen nach meiner Ansicht nicht unbedingt dazu bei, dass dies auch so bleibt.

Es stellt sich für mich – der selbst auch sporadisch twittert und bei Facebook angemeldet ist – aber schon die Frage, ob wir Archivare bei Tagungen eine Generation „Kopf unten“ werden sollten – was in diesem Fall weniger die mentale als vielmehr die Haltung des Kopfes, der über Tablet und Smartphone gebeugt ist, meint.

Internet und Social Media sind meiner Ansicht nach trotz aller auf der Tagung angesprochenen Probleme und Hürden ausgezeichnete Kommunikationsmittel, auch im beruflichen Kontext – der Hashtag zur Tagung lautete übrigens #agbka14; auch prognostiziere ich den Social Media und dem Web 2.0 nicht – wie ein Kollege vor Ort – ein ähnliches Schicksal wie dem Tamagotchi, das von uns Kindern der 1990er Jahre nach anfänglichem Interesse zunächst vernachlässigt wurde und anschließend den virtuellen und später mit Entsorgung des Plastikschrottes durch die Eltern den physischen Tod sterben musste.

Ich freue mich auf jeden Fall auf (hoffentlich) zahlreiche aktuelle Beiträge und auch Grundsatzpapiere und Handreichungen auf der neuen Website der Arbeitsgemeinschaft: www.kommunalarchive-bayern.de und/oder auf einem – wie bei der Tagung von Maria Rottler vorgeschlagen – kommunalarchivischen Gemeinschaftsweblog.

Die 49. Tagung der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Kommunalarchivare wird 2015 – im Rahmen des Bayerischen Archivtages – in Schweinfurt stattfinden. Frei nach dem geschäftsführenden Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dr. Michael Stephan steht zu hoffen, dass sich weiter auch die Kollegen aus den kleineren Kommunalarchiven beteiligen und die Web 2.0-affinen Kommunalarchivare weiterhin Interesse auch an einem persönlichen Austausch von Angesicht zu Angesicht haben.

Ich jedenfalls werde – soweit möglich – auch wieder nach Schweinfurt kommen!

Marius Pfaller, Nürnberg

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/2359

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Schritte der Auseinandersetzung mit Medien

Die erste Aufgabe des Blended-Learning Seminars “Frühkindliche Medienbildung”, das von Prof. Dr. Helen Knauf geleitet wird, befasste sich mit der Recherche von Grundlagen des Lernens und der Entwicklung von (kleinen) Kindern. Dieses von den Teilnehmenden selbst erarbeitete Wissen sollte dann mit der digitalen Medienumwelt in Verbindung gesetzt werden. Und zwar in Form einer Präsentation, die zusammen mit dem gesprochenen Text als Screencasts produziert werden sollte. Schritte der Auseinandersetzung mit Medien Zuerst werden allgemeine Informationen zu Kindern und deren Mediennutzung vorgestellt. Danach wird darauf eingegangen, […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/6722

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Friendly fire

In der Schlacht bei Mergentheim am 5. Mai 1645 wurde nicht nur mit großer Erbitterung gekämpft. Vielmehr ging es dabei derart unübersichtlich zu, „daß sogar Eurer Churfürstlichen Durchlaucht aigne reichsvölckher 2 compagnien von den ihrigen heftig chargiert unnd ihnen zimblich schaden gethann, ehe sie gewust, daß solliche von ihren eignen völckhern“ (Bericht an Kurfürst Maximilian vom 8.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 358).

Derartige Episoden kommen offenbar immer wieder im Krieg vor, damals wie heute. Heute wird vielfach als „friendly fire“ bezeichnet, wenn durch Distanzwaffen auch eigene Truppen in Mitleidenschaft geraten. Die Szene hier war jedoch eine andere, denn hier waren Söldner im direkten Nahkampf aneinander geraten, ohne daß ihnen sofort bewußt wurde, daß sie doch für dieselbe Sache kämpften. Ein solches Mißverständnis war natürlich fatal, doch die Möglichkeit dazu war in den Schlachten des frühen 17. Jahrhunderts stets gegeben. Denn es gab keine Uniformierung, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen den streitenden Parteien unmittelbar und eindeutig erlaubt hätte; erst mit der Etablierung stehender Heere setzte sich auch eine uniforme Ausstattung und Einkleidung der Truppen durch.

Sicher gab es Vorformen von Uniformen und das Bemühen, zumindest für einzelne Einheiten eine einheitliche Ausrüstung vorzugeben; die schwedischen blauen und gelben Regimenter lassen sich hier anführen. Auf kaiserlicher Seite war die rote Farbe ein beliebtes Erkennungsmerkmal; besonders eine rotgefärbte Schärpe, oftmals auch über dem Harnisch getragen, sollte die Identifizierung erleichtern. Auch den berühmten Zweig am Hut, wie man ihn vor dem Kampf verabredete, gab es nicht nur in Shakespeares Macbeth, sondern auch in den Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs. Ansonsten sorgte der feste Platz in der Schlachtordnung eines Regiments dafür, daß jeder erkennen konnte, auf welcher Seite man kämpfte; auch das Feldzeichen oder die Regimentsfahne sorgten für Orientierung. Schwierig wurde es, wenn sich im Zuge einer längerdauernden Schlacht Kampfformationen auflösten. Auch der Pulverdampf von nur wenigen Musketensalven und der Feldartillerie wird das Schlachtfeld buchstäblich vernebelt haben. Wenn dazu noch der Staub auf dem Schlachtfeld durch die Kavallerie und die marschierenden Fußsoldaten aufgewirbelt wurde, kann man sich vorstellen, wie gering die Sicht auf das Geschehen insgesamt war – und wie groß die Gefahr, in dieser Unübersichtlichkeit die eigenen Kameraden anzugreifen.

Man kann davon ausgehen, daß solche Situationen häufiger vorkamen. Allerdings sind mir diesbezügliche Berichte fast gar nicht bekannt; wahrscheinlich hat man über solche Vorkommnisse nicht viel Aufhebens gemacht: Das kam halt vor, war kaum zu vermeiden und schon gar nicht rückgängig zu machen. Daß hier doch einmal eine solche Szene erwähnt wurde, hing mit Vorwürfen zusammen, die französischerseits erhoben wurden: Angeblich hätten die bayerischen Truppen viele französische Söldner massakriert – Vorwürfe, die auch noch Wochen und Monate später in den Korrespondenzen weitergetragen wurden (deswegen auch hier noch im August, also drei Monate später, der Rekurs auf diese Schlacht). Die bayerische Seite war eifrig bemüht, derartigen Anschuldigungen die Spitze zu nehmen. Dabei verwiesen die kurbayerischen Gesandten in Münster auch auf die Heftigkeit der Kämpfe, daß man mit „furie unnd calor“ gefochten habe (ebd.). Und in dem Kontext erschien der Hinweis ganz passend, daß die bayerischen Kriegsknechte sogar aufeinander losgegangen wären.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/447

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Knisternde Clouds aus Papiertischdecken und debattierende Tischkarusselle


Eine Reportage über das erste WeberWorldCafé

Von Helena Kaschel und Luisa Pischtschan
Fotos: Ann-Kathrin Sass

Im Bunker-Chic des Pantheon Casinos in Bonn ist das Licht gedämpft. Gläser klirren, Namensschilder werden angebracht, Neugier liegt in der Luft. Deutsche und englische Satzfetzen dringen durch das Stimmengewirr, im Hintergrund knistern weiße Papiertischdecken. Dann ein Gong, das Zeichen für die etwa 50 Teilnehmenden, ihre Tische zu verlassen und an einen weiteren zu wechseln. Wenige Minuten später haben alle einen neuen Sitzplatz gefunden. Die nächste Runde beginnt.

Mit dem WeberWorldCafé, das eine Workshopmethode zweier US-Unternehmensberater zum Vorbild hat, führt die Max Weber Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forum Transregionale Studien ein neues Format in die Reihe ihrer Veranstaltungen ein. Diese Form der Wissenschaftskommunikation soll laut ihren Prinzipien allen Teilnehmenden einen Gesprächsraum eröffnen und zugleich den kreativen Austausch fördern, was an den Habermas‘schen Diskursbegriff erinnert. „Es geht darum, einen hierarchiefreien Diskurs zu schaffen, in dem die Erfahrungen, Kenntnisse und Meinungen aller Beteiligten relevant sind”, sagt Gesche Schifferdecker, die das erste WeberWorldCafé organisiert hat.


Gesche Schifferdecker zum Konzept des WWC

Zweimal im Jahr soll dieses Event nun stattfinden, abwechselnd in Berlin und Bonn. Das erste WeberWorldCafé trägt den Titel „Bürger, Blogger, Botschafter: Diplomatie im 21. Jahrhundert“. Ein ambitioniertes, höchst aktuelles Thema, das binnen eines Abends diskutiert werden will. DSC_0219Hinter der Idee steckt ein straffer Zeitplan: Insgesamt debattieren neun ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und Medien an neun Tischen mit interessierten TeilnehmerInnen auf Augenhöhe über verschiedene Aspekte der Diplomatie im digitalen Zeitalter. In vier aufeinander folgenden Gesprächsrunden zu je 20 Minuten werden an verschiedenen Tischen Gedanken und Ergebnisse auf Tischdecken festgehalten. Besonders lohnend am Konzept des WorldCafés ist die Interaktion zwischen allen Beteiligten: Die TeilnehmerInnen sind sowohl Gäste als auch Gestalter der Veranstaltung. So entsteht ein transsektoraler Dialog, bei dem Laien von Expertenwissen der TischgastgeberInnen profitieren, und diese lernen wiederum, ihre Thesen außerhalb der Fachwelt zu kommunizieren.

Da diese Art von Wissenschaftskommunikation vielen der Beteiligten neu ist, weiß niemand so richtig, was ihn oder sie erwartet. So ist speziell in der ersten Runde zu beobachten, wie gespannte Gesichter die Kommentare des Sitznachbarn oder Gegenübers verfolgen und alle Beiträge von konzentrierten Blicken aufgenommen werden. Jeder Experte und jede Expertin gestaltet die Einleitung in das 20-minütige Gespräch anders. Matthias Uhl etwa, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Moskau, markiert den Beginn der Diskussionen mit einer knappen Vorstellungsrunde aller Gäste an seinem Tisch. Hier sind die Papiertischdecken auch schon mit schwarzer und grüner Farbe beschrieben. „Propaganda”, steht auf der einen, „Diplomatie” auf der anderen Seite, verschiedene andere Worten werden sich im Laufe der Veranstaltung noch dazu gesellen.

Am Tisch von Carola Richter geht es um die Rolle sozialer Medien in politischen Diskursen, insbesondere in autoritären Staaten. Die Politikwissenschaftlerin von der FU Berlin warnt davor, den Einfluss sozialer Netzwerke auf reale politische Machtstrukturen zu überschätzen. Schnell entwickelt sich ein Gespräch über die Frage, welche Risiken mit einer zunehmenden Verlagerung politischer Diskurse ins Internet verbunden sind – und wie realistisch solche Online-Aktivitäten eine komplexe Gesellschaft mit vielfältigen Meinungen abbilden. Theoretisch habe jede Person mit Internetanschluss Zugang zu sozialen Netzwerken, meint Carola Richter. Praktisch seien trotzdem nur bestimmte Teilgruppen dort vertreten, zum Beispiel junge, urbane Menschen. Am Tisch sitzt eine ukrainische Studentin, die einen Blog über die aktuellen politischen Entwicklungen in Ihrer Heimat schreibt. Das Interesse an den Erfahrungen der jungen Frau ist bei allen TeilnehmerInnen groß, auch bei Carola Richter. Plötzlich wird die Bloggerin zur Expertin und die eigentliche Expertin zur interessierten Teilnehmerin. So einen Rollentausch wird man an diesem Abend noch häufig beobachten.

 Carola Richter über ihre Ausgangsthese

Tobias Bürger startet seine erste WeberWorldCafé-Runde mit einem Brainstorming aller Beteiligten am Tisch. Der Promovent forscht derzeit für seine Dissertation zum Thema Stiftungen und soziale Netzwerke an der Northumbria University in Newcastle. Während der vier Runden an seinem Tisch steht besonders die Verselbstständigung der Öffentlichkeit im Vordergrund: Einerseits kann dadurch eine schnelle Themenfindung gewährleistet werden, zum anderen muss aber auch durch die zeitliche Komponente, die eine Herausforderung besonders für die klassische Diplomatie darstellt, eine schnellere Koordination sichergestellt werden. „Zukünftig werden wir vermutlich mehrere Ebenen der Öffentlichkeit in den diplomatischen Beziehungen haben, die bedient werden müssen. Denn neben der klassischen Diplomatie werden durch die sozialen Netzwerke viele Informationen verbreitet, die die BürgerInnen nicht veritabel einschätzen können”, so Bürger. An dieser Stelle sei es für Länder und Institutionen und ihre jeweiligen diplomatischen Akteure notwendig, konkrete Hinweise für Interpretationen zu geben – insbesondere in der digitalen Welt.

Die folgenden Gesprächsrunden motivieren zum Denken: Wenn man gerade nicht diskutiert, lehnt man sich zurück, hört zu, beobachtet und schreibt mit. Gleichzeitig hört man das Rauschen der Gespräche im Raum. Durch den Austausch der eigenen Eindrücke mit denen der Mitmenschen am Tisch wird ein konzentrierter Kommunikationsraum geschaffen. Dabei stehen während des WeberWorldCafés bisweilen auch gegenwärtige Vorgänge, etwa in der Ukraine oder der Türkei, im Vordergrund – und es wird überlegt, wie wir aus außenpolitischer oder zivilgesellschaftlicher Sicht damit umgehen können. Die verschiedenen politischen Ansichten wurden allerdings manchmal Gegenstand der Diskussionen an den Tischen, was zum Teil vom thematischen Kern des World Cafés ablenkte. Für diesen Fall wäre es überlegenswert, neben den ExpertInnen eine weitere Person für die Moderation der Tische zu engagieren, wenngleich politische Diskussionen in diesem Zusammenhang unvermeidbar und auch gewinnbringend sein können. Auch wenn keiner der TischgastgeberInnen – unter anderem aufgrund der unklaren Informations- als auch Datenlage in diesen komplexen Konflikten – eine abschließende Bewertung vornehmen möchte, fühlen sich doch die meisten Gäste umfangreich informiert. Teilnehmerin Sara Motalebi, die derzeit ein Masterstudium bei der Deutschen Welle absolviert, gefällt besonders die Dynamik der Veranstaltung. „Die face-to-face Kommunikation und die beständige Bewegung zwischen den Runden hat mir gefallen. Diplomatie beinhaltet so viel mehr als einen Staatsbesuch”, so die 31-Jährige. Für alle Fragen, die offen geblieben sind, gilt schlussendlich der von Tischgastgeber Mohamed Elshahed geprägte Satz: „Get on the Internet and get on the information!”

DSC01621Am Ende des ersten WeberWorldCafés werden die neun einzelnen Tischdecken zu einer „Deckencloud” auf der Bühne des Pantheon Casinos gemeinsam aufgehängt. Einige ExpertInnen werden in einer letzten kurzen Runde von den ModeratorInnen befragt, welche Aspekte an ihren Tischen besonders diskutiert wurden. Durch die knapp gehaltenen Statements konnte leider kein präzises Abbild über die einzelnen Diskussionsaspekte des World Cafés entstehen – die Deckencloud wäre in diesem Fall ein idealer Anschlusspunkt gewesen, um eine gemeinsame Diskussionsrunde mit einigen ExpertInnen und Teilnehmenden zu initiieren und einen Überblick über einzelne Perspektiven zu gewinnen.

Im September 2014 ist in Berlin das zweite WeberWorldCafé geplant. Es wird um transregionale Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg, Egodokumente und (europäische) Erinnerungskultur gehen. Um der beständigen Beschleunigung von Ereignissen und Informationsverbreitung, die auch im Digitalen stattfindet und die durchaus kritisch bewertet werden muss, entgegen zu wirken, eignet sich die Methode des World Cafés unserer Meinung nach besonders gut: Die Menschen agieren hier im persönlichen Dialog miteinander, profitieren vom Wissen und den Perspektiven der Anderen, woraus ein geschützter und zugleich offener Raum entsteht, in dem jede und jeder die Möglichkeit hat, an Diskursen aus Wissenschaft und politischer, kultureller sowie künstlerischer Praxis zu partizipieren.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/187

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Kuriositäten aus den 1950er Jahren: Die Leugnung der Zwölftontechnik

Bei meiner Beschäftigung mit Quellen aus dem musikästhetischen Diskurs der Nachkriegszeit stoße ich immer wieder auf Texte, die mir aus heutiger Perspektive sonderbar erscheinen. Sonderbar, weil etwas angezweifelt wird, das heute als selbstverständlich gilt. So war ich überrascht zu lesen, wie Heinrich Schnippering in der Zeitschrift Melos im Jahre 1950 die These aufstellt, dass es die Zwölftontechnik gar nicht gebe und dass sie im Grunde nur die vereinfachte Notation einer chromatisch gesteigerten Musik sei, die in der Tradition der Romantik stehe. Es mag verwundern, dass diese Aussage aus dem Jahre 1950 stammt, also knapp 30 Jahre, nachdem Schönberg seine ersten zwölftönigen Stücke schrieb. Das liegt daran, dass Zwölftonkompositionen als vermeintlich „entartete Musik“ während der Nazi-Diktatur von der Bildfläche der deutschen Musikszene verschwanden und erst nach 1945 wieder zu einem aktuellen Thema wurden: Auf der Suche nach Orientierung und neuen Vorbildern nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Komponieren mit Zwölftonreihen als möglicher Anknüpfungspunkt, da es – im Gegensatz zur deutsch-österreichischen romantischen Musiktradition – als politisch unbelastet angesehen wurde.

In seinem Aufsatz Von der Logik der Zwölftonmusik geht Schnippering der Frage nach, ob die Zwölftonmusik mit einer Vereinfachung der Notation zusammenhängt. Hier zunächst ein kurzes Beispiel für eine solche Vereinfachung: Ein Komponist schreibt die Note c statt des von ihm gemeinten his, d.h. er nimmt eine sogenannte enharmonische Verwechslung vor, um den Notentext besser lesbar zu machen. Um nun einen Zusammenhang zwischen Zwölftonmusik und Notationsart nachzuweisen, macht sich Schnippering folgende Lesart der Musikgeschichte zunutze: Die Musik habe im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts immer mehr an Chromatik zugenommen – zur Intensivierung und Steigerung des Ausdrucks. Als das „Gefühl“ nachließ, ein tonales Zentrum haben zu müssen, wurde es möglich, sich einer praktischen Notationsweise zu bedienen, „ohne sich in der freizügigsten Vermischung enharmonischer Töne Beschränkungen auferlegen zu müssen.“1 Diese Freiheit, enharmonische Töne nach Belieben zu setzen, habe letztlich zur Atonalität und Zwölftonmusik geführt.

„In Wirklichkeit“, so schreibt Schnippering, „lebt auch die Zwölftonmusik von der durch die romantische Musik erzeugten Spannungschromatik. Lediglich die Notierungsweise verschleiert diese latente Spannungsintensität, die beim Hören unverkennbar in die Erscheinung tritt.“2 Denn auch die Hörerfahrung von dodekaphonen Werken zeige, „daß praktisch zwar tonale Kadenzen vermieden, gleichwohl die Klangmöglichkeiten der romantischen Musik weitgehend genutzt werden. […] Aus alledem erhellt, daß die Zwölftonmusik nur theoretisch die Zwölftonskala als Grundlage verficht, praktisch jedoch der romantischen Klangwelt verhaftet bleibt.“3 Schließlich gelangt er zu der Schlussfolgerung, dass sich bei (noch ausstehender) genauerer Prüfung zeigen könnte, „dass es eine Zwölftonmusik praktisch gar nicht gibt und nicht geben kann.“4

Ist die Zwölftontechnik also lediglich eine andere Notation chromatisch gesteigerter Musik in romantischer Tradition, die – zwar ohne tonales Zentrum – letztlich noch der Dur-Moll-Tonalität verhaftet bleibt? Was hätte Arnold Schönberg auf diese Behauptung erwidert? (Nach seiner Emigration lebte er in den USA und starb 1951.) Nun, Schönberg verstand seine „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“ als einen radikalen Wandel in der Kompositionstechnik. Für ihn stellt sie eine Kompositionsmethode dar, die die Tonalität ersetzt. In seinem 1950 auf Englisch veröffentlichten Aufsatz Komposition mit zwölf Tönen beschreibt er sie wie folgt: „Diese Methode besteht in erster Linie aus der ständigen und ausschließlichen Verwendung einer Reihe von zwölf verschiedenen Tönen. Das bedeutet natürlich, daß kein Ton innerhalb der Serie wiederholt wird und daß sie alle zwölf Töne der chromatischen Skala benutzt, obwohl in anderer Reihenfolge. Sie ist in keiner Weise mit der chromatischen Skala identisch.“5 Die Reihe, so Schönberg weiter, fungiere nicht nur als eine Art von Motiv, sondern sie bestimme die horizontale (Tonfolge) und vertikale Ordnung (Akkorde) der Töne. Damit löse sie die Dur-Moll-Tonalität in ihrer ordnenden und einheitsstiftenden Funktion ab.

Schönbergs Auffassung ist klar: Die Zwölftontechnik zeigt keinen Wandel der Notation an, sondern einen radikalen Bruch in der Kompositionstechnik. – Ist es denn vorstellbar, dass eine Zwölftonreihe bloß eine enharmonische Verwechslung einer chromatisch spannungs-vollen (tonalen) Tonfolge ist? An dieser Stelle schlage ich ein kleines Experiment vor: Schauen wir uns die Reihe aus Anton Weberns Symphonie op. 21 an, zunächst in Originalgestalt (Beispiel 1), dann enharmonisch verwechselt und tonal gedeutet (Beispiel 2).

Eine tonale Deutung der Reihe ist zwar möglich, aber nicht sinnvoll: Die enharmonisch verwechselte Reihe hat kaum etwas mit Weberns Symphonie op. 21 zu tun. Zentrale Eigenschaft der Reihe ist ihre symmetrische Struktur (Töne 7 – 12 enthalten die gleichen Intervallschritte wie  Töne 1 – 6 im Krebs), nicht tonal gedachte chromatische Spannung. Schnipperings Deutung der Zwölftontechnik als Zuspitzung romantischer Musik ist problematisch: Er versucht die Zwölftonmusik mit Begriffen zu fassen, die genuin zur Beschreibung der Musik der klassisch-romantischen Tradition geprägt wurden. Solchen unzeitgemäßen Zuschreibungen begegnet man häufig in Interpretationen der Musikgeschichte: etwa, wenn der berühmte Tristanakkord in Wagners gleichnamiger Oper als atonal bezeichnet wird oder ein barockes Fugenthema, das alle 12 Töne der chromatischen Skala enthält, als zwölftönig. Ob dahinter das Bedürfnis des Historikers steckt, Geschichte als einheitliche kontinuierliche Entwicklung zu begreifen?

Dennoch sind Schnipperings Ausführungen nicht völlig zu verwerfen. Seine Beobachtung, dass die Zwölftonmusik teilweise in der romantischen Klangwelt wurzelt, ist durchaus berechtigt. Schönberg hat zwar mit der Tonalität gebrochen, nicht aber mit der romantischen Expressivität und den Ideen von Genieästhetik und autonomem Kunstwerk. Dass sich in Schönbergs Musik Überreste der romantischen Ausdrucksästhetik finden, ist genau das, was ihm viele Avantgarde-Komponisten der Nachkriegszeit vorwerfen und was Pierre Boulez 1951 zu der symbolträchtigen Aussage führte: „Schönberg est mort.“

1Heinrich Schnippering, „Von der Logik der Zwölftonmusik“, in: Melos 17 (1950), S. 313.

2Ebd.

3Ebd., S. 314.

4Ebd.

5Arnold Schönberg, Stil und Gedanke, Frankfurt am Main 1995, S. 109f.

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/102

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Filmvermittlung mit Social Media – Strategie für „Das Cabinet des Dr. Caligari“

Ein Beitrag von Hannah Linnenberger

»Eine Welt voller Zitate ist eine Welt voller Geschichten.«

Götz vor dem Gentschenfelde

Mein Konzept für die Vermittlung des Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mittels Social Media basiert auf der Idee, mit Zitaten zu arbeiten und dabei die Plattformen Facebook und Twitter zu nutzen.

Alle Zitate habe ich Primärquellen wie dem Drehbuch zum Film, dem zeitgenössischen Filmprogramm oder der Werbekampagne zum Film entnommen. Auf Zitate aus Kritiken habe ich verzichtet, da die Zitate nicht über den Film sprechen sollen, sondern aus dem Film selbst bzw. aus zeitgenössischen zum Film entstandenen Texten stammen sollen,

Die Zitate sollen Neugier wecken, eine Geschichte erzählen.

Facebook ARTE

Abb. 1: ARTE auf Facebook

Die Zitate sollen also einen kleinen Hinweis geben, dennoch nicht zu viel verraten. Daher stammt das erste Zitat „Die Gartenmauern der Anstalt bergen ihre Geheimnisse. (…)“ (siehe Abb. 1) auch nicht aus dem Film, sondern es ist der erste Satz aus einem Programmheft zum Film, das im Schriftgutarchiv der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin archiviert ist [Signatur: Orig. Dr. Hermann, 2. Kop. s.: HPC/DUB/Kammer]. Dieses Programmheft aus dem Jahr 1920 wird selbst Kennern des Films nicht unbedingt geläufig sein, es eignet sich daher besonders gut für einen spannenden Start, bei dem noch nichts verraten wird.

 

Um die Spannung aufrecht zu erhalten, sollte bei den ersten Zitaten noch kein Link eingebunden werden, der zu des Rätsels Lösung führt.

Erst wenn in einem Zitat zum ersten Mal von „Dr. Caligari“ die Rede ist, soll es durch einen Link zur Seite der Berlinale ergänzt werden (siehe Abb. 2).

Abb. 2:ARTE Facebook

Abb. 2: ARTE Facebook

Bis auf drei Zitate habe ich alle Zitate dem Drehbuch entnommen und sie fast durchgängig chronologisch geordnet. Durch diese Reihenfolge soll ein dem Film entsprechender Spannungsbogen aufgebaut werden. Denn so bleibt es für den Nutzer auch nach der Auflösung (durch den Link zur Berlinale-Seite) spannend.

 

 

 

 

 

Abb. 3: Tweet @ARTE.de

Abb. 3: Tweet @ARTEde

Das Zitat des Tages funktioniert also als eine Art Fortsetzungs-geschichte. Die Zitate erzählen Stück für Stück die Geschichte des Films (siehe Abb. 3 und 4). Dadurch sollen die Nutzer dazu angehalten werden, regelmäßig die Facebook/Twitter-Seite von ZDF/Arte zu besuchen. Vielleicht teilen sie den Post und machen auch ihre Freunde auf die Zitate aufmerksam. 

 

 

Bild 4

Abb. 4: Tweet @ARTEde

Daher ist es unbedingt nötig, dass die Zitate täglich, gepostet werden, am besten jeden Tag zur gleichen Uhrzeit. Nur somit kann die Idee eines Zitat des Tages funktionieren, das den Nutzer dazu auffordern soll, die Facebookseite regelmäßig zu besuchen. Und auch die Nutzer von Twitter, die ZDF/Arte folgen, können nur durch eine gewisse Regelmäßigkeit der Zitate verstehen, dass diese in einem größeren Zusammenhang zu sehen sind.

 

Allgemein ist es bei der Pflege von Social-Media-Seiten wichtig, regelmäßig Posts zu erstellen. Diese sollen für den Nutzer einen Mehrwert bieten. Im besten Fall heißt dies,dass sie Informationen bieten, die neben Hinweisen auf aktuelle Veranstaltungen, den Beginn eines Vorverkaufs oder dergleichen, über die Informationen, die beispielsweise auf der Internet-Seite eins Unternehmens zu finden sind, hinausgehen.

Im Fall von Dr. Caligari ist es daher wünschenswert, die Zitate auf der Facebook-Seite zusammen mit Fotos z.B.aus der Sammlung zum Film Caligari im Archiv der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin zu posten (siehe Abb. 1). Diese bieten den Lesern einen wunderbaren Vorgeschmack auf den Film.

 

Quellen der Zitate:

1. Zeitgenössisches Programmheft der Kammer-Lichtspiele: Signatur im Schriftgutarchiv der Deutschen Kinemathek: Orig. Dr. Hermann, 2. Kop. s.: HPC/DUB/Kammer

2. Mayer, Carl und Janowitz, Hans: Das Cabinet des Dr. Caligari : Drehbuch…zu Robert Wienes Film von 1919/20. München, 1995.

Ich danke Nina Goslar von der Stummfilmredaktion ZDF/ARTE sowie Jonas Schlatterbeck @ARTEde für die Unterstützung bei der Realisierung meines Konzepts einer Social-Media-Strategie zum Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“ begleitend zur Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung des Films im Rahmen der 64. Berlinale am 9. Februar 2014 sowie zur Ausstrahlung auf dem Fernsehsender ARTE am 12. Februar 2014.

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/267

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Lifeblog zum Workshop »Stadt-Land-Fluss: Gewalt, Raum und Soziale Ordnung»

Bettina Engels & Henrik Lebuhn:
Stadt//Raum//Protest

Engels und Lebuhn interessieren sich ihrem Beitrag für die Praxis der Besetzung öffentlicher Plätze in Städten als Handlungsrepertoire von Protestbewegungen. Der Vortrag beginnt mit einer Diskussion der Besonderheiten städtischer Räume, in Abgrenzung zu ländlichen Räumen, die dazu führen, dass die Stadt als Protestort interessant wird. Städtische unterscheiden sich von ländlichen Räumen durch Größe, Dichte und Heterogenität. Charakteristisch für Städte ist die Entstehung einer anonymen Öffentlichkeit, die ein Publikum für Protest darstellt. Deshalb ziehen auch ländliche Protestbewegung in der Regel irgendwann in die Stadt. Darüber hinaus sind Städte in ihrer ökonomischen Reproduktionslogik besonders in kapitalistische Dynamiken eingebunden. Augenblicklich gibt es zwar in der Stadtforschung eine Diskussion, ob die Unterscheidung Stadt-Land angesichts wachsender Vernetzung urbaner und ruraler Räume noch haltbar ist. Doch geraten dabei, so Engels und Lebuhn, die Besonderheiten städtischer Öffentlichkeit aus dem Blick.

Struktureller Hintergrund gegenwärtiger Protestdynamiken ist die »Rückkehr« von Strukturanpassungs- und Austeritätspolitiken in den Globalen Norden, nachdem in den 1980er/90er  Jahren diese vor allem als ein Problem des Globalen Südens galten. Empirisch sind ein Viertel aller Protestereignisse sind Platzbesetzungen. Die zentrale Logik dieser Besetzungen ist Störung. Angesichts der sich ausbreitenden ökonomischen und politischen Krise wird diese Störung aber gleichzeitig zu einem Akt der Selbstinszenierung der Protestierenden als Bürger mit Rechten. Interessant ist, dass ländliche Proteste stärker mit der materiellen Störung durch Platzbesetzungen arbeiten,  indem beispielsweise eine Straße  oder ein Bergwerk besetzt wird. Dahingegen liegt die Störung städtischer Proteste stärker in der symbolischen Dimension, insbesondere der Verweis auf das Rechtssystem. Interessant ist, dass die Bedeutung in der Regel nicht nur über die Stadt, sondern auch über den nationalen Kontext hinausgeht, wenn es etwa um EU-Asylrecht oder die wirtschaftliche Ordnung der Welt geht.

Mit Blick auf die Akteure ist eine interessante Frage, ob sich durch diese neue Protestbewegung das Selbstverständnis und die Selbstbeschreibung der Akteure ändert. Entstehen aus den Massenprotesten neue Strukturen sozialer Organisation? Aus Spanien etwa gibt es Berichte über neue aktivistische Netzwerke, die aus der Protestbewegung entstanden sind. Verschiebt sich das Gewicht zwischen verschiedenen Akteuren, etwa zwischen klassischen Gewerkschaften, die oft nicht oder kaum an den Protesten teilnehmen, und anderen? Kommt es zu einer Politisierung bisher wenig politisierter Gruppen?

Im Anschluß an den Vortrag wurde unter anderem diskutiert, inwiefern bei diesen Bewegungen, insbesondere mit Blick auf die Frage der Aneignung von Rechten, der Unterschied zwischen OECD und Nicht-OECD-Welt relevant ist, das heißt, ob die Rechte tatsächlich wieder-angeeignet werden oder ob sie praktisch noch gar nicht etabliert sind. Auch wurde die Frage gestellt, wie sich eigentlich genau die Verbindung zwischen den verschiedenen Protestphänomenen in der Welt rekonstruieren lässt. Mehrfach wurde auf die Bedeutung gewaltaffiner und -kompetenter Akteure hingewiesen, deren Handeln nicht in erster Linie an politischen Polarisierungen (Anti-Autorität, Kapitalismuskritik, ect.) orientiert ist, wie etwa Hooligans oder Fußball-Ultras, die z. B. in Ägypten , der Türkei oder der Ukraine eine wichtige Rolle spielten. Angeregt wurde, beider weiteren Ausarbeitung des Themas die Raumkategorie weitere aufzufalten, etwa indem man nach der genauen Funktion des Ort des Protests in der Stadt fragt, also konzeptuellen Unterschiede zwischen einem Ort wie dem Oranienplatz in Berlin und dem Tahir in Kairo in den Blick holt.

 

Mathilde Darley:
The Good, the Bad and the Ugly Migrant? Zwischen Seelsorgern und Polizisten. Feldforschung in einer deutschen Abschiebehaft

In einem empirisch sehr dichten Vortrag rekonstruiert Mathilde Darley die Produktion professioneller Rollen in einer deutschen Abschiebehaft, in der christliche und seit kurzer Zeit auch jüdische und muslimische Seelsorger die einzigen nicht-polizeilichen Akteure sind. Im Zentrum steht die Spannung zwischen Sicherheitslogik und Menschlichkeitslogik an einem Ort der Einsperrung. Die Besonderheit dieser Konstellation besteht darin, dass in der Abschiebehaft drei Akteursgruppen – Polizisten, Inhaftierte und Seelsorger – mit nicht nur verschiedenen sondern sogar entgegengesetzten Interessen in einem geschlossenen Raum alltäglich interagieren müssen. Handlungsrepertoire und Selbstbeschreibung der Seelsorger geht weit über die seelsorgerische Betreuung hinaus. Sie verstehen sich als politische Akteure, die sich an diesem Ort für die Menschenrechte einsetzen. Dabei beziehen sie sich gleichzeitig auf die religiöse wie auch auf die rechtliche Ordnung, um ihr Handeln – bisweilen im Graubereich des Erlaubten – zu legitimieren.

Die wechselseitige Abgrenzung zwischen Seelsorgern und Polizisten spielt in der täglichen Interaktion eine zentrale Rolle. Polizisten erleben Seelsorger als zu weich und von den Gefangenen instrumentalisiert, während Polizisten aus Sicht der Seelsorger als zu wenig emphatisch oder gar unmenschlich erscheinen. Im Gegensatz zu dieser Wahrnehmung von Polarität zeigte die Forschung jedoch nicht nur Opposition zwischen beiden Berufsgruppen, sondern auch deren Komplimentarität oder gar Komplizenschaft. Indem Seelsorger für eine größere Ausgeglichenheit und Ruhe der Inhaftierten sorgen, erleichtern sie die Arbeit der Polizisten und tragen auf ihre Weise zum Projekt der Abschiebehaft bei. Auch die steigende Anerkennung der Seelsorger-Expertise trägt zu diesem langsamen Verschwimmen der Grenzen zwischen beiden Seiten bei. In der Interaktion zwischen Seelsorgern und Polizisten koexistieren also Kooperation und Konkurrenz in paradoxer Weise. Darley argumentiert, dass es zur Formierung paradoxer moral communities kommt. 

In der Diskussion wird nach dem Standpunkt der MigrantInnen gefragt. Darley erklärte, dass ihr Zugang zu diesem schwierigen Feld über eine Arbeit als Praktikantin der Seelsorge zustande kam, was die Perspektive auf diese Fragestellung einschränkte. In der Community der Inhaftierten wurde durchaus zwischen besonders glaubwürdigen oder unterstützenden und allen anderen unterschieden. Diese Informationen wurden im Sinne eines kollektiven Wissens von Erfahrenen an neu Hinzugekommene weitergereicht. Aus Sicht der Migranten ist die wichtigste Funktion der Seelsorger die Rechtsberatung, weshalb sie unabhängig von tatsächlicher religiöser Orientierung für alle eine wichtige Rolle spielen. Auch in den beobachteten Interaktionen bleibt die religiöse Dimension eher unsichtbar. Selbst die Einladung in den Gottesdienst argumentiert oft  Darley erklärte auch, dass die lange Arbeit auf der Seite der Seelsorge im zweiten Teil der Forschung den Zugang zur polizeilichen Seite der Abschiebehaft erschwerte. Darüber hinaus wurde nach Haftbedingungen gefragt und erklärt, dass diese, was die Regularien betrifft, im Vergleich zur Strafhaft eher großzügig sind, dies aber nicht unbedingt zur Verbesserung der Lebenssituation der Inhaftierten beiträgt. Beispielsweise sind die Besuchszeiten von 9 bis 19 Uhr, dennoch erhalten nur wenige Inhaftierte Besuch, weil sie keine familiären oder sonstigen Beziehungen vor Ort haben. Auch gibt es eine Bibliothek, doch sind die meisten Bücher auf deutsch.

 

Michael Esch:
Gewalt, Geschichte, Topographie. Hooliganistische Kommunikationspraktiken in Polen 

Michael Esch diskutierte in seinem Vortrag die kommunikative Dimension hooliganistischer (Gewalt-)Praktiken in Polen. Als Historiker bezieht er sich dabei auf Dokumente, insbesondere Websiten, Youtube-Videos und Kommentare vor allem aber Graffitis. Zunächst erklärte er die Geschichte des Begriffs, der Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst in England auftauchte und dann schnell in Rußland populär wurde und dort zur Bezeichnung von Männern aus Unterschichten diente, die sich in den städtischen Zentren des Bürgertums im öffentlichen Raum aufhielten und dort für diese Orte nicht vorgesehene Verhaltensweisen an den Tag legten: Pöbeln, Spucken, Pinkeln, ect.

Im Zentrum des Vortrages steht die selbstrefentielle Logik hooliganistischer Aktionen. So gehört zum Ehrenkodex nicht nur ein Kooperationsverbot mit der Polizei – die auch nicht zum eigenen Schutz angerufen werden darf –, sondern auch der Ausschluss Dritter in (verabredeten) Kämpfen, indem beispielsweise für die Schlägereien abgelegene Orte gewählt werden. Vor diesem Hintergrund argumentiert Esch auch, dass obwohl in der öffentlichen Wahrnehmung Hooliganismus und Rechtsradikalismus oft zusammengedacht oder vermischt werden, zwischen beiden eine Spannung besteht. Diese drückt sich beispielsweise darin aus, dass rechte Aktivisten immer wieder zur Vereinigung der verschiedenen hooliganistischen Bewegungen gegen den gemeinsamen Feind aufrufen, was mit den hooliganistischen Ritualen nicht zu vereinbaren ist. 

Mit Blick auf die Frage der Räumlichkeit interessant ist, dass es in Städten mit zwei Clubs und damit zwei Hooligan Bewegungen zu einer performativen Aufteilung der Stadt kommt. Graffitis im öffentlichen Raum spielen dabei eine zentrale Rolle. Das setzen von Graffitis sowie das Zerstören »feindlicher« Graffitis gehören hier zum festen Handlungsrepertoire. Dabei sind die Graffitis bisweilen so codiert, dass sie für Uninformierte gar nicht als Hooligan-Zeichen identifizierbar sind. Diese Codierung, so Esch, unterstützt das zuvor gemachte Argument der Selbstreferentialität hooliganistischer Kämpfe.

In der Diskussion wird die Frage nach der Verbindung von Hooliganismus und organisierter Kriminalität gefragt, die auch die Selbstbezeichnung von Hooligan-Clubs als »Firma« nahelegt. Esch erklärt, dass es diese Beziehung in bestimmten Fällen vermutlich gibt, dies aber nicht im Zentrum seiner Forschung steht. Diskutiert wird auch die Frage, inwiefern Feldforschung und Interviews diese Forschung noch vertieft werden könnte. Esch erklärt, dass der Zugang zu diesem Feld zum einen durch eine starke Altersgrenze (Mitte dreißig) limitiert ist und dass die meisten Clubs inzwischen in der Interaktion der mit der Öffentlichkeit sehr geschickt sind und versuchen, in Interviews »ihre« Version der Dinge darstellen. In der Diskussion erklärt Esch außerdem, dass die Beschäftigung mit dem Hooliganismus auch durch die Frage motiviert ist, wie es historisch dazu gekommen ist, dass in bestimmten Milieus Hooligans heute als die »letzten Rebellen« gelten. 

 

Sabine von Löwis:
Phantomgrenzen in der Ukraine

Sabine von Löwis berichtet aus ihrer Arbeit im Rahmen des Forschungsprojekts Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa. Ausgangspunkt des Phantomgrenzen-Projektes ist die Beobachtung, dass an manchen Orten historische Grenzen sich beispielsweise in Wahlergebnissen widerspiegeln. Sie selbst hat dieses Phänomen anhand zweier Dörfer gleichen namens am Fluß Zbruc untersucht, der sie einst in einen polnischen und einen sowjetischen Teil teilte, und die heute vollständig in der Ukraine liegen. Sie stellt vor, wie sich die Persistenz dieser Grenze in verschiedenen Erinnerungskulturen, in differenten Selbstbeschreibungen und bestimmten Aspekten des Alltagshandeln, wie des Kirchgangs, sowie verschiedenen Wirtschaftsstrukturen in den Landwirtschaft zeigt. Dennoch wird die Grenze im Alltag aber auch immer wieder aufgehoben oder umgangen. Von Löwis schlussfolgert, dass diese Grenzen im politischen Zentrum des Landes eine viel größere Rolle spielen als an der politischen Peripherie. 

In der Diskussion wurde nach der Bedeutung der religiösen Teilung des Dorfes gefragt. Von Löwis erläutert, dass beide Dörfern orthodox sind, der Ritus also der selbe ist, jedoch zu unterschiedlichen Patriarchaten gehören. Vor der Wiedereröffnung der griechisch-katholischen Kirche besuchten beide Dorfteile die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats im anderen Dorfteil. Allerdings ist die griechisch-katholische Kirche durch eine Geschichte der Unterdrückung geprägt, die zum einen zu starker Identifizierung und Abgrenzung führt, die zum anderen im historischen Verlauf jedoch auch eine Schwächung der Kirche durch Mitgliederverlust hervorgerufen hat. Am Ende der Diskussion hebt von Löwis noch einmal hervor, dass die besondere Relevanz dieses Themas auch darin besteht, dass, wie gegenwärtige politische Entwicklungen in der Ukraine zeigen, Phantomgrenzen unter Umständen auch wieder zu offiziell markierten Grenzen werden können.

 

 André Bank:
Grenzüberschreitende Netzwerke in Syrien

Ausgangspunkt der Überlegungen von André Bank ist die von Politik und Öffentlichkeit immer wieder formulierte Angst vor einem durch den syrischen Bürgerkrieg ausgelösten »regionalen Flächenbrand«. Interessant ist, dass trotz unübersehbarer regionaler Auswirkungen dieses Konfliktes dieser Flächenbrand bis heute ausgeblieben ist. Banks vorläufige These lautet, dass gerade die vielfältigen grenzüberschreitenden sozialen Netzwerke und deren nur partielle Verselbständigung in paradoxer Weise zu einer Stabilisierung der Nachbarkontexte geführt hat.

Bisherige Forschungen zu grenzüberschreitenden Dynamiken in Kriegskontexten stellen vor allem auf sogenannte regionale Konfliktkomplexe ab, die durch militärische (Kämpfer, Waffen), politische (Eliten), ökonomische und soziale (Identitätsgruppen, Flüchtlinge) Netzwerke entstehen. Allerdings werden hier einseitig kriegsökonomische Netzwerke fokussiert; vor allem werden reverse effects, also die Auswirkungen dieser Netzwerke nicht auf das ursprüngliche Konfliktland, sondern auf die angrenzenden Kontexte, vernachlässigt. 

In Syrien selbst begann die Krise  Dar’a im März 2011. Hintergrund ist die Krise der lokalen Ökonomie kombiniert mit den ermutigenden Effekten der Beobachtung des Arabischen Frühlings. Interessant ist, dass alle frühen Proteste in rurbanen und grenznahen Räumen ereignen. Da die politische Organisation des syrischen Staates eine Formierung oppositioneller Netzwerke in nationalem Rahmen verhindert hatte, fand die Ausbreitung des Konfliktes im Sinne eines Hinzukommens weiterer lokaler Proteste statt, die eine gemeinsam Identität durch den Verweis auf den Arabischen Frühling bezieht. Es gibt also einen scale shift, der von der lokalem direkt auf die regionale Ebene springt und die nationale auslässt.

Verflechtungen ergaben sich zwischen Nordjordanien und Syrien relativ schnell: sozial durch die Aktivierung von Familienstrukturen im Zuge von Flüchtlingsbewegungen, durch daraus sich ergebende demographische Verschiebungen und identitäre Diskurse; militärisch durch die logistische Bedeutung Nordjordaniens für die Versorgung mit Kämpfern und Waffen. Dennoch haben sich diese Netzwerke nicht so vernachlässigt, dass sie selbst zu einem Konfliktfaktor in Jordanien werden würden; der jordanische Geheimdienst scheint hier auch eindämmend zu wirken.

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich eine ganze Reihe konzeptionell-methodischer Fragen: Wie lässt sich die »Bedeutung« der Netzwerke, das heißt ihr Gewicht, ihr Einfluss, ect. konzeptuell besser fassen?  Wie lassen sich die empirischen Dynamiken besser untersuchen?

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass es wichtig wäre, zwischen Krieg und Bürgerkrieg zu unterscheiden, denn überraschend ist die Grenzüberschreitung ja nur beim Bürgerkrieg. In diesem Sinne ist auch etwas unklar, was mit »Flächenbrand« eigentlich gemeint ist. Bank argumentiert, dass in Syrien zwar kein zwischenstaatlicher Krieg vorliegt, durch die Transnationalisierung der Gewaltakteure jedoch auch kein klassischer Bürgerkrieg.

 

Sabine Kurtenbach:

Stadt und Land – Partizipation und Kontrolle von Jugendlichen in Nachkriegsgesellschaften

Das Projekt geht von der These aus, dass Jugendliche, die im Krieg aufgewachsen sind und daher Gewalterfahrung haben, in der Nachkriegszeit eine besonders hohe Gewaltneigung haben. Diese Gewaltneigung wird durch den Zerfall sozialer Netzwerke noch verstärkt. Zusätzlich weisen Nachkriegsgesellschaften ein hohes Maß an Volatilität auf: Unsicherheit in der Politik, strukturelle Veränderung wie z.B. Urbanisierung.

Empirische Forschung in zwei Ländern (Guatemala, Kambodscha) hat allerdings gezeigt, dass die Beteiligung von Jugendlichen an Gewalt in Nachkriegssituationen weitaus weniger stark war, als die Ausgangshypothese nahelegen würde. In beiden Ländern war Nachkriegsgewalt durchaus vorhanden, doch Jugendliche finden sich darin nur punktuell – in Guatemala vor allem in Gangs.

 

Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft in tiefgreifender Veränderung…

 

Empirie

 

Konzepte Nachkrieg

 

 

 

Quelle: http://gewalt.hypotheses.org/412

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