“Wie willkommen ist der Nachwuchs?”

  Einen frischen Blick auf neue Modelle der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung verspricht ein jüngeres Buch, das standesgemäß als gedruckter Sammelband daherkommt. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß und Ulrich Rüdiger, fasst er die Beiträge der gleichnamigen Hamburger Tagung aus dem Herbst 2010 zusammen. Die von der Körber Stiftung zusammen mit dem Konstanzer Wissenschaftsforum ausgetragene Veranstaltung hat dabei durchaus gemischte Reaktionen provoziert. So schrieb Christian Dries anschließend auf sciencegarden, dass auch optimistische und ermutigende Beiträge nicht immer den Kontakt zur Realität  aufrechterhalten konnten: [D]er Durchschnittspromovend war auf der Tagung auch nicht auszumachen. Das Gros der Teilnehmer gehörte zu den Privilegierten, zur reichlich geförderten, gut informierten und bestens vernetzten Elite, die nach Auslandsaufenthalt und Promotion zielstrebig eine Juniorprofessur ergattert oder in lukrativen Forschungsprojekten und an international renommierten Instituten auf den eigenen Lehrstuhl hinarbeitet – oder selbst in jungen Jahren zum Wissenschaftspolitiker wird. Wie viel ist davon nun im Buch zu spüren? Jürgen Mittelstraß eröffnet den Band mit dem gewohnten wissenschaftlichen Esprit, aber auch gehöriger Skepsis gegenüber einer Verschulung der Graduiertenausbildung. Verschulte Wege, so der Konstanzer Philosoph, führten nicht in die Wissenschaft, sondern in die Schule, in der das schon Gewusste vermittelt, nicht das Neue gefunden wird (14). Neben der Gefahr von zu viel gut gemeinter, aber schlecht verschulender Unterstützung für Promovierende sehen sich vor allem Postdoktoranden und -doktorandinnen unsicheren Verhältnissen ausgesetzt. Dass hier teils fulminante Balanceakte notwendig sind, um soziale Absicherung und Familiengründung überhaupt zu ermöglichen, ist zwar unisono bekannt. Gleichzeitig bekennt sich etwa Walter Berka, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, zu den Folgen kontinuierlicher akademischer Leistungsbewertung: “Dauerhaftigkeit der Laufbahn und Arbeitsplatzsicherheit sind unter diesen Anforderungen zwei Gradienten, die sich erst im Zeitablauf, das heißt mit fortschreitender Bewährung, schneiden können.” (34) Demgegenüber macht sich Julian Nida-Rümelin Gedanken um die Kreativität junger Hochbegabter im Zeitalter normierter Forschung. Seine an das Lesepublikum gerichtete Frage, ob unter den heutigen Bedingungen Albert Einstein oder Ludwig Wittgenstein eine Chance auf eine Professur in Deutschland hätten, trägt die latent skeptische Antwort schon in sich (62). Abhilfe verspricht unter anderem Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, durch gezieltes Fördern risikobehafteter, ‘transformativer Forschung’, die aufgrund ihres innovativen Gehalts in der ‘peer review’ scheitern könnte (66f.). Wie willkommen ist der wissenschaftliche Nachwuchs?   Konstanz 2011 Karoline Holländer und Gülay Ates stellen die Ergebnisse der ersten europaweiten Befragung unter jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor. Nach der erfolgreichen Dissertation, so ein Befund der Eurodoc-Studie von 2008/2009, wird nur ein Drittel in der akademischen Forschung verbleiben. Allerdings streben mehr als zwei Drittel der Befragten eine Stelle in der universitären oder außeruniversitären Forschung an; lediglich ein Drittel bereitet sich auf andere Tätigkeiten vor (93). Das verwundert umso mehr, als die finanziellen Möglichkeiten während der Promotionszeit meist begrenzt sind. Nur bei der Hälfte reichen sie zur Deckung des Lebensunterhalts. 18,4 Prozent der Befragten sind auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen. “Wie willkommen ist der Nachwuchs?” fügt der Hamburger Tagung also weitere Kontrapunkte hinzu. Die weiteren Beiträge gehen durchaus differenziert an aktuelle Problemlagen heran — genannt seien “der ‘Postdoc’ als unbekanntes Wesen”, aber auch die internationale Qualifizierung. Neue Modelle, wie etwa das Konstanzer Zukunftskolleg, werden ebenfalls vorgestellt. Dass mit Albert Kümmel-Schnur gerade ein ehemaliger Konstanzer Juniorprofessor den packendsten Text liefert, sorgt wiederum für eine Relativierung. Ohne die übliche Scheu vor persönlicher Haltung breitet Kümmel-Schnur die Realien aus, mit denen die erste Generation von Juniorprofessorinnen und -professoren zu kämpfen hatte. Sein Fazit ist ehrlich und fast schon ein wenig defätistisch: “Inzwischen rate ich Freundinnen, Freunden und Bekannten davon ab, eine Juniorprofessur anzutreten, wenn sie über eine Alternative verfügen.” (131) Kümmel-Schnurs Mut, damit an eine breite Öffentlichkeit zu gehen (Spiegel Online), gibt dem Buch unverhofft einen anderen wissenschaftspolitischen Imperativ an die Hand. Auch das Wissenschaftssystem, könnte man sagen, muss mit den Auswirkungen seiner eigenen Störungen rechnen. Ansonsten hört Nachwuchsforschung allzu oft auf, bevor sie ihre gesamtgesellschaftlichen Aufgaben erfüllen kann. Jürgen Mittelstraß/Ulrich Rüdiger Wie willkommen ist der wissenschaftliche Nachwuchs? Neue Modelle der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung Konstanz: UVK, 2011 (= Konstanzer Wissenschaftsforum, 4) ISBN 978-3-87940-830-6  

Quelle: http://gab.hypotheses.org/48

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Nachwuchsförderung – Schwerpunkte auf dem Historikertag 2012

Das gab_log wird natürlich auch mit auf dem Historikertag präsent sein. In Sachen Nachwuchsförderung stehen in Mainz eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Ereignissen auf der Agenda. Die Max Weber Stiftung organisiert zusammen mit dem Historikerverband ein Panel zu Lust und Leid der internationalen Wissenschaftskarriere. Es widmet sich unter dem Titel Internationale Wissenschaft – nationale Laufbahnstrukturen? Postdoktorandinnen und Postdoktoranden in den Geschichtswissenschaften den sich verändernden Forschungs- und Lehrbiografien. Guido Lammers, Ulrike Lindner, Christiane Reinecke und Arndt Weinrich und Carl Antonius Lemke Duque debattieren am 26. September, von 9.15 Uhr bis 11 Uhr. Hartmut Berghoff, Direktor des Deutschen Historischen Instituts Washington, wird die Diskussion moderieren.  Wir werden die Beteiligten und ihren Blick auf das Thema hier auf dem gab_log noch ausführlich vorstellen.

Um lebensnotwendige Sachen, über die man angeblich ungern spricht, geht es auf folgendem Panel: Woher bekomme ich Geld für meine Forschung? Ein Service-Panel zum Thema Forschungsfinanzierung für Promovierende und PostDocs. (Dass das Thema hervorragend zum Thema des Historikertags Ressourcen — Konflikte passt, dürfte kein Zufall sein.)

Die Geschäftsführerin des Historikertags, Dr. Gudrun Ochs, hat übrigens vorab auf die vielfältigen Aspekte der Nachwuchsförderung aufmerksam gemacht:

Der Historikertag, der in rund zwei Wochen in Mainz stattfindet, ist einer der größten geisteswissenschaftlichen Kongresse in Europa: In 65 wissenschaftlichen Sektionen präsentieren rund 350 Referenten neueste Erkenntnisse aus allen Epochen und Teildisziplinen der Geschichtswissenschaften. Gleichzeitig bietet er Nachwuchswissenschaftlern eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit etablierten Forschern ins Gespräch zu kommen und ihre eigenen Arbeiten zu diskutieren. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist den veranstaltenden Verbänden, dem Historikerverband (VHD) und Geschichtslehrerverband (VGD), ein wichtiges Anliegen. Deshalb wurden neben den beiden vom VHD vergebenen Nachwuchspreisen zwei Formate entwickelt, um junge Historiker auf dem Kongress aktiv in den wissenschaftlichen Austausch einzubinden.

Um die herausragenden Leistungen einer Doktorarbeit zu würdigen, verleiht der VHD alle zwei Jahre auf dem Deutschen Historikertag einen nach Hedwig Hintze benannten und mit 5.000 Euro dotierten Preis. Zudem zeichnet der Historikerverband herausragende Habilitationen mit dem Carl-Erdmann-Preis aus. Dieser ist mit 6.000 Euro dotiert.

Das Doktorandenforum wendet sich an Promovierende, die ihre laufenden Arbeiten in einer Posterpräsentation einem breiten Publikum vorstellen können. Die Ausstellung mit insgesamt 44 Postern von Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland, dem europäischen Ausland und Amerika ist an den vier Kongresstagen im Philosophicum, Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zu besichtigen. Die drei gelungensten Präsentationen werden mit Preisgeldern in Höhe von 1.000, 500 und 300 Euro prämiert. Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt die Initiative.

Das Schülerprogramm wird in enger Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung geplant und durchgeführt. Es besteht aus zwei speziell zugeschnittenen Sektionen, vier Vorträgen und zwei Filmvorträgen. Unter anderem diskutiert der israelische Historiker Prof. Dr. Moshe Zimmermann mit den Schülern über Geschichte als Politikum. Über Konstantin den Großen, Katastrophen im Mittelalter, die Bartholomäus-Nacht und die Halbstarken der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts können sich Schüler im Rahmen der Schülervorträge informieren. Gemeinsam mit der Körber-Stiftung zeichnet der Historikerverband zudem herausragende Schülerarbeiten aus dem Fach Geschichte aus.

Die herausragenden und innovativen Projekte sowie Arbeiten von Habilitierten, Promovierten, Doktoranden und Schülern werden vom Historikerverband im Rahmen der abendlichen Festveranstaltung in der Coface-Lounge des neuen Stadions vom 1. FSV Mainz 05 ausgezeichnet. Der Verband drückt damit seine Wertschätzung für deren Leistungen aus.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/24

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Ein Gedankenexperiment zum Thema Pseudowissenschaft

Es liegt schon eine Weile zurück, als ich beim letzten a.r.t.e.s. Forum einen Vortrag über Pseudowissenschaften gehört habe. Damals fiel mir eine Frage ein, die ich aufgrund der vielen Wortmeldungen leider nicht mehr stellen konnte. Diese Frage basierte auf der … Weiterlesen

Quelle: http://astrologiefnz.hypotheses.org/112

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Neue Sonderausgabe des Soziologiemagazins zum Thema “Komplexe Neue Welt – Ausgewählte Beiträge zum SSK Berlin 2011″

Unter diesem Motto fand im Oktober 2011 der 3. Studentische Soziologiekongress an der Technischen Universität Berlin statt. Ein Kongress von Studierenden für Studierende, der neben wissenschaftlich-etablierten Tagungen und Kongressen eine bestehende Lücke im nachwuchswissenschaftlichen Austausch schließen sollte. Nach dem Debüt in Halle/Saale im Jahr 2007 und dem Folgekongress an der LMU München 2009 gelang der dritten Auflage 2011 in Berlin eine deutliche Steigerung gemessen an Teilnehmenden und Beiträgen. Die Entwicklung deutet auf eine kontinuierliche Etablierung des Formats hin. Allein die Zahlen sprechen für sich. [...]

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/2449

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Wieviel Verklausulierung braucht Wissenschaftssprache?

Es scheint, als veröffentlichten Nachrichtenmagazine immer öfter Beiträge mit Titeln wie Verschwurbeltes Hochschuldeutsch: Warum Wissenschaftler ihre Leser quälen (Spiegel Online), Wider die wolkige Wissenschaftssprache (Deutschlandradio) oder auch Wissenschaftssprache: Notwendiger Expertenjargon oder Fachchinesisch? (Bayern 2).

Alle beschreiben anhand konkreter Beispiele aus der Welt der Wissenschaft einen Umstand, der – mancher wird rufen „endlich“! – immer öfter kritisch beleuchtet wird: In vielen wissenschaftlichen Publikationen werden Aussagen über weite Strecken durch eine spürbar aufgeblasene Sprache verschleiert. Auch solche, die inhaltlich gar nicht mal so kompliziert sind. Der Leser, insbesondere wenn es sich um jüngere Studierende oder gar interessierte Laien handelt, hat in der Konsequenz veritable Verständnisprobleme. Verkommt die Wissenschaftssprache tatsächlich immer mehr zu undurchsichtigem Kauderwelsch? Ist das hauptsächlich ein Problem im deutschsprachigen Bereich? Dieser Eindruck drängt sich beim Blick in den angelsächsischen Sprachraum geradezu auf, wo gerade geschichtswissenschaftliche Werke eine breite Laienleserschaft finden. Das dürfte nicht zuletzt deshalb so sein, weil man sich nicht scheut, auch im akademischen Kontext lebendig und anschaulich zu formulieren.

Der Begriff der Wissenschaftssprache  wird inzwischen quasi automatisch mit absurden Satzkonstruktionen oder dem übertriebenen Einsatz von Fachtermini und Fremdwörtern assoziiert. Noch deutlicher benennt man dieses Phänomen mit dem Begriff der Antragsprosa. In dem von Susanne Weiss und Michael Sonnabend verfassten Buch Schreiben, Bloggen, Präsentieren wird deutlich, welche Ausmaße eine solche Jargonkultur in der Wissenschaft annehmen kann:

„Jeder weiß, dass Gespenster nur dort Angst und Schrecken verbreiten können, wo es dunkel ist. Je heller es ist, umso grässlicher müssen Fratzen und Gebärden sein, damit der Mensch Angst hat, wahlweise Ehrfurcht vor ‚Attributionsfehlern in perzeptuell ambigen Situationen‘, Angst vor ‚Emergenzen von zu Illustrationszwecken appendizierten Karten‘; vor ‚Stabilitätssuggestionen‘ und ‚Mikrosatelliteninstabilität‘ oder gar vor den ‚Kontingenzproblemen im Interventionsgeschehen‘…“ (Weiss/Sonnabend 2011, S. 40)

Dass innerhalb einzelner Disziplinen etablierte Fachtermini für die Normierung und den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse unentbehrlich sind, wird niemand bestreiten wollen. Und ja, ein Wissenschaftler schreibt natürlich in erster Linie für andere Wissenschaftler. Von denen kann man in der Tat gewisse Verständniskompetenzen erwarten, die ihnen das Erschließen elaborierterer Texte ermöglichen. Wie weit aber darf der Verklausulierungstrend gehen, von dem man – seien wir ehrlich – insgeheim vermutet, dass er vom Autor aus Gründen vermeintlicher Statusschaffung gehegt und gepflegt wird? Ist es nicht ein Schuss ins eigene Knie, wenn eine aufgeblähte und nur augenscheinlich präzise Sprache ihren eigentlichen Zweck verfehlt – nämlich die Vermittlung von Informationen? Vermittelt kann nur werden, was verstanden wird.

Wie aber kann man dieses Problem angehen – wie sieht denn „gute“ Wissenschaftssprache aus? Im digitalen Zeitalter erweitert sich die Schar der Leser, die an wissenschaftlicher Kommunikation – wenn auch nur passiv – teilhaben möchte, über die akademische Welt hinaus. Deshalb lässt sich die Frage nach den Grenzen von Wissenschaftssprache auch mit einem „nach unten“ gerichteten Blick stellen: Wie „alltagssprachlich“ dürfte es in der Wissenschaft zugehen, würde man versuchen, dem angesprochenen Wandel innerhalb der Leserschaft Rechnung zu tragen? Ab welchem Punkt wird eine bewusst transparent gestaltete Fachsprache ihrerseits zum Problem, ab wann geht es mit der Genauigkeit wissenschaftlicher Aussagen bergab? Und könnte auch der bewusste Verzicht auf Verklausulierungen in genuinen Netzformaten (Blogs, Tweets) ein Grund für die Skepsis etablierter Wissenschaftler sein, diese zu bedienen, steht dieses Argument doch in direktem Bezug zur Hierarchiefrage?

Diese, sowie mögliche Lösungsstrategien, können wir in Panel 3 der RKB-Tagung diskutieren.

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/209

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Alois Schmid: „Religioni – scientiis – patriae“: Aufklärung in oberdeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts

„Religioni – scientiis – patriae“: Aufklärung in oberdeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts. Abstract des Vortrags von Alois Schmid (München) bei der Tagung Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung“, Regensburg, 21./22. September 2012 

Das Bild der deutschen Aufklärung wird herkömmlicherweise stark von der protestantischen Aufklärung im mittleren und nördlichen Deutschland bestimmt. Erst in jüngerer Zeit gibt es Bestrebungen, daneben den Beitrag des oberdeutschen Raumes stärker zur Geltung zu bringen. Er wurde außer von gelehrten Gesellschaften hauptsächlich von den Klöstern erbracht. In den zahlreichen Klöstern vor allem der Prälatenorden waren viele Mönche tätig, die auf den unterschiedlichen Gebieten des Wissenschaftsbetriebes grundlegende, zum Teil auch zukunftweisende Beiträge erarbeiteten. Sie trugen die Kulturbewegung über die höfischen und urbanen Zentren hinaus auch in die ländlich geprägten Regionen. Vor allem den großen Prälaturen war es zu danken, wenn die gelehrte Bewegung schließlich in eine echte Volksaufklärung mündete. Der Vortrag will im umfassenden Überblick die Grundzüge der Entwicklung deutlich machen. Er bemüht sich zudem um eine Klärung des Standortes der katholischen Aufklärung innerhalb der allgemeinen Aufklärungsbewegung.

Prof. Dr. Alois Schmid 

Jahrgang 1945
Schule und Studium der Geschichte, Germanistik und Sozialkunde in Regensburg
Staatsexamen 1972
Promotion im Teilfach Bayerische Landesgeschichte Uni Regensburg 1974
Wissenschaftl. Assistent an den Univ. Regensburg und München 1974-82
Wissensch. Mitarbeiter der Bayer. Akademie der Wissenschaften München 1982-88
Habilitation Uni München 1985
Prof. für bayer. Landesgeschichte Uni Eichstätt 1988-94
Prof. für bayer. und fränk. Landesgeschichte Uni Erlangen 1994-98
Prof. für bayer. Geschichte unter bes. Berücks. des Mittelalters 1998-2010
Seit 1998 Erster Vorsitzender der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften München

Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit: http://www.bg.geschichte.uni-muenchen.de/personen/professoren/schmid_alois/publ_aschmid/index.html

Quelle: http://frobeniusforster.hypotheses.org/226

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Der virtuelle Selbstbedienungsladen

Bis zum Semesterstart bei uns ist es ja noch etwas hin, was jetzt sicher nicht jeden todtraurig macht. Während die Universität allmählich aus dem Sommerschlaf erwacht (naja, bei uns an der Uni Köln war nicht viel mit Ruhe, da momentan an jeder Ecke lautstark gebaut wird), beginnt für viele wahrscheinlich gerade die heiße Phase der abzugebenden oder zu korrigierenden Hausarbeiten und/oder Wiederholungsklausuren. Vielleicht besucht auch der eine oder die andere für das Studium vorgeschriebene Propädeutikveranstaltungen oder bildet sich über Ferienkurse weiter, wie sie z.B. von unserem Rechenzentrum angeboten werden.

Neben diesen Angeboten, die nur lokal verfügbar sind (und die man – zumindest offiziell nur nutzen kann, wenn man Angehörige|r der diese Kurse anbietenden Institution ist), bietet auch unsere vernetzte Welt inzwischen sehr lohnenswerte Möglichkeiten zum akademischen Zeitvertreib. Apple, stets bestrebt, den Austausch sämtlicher Medien über die iTunes-Plattform zu kontrollieren, bietet etwa mit iTunes U eine inzwischen fast unüberschaubare Fülle von universitären Veranstaltungen in den verschiedensten Formaten (Vorlesungsskript, Folienpräsentation, Audio- und Video-Podcasts) an. Auch die Universität zu Köln mischt da inzwischen mit, ihr Angebot ist allerdings noch ausbaufähig.

Was bei diesen Angeboten fehlt, ist eine interaktive Komponente, die Vermittlung von Wissen ist auf eine Art Fernsehschauen reduziert. Für bestimmte Arten von Veranstaltungen mag das ausreichend sein, andere leben aber davon, dass Fragen gestellt werden können, dass Lernfortschritte von beiden Seiten (Lehrende und Lernende) durch Hausaufgaben oder Klausuren überprüft werden und dass Teilnehmer|innen unter sich und mit der Dozentin bzw. dem Dozenten ins Gespräch kommen. Sehr interessant ist da z.B. der Ansatz, den Christian Spannagel mit seinem “inverted classroom” verfolgt: Er hat seine Mathevorlesung in einem früheren Semester aufgezeichnet, seitdem müssen sich die Teilnehmer|innen diese zu bestimmten Terminen anschauen und Aufgaben lösen, die den dort behandelten Stoff betreffen. Die gemeinsam verbrachte Zeit, die sonst für die Vermittlung des immer gleichen Stoffs draufgegangen ist, steht jetzt zur Verfügung, um Fragen zu den behandelten Themen zu klären und darüber zu diskutieren. Ich könnte mir gut vorstellen, etwas ähnliches irgendwann mal bei meiner Einführung in die Computerlinguistik oder bei unserem Java-Programmierkurs zu versuchen.

Worauf ich eigentlich hinauswollte (mal wieder gerät eine Hinführung zu meinem intendierten Blogthema länger als geplant) ist die Vorstellung zweier Plattformen, auf denen komplette (bisher lediglich englischsprachige) Online-Kurse besucht werden können: Udacity und Coursera. Während die Kurse bei Udacity momentan noch sehr auf technische Themen beschränkt sind, stellt sich Coursera bereits etwas breiter auf, insgesamt kann man Kurse aus 16 Kategorien belegen, die von (zufällig auch) 16 verschiedenen Universitäten angeboten werden.


Die 16 Universitäten, die bei Coursera mitmachen – auch die Ivy-League ist vertreten.

Ich selbst habe sehr gute Erfahrungen mit dem Kurs Natural Language Processing” von den beiden NLP-Koryphäen Dan Jurafsky und Christopher Manning (Stanford University) gemacht. Gut, ich war jetzt nicht die direkte Zielgruppe (schließlich bin ich kein Undergraduate mehr), dennoch hatte ich viel Freude bei der Sichtung der Videos mit den beiden Dozenten, der Lösung der Programmieraufgaben und der Mini-Klausuren, die jede Woche gestellt wurden. Eine starke Motivation, die Aufgaben möglichst gut und vor allem rechtzeitig einzureichen war, dass es ansonsten Punktabzüge setzte. Das wollte ich tunlichst vermeiden, weil es irgendwie meinen Sportsgeist herausgefordert hatte, den Kurs möglichst gut zu bestehen. Klar musste ich auch abwägen zwischen Aufwand und Ertrag, so dass ich nicht jede Programmieraufgabe bis zur 100%-Bewertung optimiert hatte, dennoch bin ich mit dem Ergebnis, das bei mir auf dem am Ende des Kurses verschickte Diplom steht, größtenteils zufrieden.

Um das Diplom ging es mir aber gar nicht, vielmehr wollte ich erstens die Möglichkeiten eines Online-Kurses einmal selbst an einem konkreten Beispiel testen, zweitens meine Vermittlungsmethoden und den Aufbau meines Kurses hinterfragen und eventuell neu ausrichten. Dass ich dafür ein Angebot von zwei der bekanntesten und didaktisch wirklich verdammt guten Computerlinguisten nutzen konnte, hätte ich vor einiger Zeit auch nicht gedacht – das ist eben eine Möglichkeit, die ich erst seit Coursera habe. Klar werde ich den Kurs nicht 1:1 übernehmen – nicht alle meine Studierenden können bereits programmieren, wenn sie meine Veranstaltung belegen, außerdem setzt der NLP-Kurs bereits die Kenntnis linguistischer Einheiten voraus, was bei mir nicht möglich ist. Aber einiges werde ich tatsächlich, v.a. in den zweiten Teil meiner Veranstaltung, einbauen können. Und ich werde allen, die bei uns die Basismodule zusammenhaben, empfehlen, die nächste Ausgabe des NLP-Kurses zu besuchen.

Die Frage ist natürlich, ob über solche Plattformen den Unis (und damit auch mir) das Wasser abgegraben wird, weil die Kundschaft (die Studierenden) ins Netz abwandern könnte, statt sich zur bisweilen nachtschlafender Uhrzeit in überfüllten und schlecht gelüfteten Seminarräumen mit weniger koryphäigen Dozent|inn|en herumzuschlagen. Ich würde diese Frage mit nein beantworten (klar, sonst hätte ich hier nicht so einen positiven Post drüber geschrieben). Nein, das Internet und seine Möglichkeiten werden natürlich nicht davor halt machen, auch die altehrwürdigen Universitäten umzukrempeln. Diese müssen einfach nur die Chancen ergreifen, die sich dadurch bieten – Die Vermittlung von Wissen kann tatsächlich zu einem (vielleicht sogar zum größten) Teil virtuell erfolgen. Was aber Jurafsky und Manning nicht leisten konnten, war, mit ihren (mehr als 3000 aktiven) Online-Studierenden ins Gespräch zu kommen, Abschnitte, die nicht verstanden wurden, auf eine andere Weise zu erklären, zu diskutieren, welche weitere Arten der Anwendung es für bestimmte Algorithmen geben könnte usw. usf. Solcherlei Dinge wurden zwar teilweise durch ein gut moderiertes Diskussionsforum aufgefangen, die meiner Meinung nach eine persönliche Betreuung nie ganz ersetzen können wird.

Wer sich jetzt fragt, warum ich hier über einen Kurs erzähle, der schon gelaufen ist und dessen nächster Termin noch gar nicht feststeht, dem sei gesagt, dass auf den beiden genannten Plattformen laufend neue Kurse starten, morgen z.B. eine – den Verlautbarungen in der Ankündigung nach zu urteilen – sehr grundlegende Einführung in die Statistik. Auch wenn ich auf dem Gebiet bereits über ein wenig Vorbildung verfüge, schaue ich dort mal hinein – irgendwie hab ich mir das meiste selbst beigebracht – eine strukturierte Einführung dürfte da nicht schaden, zumal für den Kurs auch nur überschaubare 6 Wochen angesetzt sind. Vielleicht trifft man sich ja dort im Forum. :)

 

 

 

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/430

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Sedlmayrs Wien (Teil I)


Palmenhaus, Schönbrunn (innen) – Foto: MM

 

In wenigen Wochen wird im Palais du Louvre das Musée des Arts d’Islam eröffnet werden. Das  wellenförmige Dach wird voraussichtlich neue Maßstäbe in der materialen Ausreizung der Stahl-/Glasarchitektur setzen. Maßgeblich an der Umsetzung des Entwurfs von Mario Bellini und Rudy Ricciotti ist auch eine Wiener Firma beteiligt, die Erfahrung mit zahlreichen ähnlichen Großprojekten hat.[1] Dieses Innovationspotential wurzelt ausgerechnet im 19. Jahrhundert. Wien profilierte sich zu dieser Zeit als Metropole von Weltrang.

Dass Hans Sedlmayr in „Verlust der Mitte“ die Phänomene des modernen Lebens unter Beschuss nimmt, erscheint weniger merkwürdig, wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Erfahrungen er in seiner Jugend gesammelt hat. Die Großstadt, die Technik, das Neue Bauen werden im Buch dämonisiert. Freilich sind die Massen, die Metropole gängige Topoi der kulturkritischen Literatur, die Sedlmayr zweifellos aktualisiert.

Aber es stellt sich doch die Frage, was den Autor zu dieser radikalen Haltung veranlasst. Diesbezüglich mögen biographische Überlegungen weiterhelfen. An deren Anfang jedenfalls steht die Idylle. Geboren und aufgewachsen ist Sedlmayr nämlich auf einem ungarischen Gut. In einer Umgebung, die er als Abenteuerspielplatz in der Weise beschreibt, dass sich jeder nachträglich eine ähnliche Kindheit wünscht.[2] 1907 zog die Familie Sedlmayr nach Wien um. Einen ungefähren Eindruck von dem Einschnitt, den dies für den Zwöljährigen bedeutet haben mag, soll der vorliegende Text vermitteln.

 

Palmenhaus, Schönbrunn, innen: Foto: MM

 

Als Sedlmayr nach Wien kam, erlebte die Hauptstadt der Donaumonarchie einen enormen Wachstumsschub. In den dreißig Jahren von 1880 bis 1910 stieg die Bevölkerungszahl um das Doppelte an und schoss über die Zwei-Millionen-Marke.[3] Es ist heute nahezu unvorstellbar, dass Wien vor 100 Jahren größenmäßig unter den Top Ten der Metropolen weltweit rangierte.

Die Schattenseite dieses rasanten Wachstums zeichneten die Väter der Sozialreportage, Max Winter und Emil Kläger, auf. Für ihre „Feldforschungen“ verkleideten sie sich als Obdachlose, um in den Elendsvierteln außerhalb des Rings und in der damals dicht besiedelten Kanalisation zu recherchieren.[4] An diesen Orten, ging die Tuberkolose, als  die gefürchtete ‘Wiener Krankheit’ um.

Man muss nur Stefan Zweigs Lebenserinnerungen zur Hand nehmen, um zu erfahren, dass die gehobenen bürgerlichen Kreise in einer anderen Welt lebten.[5] Das Wien der ‘Bettgeher’ werden sie zumindest als Bedrohung für die eigene soziale Hegemonie wahrgenommen haben. Es überrascht, dass schon ehedem Städtevergleiche bemüht wurden, etwa in den „Großstadt-Dokumenten“, von denen jeweils 10 Bände Berlin und Wien gewidmet waren.[6] War dies ein frühes Zeugnis der deutschsprachigen Metropolenforschung, so erfand Georg Simmel die Stadtsoziologie.[7]

 

Wien, Alseergrund um 1900 – Quelle: Wikimedia Commons

 

Hatte Wien Vieles seiner heutigen Gestalt durch die Stadterweiterung Mitte des 19. Jahrhunderts gewonnen, so wurde es in den nächsten 50 Jahren zur modernen Großstadt. Infrastrukturelle Maßnahmen veränderten die Hauptstadt. So fraß sich das frische historistische Wien allmählich durch die alten dörflichen Strukturen der ehemaligen Vorstädte. Ein rasterförmiges Straßennetz aus Mietskasernen entstand.

Im Zuge der Donauregulierung wuchsen fünf neue „stabile“ Brücken über den künstlich erschaffenen Fluss. Der Brückenbau ist zugleich eine technische und planerische Meisterleistung, in dem das zeitgemäße Material, Eisen, zum Einsatz kam. Nicht umsonst nannte sich 1905 in Dresden eine Künstlergruppe fortschrittsorientiert ausgerechnet „Die Brücke“. Ausdruck der Urbanität und der veränderten Bedürfnisse, die sich in Geschwindigkeit und Mobilität entäußerten, ist auch die von Otto Wagner 1894-1901 errichtete Stadtbahn.

 

Stadtbahn mit Hofpavillon – Foto: MM

 

Wagner war zugleich der innovative Kopf des progressiven Bauens in Wien. Seine Postsparkasse (1910-1912) war richtungsweisend für die Verbindung von Ästhetik und Funktionalität. Ein Netz aus Metallbolzen überzieht die Außenhaut des Gebäudes, indem es die Marmorplatten zu fixieren scheint. Begleitet wird die konsequente Verweigerung des Ornaments von der Verwendung neuer Materialien, wie Aluminium und Stahlbeton. Das setzt sich in den Innenraum fort. Das Oberlicht im Kassensaal dringt durch eine gewölbte Glasdecke.

 

Postsparkasse – Quelle: Wikimedia Commons

 

Diese fast organisch anmutende Raumform basiert auf den Ausstellungs- und Gewächshausarchitekturen des 19. Jahrhunderts. Initialbau der Eisen-Glasbauweise war der anlässlich der Weltausstellung errichtete “Crystal Palace” in London (1851). Dieser war vorbildgebend für andere gläserne Ausstellungsarchitekturen, wie dem “Glaspalast” in München (1853). 1882 wurde das Palmenhaus in Schönbrunn eröffnet. Dessen Vorbild ist unübersehbar „Kew Gardens“ in London (1841-49).

Ähnelten die Glaspaläste in ihrer Grundform eher den traditionellen Bauten aus Stein, entfalten sich die Palmenhäuser vergleichsweise freier, den flexiblen, plastischen Qualitäten des Konstruktionsmediums entsprechend. Die zeitgenössischen Stimmen über das Schönbrunner Glashaus reichen freilich von emphatischer Aneignung bis zu entschiedener Zurückweisung. In seiner funktional-biomorphen Erscheinung und in seinen Dimensionen – es gehört zu den drei größten weltweit – markiert das Wiener Glashaus eine Schlüsselstelle des Neuen Bauens in Österreich.

 

Palmenhaus Schönbrunn, innen – Foto: MM

 

Während die Eisenkonstruktionen für die erwähnten Brücken noch von ausländischen Firmen besorgt wurden, gründete Ignaz Gridl die erste Stahlbaufirma in der Doppelmonarchie.[8] Der „k. und k. Hofschlosser und Eisenconstructeur“ war auch Ausführender des Palmenhaus-Projekts von Schönbrunn. Seine Firma lieferte darüber hinaus die konstruktiven Elemente, unter anderem für das Wiener Rathaus, die Universität und die beiden Hofmuseen. Ohne die zeitgenössische Technologie wären die monumentalen Illusionen von Antike, Gotik und Renaissance in der Wiener Ringstraßen-Architektur undenkbar.

 

Palmenhaus, Schönbrunn – Foto: MM

 

Aus der Stellung Wiens als Metropole ergaben sich neue Aufgaben, welche die Organisation des Raumes und der Menschen, sowie die Repräsentation betrafen. Aus diesem Grund wurde Know-how benötigt. Dieses mündete schließlich in formale Neuerungen, wie sie durch Otto Wagner beispielsweise umgesetzt wurden. Sedlmayr ist ein Zeitzeuge dieser Entwicklungen. Seine prägendsten Jahre hat er als Jugendlicher inmitten dieses gesellschaftlichen Umbruches erlebt, als die Moderne noch Experiment und keine hundertjährige Erfahrung war.

Und Waagner-Biró, heute beteiligt am Louvre-Projekt, erwarb 1934 das Traditionsunternehmen Ignaz Gridl. Somit steckt ein Stück alte Wiener Moderne und Innovationspotential aus dem 19. Jahrhundert in einigen der aktuell aufsehenerregendsten Bauten weltweit.

 

Palmenhaus, Schönbrunn (Detail) – Foto: MM

 

 

[1] Beitrag in €CO, ORF, Sendung v. 23.08.2012. http://tv.orf.at/program/orf2/20120823/575175901/343684/

[2] Hans Sedlmayr: Das goldene Zeitalter. Eine Kindheit, München 1986

[3] Brigitte Hamann: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, München 1998, S. 398.

[4] Emil Kläger: Durch die Wiener Quartiere des Elends und Verbrechens. Ein Wanderbuch aus dem Jenseits, Wien 1908 und Max Winter: Im unterirdischen Wien, Berlin 1905 (zugl. Band 13 der Reihe „Großstadt-Dokumente“).

[5] Stefan Zweig: Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers, Stockholm 1942.

[6] In 50 Bänden herausgegeben zwischen 1904 und 1908 von Hans Ostwald.

[7] Georg Simmel: Die Großstädte und das Geistesleben, 1903.

[8] Ute Georgeacopol-Winischhofer: „Ig. Gridl“: The heritage of Vienna’s most important steel. Workshop, 1880s-1930s. XIII TICCIH International Congress, September 2006, Terni (Italien), Workshop 10, URL: http://www.ticcihcongress2006.net/paper/Paper%2010/Georgeacopol.pdf (zuletzt besucht am: 01.09.2012)

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/85

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Wozu assoziative Techniken, wenn es doch Google gibt?


Warum sollte man sich die Mühe von assoziativen Techniken wie einer ABC-Liste machen, wo es doch heutzutage Google gibt? Begriff eingeben, Return-Taste drücken, fertig. Das ist doch viel einfacher!

Einfacher vielleicht, aber es macht Sie nicht intelligenter:

  1. Vorhandene Gedächtnisspuren wollen benutzt werden. Wenn das nicht geschieht und möglichst viel in die digitale Welt ausgelagert wird, dann werden die Spuren immer “dünner” und sind schließlich verschwunden, das nennt man auch Vergessen. Man kann sich das wie eine Spur im Schnee vorstellen. Stapft man nur einmal durch frisch gefallenen Schnee, dann ist von der Spur bei weiterem Schneefall bald nichts mehr zu sehen. Ist man mehrfach denselben Weg durch den Schnee gelaufen, dann ist die Spur breit und weht nicht so schnell zu.
    ABC-Listen und Mindmaps bieten die Möglichkeit, die Wege offenzuhalten und wieder freizuschaufeln. Hierzu muss man den Computer aus- und das Hirn einschalten. Wobei freischaufeln nur funktioniert, wo schon mal eine Spur war. Wo nichts ist, kann man auch nichts freischaufeln.
  2. Wir wissen mehr, als uns bewusst ist. Wir kommen bloß nicht immer an unser Wissen heran. Mit den ABC-Listen (oder auch Mindmaps) kann man üben, schnellen Zugang zu seinem eigenen Wissen zu erlangen.
  3. Es gibt Situationen, in denen kann man trotz Pod, Pad und Phone nicht googeln, da muss einem selbst was einfallen. Wer im Assoziieren geübt ist, hat hier klare Vorteile.
  4. Google zeigt Ihnen nur, was Google meint, das interessant für Sie sein könnte. Eine objektive Antwort erhalten Sie nicht.
  5. Mit anderen Leuten Listen anzulegen, zu fragen, was ihnen zu einem bestimmten Thema einfällt, ist kommunikativ und bietet viele positive Gesprächsanlässe. Lassen Sie sich überraschen!

Wenn man sich immer mehr auf die digitalen Medien als auf sein eigenes Gehirn verlässt, dann kann das ein Weg in die von Manfred Spitzer beschriebene “Digitale Demenz” sein. Wer sein Buch für eine Übertreibung hält: Das ist es leider nicht. Es beschreibt nur die Realität.

Ich plädiere nicht dafür, auf Google zu verzichten. Wenn man sich aber mal selbst überprüft, wo und in welchen Fällen man schon automatisch auf eine schnell und bequem Output generierende digitale Mediennutzung zurückgreift, kann man sich doch auch fragen, ob das in jedem Fall so sein muss. Oder ob man zugunsten der eigenen Intelligenz andere Methoden wählen könnte.

Quelle: http://games.hypotheses.org/467

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Kurzer Prozess: Die Verfolgung von Jugendkulturen als “Rowdies” hat eine lange Geschichte

Das drakonische Urteil gegen die Musikerinnen der russischen Punk-Band Pussy Riot vom 17. August 2012 hat eine lange Vorgeschichte. Schon im Zarenreich und im Staatssozialismus diente der Vorwurf des “Rowdytums” der Unterdrückung von Jugendkulturen. 


Politische Urteile gibt es viele in Russland. Die Verurteilung der drei jungen Frauen des russischen Punk-Kollektivs Pussy Riot aber erregt weltweit Empörung. Menschen fühlen sich angesprochen, weil die Musik auch ihre eigene ist, das macht das Urteil für viele zu einer höchstpersönlichen Angelegenheit. Das Moskauer Urteil gegen die Musikerinnen wird nicht nur Geschichte machen, es hat auch eine. Die Entscheidung der Richterin steht in einer langen und unrühmlichen rechtshistorischen Tradition autoritären und antiliberalen staatlichen Handelns. Dies belegt schon der Tatbestand des „Rowdytums“, unter dem die Anklage stand. Der Vorwurf des „Chuliganstvo“ hat eine lange Vorgeschichte.

Bereits im Kommunismus spielte er eine wichtige Rolle bei der Verfolgung politischer Gegner, wie der Regensburger Rechtswissenschaftler und Osteuropa-Experte Friedrich-Christian Schroeder schon in den sechziger Jahren herausarbeitete. Schroeder fand Ursprünge in revolutionärer Zeit, etwa im Aufruf „An die Bevölkerung“ vom November 1917: „Errichtet strengste, revolutionäre Ordnung, unterdrückt gnadenlos die Versuche zur Anarchie von Seiten der Säufer, Rowdys, konterrevolutionären Junker, Kornilow-Leute und dergleichen“, hieß es da in revolutionärem Duktus. Der Autor des Manifestes war Wladimir Iljitsch Lenin.

Ein Mittel zur Rechtfertigung juristischer Willkür

Dass Lenins Formulierungen nicht nur Revolutionsrhetorik waren, bewies er zwei Monate darauf, als er sie in einer Schrift über den Wettbewerb wiederholte. Dort gelten die „Rowdys“ gemeinsam mit den Reichen, Gaunern und Schmarotzern als „Auswurf der Menschheit“, als „rettungslos verfaulte und verkommene Elemente“. Die „Seuche, diese Pest, diese Eiterbeule“ sei eine Hinterlassenschaft des Kapitalismus, die beseitigt werden müsse.

Ein Dekret vom Februar 1918 setzte die expressive Prosa in konkrete Handlungsanweisungen um: Danach waren Rowdys ebenso wie feindliche Agenten und deutsche Spione „am Ort des Verbrechens zu erschießen“. Worin genau das Rowdytum bestand, definierten immer neue Erlasse immer wieder neu. Dabei ging es nicht nur um den Kampf gegen Zerstörungen und Schlägereien unter Alkoholeinfluss, die traditionell als Problem galten. „Chuliganen“ waren nicht nur Gewalttäter. Eine Verordnung von 1923 definierte als Rowdytum jene „Handlungen, die von einer offensichtlichen Missachtung der Gesellschaft begleitet sind, insbesondere Unfug jeder Art, Ausschreitungen, grobes Schimpfen“. Für die Revolutionstribunale der jungen Sowjetmacht hatten derart dehnbare Definitionen die wichtige Funktion, kurzen Prozess mit all jenen machen zu können, die nicht ins gängige Raster staatlicher Verfolgung passten.

Schon Lenin verstand „Rowdys“ als „Auswurf der Menschheit“Auch in der postrevolutionären Phase der Stabilisierung des Sowjetsystems blieb der Rowdy-Paragraph ein wirksames Mittel zur Rechtfertigung juristischer Willkür. Zwar wurden tatsächliche oder vermeintliche Rowdys nun nicht mehr erschossen, sondern mit Geld- und Freiheitsstrafen oder mit Verbannung bestraft. Doch sieht der Sowjetrechtsexperte Schroeder in der unter Stalin vollzogenen Konsolidierung eine „frostige Erstarrung unter Beibehaltung fast aller kriegsbedingten Verschärfungen der Repression“. Nach Stalins Tod wurde 1956 unter Chruschtschow das Rowdytum in schwere und minderschwere Delikte unterteilt und letztere mit leichten Strafen, etwa kurzer Haft, belegt. Was wie eine Entschärfung aussah, war tatsächlich ein Mittel für massenhafte Einschüchterung.

„Liquidierung des Rowdytums“

Wie der Historiker Brian Lapierre vor einigen Jahren in den „Cahiers du Monde Russe“ analysierte, war die Kampagne gegen Rowdys nun nicht mehr ein Instrument, um vermeintliche Staatsfeinde mit schweren Strafen aus dem Verkehr zu ziehen. Nun konnten Menschen wegen minderschwerer Vergehen mit kurzen Strafen belegt werden, dies aber in großem Ausmaß. Die Verurteilungen überschritten in den fünfziger Jahren die Millionengrenze. Eine „minderschwere Strafe“ konnte etwa in zwei Wochen Arbeitslager bestehen. Die vage Beschreibung des Rowdytums umfasste auch Verstöße gegen Ruhe und Ordnung, „respektloses Verhalten gegenüber anderen Bürgern“ sowie „Obszönitäten und Ungehörigkeiten“ aller Art.

Diese Gummiparagraphen waren keineswegs neu. Zwar betonten die Gesetzgeber der Sowjetunion gern den radikalen Bruch zur Justiz des Zarenreiches, doch kannte bereits das zaristische Recht „Vergehen wider die Wohlanständigkeit, Ordnung und Ruhe“, das sich allerdings vom sowjetischen Recht durch minder drastische Strafen unterschied. Der Rowdyparagraph war nicht auf die Sowjetunion allein beschränkt. Jüngere Wissenschaftler wie der Prager Historiker Matej Kotalik erforschen derzeit, inwieweit sowjetisches Strafrecht auch die Bestimmungen anderer sozialistischer Staaten prägte.

In der DDR etwa galten die Anstrengungen der Volkspolizei um 1960 ebenfalls verstärkt der „Liquidierung des Rowdytums“ und der „Zersetzung“ jugendlicher Gruppen mit nachrichtendienstlichen Methoden. Gemeint waren damit jugendliche Fans amerikanischer Musik, die sich zu Clubs und Bands zusammengeschlossen hatten. Brigaden des SED-Zentralkomitees, zu denen lokale Partei- und FDJ-Funktionäre gehörten, gingen seit 1960 gegen Fanclubs und „halbstarke Verhaltensweisen“ vor, zu denen auch das Praktizieren westlicher Tänze oder Verstöße gegen die Bestuhlungsvorschriften auf Konzerten gehören konnten. Einen Höhepunkt hatten diese Restriktionen in der Zwangsauflösung von Gitarrenbands 1965, gegen die Jugendliche in Leipzig demonstrierten und darum zu teils drakonischen Strafen verurteilt wurden. Als Tatbestand ging das Rowdytum 1968 in das Strafgesetzbuch der DDR ein. Der Paragraph 215 ahndete Vergehen wie nächtliche Ruhestörung, Verstoß gegen die Veranstaltungsordnung und „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Er wurde als sogenannter Rowdy-Paragraph berüchtigt.

Wachsendes Unverständnis

Immer wieder wurde er zur Unterdrückung unerwünschter kultureller Aktivitäten genutzt. In den fünfziger Jahren waren es die Halbstarken, in den Sechzigern und Siebzigern jugendliche „Gammler“, die auch dann als „Arbeitsbummelanten“ verfolgt wurden, wenn sie über ein einträgliches Einkommen etwa als Musiker oder Gelegenheitsarbeiter verfügten. In der Sowjetunion ging man ähnlich vor, in Ungarn und Tschechien war die Jugendpolitik etwas toleranter. Doch auch im Westen erklang der Ruf nach „Arbeitslagern für Langhaarige“ nicht nur aus dem Volksmund der Nachkriegsgesellschaft. Ein Gutachten der Weltgesundheitsorganisation erwog um 1960 militärische Trainingscamps für „antisoziale“ Jugendliche, die rauchen und trinken.

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Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/389

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