Einfache Karten mit QGIS erstellen

Im Mittelalter war das Erstellen von Karten verhältnismäßig einfach zu bewerkstelligen: Kreis ziehen, in drei Teile teilen, fertig war das Meisterwerk.1  Leider entsprechen die Ergebnisse nicht unbedingt den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und auch der heuristische Mehrwert solcher Karten lässt für moderne Fragestellungen zu wünschen übrig.

TO-Karte aus BL Add MS 22797, fol. 99v. Quelle: Wiki Commons, Lizenz  CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright (http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)

TO-Karte aus BL Add MS 22797, fol. 99v. Quelle: Wiki Commons, Lizenz CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright (http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)

Die moderne Geschichtswissenschaft ist sich zwar spätestens seit dem spatial turn dem theoretischen Nutzen von Karten bzw. der räumlichen Darstellung von Informationen insgesamt bewusst,2  praktische Kenntnisse werden hier aber nur selten vermittelt, weshalb meist learning bei doing angesagt ist.3

Im Folgenden möchte ich anhand eines kleinen Beispiels zeigen, wie sich simple geographische Karten einfach und kostenfrei erstellen lassen.

Was wir erstellen werden: Eine geographische Karte auf der verschiedene Informationen zu den Buchbeständen mittelalterlicher Institutionen dargestellt sind (wobei die Daten für dieses Beispiel fiktiv sind).

Was wir benötigen:

  • Das kostenfreie Programm QGIS. Natürlich geht das auch mit jedem anderen Gis Programm.
  • Public domain Geodaten, zum Beispiel von http://www.naturalearthdata.com/. Für dieses Beispiel die Datenpakete Land, River und Lake der Kategorie Physical Vectors.
  • Die darzustellenden Daten als Textdatei im Comma-separated values-format (CSV).

Zunächst erstellen wir die geographische Grundlage in QGIS unter „Layer“ -> „Vektorlayer hinzufügen“. Hier navigieren wir zum Speicherort der Pakete und fügen die Dateien mit der Endung .shp ein (in unserem Fall wäre das land.shp, rivers.shp und lakes.shp). Das Ergebnis sollte so aussehen:

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Im Layerfenster lassen sich durch Rechtsklick auf den entsprechenden Layer bestimmte Eigenschaften wie die Farbe verändern oder die Beschriftung aktivieren.

Damit ist der geographische Teil der Karte im Wesentlichen schon erstellt, spannend wird es nun bei den eigenen Daten. In meinem Fall sind diese in einer Datenbank abgelegt, die ich direkt mit QGIS verbinden kann. Der einfachste Fall ist aber das Einfügen der Daten als Text-Datei im CSV Format.

Das bedeutet in Grunde nichts anderes, als dass die Daten in einer Tabelle durch ein festgelegtes Zeichen, meist ein Semikolon, getrennt und damit lesbar gemacht werden. Diese Datei kann man von Hand erstellen, die meisten Tabellen oder Datenbankprogramme ermöglichen aber auch einen Export in dieses Standardformat.

In diesem Fall habe ich aus meiner Datenbank folgende Informationen exportiert:

  • Ort
  • Institution
  • X-Koordinate (Längengrad im WGS84-Format: 14.461111°, z.B. über die Wikipedia)
  • Y-Koordinate (Breitengrad im WGS84-Format: 47.573056°, z.B. über die Wikipedia)
  • Fiktive quantitative Menge, etwa an naturwissenschaftlichen Texten.

Am Ende sollte eine solche – allerdings ohne leere Zeile – Textdatei mit der Endung .txt vorliegen:

2Diese Datei fügen wir nun über „Layer“ -> „Textdatei als Layer importieren“ in die Karte ein, wählen aus diversen Parametern aus und geben die Felder der X bzw. Y Koordinate an.

Als Projektion wählen wir hier WGS 84. In den Eigenschaften wählen wir unter „Beschriftung“ das Feld „Ort“ aus. Das Ergebnis sollte dann so aussehen:

3Unter „Projekt“ -> „Bild speichern als“ lässt sich diese einfache Karte nun auf die Schnelle als Bilddatei exportieren. Mit „Strg + P“ kann man eine Druckauswahl erstellen und zum Beispiel eine Legende etc. hinzufügen.

Nun möchten wir aber nicht nur die Orte auf der Karte anzeigen, sondern auch andere Informationen. Im nächsten Schritt kategorisieren wir die Orte nach ihrer institutionellen Zugehörigkeit. Hierzu gehen wir in die Eigenschaften des Layers -> „Stil“ und wählen hier im drop down Menü statt „Einzelsymbol“ -> „kategorisiert“ aus. Dann geben wir die gewünschte Spalte an, in diesem Fall „Institution“ und klicken auf „klassifizieren“. Im großen Feld sehen wir die einzelnen Klassifikationen und können Form und Farbe ändern. Das Ergebnis könnte je nach Auswahl so aussehen:

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Im letzten Beispiel möchten wir nicht die institutionelle Zugehörigkeit anzeigen, sondern die Menge an naturwissenschaftlichen Texten, die im Feld „Anzahl“ angegeben wurde und in diesem Beispiel fiktiv ist.

Gleiches Spiel von vorn, allerdings wählen wir im drop down Menü diesmal die Möglichkeit „abgestuft“ aus und geben die Spalte „Anzahl“ an. Hier ist es notwendig, die Anzahl der Klassen wie gewünscht einzustellen, damit man Ergebnisse sieht. Unter „erweitert“ noch -> „Größenskalierungsfeld“ -> „Anzahl“ auswählen und das Ergebnis sollte so aussehen:

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Farbe und Relation der Kreise lassen sich natürlich auch anders einstellen. Auch diese Karte nun ganz simpel als Bild abspeichern oder unter „Projekt“ -> „Neue Druckzusammenstellung“ mit einer Legende oder dem Maßstab versehen und weiter verschönern.

Übrigens lassen sich diese Karten im Gegensatz zu gescannten Karten ohne urheberrechtliche Beschränkungen nutzen, sofern sie auf einem public domain Datenset beruhen.

Mit diesen simplen Anwendungen ist das Potential von QGIS natürlich keineswegs ausgereizt. Für HistorikerInnen sei hier lediglich das Stichwort Georeferenzierung von historischen Karten gegeben.4  Ausgehend vom hier beschriebenen lassen sich über Google, Youtube und der QGIS-Dokumentation aber eigentlich alle weiteren Fragen recht einfach klären.

  1. Dass es so einfach dann doch nicht war, zeigt Englisch, Brigitte: Ordo orbis terrae: die Weltsicht in den „Mappae mundi“ des frühen und hohen Mittelalters. (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 3). Berlin 2002.
  2. Wem das noch nicht klar ist, dem sei etwa Moretti, Franco: Graphs, Maps, Trees: Abstract Models for a Literary History. London/ New York 2005 wärmstens empfohlen.
  3. Zwar gibt es seit einiger Zeit den schönen Geobrowser von Dariah, hier lassen sich die Karten aber nicht für den Druck exportieren und die Möglichkeiten sind meiner Ansicht nach etwas limitiert.
  4. http://www.germanistik.uni-wuerzburg.de/fileadmin/04100700/GIS_Software_im_Vergleich-_Armin_Volkmann.pdf

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/367

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Interview: Prof. Alain Schnapp über die Vergangenheit und Zukunft der Archäologie

HdU-Herbst-2014

"Dans nous-mêmes, la meilleure manière fidèle est de se servir sucessivement des tous nos sens pour considérer un objet ; et c'est faute de cet usage combiné des sens, que l'homme oublie plus de choses qu'il n'en retient." (Georg Luis Leclerc Buffon, Oeuvres choisies de Buffon, Bd. 2, Paris 1859, S. 293)

Seit 2006 verleiht die Meyer-Struckmann-Stiftung jährlich einen Wissenschaftspreis für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung in Zusammenarbeit mit der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und dem Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen. 2014 erhielt der Archäologe und Kunsthistoriker Prof. Alain Schnapp, Kooperationspartner und Unterstützer des Graduiertenkollegs GRK 1678 seit der ersten Stunde, die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung für seine über die Grenzen des Faches der klassischen Archäologie hinausgehende Forschungsarbeit. Im folgenden Interview nähert er sich den zwei Schwerpunktbegriffen des Graduiertenkollegs aus Sicht der Archäologie.

 

Gibt es in der Klassischen Archäologie einen Produktionsbegriff?

Es gibt einen Produktionsbegriff in der Klassischen Archäologie. Er entstammt der Zeit der Wiener Schule der Kunstgeschichte Ende des 19. Jahrhunderts. Alois Riegl verwendete ihn erstmals in seinem Buch „Die spätrömische Kunstindustrie“. Seit diesem Werk gibt es überhaupt erst ein Bewusstsein für den technischen Produktionsprozess z.B. griechischer oder römischer antiker Monumente – sei es in der Architektur, der Skulptur oder der Keramik. Ranuccio Bianchi-Bandinelli und seine Schüler entwickeln Riegls Herangehensweise in Anlehnung an den Marxismus für die Archäologie weiter. Von der Beschäftigung mit dem Produktionsbegriff in Bezug auf die griechische Kunst zeugen vor allem die Arbeiten von Wolf-Dieter Heilmeyer und Francis Croissant, die die Produktionstätigkeit der Bildhauer in den Mittelpunkt der Forschung stellen. Luca Giuliani, Dyfri Williams und François Lissarrague haben insbesondere die Produktion von Bildern auf griechischen Vasen für die Archäologie fassbar gemacht.

In Ihrer Forschung gehen Sie über die Klassische Archäologie hinaus und setzen Ausgegrabenes, Bilder und Objekte mit zeitgenössischen Schriftquellen und Texten in Verbindung. Entsteht durch diese Methode eine spezielle Materialität bzw. Immaterialität der Archäologie?

Die Erforschung der Beziehungen der Menschen zu ihrer Vergangenheit versucht stets zwei Aspekte des Vergangenheitsinteresses zusammenzubringen: An erster Stelle steht die materielle Spur der Geschichte;  Ruinen und antike Fragmente bspw. beweisen die Materialität der Vergangenheit. An zweiter Stelle steht der immaterielle Prozess der Erinnerung, der die Vergangenheit miterzeugt. Die Poetik ist sein Werkzeug. Die Dichter behaupten, dass ihre Kunst – weil sie immateriell ist – ein sichereres Mittel als das der Monumente sei, um Erinnerungen zu bewahren. Ein Gedicht ist resistenter als ein Stein oder eine Pyramide: „libelli vincunt marmora monumenta (elegiae in maecenatem).“ Die Dialektik zwischen Schriftlichem und Nichtschriftlichem/Materiellem und Immateriellem ist ein Problem der Archäologie und beeinflusst sie enorm, aber macht sie auch aus.

Schreiben Sie eine Archäologie der Archäologie, wie es Dekan Bruno Bleckmann bei der Meyer-Struckmann-Preisverleihung formulierte?

Meine Forschung gehört zur Archäologie der Archäologie, doch nicht im Sinn von Michel Foucault, nämlich Archäologie als etwas, das in seiner Struktur die verschiedensten Reliquien der Vergangenheit darbietet. Ich versuche, den Diskurs unterschiedlicher Gesellschaften über die Vergangenheit zu erforschen.

Denken Sie, dass ein Wissenschaftsblog/die Plattform hypotheses.org im Sinne Buffons zu einem Archiv der geisteswissenschaftlichen Welt werden könnte? Was wäre dann die Aufgabe der Archäologie der Zukunft?

Sicher bietet das Internet zahlreiche, neue Möglichkeiten, an Dokumente und Texte zu kommen, aber die Struktur der humanistischen Forschung bleibt dieselbe. Jede neue Technik eröffnet eine neue Forschungslandschaft. Die Aufgabe zukünftiger Archäologen könnte sein, sich darin zu orientieren. Von der Archäologie der Zukunft wissen wir nicht viel mehr, als dass z.B. durch das Internet viel mehr Material vorhanden sein wird. Allerdings wird auch in der Zukunft das Equilibrium zwischen Erinnerung und Vergessen bestehen. Mit Charles de Montalembert gesprochen: „La mémoire du passé ne devient importune que lorsque la conscience du présent est honteuse.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/327

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Akademiker im Angebot

Sagenhaft, dass im polnischen Sprachgebrauch das Wort „Promotion” (poln. Promocja) primär eine andere Bedeutung hat, als im deutschen. Selbst wenn man einen Akademiker fragen würde, als erste Bedeutung käme wahrscheinlich: „Das Sonderangebot“. Zwei verschiedene Inhalte auf den ersten Blick, zwei verschiedene Welten – der Handel und die Wissenschaft. Doch manchmal können sich diese im realen Leben vermischen oder sogar ergänzen. Klingt böse, aber ist es nicht tatsächlich so?

Nicht nur in Deutschland geht durch die Medien und die Gesellschaft eine Diskussion über Doktortitel. Doch in Polen ist die Debatte anders gefärbt als hier. Es ist zwar auch ein Versuch, die mutmaßliche Entwertung des Doktortitels zu diagnostizieren, doch der Auslöser der ganzen Auseinandersetzung war kein Plagiat. In den letzten Jahren beobachtet man an den polnischen Unis einen rapiden Zuwachs der Doktoranden. Im Vergleich zu den Jahren 2000/2001 (über 25.000) gab es im akademischen Jahr 2013/2014 um 72% mehr Promovierende[1]. Der Drang nach Doktortiteln hat vor allem das eine als Folge: Devaluation des Titels. Allgemein wird behauptet, dass die Uniausbildung an Wert verloren hat. Ungefähr 50% der Jahrgänge in den letzten Jahren machte Abitur, die meisten davon fingen an zu studieren, die Zahlen der Studierenden wachsen zwar nicht mehr, aber nur, weil die Jahrgänge nicht mehr so zahlreich sind. Die Unis sind überfüllt und nicht mehr elitär. Sagt man das nicht auch auf dieser Seite der Oder?

Es kommt jetzt aber nicht auf die Frage an, ob es stimmt, dass die Absolventen vor 20 Jahren besser ausgebildet waren, oder nicht. Die Gesellschaft muss sich vor allem eine andere Frage stellen: Welche Bedeutung hat diese Tendenz für unsere Verhältnisse? Die Antwort, wie auf die meisten schwierigen Fragen der heutigen Gesellschaft, ist nicht „binär“ – „ja“ oder „nein“, schwarz oder weiß. Die sich verbreitende Meinung ist durchaus berechtigt, wenn man an die Sache quantitativ herangeht. Mehr Menschen mit einem Doktortitel bedeuten einen Verlust der Aura der Auserwählten und edlen Spitzenintellektuellen. Die zwei Buchstaben vor dem Namen werden langsam fast zu Allgemeingut. Der „Drang nach Promotion“ hat als negative Folge den Anschein, dass die Doktoren immer schlechter ausgebildet werden. Es gibt kein Meister-Schüler Verhältnis mehr, die Bologna-Reform hätte aus dem akademischen Prozess der Dissertationsverfassung ein vereinfachtes Studium des dritten Grades – Promotionsstudium gemacht. Die Wahrnehmung des Doktoranden wurde dadurch entwertet. Vom anerkannten Akademiker, der seine Sachgebiete gründlich erforscht und einen Nimbus des Experten hat, zum bejahrten, ewigen Studenten, der etwas beweisen möchte, anstatt auf den Arbeitsmarkt zu gehen und für das BIP zu schuften, wie alle anderen Vernünftigen.

Interessanterweise ist die Lust am promovieren nur in der Generation der um „die Wende“ herum Geborenen erkennbar. Für die heute 40-jährigen und älteren bleibt ein Doktortitel immer noch eine besondere Auszeichnung, die nicht allen zugänglich ist. Eben das ist der Ansatz der Konflikte und Skepsis. Mehr Doktoranten sollen automatisch die schlechtere Qualität der Kandidaten in Bezug auf den Doktortitel voraussetzen. Aber die Älteren, die das sagen, spüren vielleicht auch etwas Neid – ihnen wurde die Möglichkeit zu promovieren angeblich nicht gewährt, im Gegensatz zu den Nachfolgern. Insofern könnte man diese Lage als einen neuen Aufzug des ewigen Konflikts - Jung vs. Alt - deuten. In diesem „Kampf“ „fallen“ vor allem aber die Jungen, leider auch deshalb, weil sie sich selbst in den Fuß schießen.

Die Promovierenden, statt sich über ihre Chance, einen Titel zu bekommen, zu freuen, meckern ebenfalls massiv. Früher fanden die meisten einen Arbeitsplatz an der Uni, und zwar während und nach der Promotion. Heute ist es anders. Der Doktorand wird immer öfter „Promotionsstudent“ genannt und dementsprechend wie ein Student, nicht wie ein Assistent, behandelt.  Die Karriereperspektiven in der Wissenschaft sehen eher mager aus. Das ruft eine starke Stimme der Kollegen hervor, die schreien: „Wir wollen Arbeit!“. Sie sehen es aber nicht ein, dass die Zeiten der Vollbeschäftigung längst vorbei sind. Und wenn wir uns entscheiden, mehr Doktoranden auszubilden, bei gleichen Arbeitsstellenkapazitäten an den Universitäten, so muss das bedeuten, dass nicht alle an diesen noblen Institutionen Karriere nach dem gleichen Muster wie vor 30 Jahrenmachen werden. Es kommt zu einer paradoxen Erscheinung: Der junge Bürger, in den Freiheiten des Rechtstaates verwurzelt, ruft nach einem zentralisierten System der Beschäftigung nach dem Motto: Der Staat hat mich ausgebildet, dann soll er mich auch einstellen. Man verwechselt die akademische Bildung mit einer Berufsausbildung. Diese neue Lage verlangt von uns Doktoranden ein Umdenken, was aber unglaublich schwierig wird.

Nicht, weil die junge Generation stur und unflexibel auf der schon genannten Position beharrt, sondern, weil die ganze Gesellschaft nicht auf so viele junge Leute mit einem Doktortitel vorbereitet  ist. Die Wirtschaft scheut sich, einen angeblich besserwisserischen jungen Doktor einzustellen, sie behauptet, ihm fehle nicht nur die Bescheidenheit, sondern auch die Erfahrung. Man muss aber der neuen Situation die Stirn bieten. Keine Arbeit an der Uni zu haben muss nicht unbedingt die Arbeitslosigkeit und Herabsetzung der Lebensansprüche bedeuten. Im Gegenteil, das kann und soll in einen Erfolg verwandelt werden. Man sollte vielleicht die Sache selbst in die Hand nehmen und etwas tun. Aber was?

Wie schon am Anfang erwähnt, die Antwort auf solche Fragen fällt nie einfach und es gibt keine sicheren Rezepte für alle. Die Zeiten verlangen von uns Kreativität und keine typische Vorgehensweise. Dessen muss sich ein junger Wissenschaftler vor allem vergewissern. Wer sich jetztalso die Hoffnung macht, dass ich hier einen Zaubertrick zeige, wie man aus der Dissertation einen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg macht, der wird enttäuscht sein. Doch eines scheint mir entscheidend zu sein: Dem Doktoranden fehlt es heute am gesunden Selbstbewusstsein. Einerseits will er einen Anspruch auf die traditionelle Anstellung an der Uni haben, andererseits schleicht er in die Büros für Vorstellungsgespräche und entschuldigt sich, dass er den  „Dr.“ vor seinem Namen führt.

Der Wert der Dissertation ist nicht zu unterschätzen – das sollen sowohl die Promovierenden als auch die Arbeitgeber sehen. In Melancholie zu geraten und zu bereuen, dass man nach dem Studium doch nicht sofort auf den Arbeitsmarkt wollte, ist keine Lösung, sondern ein Anfang der wirklichen Probleme. Warum aber nicht aus dem Doktorat eine Triebkraft für die spätere Karriere machen? Möglichkeiten gibt es schon. Die Gelder für kreative junge Wissenschaftler und Unternehmer sind vorhanden, man muss sie nur ergreifen. Warum nicht aus der eigenen Dissertation ein Geschäftsmodell machen? Natürlich, eine wissenschaftliche Arbeit ist wirtschaftlich nicht immer zukunftsfähig. Doch sich in dem Elfenbeinturm der Wissenschaft zu verschließen und in die Verbitterung darüber zu geraten, das weder an der Uni noch woanders eine Arbeit möglich ist, ist kein besserer Ausweg. Man muss - leider, oder vielleicht auch zum Glück - selbst nach Möglichkeiten suchen. Ausland, Projekte, Drittmittel…  das sind nur Stichworte.

Zurück zum Titel dieses Beitrags: Soll ein Doktorand sich nicht vielleicht besser „verkaufen“? Ein „Sonderangebot“ für seine Fähigkeiten ausrufen? Vielleicht doch! Das ist eine Frage der Einstellung. Die Lage ist nicht einfach. Der Arbeitsmarkt ist nicht immer auf die Doktoren vorbereitet, die Unis bieten auch nicht viel an, aber die Doktoranden legen sich doch selbst die Schlinge um den Hals, indem sie ihre Ansprüche nicht mit realen Chancen vergleichen.

Es scheint mir selbst, dass ich hier fast zu optimistisch wurde. Doch muss ein Doktorand oder junger Doktor tatsächlich bedauern, dass er den falschen Weg gegangen ist? Taxi fahren muss nicht der einzige Ausweg sein. Und obwohl ich diesen Text am Beispiel eines anderen Landes aufgebaut habe, weichen die beschriebenen Verhältnisse von den hiesigen nicht besonders dramatisch ab.

[1] Bericht des polnischen Statistischen Hauptamtes (GUS) „Szkoły wyższe i ich finanse“, (Englische Version vorhanden), abrufbar unter: http://stat.gov.pl/obszary-tematyczne/edukacja/edukacja/szkoly-wyzsze-i-ich-finanse-w-2013-r-,2,10.html

Quelle: http://unibloggt.hypotheses.org/382

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Beitrag zur Blogparade 2015 #wbhyp

Für mich ist ein Blog eine Art öffentliches Tagebuch. Ein wissenschaftlicher Blog ist also in meinem Verständnis ein Tagebuch über die wissenschaftliche Arbeit. Es soll, oder es kann Ergebnisse dieser Arbeit enthalten - in Form von kleinen ausformulierten Artikel -, aber es soll vor allem einen Einblick hinter die Kulissen des wissenschaftlichen Endprodukts ermöglichen. Ich habe bislang vor allem Ergebnisse publiziert und damit meine Messlatte so hoch gesteckt, dass ich mit dem Veröffentlichen nicht mehr nachkomme. Anstatt kleineren Posts aus dem "Atelier" habe ich […]

Quelle: http://vivien.hypotheses.org/486

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CODE 2: Chaos Communication Congress – 31C3

Vom 27. bis zum 30. Dezember 2014 fand im Congress Center Hamburg (CCH) der 31. Chaos Communication Congress statt. Mit über 10.000 BesucherInnen zählt der Kongress inzwischen zu den größten Hacker-Veranstaltungen weltweit. Für mich war es der erste Kongress und ein großartiges Erlebnis! Ich habe die Gelegenheit genutzt, um ein paar Interviews zu führen: mit dem Medienwissenschaftler Christoph Engemann, dem Programmierer Roddi Deecke und dem Podcaster Mark Fonseca Rendeiro. Meine Fragen zielten vor allem auf drei Aspekte: Wie hat sich die Veranstaltung verändert durch die massive Zunahme an TeilnehmerInnen? Wie hat sich die Rolle der Veranstaltung durch die Snowden-Leaks verändert?

[...]

Quelle: http://codinghistory.com/podcast/code2/

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Der Reiz der Archivalien – Besuch in einem Kölner Archiv

Es ist nicht unbedingt einfach, für alle thematischen Aspekte der Kölner Stadtgeschichte entsprechende Quellen aufzutuen, die sich gut im universitären Unterricht einsetzen lassen. Zwar hilft der 2. Band aus der Reihe Quellen zur Geschichte der Stadt Köln zum Spätmittelalter und zur Frühen Neuzeit ein gutes Stück weiter; doch wirklich aus dem Vollen zu schöpfen, ist auch hier schwierig. Was kann man also sonst noch machen? Es bleibt nur der Weg ins Archiv, um dort zu schauen, welche ungehobenen Schätze noch das Bild der Geschichte bereichern können. Konkret plante ich mit den Studierenden meiner aktuellen Veranstaltung im Wintersemester einen Besuch im Historischen Archiv des Erzbistums Kölns.

Wie läßt sich ein solcher Besuch organisieren und was kann von ihm erwarten? In meiner Wahrnehmung werden derartige Lokaltermine meist zur Vorführung des jeweiligen Hauses genutzt, was auch völlig legitim ist. Und so werden dann aus allen möglichen Beständen beispielhaft Quellen vorgeführt, gern auch prominente Stücke, angefangen von den ältesten Urkunden, vorzugsweise von historischen Giganten wie Karl dem Großen, bis hin zu Schreiben Bismarcks oder Adenauers. Auf diese Weise kann auch Grundsätzliches über ein Archiv vermittelt werden, und sicher wird auch auf diese Weise das Faszinosum der alten Materialien den einen oder anderen in seinen Bann schlagen.

Dennoch war es nicht das, was mir vorschwebte, und ich war froh, in Joachim Oepen einen Archivar zu finden, der gerne bereit war, sich mit den Studierenden einfach mal auf einige thematisch einschlägige Dokumente zu stürzen und dann versuchen, mit diesen zu arbeiten. Es gab also nur eine kurze thematische Einführung, dann wurden 2- oder 3köpfige Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit einem Dokument beschäftigen sollten. Natürlich war klar, daß es hier nicht um eine auch nur annährend vollständige Erschließung gehen konnte. Aber sich quellenkritisch einem Dokument zu nähern und es als historische Quelle zunächst einfach zu beschreiben und dann vielleicht auch einzuordnen, war ein Versuch wert.

Gute 40 Minuten waren für die Stillarbeit vorgesehen. Während dieser Zeit standen Joachim Oepen und ich bereit, um vor allem bei der Entzifferung von Schriften zu helfen. Zu bearbeiten waren ganz unterschiedliche Quellen wie Kirchenbücher, Chroniken von Ordenskongregationen, auch Statuten eines Ordens und Regelverzeichnisse für die Klosterämter, Amtsbücher einer Bürgersodalität, Korrespondenzen von geistlichen Gemeinschaften mit der Stadt und Generalvikariatsprotokolle. Dieses Quellenpotpourri war nicht nur bunt gemischt, sondern war teilweise in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben – zumindest mit den verschiedenen Handschriften eine echte Herausforderung für die Studierenden.

Ich gebe gern zu, daß ich im Vorfeld durchaus Bedenken hatte, wie sich die Studierenden schlagen würden. Sie haben aber meine Befürchtungen im Nu zerstreut. Es war bei der abschließenden Kurzvorstellung wunderbar zu sehen, wie sich alle durchweg zu tragfähigen Befunden durchgearbeitet haben und ihre jeweilige Quelle so vorstellen konnten, daß ihr historischer Wert deutlich wurde. Warum hat es nun so geklappt? Sicher braucht man schon eine leistungsstarke und auch –willige Arbeitsgruppe, auch die exzellente Vorbereitung und das Engagement seitens des Archivars spielen eine große Rolle. Dazu kam aber für die Studierenden auch die Möglichkeit, die Archivalien nicht nur zu bestaunen, sondern sich eigenständig mit ihnen zu beschäftigen und schlichtweg historisch zu arbeiten. Wenn man dann noch wie in unserem Fall feststellt, daß es tatsächlich möglich ist, sich auch mit auf den ersten Blick furchtbar krausen Schriften und Sprachformen produktiv auseinanderzusetzen, ist dies eine wichtige Erfahrung – zunächst für die Studierenden, aber auch für mich als Lehrender. Und darüber hinaus, so hoffe ich, haben wir auch einiges über Köln im 17. Jahrhundert erfahren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/592

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Abenteuer Archiv

IMG_2062"Kulturaffin". Das Wort gefällt mir. Ich  fand's fett gedruckt in der Ausschreibung des Siwiarchiv zur Blogparade (die sind schon drei!). Zu den anderen ihrer Fragen kann ich doch so wenig sagen: ich bin nicht NRW, ich lese das Blog "Siwiarchiv" nur gelegentlich gern, weil's vielfältig ist und mir - archivisch gesehen - stets 100%ig unbekannt, gut fand ich immer die Beiträge mit Fotos (ob's die besten waren, weiß ich nicht), und überhaupt finde ich klasse, dass bei denen gar nicht auffällt, dass da mehrere Blogger am Werk sind.

Ich hingegen kämpfe gegen Zeitmangel, ausbleibende Ideen - und vor allem gegen bloggische Einsamkeit: bei "mir" schreibt kaum jemand mit zur "Gymnasialbibliothek" und zum "Gymnasialarchiv". Nun schrieb aber Mareike König im Redaktionsblog von de.hypotheses soeben in einem folgenschweren Satz, dass sie sich bei den (wissenschaftlichen) Bloggern "mehr Reflexion, mehr Kreativität, mehr Witz, mehr Zweifel" wünsche und jenes  "nicht immer in regelrechten Forschungsbeiträgen geschehen" müsse. Das nehme ich mal als Ablassbrief, zum Archiv etwas zu schreiben, ohne damit gleich aus diesem Portal zu fliegen befürchten zu dürfen.

Abenteuer Archiv

Wussten Sie schon, wie die temporäre Auslagerung eines Gymnasialarchivs wegen Bauarbeiten geht? Dann lesen Sie gern nicht weiter. Siwiarchiv wird vermutlich gähnend beiseite schauen, denn die kennen Neubau und haben mehr aus- und umzulagern gehabt als wir mit "meinen" ca. 800 Archivkartons, beinhaltend Dokumente seit 1700.

Das geht so: du hast auf einmal viel weniger Platz im Zwischendomizil. Nicht ganz gelungen überdies ist die räumliche Andersverteilung der Lagerung entsprechend der im Findbuch aufgeführten Repositorien. Umräumen gestaltet sich gefahrensportlich, da jemand die stabilen Tritte und Leitern vergessen hat. Die zwei kleinen Tischchen (immerhin!) hat jemand unterdessen als Ablage benutzt, so dass du mit den umzubalancierenden Kartons irgendwie in der Luft hängst. Dir fällt ein, dass der Beton dein Handy nicht durchlässt, malst dir aus, das Wochenende in deinem Blute inmitten der Geschichte des Geistes und der Bildung einer Stadt zu verbringen und lässt das mit der Stuhlakrobatik und wendest dich den gesundheitlich unbedenklicheren Erschließungsfragen zu.

Es fehlt der Laptop mit der Erschließungssoftware. Macht nichts, früher hatten die auch nur Zettel & Bleistift. Nur wo sind denn jetzt die Kartons mit den von dir als "varia" gekennzeichneten noch nicht erfassten Einheiten? Nachdem du den Slalom durch die eng gestellten Metallregale durch bist: wie zu erwarten, sind die "varia" ganz oben gelandet. Gut. Kontrollieren wir unübersehbare Einheiten unten: die Gemälde. Da kommst du nur grad schlecht dran, weil der Durchgang mit den vollgestapelten Tischchen den direkten Zugriff im Augenblick nicht erlaubt. Du verwirfst den Gedanken an einen bodystarken Gehilfen, weil der ohnehin nicht mehr reinpassen würde, und kraxelst selbst. Die Gemälde sind alle da, und du findest nebenbei auch noch zwei der insgesamt vier kleinen Thermometer mit Feuchtigkeitsanzeige und kannst noch etwas wirklich Sinnvolles tun: diese an den relevanten Stellen platzieren. Dabei stellst du fest, dass von den mobilen Klimageräten noch welche fehlen und beschließt, dir endlich einen Zettel zu machen, damit du bis zum nächsten Mal nicht vergisst, dich vorher um das Notwendige gekümmert zu haben.

Herausforderungen, an die du seit Jahren nie dachtest, Stromschnellen für ein Paddel, das sich bislang bequem ins "Kulturaffine" pendelte, Ungewissheit der Zeit, die du in 800 Kartons für die Ewigkeit behütet sahst.

Nachwort

Dies ist (noch) kein Teilnahmebeitrag zu: Wissenschaftsbloggen: zurück in die Zukunft - ein Aufruf zur Blogparade von de.hypotheses; Siwiarchiv war eher dran.

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/608

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„Die Kathedrale“ in Köln

Einem großen Paradigma der Moderne widmete sich die großangelegte Schau im Wallraf-Richartz-Museum in Köln, die am Wochenende zu Ende ging. Das Motiv der Kathedrale in der Kunst wurde von der Romantik her untersucht. Obwohl die Ausstellung den Versuch unternahm, das Thema in einen diskursiven Rahmen einzubetten, bestimmte ein grundsätzlich veralteter Forschungsstand den Tenor. Seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass Goethes "Erlebnis" vor dem Strassburger Münster ein Sampling vorhandener Texte ist, die das Überwältigtsein des Autor suggerieren, ja simulieren. Es handelt sich bei Goethes Manifest um eine wohlkalkulierte Polemik gegen französische Architekturdiskurse, vor allem gegen Marc Antoine Laugier. Von seinen Aussagen distanziert sich der reifere Denker später zu Recht. Die in der Ausstellung vertretene Lesart ist keine Marginalie. Sie verfolgt unreflektiert jenes Schema der Genieästhetik weiter, die Goethe qua Reproduktion nachhaltig in unser Denkmuster über Kunst implementiert hat.

köln wallraf richartz-bleu

Dem entspricht der große blinde Fleck, den die Ausstellung samt Publikation produziert bzw. tradiert. Keine Erwähnung findet die Instrumentalisierung des Avantgarde-Paradigmas 'Kathedrale' im Nationalsozialismus, wobei sich Albert Speers Inszenierung des "Lichtdoms" förmlich aufdrängt. Statt dessen: Geschichtslehrstunde zum – selbstverständlich zu verurteilenden – deutschen Beschuss der Kathedrale in Reims im 2. Weltkrieg. Überhaupt war die Ausstellung auf die Darstellung des deutsch-französischen Verhältnisses hin zugespitzt. Dessen Geschichte jedoch wird in didaktisch sauber voneinander separierten Kapiteln erzählt. Man hätte sich hier mehr Interferenzen gewünscht. Das nach Regionen und Epochen sortierte Abarbeiten des Themas tat dem Konzept Abbruch. Am stärksten geriet die Schau, wahrscheinlich mehr durch Zufall, im Grafikkabinett. Hier zeigte die Konfrontation eines Schinkel mit Feininger und Taut die Möglichkeiten, die ein stärker transhistorisch orientierter Zugang geborgen hätte.

Ebenfalls gelungen ist in der Domstadt der Bezug zur lokalen Geschichte. Der Kölner Dom ragte mit seiner Realpräsenz gewissermaßen in die Ausstellung hinein. Aber auch die Kölner Neugotik hätte viel differenzierter erzählt werden können. Lückenhaft ist hierbei vor allem die Bibliografie des Kataloges, der u.a. Georg Germanns grundlegende Untersuchung "Neugotik. Geschichte ihrer Architekturtheorie" unterschlägt.

Interessant dafür, dass der stilistische Durchbruch des Impressionismus sich ausgerechnet am Motiv der Kathedrale vollzog. Monet, so macht die Ausstellung klar, antizipierte nicht nur malerische Souveränität, sondern auch das Gesetz der Serie. Die Kathedrale als Objekt serieller Reproduktion kehrt bei Warhol, Lichtenstein und Balkenhol wieder. Einen pointierten Schlusspunkt setzte die Ausstellung mit Andreas Gurskys fotografisch-digitaler Scheinarchitektur aus gotischen Maßwerkfenstern. Das Bild verstört durch seinen Baustellencharakter, dem das Kamerateam zu trotzen scheint. Die Akteure des Bildes, sie spiegeln zugleich die BesucherInnen der Monumente selbst sowie jene der Ausstellung über sie.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/574

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Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja (#wbhyp)

Liebes hypotheses-Redaktionseam,

wie gerne hätte ich bei der Blogparade mit einem begeisterten Beitrag meinen Senf dazu gegeben! Wie gerne hätte ich Euch geschrieben, wie das Bloggen meine Art zu forschen geändert hat, wie es die Last erträglich gemacht hat, ständig unter Leistungsdruck zu stehen, indem nicht auf die Summa gewartet werden musste, sondern jedes kleine Stück Denken für sich stehen durfte. Ich hätte Euch geschrieben, wie ich so zu neuen Kontakten und auf neue Ideen kommen konnte. Ich hätte Euch sogar geschrieben, dass meine Habilitation faktisch da ist, in der Summe meiner Blogbeiträge der letzten drei Jahre (um die 300 gibt es inzwischen, alle zusammengerechnet). Am liebsten hätte ich Euch eigentlich sogar geschrieben, wie gern ich Teil dieser Redaktion wäre, die ihre Aufgabe sorgfältig, aufmerksam und leidenschaftlich wahrnimmt, reflektierend, begleitend, ja sich zur Not in Frage stellend.

Das hätte ich vor einem oder zwei Jahren vermutlich gemacht. Und nach wie vor freue ich mich, Mitglied der französischen und der englischsprachigen Redaktion zu sein. Die funktionieren aber anders als die deutsche Redaktion - genau genommen sind es dort keine Redaktionen, sondern wissenschaftliche Beiräte, bei denen die Verzahnung mit dem Community Management nicht so eng ist wie bei der deutschen Redaktion, die sich an der Schnittstelle zwischen Community Management und wissenschaftlichem Beirat bewegt.

Nun arbeite ich in Deutschland, seit zwölf Jahren. Mit viel Leidenschaft, mit gefühlt großem, übergroßem Einsatz. Und zu den Sachen, die mir zeigen, dass ich im deutschen akademischen System nicht angekommen bin, gehört das Bloggen.

Wenn ich den Wert in die Waage lege, der den unterschiedlichen digitalen Veröffentlichungsformaten beigemessen wird, deren ich mich bediene, komme ich auf folgendes Ergebnis:

- Digitale Edition: leichtes Plus, wenn überhaupt;

- Veröffentlichungen (Diss, Aufsätze, Book of Abstract) auf OA-Repositorien: Null (auf jeden Fall mindestens eine Stufe unter Sammelband-Aufsätzen);

- Bloggen: Null, Tendenz Minus;

- Tweeting: deutliches Minus.

Doktoranden rate ich inzwischen vom regelmäßigem Bloggen ab. Zum Twittern will ich niemanden mehr ermuntern. Blogportale erscheinen mir immer mehr wie Alibiinstitutionen, die nur deswegen herangezogen werden, damit man das Häkchen hintendran setzen kann. Der Schwung, den ich vor anderthalb Jahren verspürte ist, selbst im DH-Milieu, erstarrt. Austausch ist kaum vertretbar, wo Konkurrenz herrscht.

Natürlich blogge ich weiter. Ich mag das nämlich. Aber ich glaube nicht, dass ich es mit meiner akademischen Tätigkeit in irgendeine Beziehung bringen sollte. Es hat mehr mit meiner Art zu tun: Ich tausche mich so gerne aus, und schreibe so gerne Leute an - selbst wenn sie nicht antworten.

Quelle: http://digitalintellectuals.hypotheses.org/2448

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