Von Daten zu Erkenntnissen: Digitale Geisteswissenschaften als Mittler zwischen Information und Interpretation

Vom 23.-27.2.2015 findet die zweite Jahrestagung des Verbandes der “Digital Humanities im deutsprachigen Raum” organisiert durch das Zentrum für Informationsmodellierung – Austrian Centre for Digital Humanities an der Universität Graz statt.

In Workshops, Vorträgen, Panels und Diskussionen soll dabei den zentralen Fragen nachgegangen werden,

(a) welcher Mehrwert sich für Erkenntnisprozesse in den Geisteswissenschaften durch den Einsatz von digitalen Methoden in der Forschung ergibt,

(b) welche Bedeutung Daten in der Generierung von Wissen in den Geisteswissenschaften in der Zukunft spielen werden und

(c) welche disziplinübergreifenden Synergien für die Theoriebildung aus den in den Digitalen Geisteswissenschaften entwickelten Methoden, Techniken und Infrastrukturen zu erwarten sind.

Besuchen Sie die Konferenzwebsite unter dhd2015.uni-graz.at!

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3736

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aventinus academica Nr. 8 [02.07.2014]: Wissenschaftskommunikation 3.0 — ein Plädoyer für eine vertikale Erweiterung des Wissenschaftsdialogs auf Studierende

http://www.wissenschaftsmanagement-online.de/node/4532 Für Studierende ist Wissenschaftskommunikation eher ein Wis­sen­schafts­monolog, als ein Wissenschaftsdialog. Der auf wis­sen­schafts­management-online zweitpublizierte Beitrag entwickelt eine Wis­sen­schafts­kommunikation 3.0 zur aktiven Einbindung Studierender in den Wissenschaftsdialog.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/07/5247/

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Die Website des Zentrums für Reiseliteratur-Forschung (CRLV) – (Mittwochstipp 43)

Das seit 1984 existierende CRLV (Zentrum für Reiseliteratur-Forschung) war ursprünglich an der Sorbonne etabliert, ist aber 2012 an die Universität Blaise-Pascal Clermont II umgezogen. Anfang 2014 ging daher eine völlig überarbeitete Version seiner Website online. Diese integriert einen großen Teil … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/2548

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Rezensions-Digest Juni 2014

Mariusz Kaczka: Rezension zu: Peter Paul Bajer: Scots in the Polish-Lithuanian Commonwealth, 16th-18th Centuries. The Formation and Disappearance of an Ethnic Group. Leiden / Boston 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/23940.html

Uwe Baumann: Rezension zu: Dieter Berg: Heinrich VIII. von England. Leben – Herrschaft – Wirkung. Stuttgart 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/23837.html

Joachim Eibach: Rezension zu: Maria R. Boes: Crime and Punishment in Early Modern Germany. Courts and Adjudicatory Practices in Frankfurt am Main, 1562-1696. Aldershot 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24419.html

Axel Gotthard: Rezension zu: Thomas Brockmann / Dieter J. Weiß (Hgg.): Das Konfessionalisierungsparadigma. Leistungen, Probleme, Grenzen. Münster 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24342.html

Dieter Weiß: Rezension zu: Hanna Brommer: Rekatholisierung mit und ohne System. Die Hochstifte Würzburg und Bamberg im Vergleich (ca. 1555-1700). Göttingen 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24821.html

Horst Pietschmann: Rezension zu: Norbert Campagna: Staatsverständnisse im spanischen ‘siglo de oro’. Baden-Baden 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24415.html

Katrin Keller: Rezension zu: Anne J. Cruz / Maria Galli Stampino (eds.): Early Modern Habsburg Women. Transnational Contexts, Cultural Conflicts, Dynastic Continuities. Aldershot 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24422.html

Alois Schmid: Rezension zu: Walter Cupperi / Martin Hirsch / Annette Kranz (Hg.): Wettstreit in Erz. Porträtmedaillen der deutschen Renaissance. Berlin/München 2013, in: ZBLG online, 13.06.2014

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2636.html

Wolfgang Burgmair: Rezension zu: Die städtischen Kliniken Münchens in Geschichte und Gegenwart. München 2009, 13.06.2014

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2562.html

Karoline Döring: Rezension zu: Johannes Feichtinger / Johann Heiss (Hgg.): Geschichtspolitik und »Türkenbelagerung«. Wien 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/21337.html

Rainer Hering: Rezension zu: Markus Friedrich: Die Geburt des Archivs. Eine Wissensgeschichte. München 2013, in: H-Soz-u-Kult, 10.06.2014

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-2-162

Martin Faber: Rezension zu: Sabine Jagodzinski: Die Türkenkriege im Spiegel der polnisch-litauischen Adelskultur. Kommemoration und Repräsentation bei den Żółkiewski, Sobieski und Radziwiłł. Ostfildern 2013, in: H-Soz-u-Kult, 27.06.2014

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-2-207

Wolfgang Burgdorf: Rezension zu: Christoph Kampmann / Katharina Krause / Eva-Bettina Krems u.a. (Hgg.): Neue Modelle im Alten Europa. Traditionsbruch und Innovation als Herausforderung in der Frühen Neuzeit. Köln / Weimar / Wien 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/22559.html

Sascha Weber: Rezension zu: Ulrich L. Lehner: Monastic Prisons and Torture Chambers. Crime and Punishment in Central European Monasteries 1600-1800. Eugene, OR 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24914.html

Jonathan Spangler: Rezension zu: Margaret M. McGowan (ed.): Dynastic Marriages 1612/1615. A Celebration of the Habsburg and Bourbon Unions. Aldershot 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24421.html

Justus Nipperdey: Rezension zu: Sophus A. Reinert: Translating Empire. Emulation and the Origins of Political Economy. Cambridge 2011, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/23200.html

Katrin Gäde: Rezension zu: Martina Schattkowsky (Hrsg.): Adlige Lebenswelten in Sachsen. Kommentierte Bild- und Schriftquellen. Köln 2013, in: H-Soz-u-Kult, 06.06.2014

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-2-159

Christophe Losfeld: Rezension zu: Wolfgang Schmale: Das 18. Jahrhundert. Wien 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/23133.html

Bernward Schmidt: Rezension zu: Johannes Wischmeyer (Hrsg.): Zwischen Ekklesiologie und Administration. Modelle territorialer Kirchenleitung und Religionsverwaltung im Jahrhundert der europäischen Reformationen. Göttingen 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 6, 15.06.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/06/24839.html

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1775

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DARIAH-DE Schulungsmaterial – Mitmachen und Verbreiten

von Johanna Puhl, Universität Köln

In DARIAH-DE wurde in den letzten Monaten damit begonnen Schulungsmaterial zu Verfahren, zu Methoden und zu Themen der Digital Humanities über das DARIAH-DE Portal zur Verfügung und zur Nachnutzung bereit zu stellen. Die aktuelle Schulungsmaterial-Sammlung enthält sowohl Materialien, die im Rahmen von DARIAH-DE entwickelt und zusammengestellt wurden, aber besteht auch aus Schulungs- und Lehrmaterial von international forschenden und lehrenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das gesamte Material wurde mit einer Reihe von Schlagworten angereichert und kann so einfach durchsucht und genutzt werden. Die daraus resultierende Sammlung befindet sich auf https://de.dariah.eu/schulungsmaterial. Das gesamte innerhalb von DARIAH-DE produzierte Schulungsmaterial wird unter CC-BY zur Verfügung gestellt.

DARIAH-DE strebt an, diese Sammlung weiter auszubauen, um eine zentrale Schulungsmaterial-Sammlung, die sich explizit auf eine Nachnutzung für digital Forschende und Lehrende ausrichtet, aufzubauen.

  • Sie haben DH-Schulungsmaterial, das Sie selbst – beispielsweise für eine Lehrveranstaltung oder Workshops – entwickelt oder geschrieben haben und das Sie über DARIAH-DE anderen Forschenden und Lehrenden zur Weiterverbreitung, Nachnutzung oder auch zur Ergänzung und zum Ausbau zur Verfügung stellen möchten?
  • Sie kennen DH-Schulungsmaterial im Netz, das in der Übersicht bisher nicht auftaucht, aber von großem Interesse für Forschende, Lehrende und Studierende im Feld der Digital Humanities ist?
  • Sie haben Fragen oder Anregungen zu unserer bisherigen Sammlung?

… Dann freuen wir uns, wenn Sie sich bei uns unter info@de.dariah.eu mit Lizenznennung Ihres DH-Schulungsmaterials melden.

Schulungsmaterial

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3717

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Alter Wein in neue Schläuche? Einige Thesen zum Verhältnis von Wissenschaft und social media.

Am Anfang stand wie so oft das Reisen:

“Als gegen Ende vorigen Jahres von der Leitung der Scriptoresabtheilung der Monumenta Germaniae die Herausgabe der Annales Hannoniae des Franciscaners Jacques de Guise beschlossen wurde, stellte sich die Nothwendigkeit heraus, auch die in Valenciennes befindliche, lange für das Original gehaltene Handschrift [...] heranzuziehen. Da die städtische Bibliothek von Valenciennes Handschriften nicht versendet, wurde mir der Auftrag ertheilt, die Vergleichung an Ort und Stelle vorzunehmen. Bei der grossen Anzahl von Bibliotheken im nördlichen Frankreich und der Reichhaltigkeit derselben an werthvollen Manuscripten bot sich auch die Gelegenheit, für die anderen Abtheilungen der Monumente nothwendige Arbeiten zu erledigen.”1

Die Frühzeit der Geschichtswissenschaft war neben der editorischen Pionierleistung vor allem geprägt durch die Notwendigkeit der Entdeckung, Sammlung und Mitteilung des historischen Quellenmaterials. Seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts bereisten deutsche Mediävisten daher Bibliotheken und Sammlungen im In- und Ausland. Die Früchte ihrer Mühen veröffentlichten sie als “Mittheilungen” oder “Anzeigen” dieser Reisen und ihrer Funde. Zwischen 1819 und 1907 finden sich allein im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 43 solcher Reiseberichte, die neben der reinen Beschreibung der Quellen häufig auch allerlei Erhellendes über die Arbeit und Zugänglichkeit der Bibliotheken zu berichten wussten.

Wissenschaft bestand schon immer vor allem in der Kommunikation von Gelehrten. Während diese Kommunikation gerade in der Frühzeit der Forschung in erster Linie auf der Basis persönlicher Briefe stattfand, erkannte man im 19. Jahrhundert zunehmend die Schwächen dieses Modells und ersetzte es − sicher auch vor dem Hintergrund der anstehenden Großprojekte wie der MGH − zunehmend durch eine zeitschriftenbasierte Kommunikation. Zu diesem Zweck wurde 1820 das Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtkunde zur Beförderung einer Gesammtausgabe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters gegründet:

“Ein Unternehmen von dem Umfange der angekündigten Gesammtausgabe [sic!] bedarf in vielfachem Betrachte für die damit beschäftigten, im ganzen Deutschlande und selbst im Auslande zerstreuet wohnenden, Gelehrten des möglichst schnellen und bequemen Mittheilungsweges zur vereinigten Wirksamkeit.

Jeglichem können und werden bei seinen Forschungen Ideen, Ansichten, Wünsche, Zweifel, Fragen entstehen, jeglicher kann Entdeckungen machen, die nicht nur ihm allein, oft auch ihm gar nicht, wohl aber andern zu Statten kommen möchten. Von der Mittheilung solcher gelegentlichen Ergebnisse hält öfters nur ab, daß man im Augenblicke nicht weiß, wem damit besonders gedient seyn dürfte, zuweilen aber auch das umständliche des privaten Briefwechsels [...].

Vorsteher und Besitzer von öffentlichen und Privatsammlungen müssen es bei ihren Berufsgeschäften ohnehin vorziehen, ihre Mittheilungen in eigens dazu bestimmten Blättern mit einem Male zu geben, und auf solche Weise mehrseitiger und wiederholter Anfragen enthoben zu bleiben.”2

Der Vorteil dieser öffentlichen Mitteilungen gegenüber der persönlichen Kommunikation  liegt auf der Hand: Funde können effizienter vermittelt, Thesen breiter diskutiert, Materialien arbeitsteilig erschlossen werden. Gleichzeitig ermöglicht der Druck eine Sicherung der Ergebnisse, die auch im beliebten Zeitschriftentitel “Archiv” deutlich wird.

Der Gelehrte war bei der Lösung eines Problems nun nicht mehr auf sich alleine gestellt, sondern konnte auf das Wissen der gesamten Gelehrtenrepublik zurückgreifen. Gleichzeitig erweiterte sich sein vormals sehr beschränkter Quellenhorizont um den Horizont der Fachkollegen. Funde, Interessen und Probleme mussten nun also nicht mehr direkt adressiert werden, sondern wurden auch an ein persönlich unbekanntes Expertenpublikum und ‘ins Blaue hinein’ gerichtet.

Forscher gaben von da an vermehrt Einblick in den Kontext ihrer Entdeckungen und machten diese so auch anderen Forschungen zugänglich. Diese Entwicklungen stellen ohne Frage eine enorme Steigerung des wissenschaftlichen Potentials und einen wichtigen Schritt in der Geschichte der Professionalisierung der Geschichtswissenschaften dar.

Heute, also mehr als hundert Jahre später, haben sich die Grundlagen der Forschung entscheidend verändert, denn die Quellen sind mittlerweile weitestgehend zugänglich und angemessen erschlossen. Gleichzeitig ist auch die Professionalisierung der Geschichtswissenschaft weiter fortgeschritten. In wissenschaftlichen Zeitschriften äußert sich dies unter anderem durch eine kontinuierliche Verlagerung von Prioritäten vom Kontext der Entdeckung zum Kontext der Rechtfertigung. Vereinfacht gesprochen bedeutet das, dass Wissenschaftler in ihren Publikationen heute nicht mehr aus dem Nähkästchen ihrer Forschung plaudern, sondern in der Regel fertige und argumentativ aufbereitete Ergebnisse publizieren. “Mittheilungen einer Handschriftenreise” sind heute kein Sujet für eine wissenschaftliche Zeitschrift, selbst Miszellen sind eine bestandsbedrohte Art der wissenschaftlichen Veröffentlichung.

Das ist eine interessante und paradoxe, vielleicht sogar problematische Entwicklung: Zum einen erhöht sich natürlich die Qualität der publizierten Beiträge, wenn zunehmend die argumentative Synthese der kleinteiligen Deskription vorgezogen wird.

Ich möchte aber die These einwerfen, dass die zunehmende Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation neben den positiven Effekten auch die Gefahr erzeugt, dass Mitteilungen aus dem Kontext der zufälligen Entdeckung – etwa im Zuge einer Handschriftenreise – auf “das [U]mständliche des privaten Briefwechsels” zurückgeworfen und damit der Forschungsöffentlichkeit vorenthalten werden.

Gerade mit Blick auf den Forschungsalltag scheint mir durch die zunehmende Professionalisierung und Marginalisierung der Kleinstmitteilung etwas verloren gegangen zu sein, das wir erst langsam, interessanterweise gerade vor dem Hintergrund der digitalen Revolution und den Möglichkeiten von social media, wieder entdecken: die Anzeige kleinerer Entdeckungen oder Probleme aus dem laufenden Forschungsprozess.

Hier bieten gerade die neuen Medien alte Möglichkeiten, wenngleich in einer bislang ungekannten Intensität und Offenheit.

Ein kleiner Teil der Forschung kommuniziert seine Funde und Probleme heute zum Beispiel zunehmend über twitter, so etwa der Handschriftenexperte Erik Kwakkel;

Alert, Middle English scholars: this 16th-c ms w title page appear unknown (ParisMazarine931). http://t.co/NZ7uCpqWUX pic.twitter.com/lXHaLY1lt4

— Erik Kwakkel (@erik_kwakkel) June 16, 2014

Blogs wie Archivalia oder das Mittelalter-Blog beleben die Miszelle und ermöglichen kollaboratives Forschen (hier sind vor allem die verlinkten Beiträge auf Archivalia beeindruckend!); und Podcast-Portale wie youtube ermöglichen es Institutionen, ihre Quellenbestände der Forschung mitzuteilen, um nur wenige Beispiele und Möglichkeiten zu nennen.

Neben diesen tollen neuen Möglichkeiten empfinde ich vor allem die frappierenden Parallelen zur Frühzeit der modernen Geschichtswissenschaft faszinierend. Die Idee hinter wissenschaftlichen social media unterscheidet sich im Grunde nur durch die neue mediale Intensität vom Programm des Archivs der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtkunde:

  1. Jeder Forschende kann zum Sender werden.
  2. Information muss nicht konkret adressiert werden.
  3. Über Relevanz entscheidet der Empfänger der Botschaft.
  4. Vormals beschränkte forschungsrelevante Informationen werden öffentlich multipliziert.
  5. Einbindung möglichst aller potentieller Informationsquellen und Nutzung der wissenschaftlichen Schwarmintelligenz (denn auf nichts anderes zielt ja im Grunde jede Veröffentlichung ab).

Zum Vergleich nochmal das oben stehende Zitat aus dem Archiv:

Jeglichem können und werden bei seinen Forschungen Ideen, Ansichten, Wünsche, Zweifel, Fragen entstehen, jeglicher kann Entdeckungen machen, die nicht nur ihm allein, oft auch ihm gar nicht, wohl aber andern zu Statten kommen möchten. Von der Mittheilung solcher gelegentlichen Ergebnisse hält öfters nur ab, daß man im Augenblicke nicht weiß, wem damit besonders gedient seyn dürfte, zuweilen aber auch das umständliche des privaten Briefwechsels [...].

Gerade mit Blick auf die vielen Bibliothekare und Archivare, daneben aber auch auf die vielen Studierenden und Laienforscher, scheint die bereits zitierte Vorrede zum Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtkunde noch immer aktuell zu sein (von der Beschränkung auf männliche Forscher natürlich abgesehen) :

“Ferner leben im deutschen Vaterlande viele gründlich gelehrte Männer, denen persönliche und Dienstverhältnisse weder eine beständige Mitwirkung, noch auch besondern Briefwechsel gestatten, die aber gleichwohl geneigt wären, durch jeweilige Kentnisse mitzuwirken, sobald sie nur wüßten, wo und wie weit diese dem Unternehmen nützlich werden könnten.”3

Die neuen Medien stellen hier ein geeignetes, da niederschwelliges, offenes und ressourcenschonendes Angebot dar. Social media ermöglichen in der Wissenschaft damit eine Rückkehr zu einer fruchtbaren, weil semioffiziellen Wissenschaftskommunikation, die ihren Mehrwert im Gegensatz zum offiziellen Publizieren synthetischer und fertiger Forschungsergebnisse in Zeitschriften gerade durch ihre unsystematische und ungefilterte Mitteilung hat.

Die Diskussion um das Verhältnis von Wissenschaft und den sogenannten “neuen” Medien basiert meiner Ansicht nach häufig auf einer Fehlinterpretation: Vor dem Hintergrund der Geschichte der Geschichtswissenschaft haben wir es im Bereich von social media eigentlich kaum mit einem neuen Phänomen zu tun. Vielmehr sollte man von einer Wiederentdeckung sprechen, einer Wiederentdeckung des Inoffiziellen, des Vorläufigen und Unfertigen – mithin: des Kontexts der Entdeckung.

Wie sagte der alte Ben Akiba? Alles schon mal dagewesen.

  1. Sackur, Ernst: Reise nach Nord-Frankreich im Frühjahr 1889. In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Bd. 15 (1890), S. 437-473, hier S. 437.
  2. Vorrede zur ersten Ausgabe. In: Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtkunde zur Beförderung einer Gesammtausgabe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters Bd. 1, (1820).
  3. Ebd.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3975

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Die Abstracts sind online: Tourismusüberlieferung als historische Quelle

Einladung zum Workshop TourismusüberlieferungMittwoch, den 2. Juli 2014  findet im Plenarsaal des LWL-Landeshauses unser Workshop “Tourismusüberlieferung als historische Quelle –      Touristiker, Archive und Forschung im Diskurs”  statt. Programm und Einladung haben wir in diesem Blog bereits online gestellt.: http://archivamt.hypotheses.org/426

Jetzt kommen die Abstracts, die eine interessante und innovative Tagung versprechen. Wie immer wir es zum Workshop und den Beiträgen eine Publikation geben. Wir sind gespannt auf die Veranstaltung!

 

 

 

Tourismusüberlieferung als historische Quelle –      Touristiker, Archive und Forschung im Diskurs

 

Abstracts

 

 Dr. Matthias Frese (LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Münster)

Historische Tourismusforschung: Bedeutung, Quellenlage, Forschungsperspektiven

 

Die Tourismusbranche ist seit etlichen Jahren trotz aller Krisen eine Boombranche. Die Reiseziele liegen dabei seit Anfang der 1970er-Jahre überwiegend im Ausland. Im Jahr 2013 machten die innerdeutschen Reisen aber immerhin ca. 37% aus mit wachsenden Übernachtungszahlen. Diese Reiseziele befinden sich seit den Anfängen statistischer Erhebungen vor allem in den Alpen/Bayern, an der Nord- und Ostsee und im Schwarzwald, aber auch in den Mittelgebirgen wie im Sauerland und im Teutoburger Wald.

Die Reisegebiete in Westfalen bzw. NRW decken damit sowohl Ferienurlaube für Familien (z.B. Urlaub auf dem Bauernhof) als auch Kurzurlaube ins Münsterland, an die Stauseen im Sauerland oder Städte-reisen nach Münster, Paderborn, Soest oder ins Ruhrgebiet ab. Ergänzt werden diese Erholungs- und Kurzurlaube durch Eventtourismus und spezielle Veranstaltungen wie z.B. zur Industriekultur. Vor allem beim „Zweiturlaub“ aber auch bei den insgesamt kürzeren Erholungsurlauben (Durchschnitt 2013: 13 Tage) werden Stadt- und Landtourismus häufig kombiniert.

In Westfalen setzte der moderne Tourismus in die Kurbäder und in die Sommerfrischen wie in den meisten anderen Regionen sehr verhalten erst im 19. Jahrhundert ein, erlebte einen ersten Schub im späten 19. und frühen 20.Jahrhundert (vor 1914) und kam dann ab Mitte der 1920er-Jahre in Schwung. Diese Entwicklung wurde gefördert durch verbesserte Reisemöglichkeiten, durch die Veröffentlichung von Reiseführern, durch die seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Verschönerungs- und Wandervereine, schließlich durch die Herausbildung einer touristischen Infrastruktur. Vor allem seit Anfang des 20.Jahrhunderts wurden zudem in rascher Folge Reiseorganisationen in Form von lokalen Verkehrsämtern und -vereinen, regionalen Verkehrsverbänden und schließlich kommerzielle Reisebüros und Reiseveranstalter gegründet. Insgesamt blickt der Tourismus (als Form des organisierten Reisens breiter Bevölkerungsgruppen) in Westfalen auf eine vergleichsweise kurze Geschichte zurück. Vorreiter waren hier Entwicklungen in England, in der Schweiz, aber auch im Rheinland.

Die historische Forschung hat diese moderne Form des Reisens lange Zeit wenig beachtet. Noch bis in die 1970er-Jahre liegen vor allem geographische, volkskundliche, soziologische und wirtschaftwissenschaftliche Untersuchungen zum Tourismus vor. Sozial-, wirtschafts- und kulturhistorische Fragestellungen greifen vermehrt erst seit den 1980er/1990er-Jahren tourismusgeschichtliche Themen auf. Es überwiegen dabei lokal- und regionalhistorische Zugangsweisen. Noch unlängst wurde die historische Forschung zum Tourismus aber als „Mauerblümchen“ tituliert oder als „Liliputaner“ im Vergleich zur immensen wirtschaftlichen Bedeutung der Tourismusbranche.

Der Vortrag skizziert – bezogen auf Westfalen – die historische Ausgangslage für den modernen Tourismus und beschreibt einige vorrangige Forschungsfelder. Im zweiten Teil werden in einem Überblick verschiedene Quellenbestände vorgestellt und Problemfelder und Desiderate für (zeit)historische Forschungen behandelt, so beispielsweise zur Überlieferung der Verkehrsvereine, der Reisebüros und Reiseveranstalter, aber auch der Urlauber und Reisenden. Hieraus folgend werden im dritten Teil schließlich einige Forschungsperspektiven entwickelt und die Notwendigkeit vermehrter regionaler Vergleichsstudien betont.

Jens Nieweg / Christian Stühring (Tourismus NRW e.V., Düsseldorf)

Zentral – regional – lokal: Institutionelle Tourismusförderung in NRW –

Organisationsstrukturen und Vernetzung

 

Der Tourismus NRW e.V. als Dachverband der nordrhein-westfälischen Tourismuswirtschaft versteht sich als Kompetenz-Zentrum für die Branche. Er hat das Ziel, den Tourismus-Standort Nordrhein-Westfalen weiter zu stärken. Das bevölkerungsreichste Bundesland ist mit rund 20 Millionen Gästen   im Jahr bereits jetzt das zweitbeliebteste Reiseziel in Deutschland. Mit einem Bruttoumsatz von gut 30 Milliarden Euro sichert die Tourismusbranche rund 630.000 Arbeitsplätze in NRW.

Zu den Aufgaben des Verbandes gehören die Beratung seiner Mitglieder in allen touristischen Fragen, insbesondere Unterstützung der Regionen und Orte und der privatwirtschaftlichen Anbieter touristischer Leistungen, z.B. in Fragen des Qualitätsmanagements, der Innovationsförderung, der Profilierung durch Themenmarketing und bei Messeauftritten.

Weitere Aufgabengebiete wie die Marktforschung und das Landesmarketing tragen dazu bei, die Vernetzung der nordrhein-westfälischen Orts-, Regions- und Landesebene zu intensivieren. Gemeinsame Förderprojekte sowie der regelmäßige Austausch in Fachgremien zeichnen diese Zusammenarbeit ebenso aus wie der gemeinsame Aufbau einer Identität für die Tourismusdestination Nordrhein-Westfalen auf Basis und zur Stärkung der regionalen Tourismusprofile.

Thomas Weber (Sauerland-Tourismus e.V., Schmallenberg)

Aufgaben regionaler Tourismusverbände und deren Überlieferung –

Beispiel Sauerland-Tourismus

Aufgaben – Partner – Finanzierung

  • Organisationsaufbau
  • Federführende flächige Aufgaben / Projektbüros
    • WanderWerkstatt
    • RadWerkstatt
    • Präventionswerkstatt
    • Welche Unterlagen entstehen? u.a.
      • Plakate von Ausstellungen und Veranstaltungen
      • Einzeldruckerzeugnisse und Periodika
      • Bilderserien, Videos, Clips
      • Verzeichnisse, Verträge, Karten
      • Presseberichte, Mitschnitte
      • Souvenirs und Einzelstücke
      • Worin bestehen die Defizite?
        • Zahlreiche touristische Organisationen und Ehrenamtsinstitutionen – Wer archiviert?
        • Welche Unterlagen haben über die Aufgabenerledigung hinaus historischen Wert?
        • Problemanalyse
          • Was passiert, wenn nichts passiert?
          • Was würde uns fehlen?
          • Wann merken nachfolgende Generationen, dass etwas Wesentliches aus der Kultur des Landes unwiederbringlich weg ist?
          • Lösungsidee: Es gibt ein abgestimmtes, verbindliches System zur Archivierung touristischer Unterlagen in Westfalen.
          • Lösungsweg: kostenschlank – effizient – nachhaltig – dauerhaft?!

 

Dr. Bärbel Sunderbrink (Stadtarchiv Detmold)

Im Schatten des Hermannsdenkmals. Bedeutung und Überlieferung des Detmolder Fremdenverkehrs

 

Detmold war spätestens mit dem Bau des Hermannsdenkmal ein bedeutender Anziehungspunkt für Reisende. Nicht nur Erholungssuche im Teutoburger Wald war deren Intention, sondern sie verbanden ihren Besuch vielfach mit nationaler Selbstvergewisserung im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dem Denkmal. Die Quellen des Stadtarchivs dokumentieren ein bis in die Nachkriegszeit hinein stetiges Interesse an einer Fahrt ins Lipperland, das abhängig von den politischen Verhältnissen mit je anderen Inhalten gefüllt wurde. Aufgrund der Popularität des Ortes sind neben amtlichen Quellen und Dokumenten der örtlichen Akteure des Fremdenverkehrs auch private Überlieferungen für die Geschichte des Detmolder Fremdenverkehrs von besonderem Belang.

 

Reinhard Gämlich (Stadtarchiv Hilchenbach)

Fremdenverkehr in Hilchenbach und seine Überlieferung im Stadtarchiv

Mit der Gründung des Schlossberg-Verschönerungsvereins 1885, in Anlehnung an die 1255 erstmals erwähnte und 1292 namentlich als „Ginsberg“ genannt Burg, begann die Geschichte des Fremdenverkehrs in Hilchen-bach. 1902 wurde der „Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in Hilchenbach und Umgegend“ gegründet, und durch umfangreiche Bemühungen konnte der Fremdenverkehr gesteigert werden, verbunden mit der Anerkennung als Luftkurort bis 1976. Reizvolle Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel der Marktplatz mit seinen historischen Fachwerkhäusern, der Kirche sowie der Wilhelmsburg, locken viele Besucher nach Hilchenbach.

Der Abschluss eines Leihvertrages mit dem Hilchenbacher Verkehrs- und Verschönerungsverein am 22. Januar 1990 und die Übergabe der Akten sind Grundlage für viele Archivforschungen. Nachweise im Findbuch des Stadtarchivs bilden eine weitere Quelle. Forschungsmöglichkeiten konnten somit geschaffen werden.

Kontakte zum heutigen Tourismus- und Kneippverein Hilchenbach e.V. und Überzeugungsarbeit zur Abgabe von Akten an das Stadtarchiv bilden eine weitere Grundlage des Vortrages. Auf Überlieferungslücken und wie diese geschlossen werden können, wird verwiesen.

 

Dr. Ralf Springer (LWL-Medienzentrum für Westfalen, Münster)

Die Bedeutung von Filmquellen für die Tourismusforschung am Beispiel der

Überlieferung des LWL-Medienzentrums für Westfalen

Filmische Stadt- und Landschaftsporträts als Mittel der touristischen Werbung sind fast so alt wie das Filmgeschäft selbst. Auch für Westfalen ist eine – regional unterschiedlich – dichte Filmproduktion für dieses Genre seit den 1910er-Jahren nachweisbar, obschon diese frühen Filmquellen zumeist nicht erhalten sind. Mit Entstehung und Professionalisierung der Fremdenverkehrsbüros stieg die Zahl und Qualität der Filmporträts, und auch mit der Überlieferung wird es besser: Im Filmarchiv des LWL-Medienzentrums lagern heute filmische Zeugnisse von den 1920er- bis in die 1980er-Jahre, in denen Orte, Städte, Regionen und die ganze Landschaft porträtiert werden. Dabei stehen aufwendig gestaltete Filme neben recht schlichten Werken, und selbst einfache Amateuraufnahmen können Quellen zur

Tourismusforschung darstellen. Der Beitrag will anhand von Beispielen aus dem umfangreichen Archivbestand einen Einblick in die breite Palette von touristischen Werbefilmen geben und dabei auf die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der ausgewählten Filmbeispiele eingehen.

Anette Gebauer-Berlinghof und Julia Emmy Rains (LAV NRW, Abt. Rheinland, Duisburg)

Amtliche und nichtamtliche Quellen in staatlichen Archiven am Beispiel des

Landesarchivs NRW

Im ersten Teil des Vortrags liegt das Augenmerk auf den Dokumenten des Landesarchivs NRW zu Tourismus, Reisen und Fremdenverkehr ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die jüngere Vergangenheit. Das tourismusgeschichtliche Potenzial für die Forschung und die Tourismusbranche der amtlichen Unterlagen sowie der nichtamtlichen Quellen als Ergänzungs- und Parallelüberlieferung steht dabei im Mittelpunkt. Archivgut unterschiedlicher Provenienzen wird thematisiert und Anregungen zur Nutzung gegeben. Welche Quellen verwahrt das Landesarchiv etwa zu Verkehrsverbänden und -vereinen, zur Vermarktung einzelner Regionen als Reiseziele, zur Balance zwischen Natur- und Landschaftsschutz und touristischen Angeboten? Veranschaulichend werden Beispiele aus den drei Regionalabteilungen in Rheinland, Westfalen und Ostwestfalen-Lippe vorgestellt.

Der zweite Teil des Vortrags zeigt Perspektiven der Überlieferungsbildung des Landesarchivs NRW in Bezug auf die Tourismusgeschichte auf. Hierzu werden sowohl das amtliche Schriftgut der Ministerien, Behörden, Einrichtungen und Landesbetriebe als auch das Überlieferungsprofil für nichtamtliches und nichtstaatliches Archivgut in den Blick genommen. Es wird der Frage nachgegangen, wie aussagekräftiges Material über den Tourismus in Nordrhein-Westfalen mit seinen verschiedenen Facetten für die Zukunft gesichert werden kann.

 

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/830

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Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte der Donaustadt zwischen 1914 und 1918. Ausstellung in der Staatlichen Bibliothek Regensburg

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf Regensburg waren scheinbar nur gering. Die Stadt präsentierte sich ihren Besuchern als „still“ und „zeitlos“. Einen Eindruck vom „stillen“ Regensburg des Jahres 1917 gibt der Romanist Viktor Klemperer in seiner 1940/41 niedergeschriebenen Autobiographie:

„Den allerletzten Ferientag nutzten wir für Regensburg. Wir besichtigten die Stadt ganz unabgelenkt von allen Kriegsgedanken. Freilich ist (oder war?) Regensburg die zeitfernste aller deutschen Städte. ‚Eine wunderbare, eine absolut zeitlose Steinmasse‘, notierte ich mir unter dem ersten Eindruck, ‚ohne alle Verbindung mit der Gegenwart.‘ Nirgends moderne Stadtteile oder auch nur einzelne Häuser, nirgends Wachstum, Verkehr, Fremdenzustrom. Um Alt-Braunschweig zieht sich eine moderne Stadt, um Alt-Regensburg gar nichts. Völliger Stillstand, auch nicht die Belebtheit eines Museums. [...] Ein ineinandergezahnter Block aus festen Häusern mit hohen Giebeldächern, aus Renaissancepalazzi, aus festungsartigen Kirchen mit eckigen Türmen, riesig über dem steinernen Block mit all seinen Türmen hinausragend der steinerne Dom, schwer steinern zu seinen Füßen die vielbogige uralte Brücke über den Strom. Auffallend viele Turmuhren. Es ist, als sollte betont werden, auch hier stehe die Zeit nicht still. Aber sie steht versteinert still.“

Rathaus_Straßenbahn

Betrachtet man Ansichten der Domstadt aus jener Zeit, so glaubt man Klemperers Einschätzung bestätigt zu sehen. Doch auch auf Regensburg wirkte der Waffengang, die „Ur-Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts (Georg F. Kennan), in erheblichem Maße.

Wenn im Gedenkjahr 2014 in der Staatlichen Bibliothek Regensburg eine kleine Ausstellung samt Begleitband mit Schlaglichtern zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Regensburg vorgestellt werden kann, so hat dies weniger mit den Zufälligkeiten eines solchen Jubiläums, sondern vielmehr mit dem Regensburger Maler Otto Zacharias zu tun. Dessen Nachlass ruht nun in der Staatlichen Bibliothek Regensburg und steht hier der Forschung zur Verfügung. Der Regensburger Maler Zacharias erlebte den Krieg wie Millionen andere Soldaten und verarbeitete ihn auch künstlerisch, auf seine ganz eigene Weise. Bewegend sind auch die Kinderzeichnungen seines Sohnes Kurt Zacharias, die zeigen, wie sehr auch die Kinder von diesem Krieg betroffen waren. Neben weiteren Dokumenten, Bildern, Zeitungsberichten und Gegenständen, welche helfen sollen, schlaglichtartig die Geschichte des Ersten Weltkrieges für Regensburg zu erhellen, wird auch eine moderne Installation des Regensburger Künstlers Oleg Kuzenko gezeigt, die eindrucksvoll vor Augen stellt wie man sich auch heute künstlerisch mit diesem Thema auseinandersetzen kann.

Die Ausstellung ist vom 10.07. bis 31.08.2014 im Foyer der Staatlichen Bibliothek Regensburg zu sehen.

Einladung_Weltkrieg
Die Ausstellung wird am 10. Juli 2014 um 20 Uhr eröffnet. Nach der Begrüßung und Einführung in die Thematik durch den Bibliotheksleiter, Dr. Bernhard Lübbers, spricht Dr. Jörg Zedler von der Universität Regensburg über das „Augusterlebnis“ 1914 in Regensburg.

Der Eintritt ist frei, um Anmeldung per E-Mail (info_AT_staatliche-bibliothek-regensburg.de) oder per Telefon (0941 630806-0) bis 07.07.2014 wird gebeten.

Zur Ausstellung erscheint ein reichillustrierter Begleitband, der in der Bibliothek selbst bzw. im Buchhandel für 19,90 € erworben werden kann:

Namhafte Autoren haben darin die Geschichte Regensburgs während des Ersten Weltkrieges in Einzelaspekten in den Blick genommen.

Bernhard LÜBBERS/ Stefan REICHMANN (Hg.), Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte einer bayerischen Provinzstadt zwischen 1914 und 1918 (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 10) Regensburg: Dr. Peter Morsbach Verlag 2014; 192 S.: zahlreiche Ill.; ISBN 978-3-937527-76-5

Das Buch enthält folgende Beiträge:

Bernhard LÜBBERS, Schlaglichter auf Regensburgs Geschichte im Ersten Weltkrieg. Eine Einführung, S. 9-15.

Georg KÖGLMEIER, Regensburg im Ersten Weltkrieg. Ein Überblick, S. 17-35.

Jörg ZEDLER, Zwischen Neugierde und Verunsicherung, Angst und aggressivem Patriotismus: Das Augusterlebnis 1914 in Regensburg, S. 37-86.

Peter STYRA, „… Und den Räten ein Automobil…“. Das Haus Thurn und Taxis im Ersten Weltkrieg, S. 87-104.

Bernhard LÜBBERS, „Segne die Waffen unserer Brüder.“ Die Hirtenbriefe des Regensburger Bischofs Antonius von Henle aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, S. 105-118.

Isabella von TRESKOW, Captif je suis… Gefangenschaft und kulturelles Leben französischer Soldaten im Ersten Weltkrieg in Regensburg, S. 119-137.

Dominik BOHMANN, Das Kriegsgefangenenlager am Unteren Wöhrd während des Ersten Weltkrieges, S. 139-153.

Stefan REICHMANN, Otto Zacharias (1876-1952). Großkrieg in kleinen Bildern und Skizzen, S. 155-172.

Stefanie KUFFER, Kurt Zacharias (1908-2004). Kinderzeichnungen an den Vater, S. 173-182.

Wolfgang von SEICHE-NORDENHEIM, Eine Warnung, die (k)einer ernst nahm, S. 183-190.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/2611

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Reisefreiheit für die Fantasie: Eine Ausstellung über den DDR-Comic “Mosaik”

Die Kobolde Dig, Dag und Digedag brachten Generationen von DDR-Bürgern zum Lachen – und gingen dabei manchmal an die Grenzen des Erlaubten. Eine Ausstellung in der Berliner Dependance des Bonner Hauses der Geschichte widmet sich den knollennasigen Helden des DDR-Comics Mosaik.

Die Legionäre staunten nicht schlecht. Eben haben sie die Stadtmauern Roms noch gegen Angreifer gesichert, da tauchen am antiken Himmel seltsame Vögel auf: An adlerförmigen Fallschirmen segeln abtrünnige Kämpfer des verräterischen Julius Gallus auf die Verteidiger nieder. Die fliegenden Römer, die ihren fantasievollen Angriff auf den Seiten des DDR-Comics Mosaik starteten, ärgerten nicht nur die Verteidiger Roms, sondern auch die Zensoren. Anstoß erregte die Form der Fallschirme: Der römische Adler erinnere zu sehr an das Wappentier der verfeindeten Bundesrepublik.

Wie mit Feder und Retuschier-Pinsel die gezeichneten Fallschirme kurzerhand entpolitisiert wurden, lässt sich anhand von Skizzen nachvollziehen, die in der gerade eröffneten Ausstellung „Dig, Dag und Digedag“ zu sehen sind. Die Episode gilt als Treppenwitz der DDR-Zensur. In der Geschichte der wohl populärsten Helden der Republik ist sie eher eine Ausnahme. Die zeitreisenden Knollennasenkobolde wichen nicht nur äußerlich stark von der sozialistischen Heldennorm ab. Sie waren auch weitgehend ideologiefrei, wenngleich sie gelegentlich aneckten.

Dass es sie überhaupt geben durfte, ist erstaunlich. Comics galten einst als Schmutz und Schund. In Ost wie West verbrannten Jugendschützer und Bildungskonservative die Hefte demonstrativ auf Scheiterhaufen. Galten Comics im Westen als Ursache von Jugendkriminalität und Verrohung, so sah man sie in der DDR als „Gift des Amerikanismus“ vor dem die sozialistische deutsche Jugend bewahrt werden musste. Heute füllt der „Schund“ von einst Museumsvitrinen. Eben erst zog eine Ausstellung im Berliner Tiergarten-Museum eine kritische Bilanz des im DDR-Comic vermittelten Geschichtsbildes, nun widmet sich die Berliner Dependance des Bonner Hauses der Geschichte in der Alten Schmiede der Kulturbrauerei mit 320 Original-Zeichnungen, Dokumenten, unveröffentlichten und zensierten Entwürfen den Digedags.

Das erste “Mosaik”-Heft erschien im Dezember 1955
© Tessloff-Verlag, Nürnberg

Erfunden hatte sie 1955 der Zeichner Hannes Hegen. Hinter diesem Pseudonym verbarg sich der 1925 geborene Sudetendeutsche Johannes Hegenbarth. Der gelernte Glasmaler hatte ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig abgebrochen, als er Anfang der Fünfziger begann, Karikaturen im Dienste der DDR-Propaganda zu zeichnen. Sein erfolgreichstes Projekt, die Mosaik-Hefte im FDJ-eigenen Verlag Junge Welt waren dagegen erstaunlich unpolitisch. Die drei Kobolde Dig, Dag und Digedag reisten darin durch ferne Welten und vergangene Epochen. Sie begleiteten den mittelalterlichen Ritter Runkel von Rübenstein auf Schatzsuche, trafen Piraten in der Südsee, waren in London und Paris und sogar im verfeindeten Amerika – und boten damit wenigstens der Fantasie ein Stück Reisefreiheit. Statt Comics waren allerdings „sozialistische Bildgeschichten“ gewünscht und so wichen die anfänglichen Sprechblasen bald Bildunterschriften, die mitunter gereimt daherkamen.

Das “Mosaik”-Team, 1962 (von vorn): Lona Rietschel, Horst Boche, Edith und Johannes Hegenbarth, Egon Reitzel, Manfred Kiedorf, Gisela Zimmermann, Lothar Dräger.
© Privatarchiv Lona Rietschel

Die Ausstellung zeichnet die Produktion der Hefte vom getippten Storyboard über erste Konturen bis zum Endprodukt nach. Die Bleistiftskizzen fertigte Hegenbarth meist selbst an. Doch es werden auch seine künstlerischen Partner gewürdigt, wie die spätere Ehefrau Edith Szafranski oder der österreichische Hintergrundzeichner Egon Reitzl. Charakteristisch waren die oft doppelseitigen Wimmelbilder von Gisela Zimmermann. Eine interaktive Computeranimation illustriert Vorstufen des Vierfarbdruckes, den die auf Noten spezialisierte Leipziger Traditionsdruckerei C.G. Röder besorgte. Wie erzürnte Briefe an die Abteilung Literatur und Buchwesen belegen, ärgerten die „greulichen Zeichnungen“ immer wieder die Verteidiger der Hochkultur.

Kleine Abweichungen entgingen den Zensoren, etwa eine Zeichnung des Berliner Stadtschlosses, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon längst gesprengt worden war. Ob man allerdings in eine Geschichte zur Entdeckung der Kartoffel einen kritischen Subtext zur Lebensmittelrationierung hineinlesen kann, möchte man bezweifeln – hier schießen die Ausstellungsmacher interpretatorisch etwas über das Ziel hinaus. Ebenso zweifelhaft dürfte die als Frage formulierte Wegbereiter-These sein, die suggeriert, die international erfolgreichen Asterix-Comics seien eine Nachahmung der ostdeutschen Digedags gewesen, die schon einige Jahre vor den Galliern mit Römern rauften.

Trotz Rekordauflagen von bis zu 660.000 Exemplaren pro Heft blieb die Reihe nicht nur in Zeiten von Papierknappheit Bückware. Oft waren gute Beziehungen zum Kioskverkäufer nötig. Die rare erste Nummer gilt heute als die Blaue Mauritius der DDR-Comicsammler. In Audio-Interviews berichten Fans, wie sie lernten, Papier zu restaurieren und handgefertigte Kopien in Umlauf brachten, um Lieferengpässe auszugleichen.

Das plötzliche Verschwinden der Digedags nach 223 Episoden hatte keine politischen Gründe. Nach Streitigkeiten über die personelle Ausstattung und die Zahl der Ausgaben brach Hegenbarth mit dem Verlag. Ab 1975 trieben in den Mosaik-Heften die bis heute existierenden Abrafaxe ihren Schabernack. Obwohl er sich selbst bei westlichen Vorlagen bedient hatte, strengte Hegenbarth einen Urheberrechtsprozess gegen den Verlag an, der mit einem Vergleich endete. Der Zeichner arbeitete frei weiter. Die erste Wechselausstellung im neuen Museum zum Alltag in der DDR ist daher als späte Würdigung des Zeichners zu verstehen. Sie beruht auf dem Vorlass Hegenbarths, einer Schenkung von 35 000 Objekten, die nun für die Forschung und den internationalen Leihverkehr archivalisch aufbereitet werden.

Zwar bricht die Ausstellung mit dem Klischee, der Alltag der DDR sei gänzlich ideologisch durchherrscht gewesen, doch will sie auch keine Ostalgie aufkommen lassen. Sie bietet dennoch nur das halbe Bild. Zur Geschichte des DDR-Comics gehört auch die Heftserie Atze, die von Ideologie und Propaganda nur so durchtränkt war. Dies dokumentiert die weniger aufwendig gestaltete, aber ideologiekritische Ausstellung „Atze und Mosaik“ des Literaturwissenschaftlers Thomas Kramer, die man bis zum 22. Juni im Kunstmuseum Dieselkraftwerk in Cottbus sehen konnte. Nicht alle Wege in die Comicgeschichte der DDR führen nach Rom.

“Dig, Dad, Digedag” – DDR-Comic Mosaik
Ausstellung im Museum Kulturbrauerei,
Knaackstr. 97, Berlin Prenzlauer Berg,
noch bis 3. August 2014,
Di-So 10-18,
Do 10-20 Uhr.
Eintritt frei.

 


(Dieser Text erschien zuerst im Feuilleton des Tagesspiegels vom 24. April 2014.)

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1518

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In 300 Jahren vielleicht

Das Dorf Eggebusch gibt es gar nicht. Und doch war Eggebusch überall, denn dieser Name steht für zahllose Orte, die Schauplätze all der kleinen und großen Katastrophen gewesen sind, die den Dreißigjährigen Krieg geprägt haben. Eggebusch ist Schauplatz des Romans „In 300 Jahren vielleicht“, in dem Tilman Röhrig beschreibt, wie dieses Dorf im Oktober 1641 vom Krieg heimgesucht wird. Zwischen den in der Nähe des Dorfs campierenden Soldaten und den Dörflern kommt es zu Spannungen, die schließlich eskalieren und in einer Katastrophe für Eggebusch enden.

Das knapp 140 Seiten umfassende Taschenbuch ist 1983 erstmalig erschienen. Es wird immer wieder nachgedruckt und ist längst ein Klassiker unter den belletristischen Büchern zum Dreißigjährigen Krieg. Der Band firmiert als Jugendbuch, wurde auch 1984 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis prämiert. Sein Autor hat viele andere Jugendromane, vor allem aber Bücher mit historischem Hintergrund verfaßt. „In 300 Jahren vielleicht“ ist sicherlich sein bekanntestes Buch und wohl auch das mit der größten Wirkkraft. Was kann man nun als Historiker damit anfangen?

Nun kann man wissenschaftsseitig ein solches Buch als bloße Belletristik abtun. Schön zu lesen für den, der derartige Literatur mag. Aber sonst? So einfach ist es nicht, denn die Prägekraft solcher Literatur darf man nicht unterschätzen. Solche Bücher finden den Weg zu jungen Leuten (ja doch, es gibt noch Jugendliche, die Bücher lesen) und entfalten hier ihre Wirkung, prägen eine Grundvorstellung von dem, was sie behandeln. Ist also der Dreißigjährige Krieg durch „In 300 Jahren vielleicht“ angemessen dargestellt und eine geeignete Einstiegslektüre für junge Menschen oder überhaupt für interessierte Laien?

Für jeden, der sich wissenschaftlich mit der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs beschäftigt hat, ist es nicht schwierig, in solchen Büchern irgendwelche Details und Einschätzungen auszumachen, die historisch ungenau, fragwürdig oder schlichtweg falsch sind. Aber gerade das ist in Röhrigs Buch nicht der Punkt, denn hier wird vor allem die Gewalteskalation zwischen Militär und Zivilisten beschrieben, das Zusammenbrechen einer vertrauten Lebensumgebung (hier des Dorfes) und überhaupt ein Gefühl für das Bedrohtsein jeglicher Ordnung und ein Zweifeln an Lebensgewißheiten – für junge Menschen, die sich mit einer offenen Perspektive ihrem eigenen Leben zuwenden, ist dies schon sehr viel. Man kann den Dreißigjährigen Krieg auch einfach als historische Folie nehmen, auf der sich jedwede Bedrohung eines vertrauten Lebensraumes spiegelt. Aber Röhrigs Buch ist sicher auch ein möglicher Einstieg für die Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg.

Ich selbst habe es erst gelesen, als ich meine Dissertation abgeschlossen, einige Artikel geschrieben hatte, jedenfalls völlig in der Wissenschaft abgetaucht war. Gefallen hat es mir gleichwohl sehr, und geschadet hat mir die Lektüre sicher nicht. Zu Tilman Röhrig gibt es übrigens ein Interview in den lesepunkten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/473

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