abstract: Code Literacy

Aus Gründen sammle ich gerade Texte mit Argumenten zur Frage, ob und wie möglichst viele Menschen lernen sollten zu programmieren.


 

Please Don’t Learn to Code

  • “everyone should learn programming” meme has gotten out of control
  • «To those who argue programming is an essential skill we should be teaching our children, right up there with reading, writing, and arithmetic: can you explain to me how Michael Bloomberg would be better at his day to day job of leading the largest city in the USA if he woke up one morning as a crack Java coder? It is obvious to me how being a skilled reader, a skilled writer, and at least high school level math are fundamental to performing the job of a politician. Or at any job, for that matter. But understanding variables and functions, pointers and recursion? I can’t see it.

    [...]

Quelle: http://codinghistory.com/abstract-code-literacy/

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Ikonographien von Solidarität und Widerstand: Karikaturen zum Anschlag auf ‚Charlie Hebdo‘

Der 7. Januar ist der erste Tag nach der Weihnachtspause ... das übliche Programm: Post, nebenher Nachrichten und wie immer zur Einstimmung Karikatur/Karikaturistinnen/Karikaturisten-Feeds aus aller Welt und Daryl Cagles PoliticalCartoons.com. Die Themen sind wenig überraschend, die Tagespolitik läuft an. Charlie Hebdo hat (wie am 6.1. getwittert) Houellebecqs Soumission auf dem Titel[1].

Aber plötzlich ist alles anders. Ab Mittag überschlagen sich Nachrichten mit immer mehr Details zum Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Sondersendungen, Eilmeldungen, Live-Ticker ...

Kurz vor 13.00 twittert Joachim Roncin:

pic.twitter.com/5hr2brBJQt

— joachim (@joachimroncin) 7. Januar 2015

Die weißen und grauen Buchstaben auf Schwarz verbreiten sich in Windeseile und werden zum Hashtag #jesuischarlie, zu spontanen (Tee-)Lichtinstallationen, zu Plakaten, die hundert- und tausendfach hochgehalten werden, zu riesigen Transparenten etc.

Im Laufe des Nachmittags tauchen mehr und mehr Karikaturen zum Thema auf. Karikaturistinnen und Karikaturisten twittern und bloggen spontane Reaktionen.

Am Tag danach bringen die Karikaturen als Antwort auf die Ereignisse. Herausragend (vor allem in Bezug auf die internationale Resonanz )ist The Independent mit einer Arbeit von Dave Brown, die den Geist von Charlie Hebdo symbolisieren soll.[2]

Inhaltlich sind es überwiegend nahezu prototypische Ereigniskarikaturen, die aktuelles Geschehen quasi in Echtzeit kommentieren. Daneben finden sich auch Zustandskarikaturen, die das konkrete Geschehen in einen größeren Kontext einordnen.  Formal sind alle Formen vertreten: personale Individualkarikaturen, personale Typenkarikaturen und apersonale Sachkarikaturen.

Die Themen der Karikaturen sind das Heraufbeschwören von liberté, égalité, fraternité, die Unbeugsamkeit gegenüber allen Versuchen, freie Meinungsäußerung einzuschränken, bis hin zum trotzigen Jetzt-erst-Recht  und  Charlie Hebdo als Märtyrer der Meinungsfreiheit.

Zur Ikonographie gehören

Die Sujets sollen die Unzerstörbarkeit der freien Meinungsäußerung und den Trotz[3] sichtbar machen, aber auch zeigen, dass Humor eine starke Waffe sein kann.

Je größer der zeitliche Abstand wird (und je mehr Fotos vom Schauplatz auftauchen) umso reflektierter werden die Karikaturen zum Thema, während die #JeSuisCharlie-Solidarität längst die Grenzen zur Vereinnahmung überschritten hat.[4]

  1. Luz (i.e. Renald Luzier): "Les prédictions du mage Houellebecq". In: Charlie Hebdo N°1177 (7 janvier 2015) 1.
  2. S. dazu auch: Dave Brown: "Charlie Hebdo cartoon: I knew I had to express defiance because I wanted to be true to the spirit of the magazine." The Independent, Thursday 8 January 2015 - Onlinefassung <abgerufen am 9.1.2015>.
  3. Dazu auch: Ann Telnaes: "A cartoon defying the Paris terrorists", Washington Post 7.1.2015 - Onlinefassung <abgerufen am 9.1.2015>.
  4. S. u.a. David Brooks: "I am not charlie" New York Times Jan 8, 2015 (Online); Jeffrey Goldberg: "We Are Not All Charlie", The Atlantic Jan 8 2015, 10:04 AM ET (Online); Michael White, "After the Charlie Hebdo attack, let’s not pretend we’re not afraid" The Guardian  Thursday 8 January 2015 11.41 GMT (Online);  Sebastian Loudon "Wir sind nicht Charlie", Horizont 08.01.2015 (Online); David Beard: "We're not all Charlie" PRI [Public Radio International] January 08, 2015 · 3:30 PM EST (Online).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1989

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Karel Čapeks Hausnummer

Heute vor 125 Jahren wurde der tschechische Schriftsteller Karel Čapek geboren, woran der Deutschlandfunk in einem Kalenderblatt erinnert; Čapek verfasste u. a. den wunderbaren Krieg mit dem Molchen, der auf Deutsch zur Zeit nur antiquarisch erhältlich ist.
Die Villa, in der die Brüder Čapek ab 1925 wohnten (Bratří Čapků 28 - 30) wird in ein Museum umgestaltet; von 1907 bis 1925 wohnte Čapek auf der Prager Kleinseite, Říční 11 - voilà die Hausnummer:
Capek_PragRicni11_MalaStrana532

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022385362/

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Drei Jahre DHd-Blog – Happy Birthday!

Der DHd-Blog wird drei Jahre alt, wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Über 90 AutorInnen aus rund 60 Institutionen und Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in den letzten drei Jahren mit 535 Beiträgen – das ist durchschnittlich fast alle zwei Tage ein neuer veröffentlichter Artikel – und zahlreichen Kommentaren dafür gesorgt, dass der Blog sich zu einem lebendigen Austauschforum rund um die Digital Humanities entwickelt hat.

Herzlichen Dank an alle unsere AutorInnen und LeserInnen.

Wir freuen uns auch 2015 wieder auf zahlreiche Beiträge und Diskussionen.

Das DHd-Blog-Team

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4565

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Religionswissenschaft nach Charlie Hebdo

Die Ereignisse vom 7. Januar scheinen, obgleich in den konkreten Auswirkungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, ihr über die Rache für die vermeintliche Beleidigung des Propheten hinausgehendes Meta-Ziel erreicht zu haben: neben der wohl noch lange Zeit anhaltenden Trauer um die Opfer macht sich eine allgemeine Unsicherheit insbesondere bei denen breit, die nicht nur vom Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, sondern von ihm abhängig sind (darunter Journalisten und Wissenschaftler).

Reagierten die am direktesten Betroffenen (andere Satiriker) noch vorhersehbar und verständlich mit einem trotzig-kämpferischen „Jetzt erst recht!“, so scheint die Reaktion bei verwandten Berufsgruppen schon differenzierter und nachdenklicher auszufallen, was für die Zunft der Religionswissenschaft beispielhaft die von Frau Professor Dr. Edith Franke bei Yggdrasill angestoßene Diskussion unter dem Titel „Gedanken zur Verantwortung der Religionswissenschaft“ zeigt.

Dass die Morde vom gestrigen Tag für die Religionswissenschaft dabei von besonderer Brisanz sind, ist zum einen auf die Zuordnung des Faches zum übergeordneten Wissenschaftssystem, das sich schon aus Gründen der Selbsterhaltung zu Angriffen auf die freie Meinungsäußerung zumindest in ein Verhältnis setzen, wenn nicht gar aktiv gegen sie vorgehen muss, zum anderen auf den Untersuchungsgegenstand der Religionswissenschaft selbst („Religion“) zurückzuführen.

Diese doppelte Involvierung als Wissenschaftler und als Religionswissenschaftler (ganz abgesehen von der als „Privatperson“ bzw. „Bürger“) entpuppt sich hierbei schnell als Dilemma bzw. Aporie, die aufzulösen ich selber nicht in der Lage bin, mit der ich mich jedoch als Betroffener auseinandersetzen muss, da sie sich nicht erst in abstrakten Gedankenspielen offenbart, sondern bereits bei der Frage relevant wird, ob ich einen „Je suis Charlie“ Ausdruck an meine Bürotür in der religionswissenschaftlichen Fakultät hängen sollte, darf oder vielleicht sogar muss.

Als (angehender) Wissenschaftler bin ich zwar generell zur Neutralität (zumindest aus dem eigenen Berufsethos heraus) verpflichtet, muss aber auf äußere Einwirkungen und Entwicklungen, welche meine Berufsausübung beeinflussen (könnten), reagieren dürfen, „im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich“ (Franz Josef Degenhardt). Dazu gehört das Recht auf Opposition gegen Universitätsreformen genauso wie das zur Verteidigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung - alles andere wäre zynisch oder masochistisch. Gleichberechtigt daneben besteht allerdings meine Funktion als Religionswissenschaftler, in der ich mich ebenfalls aus berufsethischen Gründen zur Neutralität gegenüber meinem Untersuchungsgegenstand, dem der Religion, verpflichtet fühlen sollte. Wie nun kombiniere ich diese beiden Komplexe, ohne mich in meiner Funktion sowohl als Religionswissenschaftler wie auch in der als Wissenschaftler verbiegen oder gar verleugnen zu müssen?

Um noch einmal das konkrete Beispiel des „Je suis Charlie“ Ausdrucks an der Bürotür im Fachbereich der Religionswissenschaft aufzunehmen: Schon eine sehr oberflächliche und viele weitere Antwortmöglichkeiten aussparende Betrachtung zeigt, dass ein Außenstehender, der an der Tür vorbeigeht, ganz unabhängig von meinen persönlichen Intentionen folgende Schlüsse beim Anblick des Schriftzuges ziehen könnte:

  1. Da solidarisiert sich eine Privatperson ODER/UND Wissenschaftler ODER/UND Religionswissenschaftler mit den Opfern der gestrigen Morde und drückt seine Trauer aus. Die Bewertung dieser Aktion hängt nun von den unterschiedlichen Standpunkten ab und könnte zwischen den Idealtypen eines affirmativen „Ja, finde ich gut“ und einem „Hmm, warum muss er das denn gerade hier machen und nicht später als „Privatperson“ gemeinsam mit anderen Privatpersonen auf dem Kurt-Schumacher Platz?“ changieren. So weit, so kontrovers-verständlich. Eine weitere Möglichkeit wäre:
  2. Da zeigt jemand explizit in seiner Funktion als Wissenschaftler ODER/UND Religionswissenschaftler, dass er gegen die hinter den Attentaten mitschwingende bzw. konkret stehende Bedrohung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ein Zeichen setzen möchte. Wenn der Zusatz „ODER/UND Religionswissenschaftler“ nicht wäre, läge hier wohl die allgemein verständlichste und akzeptierteste Reaktion vor, ganz gleich, ob nun mit der Aussage selbst sympathisiert wird oder nicht. Konkret: Würde diese Aussage an der Tür eines Professors im Fachbereich der Physik, der befürchtet, dereinst von Kepler, Galileo und Kopernikus wieder Abschied nehmen zu müssen, große Kontroversen auslösen? Wohl eher nicht. Nun bleibt aber der Zusatz des Religionswissenschaftlers kontextbedingt unweigerlich bestehen, was zur dritten und letzten Interpretationsmöglichkeit führt, die insbesondere in Kombination mit der zweiten schnell zu einer Aporie werden kann:
  3. Hier sympathisiert jemand (schon des semantischen Gehalts von „Je suis Charlie“ wegen) mit der Redaktion von bzw. der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ und somit auch mit der von ihr durchgeführten Veröffentlichung von Mohammed Darstellungen. Was an sich recht unproblematisch verbliebe, wäre da nicht der religionswissenschaftliche Kontext und die mit ihm einhergehenden informellen Verpflichtungen zu religiöser Neutralität.

Nun könnte eingeworfen werden, dass zwischen diesen drei recht schablonenhaft wirkenden Interpretationsmöglichkeiten durchaus Grauzonen existieren, in die betreffende Person sich, beispielsweise mit Hilfe eines längeren Disclaimer unterhalb des schwarzgrundierten „Je suis Charlie“, einordnen könnte:

„Ich, Thomas Jurczyk, möchte mit dem obigen Plakat meine Opposition gegen die drohende Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, zu der auch die Kritik und satirische Darstellung von Religionen gehört, durch vermeintlich religiös legitimierten Terrorismus zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass ich in der Frage, ob satirische Karikaturen statthaft sind, die religiöse Gefühle einzelner Gruppen verletzen, neutral verbleiben und hierzu keine Aussage machen.“

Da dieser Beitrag von vornherein keinerlei Ansprüche auf einen kathartischen Schluss besaß, möchte ich mit der Frage enden, ob nur ich an diesem Punkt eine weiteres Paradoxon sehe: Auf der einen Seite setze ich mich für die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung ein (und verteidige somit die potentielle Verletzung religiöser Gefühle und Gruppen), auf der anderen Seite bleibe ich bezüglich des Dargestellten „neutral“. Hier mag im Geiste des (schlecht paraphrasierten Zitats eines gerade in Stammtisch-Foren beliebten französischen Intellektuellen der Aufklärung) „Ich bin vielleicht nicht Deiner Meinung, aber ich würde Haus und Kind, nicht aber meinen Hund dafür hergeben, dass Du diese frei äußern darfst!“ eingewendet werden, dass wer für die Form (das Recht auf freie Meinungsäußerung) votiert, noch lange nicht für den Inhalt (das dann Geäußerte) verantwortlich gemacht werden kann. Dies halte ich in diesem Fall jedoch für einen Fehlschluss.

Ich kann nicht auf der einen Seite für die freie Meinungsäußerung sein und gleichzeitig neutral gegenüber der Möglichkeit der Abbildung von Themen verbleiben, um deren potentielle Realisierung ich weiß. Entweder, ich muss das Recht auf freie Meinungsäußerung insoweit einschränken, dass diese Themen eben nicht mehr in dieses Recht der freien Meinungsäußerung hineinfallen (es gibt ja bereits zahlreiche Ausnahmen, bspw. Holocaust-Leugnung), oder ich muss mir eingestehen, dass ich durch die Höherstellung des Rechts auf freie Meinungsäußerung über die Befindlichkeiten einzelner religiöser Gruppen bereits eine Wahl und somit eine Wertung dem konkreten Inhalt sowie diesen Gruppen gegenüber getroffen habe, was in diesem Zusammenhang mit dem Verlassen meiner religiösen Neutralitätszone einhergeht.

tj

Quelle: http://marginalie.hypotheses.org/83

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Geschichte in Computerspielen: Unterhaltungsmedium und Bildung?

Von Prof. Dr. Angela Schwarz Das Medium Computerspiel ist in. Gleiches lässt sich für Geschichte sagen, die in diesem Medium in vielerlei Gestalt erscheint. In beiden Fällen, sowohl beim populären Medium als auch beim Thema Geschichte, hat man es mit überaus vielschichtigen Phänomenen zu tun. Mit Geschichte spielen Produkte mit unterschiedlichen Zuordnungen, darunter Lernspiele, sogenannte Serious Games, dann Spiele für einen (Unterhaltungs-)Markt mit einem enger gefassten oder weiten Adressatenkreis. Lernspiele werden meist für Unterrichts- oder Bildungskontexte entwickelt, sogenannte Serious Games kommen mit dem Anspruch […]

Quelle: http://erinnern.hypotheses.org/103

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Social Media für Sammlungen an der Uni Erfurt

SWK_ErfurtEine Premiere für mich gleich in der ersten Woche des neuen Jahres: Ich durfte an der Universität Erfurt eine Einführung in das Thema Social Media geben und zwar im Seminar „Digitale Technologien“ des Master-Studiengangs „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte“, der sich schwerpunktmäßig mit kulturhistorischen Themen beschäftigt. Ich war gespannt, was die Studenten über museale und wissenschaftliche Kommunikation bereits wissen, wie ihre Meinungen dazu sind und in welche Richtung die Diskussion gehen würde.

Da der Studiengang eng an die Forschungsbibliothek Gotha und ihr Archiv gekoppelt ist, habe ich mit ein paar Grundinformationen zu den Unterschieden in der Kommunikation von musealen und universitären Sammlungen begonnen. Eine Sammlung, hinter der Ausstellungsräume und ein eigenes Team für Ausstellungen, die Museumspädagogik und die Öffentlichkeitsarbeit stehen, hat in Sachen Social Media einfach andere Möglichkeiten und Voraussetzungen als eine universitäre Sammlung, die vielleicht nicht für Besucher zugänglich ist, vor allem von ForscherInnenn verwaltet und durch die Pressestelle einer Uni mitbetreut wird.

Trotzdem ist die Kommunikation im Web für beide noch relativ neu und chancenreich: Museen können im Depot versteckte Stücke zeigen oder solche, die einen Kontext zu aktuellen Themen haben, ohne auf eine Sonderausstellung zum Thema warten zu müssen. Forscher können ihre Sammlung überhaupt einmal zeigen und anhand dessen auch ihre Aufgaben und Forschungsergebnisse präsentieren.

Danach stand erst einmal im Mittelpunkt, wie sich nun die öffentliche Kommunikation durch Social Media überhaupt verändert, vor allem im Vergleich zur klassischen PR: direkte Interaktion ohne die Zwischeninstanz der Journalisten, Transparenz, Beidseitigkeit und eine persönlichere, menschlichere Art von Seiten der Kommunikatoren, die Ausrichtung auf die Interessen der Zielgruppen und - ganz wichtig - die Vermittlung der Leidenschaft von WissenschaftlerInnen und MuseumsmitarbeiterInnen und der Relevanz kultur- und geisteswissenschaftlichen Wissens. Außerdem wollte ich es nicht vernachlässigen, etwas über innerfachliche Kommunikation im Netz zu sagen und natürlich darüber, wie man online verschiedenste Themen, zum Beispiel aus der Wissens- und Kulturgeschichte, und Kontexte anhand von Sammlungsstücken aufbereiten kann.

Schließlich ging es darum, zu zeigen, welchen Umfang der Bereich Social Media in der Zwischenzeit angenommen hat und welche Plattformen für die Vermittlung von Sammlungen bisher genutzt werden. Dafür habe ich die Auftritte verschiedener Museen und universitärer Sammlungen vorgestellt, die unterschiedliche Strategien nutzen, um Twitter, Facebook, Youtube, Bildplattformen oder ihren Blog zu bespielen. Während der Recherche habe ich relativ schnell festgestellt, dass bereits einige deutsche Universitäten ihre Sammlungen – vor allem solche, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind – einzeln oder auf einer gemeinsamen Facebook-Fanpage präsentieren und sich dabei an den großen Museen orientieren (z.B. das Museum der Universität Tübingen oder die Sammlungen der Universität Göttingen). Darüber hinaus sind sie bisher aber nur bedingt im Social Web unterwegs und dann vor allem über entsprechende Datenbanken wie Europeana oder Museum Digital (z.B. die Archäologische Sammlung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die auch auf Facebook vertreten ist). Die Sammlungsstücke werden dafür digitalisiert, die Digitalisate aber nur im Ausnahmefall für weitere Kommunikation oder user generated content genutzt. Das Portal „Wissenschaftliche Sammlungen“, das meines Wissens als einzige Plattform in Deutschland universitäre Sammlung verschiedenster Themen und Disziplinen vereint, hat leider nicht mal eine eigene Facebook-Seite und lädt auch optisch über die wissenschaftliche Nutzung hinaus wenig zum Suchen und Verweilen ein.

Blogs oder virtuelle Museen könnten hier wunderbar Abhilfe schaffen. Einen Sammlungsblog haben einige deutsche Museen und um dort Stücke zu zeigen, ForscherInnen vorzustellen oder Erkenntnisse zu präsentieren sind nicht einmal tatsächliche Ausstellungsräume nötig. Sie lassen sich durch künstliche Umgebungen oder Touren im virtuellen Raum durchaus ersetzen. Umso mehr freute es mich, zu entdecken, dass das Antikenmuseum der Universität Göttingen mit Viamus seine Datenbank in einem virtuellen Museum umgesetzt hat, in dem man einzelne Stücke recherchieren, Touren durchs Haus machen oder vergangene Ausstellungen nacherleben kann.

Nach einer Zusammenfassung zu Social Media-Strategien und Kampagnen war die Diskussion im Seminar erstmal bescheiden. Ich finde es in solchen Momenten schwierig einzuschätzen, ob der Vortrag nicht gut war oder die Studenten zu schüchtern sind. Schließlich wurden sie dann aber doch noch warm. Ich hatte vorher etwas die Befürchtung, dass der studentische Nachwuchs, obwohl er der Generation der Digital Natives angehört, vielleicht ähnlich vielen WissenschaftlerInnen bezweifelt, warum Wissenschafts- und Fachkommunikation im Web 2.0 überhaupt notwendig ist - denn während des Studiums bekommt man häufig die klassischen Karrierewege in der Wissenschaft eingeimpft. Das Netz spielt dabei noch kaum eine Rolle. Die Fragen drehten sich zu meiner Freude aber vielmehr darum, wie man als junger Wissenschaftler Social Media für sich nutzen kann und wie sich die Wissenschaft selbst durch das Netz verändern werden. Auch bei der Diskussion zu Sammlungen hatte ich das Gefühl, dass die Studenten interessiert, aber vor allem unsicher sind. So ging es zum Beispiel um die technischen Hürden für ältere Zielgruppen. Insgesamt war die Stimmung wesentlich offener, als ich es von manchen Tagungen oder Gesprächen mit ForscherInnen oder MuseumsmitarbeiterInnen kenne. Nach der abschließenden Frage, wie man diese von der Nutzung des Web 2.0 überzeugen könne, war schließlich klar, dass in absehbarer Zeit nicht mehr das Warum, sondern das Wie Social Media zentral sein wird.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1530

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Anmeldung geöffnet zum Digital Humanities Summit vom 03. bis 04. März 2015 in Berlin

Die Projektverbünde TextGrid und DARIAH-DE veranstalten einen DH-Summit 2015 vom 3. bis 4. März 2015 in Berlin (Harnack-Haus).

Der Link zur Registrierung lautet: https://www.conftool.net/dhsummit2015/

Das Event richtet sich in erster Linie an die DH-Projekte, Zentren und Nachwuchsgruppen aus den letzten beiden BMBF-Calls sowie weitere assoziierte Projektpartner von TextGrid und DARIAH-DE.

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Für das Veranstaltungsprogramm konnten hochkarätige Vertreter aus den Digital Humanities gewonnen werden, so werden die Keynotesprecher Prof. M. Thaller, Universität zu Köln und Dr. K. Fendt, Massachusetts Institute of Technology bespielsweise eine Bestandsaufnahme bzw. Notwendigkeiten und Bedingungen der Digital Humanities präsentieren, geplant sind zudem zwei Panels zu den Perspektiven aus Sicht der Wissenschaft, Infrastruktureinrichtungen und Förderinstitutionen sowie Pro- und Contrapositionen zum Thema Zukunft mit Tradition in den Geisteswissenschaften.

Flankierend sind weitere Veranstaltungen vorgesehen, unter anderem eine TextGrid Grand Tour (6. TextGrid Nutzertreffen) am 5. März 2015.

Alle Informationen rund um das Veranstaltungsprogramm gibt es auf unserer Website www.dhsummit2015.de.  In verschiedenen Berliner Hotels sind Abrufkontingente reserviert (https://de.dariah.eu/dhsummit2015/tagungsortundhotels), diese laufen Mitte/Ende Januar aus, also bitte schnell reservieren.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4575

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Dezemberübereinkunft in Schweden als Ende der Regierungskrise?

Die demokratische Politik im Königreich Schweden befindet sich gegenwärtig in heftigen Turbulenzen. Nachdem die rot-grüne Koalition am 3. Dezember 2014 in der parlamentarischen Entscheidung ihres Staatsbudgets an der Opposition scheiterte – und sie gegenwärtig mit einem Haushalt der Opposition regieren muss –, entschied sich Stefan Löfven als regierender sozialdemokratischer Ministerpräsident unmittelbar nach der Niederlage, Neuwahlen für den 22. März 2015 anzuberaumen. Diese parlamentarische Niederlage wurde möglich, da die schwedischen Rechtspopulisten (Schwedendemokraten) entgegen langjähriger Gepflogenheiten nicht ihr Budget unterstützten, sondern aktiv für den Budgetentwurf der bürgerlichen Allianz votierten. Damit zeigten die Schwedendemokraten, dass sie die Rolle des parlamentarischen Züngleins an der Waage aktiv ausfüllen wollten. Schweden befand sich in einer handfesten Regierungskrise.

Am 26. Dezember 2014 unterzeichneten jedoch sechs Parteien des schwedischen Parlaments die sogenannte Dezemberübereinkunft: neben den regierenden Sozialdemokraten und der Grünen Partei unterzeichneten die vier Allianzparteien: Die Konservativen, die liberale Volkspartei, die Zentrumspartei sowie die Christdemokraten. Einzig die Rechtspopulisten sowie die Linkspartei blieben außen vor. Diese Dezemberübereinkunft soll es zukünftigen Minderheitsregierungen leichter machen, ihr Budget durch das Parlament zu bringen. Das Abkommen enthält eine Selbstverpflichtung der Oppositionsparteien – welche dies auch in den konkreten Fällen sein werden –, den Haushaltsentwurf passieren zu lassen, der vor der potenziellen Regierungspartei oder der potenziellen Regierungskoalition eingebracht wurde. Gleichzeitig verpflichten sich die Parteien, nicht einzelne Aspekte des Budgets vom Gesamtpaket abzutrennen – dies geschah entgegen langjähriger Tradition erstmals 2010, als die Parteien des linken Lagers zusammen mit den Schwedendemokraten einzelne Teile des Budgets abtrennten. Und im Herbst 2013 eskalierte der Budget-Konflikt abermals, als erneut die Parteien des linken Lagers mit den Schwedendemokraten anvisierte Steuersenkungen der Allianzregierung für die oberen Einkommensschichten verhinderten.

Gleichzeitig werden in drei sensiblen Politikbereichen (Verteidigung und Sicherheit, Renten, Energie) systematische, block-übergreifende Übereinkommen angestrebt. Vor allem Regierungsvertreter sind jedoch gegenwärtig in der Öffentlichkeit bemüht, die blockübergreifende Zusammenarbeit auch auf Aspekte der Bildungs- sowie Integrationspolitik auszudehnen.

Die Dezemberübereinkunft fußt auf geheim gehaltenen Verhandlungen, die von der bürgerlichen Allianz durch einen Zeitungsbeitrag eröffnet wurden, in dem sie der Regierung eine Zusammenarbeit bei der Neuformulierung der parlamentarischen Regeln für Minderheitsregierungen anbot (DN 9.12.2014). Auf Einladung der sozialdemokratischen Finanzministerin Magdalena Andersson kam es dann ab dem 18. Dezember zu geheimen Verhandlungen zwischen der Koalitionsregierung und den Vertretern der bürgerlichen Allianz. Verbindendes Interesse war es, die anvisierte Neuwahl abzuwenden. Die Parteien des linken Lagers konnten sich ihrer parlamentarischen Stärke nicht sicher sein und befürchteten zudem eine weitere Stärkung der Schwedendemokraten. Innerhalb der bürgerlichen Allianz waren es vor allem die Christdemokraten, die befürchteten, bei einer Neuwahl an der 4-Prozent-Hürde scheitern zu können. Göran Hägglund, der Vorsitzende der Christdemokraten, war folgerichtig eine der treibenden Personen auf der bürgerlichen Seite hinter der Dezemberübereinkunft. Die Verhandlungen wurden am 26. Dezember abgeschlossen und die Übereinkunft von Vertretern aller sechs Parteien am 27. Dezember der Presse und der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Dezemberübereinkunft soll erstmals zum Frühlings-Budget 2015 wirksam werden und bis ins Wahljahr 2022 Geltung haben.

Während die einen diese Übereinkunft als eine Wiedergeburt konsensdemokratischer Praktiken in der schwedischen Demokratie interpretieren, sehen andere darin eher eine strategische Augenwischerei und eine bloße zeitliche Aufschiebung unumgänglicher politischer Konflikte und Entscheidungen im schwedischen Parteienwettbewerb.

Erstens ist zu betonen, dass sich alle sechs Parteien für 2015 wahrlich viele gute Vorsätze vorgenommen haben. Die Verhandlungen zu blockübergreifenden Vereinbarungen in den Gebieten Verteidigung/Sicherheit, Rente und Energie werden schwer zu schließen sein, sind doch just auf diesen Gebieten die programmatischen Gegensätze zwischen beiden Lagern groß.

Zweitens haben viele Akteure unterschätzt, wie festgefügt die Bindungen innerhalb beider Lager sind. Während Löfven immer hoffte, die liberale Volkspartei oder die Zentrumspartei aus der bürgerlichen Allianz herauslösen zu können, irrte die bürgerliche Allianz hinsichtlich der Entschlossenheit der Grünen Partei. In der Legislaturperiode von 2010 bis 2014 vorbereitete und entschied die Minderheitskoalition der Allianz einige wichtige Reformen in Zusammenarbeit mit den Grünen. Das rigorose Zusammenhalten zwischen Sozialdemokratien und Grüner Partei deutet eher auf eine verstärkte Kohäsion im linken Lager hin. Mit der Regierungskrise 2014 sind die Grünen vorerst von einer Mitteposition im Parteienwettbewerb nach links gewandert.

Drittens bleibt abzuwarten, wie sich die festen Lager in den Verhandlungen weiter entwickeln. Gelingt es der Allianz, die Grünen erneut zur Zusammenarbeit zu bewegen? Oder gelingt es dem linken Lager, eine bürgerliche Partei aus der Allianz herauszubrechen? Vielleicht weniger die Zentrumspartei oder die liberale Volkspartei, vielleicht eher die Christdemokraten?

Letztlich ist es zu früh, von einer Renaissance der Verhandlungsdemokratie in Schweden zu sprechen. Die neuen Regeln sind formuliert – sie erleichtern das Regieren ohne parlamentarische Mehrheit. Aber wie viele normale Menschen haben sich die sechs Parteien zur Stärkung der schwedischen Verhandlungsdemokratie sehr ambitionierte Vorsätze für das neue Jahr formuliert. Wie bei allen guten Vorsätzen zum neuen Jahr wird zu sehen sein, wie die Parteien die guten Vorsätze in neue Handlungen und Strategien werden umsetzen können.

 

Quelle: http://nofoblog.hypotheses.org/89

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Ecology and Society – Lektüregruppe im Dezember und Bilanz 2014

Am 19. Dezember hat sich die Lektüregruppe Nachhaltigkeit für das letzte Mal im Jahr 2014 getroffen. Wir haben drei Texte diskutiert: das Kapitel „An Ecological Society“ aus M. Bookchins Buch The Ecology of Freedom; die Einleitung und das letzte Kapitel aus J. Burnheims Is Democracy Possible; und schließlich das Kapitel „The Green Theory of Agency“ aus R. Goodins Buch Green Political Theory.

In dieser letzten Sitzung haben wir nicht nur das erste Jahr sondern auch eine erste thematische Diskussionsreihe abgeschlossen. Dabei haben wir uns mit Fragen beschäftigt, die die Schnittstelle zwischen ethischen und politischen Handlungsalternativen gegenüber der Umweltzerstörung und Ausbeutung der Natur thematisieren. Bei der Diskussion der verschiedenen Texte hat uns insbesondere die Frage interessiert, in welche Richtung wir unser Handeln am besten orientieren sollten, um mit Natur und der Umwelt auf nicht-zerstörerische Art und Weise umzugehen und den bereits verursachten Schaden zu beheben. Diese Frage impliziert keineswegs, dass wir uns für nur einen Weg entscheiden sollten, d.h. entweder für  eine Änderung des Verhaltens aufgrund von ethischen und moralischen Prinzipien oder die Bewirkung von Veränderungen durch politischen Aktivismus oder politisch-institutionelle Reformen. In unseren Diskussionen sind wir beiden Alternativen nachgegangen und dabei festgestellt, dass manche Autoren – u.a. diejenigen, die wir diskutiert haben – zum Einen Kriterien und Prinzipien im Rahmen einer Umweltethik entwerfen und zum Anderen gleichzeitig den politischen Weg als unausweichlich betonen.

Der erste Text in der Diskussionsrunde war Bernward Gesangs Klimaethik. Gesang formuliert drei „utilitaristische Prima-facie-Pflichten“, die als Orientierung gegenüber unterschiedlichen konkreten Optionen dienen sollen. Die Prinzipien beziehen sich auf (1) technische Maßnahmen, um die Erderwärmung zu begrenzen; (2) Strategien, die den Nutzen für Gegenwart und Zukunft realisieren und (3) Investitionen, deren Nützlichkeit sicher ist. Nach der Formulierung der entsprechenden ethischen Prinzipien stellt Gesang drei politischen Strategien dar, um Klimaschutz effektiv zu betreiben: (a) ein konkretes Modell des Mikrozertifikathandels in Verbindung mit (b) Klima- und (c) Bevölkerungspolitik. Abgesehen von den normativen Fragen, die die Strategie einer Bevölkerungspolitik aufwirft, hat uns die Frage beschäftigt, ob die oben genannten ethischen Prinzipien nicht spezifisch als Prinzipien des politischen Handelns – und nicht des Handelns allgemein – gelten und wenn ja, welche allgemeineren Prinzipien gefunden werden könnten.

Um diese Frage weiter zu verfolgen, haben wir das Kapitel „An ecological ethics for the present“ aus J. Tullys Public Philosophy in a New Key, Vol. II diskutiert. Tully stellt die Frage von A. Naess  in den Mittelpunkt der umweltethischen Reflexion, wie man mit dem Konflikt zwischen Umwelt und Entwicklung und zwischen der Erhaltung und der Ausbeutung umgehen kann und dabei gleichzeitig die kulturellen und philosophischen Differenzen zwischen Gerechtigkeitsansprüchen sowie Naturvorstellungen und -praktiken berücksichtigt. Ausgehend von einer kritischen Darstellung der kosmopolitischen Demokratie und der Diskursethik als taugliche Umweltansätze betont Tully, dass diskursive und konsensorientierte Ansätze wenig zu bieten haben im Hinblick auf die Tatsache, dass im Umweltbereich nicht so sehr Wahrheitsansprüche, sondern Lebensformen und Praktiken in Konflikt stehen. Diskussionen sollten dazu dienen, diejenigen Praktiken, die den Weltansichten zugrundeliegen, zu erkennen und davon zu lernen – was im Text von Tully jedoch nur in eine Richtung zu gehen scheint: als westliche Menschen aus den Naturbeziehungen der indigenen Völker zu lernen. Auf der Umsetzungs- und Institutionenebenen impliziert diese Einsicht jedoch keineswegs, dass Konsens als Endpunkt der Verhandlungen erwarten werden kann. Stattdessen sollten Vereinbarungen und die entsprechend geschaffenen Institutionen als experimentell und vorläufig betrachtet werden. Da sie immer offen für Revisionen sind, bleibt die Aufgabe der Umweltethik immer unvollendet.

Auf der Suche nach einem konkreteren Modell, sowohl von ethischen Prinzipien als auch von politischen Strategien, die das Ziel des richtigen Umgangs mit Umwelt und Natur wiederspiegeln, haben wir in der drauffolgenden Sitzung drei Kapitel aus dem Buch Environmental Values von J. O’Neill, A. Holland und A. Light diskutiert. Grundlage der umweltethischen Position dieser Autoren ist die Anerkennung eines Wertpluralismus. Zwei Konsequenzen lassen  sich daraus ziehen: (1) Umweltethik wird nicht als ein System verstanden, in dem moralische Pflichten aus einer Gruppe von normativen Grundprämissen abgeleitet werden. Sie wird hingegen als ein Raum gesehen, in dem die ethische Reflexion die lebensweltliche Praxis und Werte, den darin zu findenden Umgang der Menschen zueinander sowie ihren Umgang mit der Umwelt als Ausgangspunkt nimmt. (2) Wertekonflikte und deren Behandlung werden zum zentralen Thema des Modells. Dieser Thematisierung entsprechend werden Instrumente der politischen Entscheidung stark fokussiert, wobei es scheint, dass es den Autoren mehr um die Kriterien geht, anhand derer bereits getroffenen Entscheidung bewerten werden können. Vorschläge  konkreter institutioneller Formen, die den richtigen Umgang mit Umwelt und Natur in die Wege leiten könnten, werden dabei nicht präsentiert – was als Konsequenz der Annahme des Wertpluralismus verstanden werden kann.

Solche konkreten institutionellen Formen haben wir im Rahmen  demokratietheoretischer Ansätze gesucht. Dafür haben wir den  Artikel von J. O’Neill „Deliberative Democracy and Environmental Policy“ sowie J. Dryzeks Kapitel „Green Democracy“ aus seinem Buch Deliberative Democracy and Beyond diskutiert. Um den ethischen Hintergrund des Modells von Dryzek zu klären, haben wir darüber hinaus seinen  Artikel „Green Reason: Communicative Ethics for the Biosphere“ besprochen. Der Artikel von O’Neill setzt sich mit dem Thema der Repräsentation im deliberativen Modell der Demokratie auseinander: besonders im Fall der nicht-menschlichen Lebewesen und Natur („nonhumans“) und der zukünftigen Generationen ist die politische Repräsentation starken Einwänden ausgesetzt. Da weder die Natur noch die zukünftigen Generationen bei politischen Deliberationen anwesend sein können oder Anderen ihre Ermächtigung geben können, können die Ansprüche von gegenwärtigen Repräsentanten, im Namen der Natur oder der zukünftigen Generationen zu sprechen, nur auf der Basis von epistemischen Gründen legitimiert werden. Da ein solches Problem nicht ganz beseitigt werden kann, sieht O’Neill die beste Alternative darin, nach dem Vorbild Athens eine Form der Demarchie einzusetzen. J. Dryzek schlägt hingegen vor, die deliberative Demokratie in einer radikalen Form zu verstehen, sodass die nicht-menschliche Welt in die Deliberations- und Kommunikationsprozesse einbezogen wird. Er stellt die Idee einer „ökologischen Kommunikation“ dar, die grundsätzlich darin besteht, die Warnsignale der natürlichen Systeme wahrzunehmen und in die Gestaltung von Problemen und in Entscheidungsprozesse aufzunehmen. Diesen kommunikativen Ansatz verteidigt Dryzek gegenüber anderen Ansätzen, die eine Beziehung zur Natur nur aufgrund von spirituellen Einstellungen als möglich konzipieren. Über die deliberativen Prozesse auf der Basis von ökologischer Kommunikation hinaus ist eine  „ökologische Demokratie“ auf die Herausbildung von „spontanen“ Ordnungen angewiesen - insbesondere von internationalen Öffentlichkeiten. Da letztere wesentlich problemorientiert sind, erweisen sie sich als vorteilhaft gegenüber bürokratischen Formen, die nach der Behebung von konkreten, ihnen zugewiesenen Problemen, fortbestehen.

Anhand der Texte von Burnheim, Bookchin und Goodin haben wir die Idee von Demarchie vertieft sowie zwei konkrete Vorschläge der gesellschaftlichen und politischen Organisation unter ökologischen Ideen und Werten diskutiert. Burnheim vertritt die Ansicht, dass Demokratie nicht auf der Basis von Wahlverfahren und Referenda, sondern nur durch Losentscheid der Repräsentanten verwirklicht werden kann. Letzteres soll garantieren, dass die Entscheidungsträger eine repräsentative Stichprobe der Betroffenen darstellt – was Burnheim zufolge gerade den demokratischen Charakter der Entscheidungsinstanzen ausmacht. Er gesteht jedoch, dass kein Modell der Demarchie tatsächlich existiert  und sein Vorschlag in dieser Hinsicht utopisch ist. Er beschreibt daher die Bedingungen, die eine Veränderung der existierenden Institutionen in Richtung demarchische Formen ermöglichen können: ein radikaler Bewusstseinswandel sowie soziale Einstellungen, die bereits im Kern demokratisch sind. Da das Modell von Burnheim nicht direkt mit ökologischen Zielen in Verbindung steht, haben wir anschließend Bookchins Darstellung einer ökologisch verfassten Gesellschaft diskutiert. Seiner Diagnose zufolge hat der Zivilisationsprozess eine Entfremdung der Gesellschaft von der Natur bewirkt. Daher plädiert er dafür, die soziale Evolution wieder in die natürliche Evolution einzubetten. Dies soll erlauben, eine neue Sozialisationsform mit der Natur zu erreichen, die – neben nicht-hierarchischen Institutionen und Sensibilitäten – die ökologische Gesellschaft ausmacht. In der nicht-hierarchischen, ökologischen Gesellschaft gehen die Individuen nach dem biologischen Muster der mütterlichen Vorsorge miteinander um. Die ökologische Gesellschaft besteht aus ökologischen Gemeinschaften oder „ecocommunities“, die in ihren umgebenden Ökosystemen verwurzelt oder integriert sind. Obwohl die Idee einer nicht-hierarchischen Verfassung der ökologischen Gesellschaft mit den in vergangenen Sitzungen diskutierten Vorschlägen von ökologischen politischen Institutionen und Strategien prinzipiell in Einklang gebracht werden kann, haben wir Bookchins Ideen der sozialen Evolution und der mütterlichen Vorsorge als normatives Modell kritisch betrachtet.

Schließlich haben wir uns dem für die ökologische politische Theorie zentralen Ansatz von R. Goodin gewidmet. Im diskutierten Text betont Goodin, dass neben den konkreten politischen Maßnahmen und den von ihnen erwarteten Ergebnissen eine Analyse der Mechanismen nötig ist, die den Handelnden die praktische Umsetzung der Werte und Maßnahmen erlauben. Dabei fokussiert er jedoch statt der individuellen die kollektiven Akteure. Die Verwirklichung von ökologischen oder „grünen“ Werten durch individuelle Handlungen betrachtet Goodin als eine Frage des Lebensstils. Die Umsetzung der grünen Werte auf der politischen Ebene erfolgt hingegen aufgrund des kollektiven politischen Handelns durch die Handlungen der grünen politischen Parteien und durch die Herstellung von grünen politischen Strukturen. Als entsprechende Mechanismen identifiziert er demokratische Partizipation und Gewaltlosigkeit, Basisdemokratie und Ämterrotation sowie schließlich Dezentralisierung und lokale Implementierung von global reflektierten Strategien. In der Diskussion wurde nur Letzteres als einen Mechanismus betrachtet, der grüne Werte verkörpert. Bei allen anderen Mechanismen ist es fraglich, was  als charakteristisch grün oder ökologisch gelten könnte. Die Vermutung, es handele sich bei der Liste von Goodin um Mechanismen, die er aus einem konkreten Fall – die deutschen Grünen – übernimmt, spricht dafür, dass deren ökologischen Charakter kontingent ist und nicht mit umwelt- oder ökologisch orientierten Merkmalen dieser Mechanismen zusammenhängt.

Der Text von Goodin hat unsere Ausgangsfrage, ob ethische oder politische Handlungsalternative mehr zu bieten haben, wenn wir unseren Umgang mit Natur und Umwelt in nicht-zerstörerischen Formen realisieren wollen, in Richtung der politischen Alternativen gelenkt:

Collective action can make a real difference to the state of the world, in a way that individual action cannot. Carrying the green cause to electoral triumph might affect the fate of the earth; deciding to live a thoroughly green lifestyle oneself most definitively will not.

(R. Gooding, Green Political Theory, 1992, S. 121-122)

Auch wenn diese Position keine definitive Antwort auf unsere Frage ist, stellt sie eine eindeutige Antwort dar, die weitere Diskussionen motivieren soll.

 

 

Quelle: http://nachhaltig.hypotheses.org/389

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