Wer produzierte das Wissen, auf das sich die Geschichte des 19. Jh. stützt? Zwei Tagungen

Dass historische Quellen – welcher Art auch immer – keinesfalls jene „transparenten Fenster“ in die Vergangenheit sind1, als welche sie die Geschichtswissenschaft früherer Generationen benutzen zu können glaubte, ist eine Erkenntnis, die unter HistorikerInnen heute kaum mehr explizit bestritten werden dürfte. Mit ihrer Anwendung in der geschichtswissenschaftlichen Praxis sieht es freilich je nach Quellengattung, Epoche und Einzelfall noch recht unterschiedlich aus, und auch die quellenkundliche Forschung, die sich darauf richtet, Überlieferungen in ihrer unhintergehbaren Gemachtheit zu verstehen, hat in vielen Bereichen noch große Aufgaben vor sich.

Dabei dürften gerade Materialien aus der jüngeren und jüngsten Vergangenheit ein besonderes Risiko in sich tragen. In ihrer sprachlichen und medialen Form wirken sie oft verhältnismäßig vertraut und leicht verständlich – wodurch die Illusion von Transparenz leichter entsteht als bei mittelalterlichen Urkunden oder antiken Inschriften. Daher rührt wohl in erster Linie die relative Schwäche und geringe Verbreitung quellenkundlicher und historisch-grundwissenschaftlicher Forschung zum 19. und 20. Jahrhundert, die in diesem Blog auch kürzlich im Hinblick auf den Vergleich zwischen Aktenkunde und Diplomatik zur Sprache kam.

Die beiden Veranstaltungen, auf die hier hingewiesen werden soll, vertreten zwei Forschungsgebiete, die in dieser Hinsicht in neuester Zeit wichtige Beiträge leisten und eine breite Kenntnisnahme verdienen: die Geschichte der amtlichen Statistik und jene der Archive. Beide Institutionen erlebten im 19. Jahrhundert einen bemerkenswerten Aufschwung, der mit dem Ausbau und der Professionalisierung der staatlichen Verwaltung ebenso zusammenhing wie mit der Arbeit an der Konstruktion nationalstaatlicher Identitäten, die auf entsprechend zusammengestellte Wissensbestände gestützt wurden. Die Ergebnisse ihrer Tätigkeit sind noch heute unumgängliche Arbeitsgrundlagen für HistorikerInnen, die aber eben nicht als „transparente Fenster“ benutzt, sondern als selektiv und intentional konstruiertes Wissen angesehen werden müssen. Die Erforschung ihrer Produktionsbedingungen und ihrer Funktionen im Kontext der Entstehungszeit bildet einen Überschneidungsbereich zwischen Politik- und Verwaltungsgeschichte einerseits, Wissenschafts- und Wissensgeschichte andererseits; und die aus dieser Forschung zu schöpfenden Reflexionen sind einerseits bei der Arbeit zur Geschichte des 19. Jahrhunderts konsequent im Auge zu behalten, andererseits aber auch durchaus für das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der Gegenwart relevant.

Call for Papers: Die Zählung der Welt. Kulturgeschichte der Statistik vom 18. bis 20. Jahrhundert

Für die Tagung, die im September 2015 in Göttingen stattfinden soll, endet in wenigen Tagen die Einreichfrist für Abstracts. Die Veranstalter Stefan Haas, Michael C. Schneider und Nicolas Bilo schreiben über ihre Perspektive und Ziele Folgendes:

„Bisher sind Statistiken im Wesentlichen als sozialpolitisches oder sozioökonomisches Phänomen, in historischer Perspektive als Datengrundlage der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte thematisiert worden. Die Tagung möchte diesen Blick um eine kulturhistorische Perspektive erweitern. Statistiken bilden eine (historische) Wirklichkeit nicht nur rational ab, sie tragen vielmehr durch Kategorisierung und Taxonomie von Daten zu einer spezifischen Konstruktion von Realität bei, ja mehr noch: Die Erhebung der Daten selbst basiert bereits auf vorgängigen Entscheidungen über die Realitätskonstruktion, die nicht immer offengelegt werden.

Die Tagung verfolgt zwei Ziele: Erstens will sie ein Forum schaffen, Statistiken als Medium moderner Politik und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse zu historisieren. Durch die Verortung im Kontext der Erfindung der Nationalstaaten und im transnationalen Vergleich soll gefragt werden, welche historischen Bedingungen für die Entwicklung und den Einsatz von Statistik Bedeutung hatten. Zweitens soll gefragt werden, wie Statistiken Realität repräsentieren und wie sie dadurch eine kulturelle Wirklichkeit erzeugen, die dann geschichtswirksam wird. Dazu möchte die Tagung einen Zeitraum von der Einführung von Statistiken im 18. Jahrhundert bis zum Beginn des Kalten Krieges umfassen. Räumlich und kulturell will sie sich nicht auf eine westliche Binnenperspektive verengen, sondern auch Platz für transkulturelle und transnationale Vergleiche bieten. Schließlich fragt die Tagung nach dem wachsenden Einfluss der Mathematisierung auf die verschiedenen Agenturen der Datenerhebung seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und das Verschmelzen mathematisch-probabilistischer Methoden mit den herkömmlichen Praktiken der Datenauswertung.“

Der vollständige Call for Papers ist auf HSK zu finden.

Tagung: Archives and History. Making Historical Knowledge in Europe during the Long Nineteenth Century

Ebenfalls in Göttingen findet vom 26. bis 28. Juni 2014 diese Tagung statt, in der das Verhältnis von Archiven und Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert thematisiert wird. Zur Sprache kommen sowohl die Frage, wie Archive und Archivbestände gebildet wurden, als auch die Bedingungen der geschichtsforschenden Arbeit in und mit ihnen. Aus der Ankündigung durch den Veranstalter Philipp Müller:

Under which institutional conditions were historians able to undertake historical studies in archives? And how did these conditions of historical-archival research impinge on the production of historical knowledge? In looking into these two inextricably interlinked matters, the symposium highlights an essential, and ultimately scientific, attribute of historical work, rising to prominence in Europe during the long nineteenth century. In order to advance our understanding of the history of the study of records and files, its performance and ramifications for the making of historical knowledge, the symposium draws on different strands of scholarship and gathers experts from different fields of research such as the history of historiography, the history of sciences, anthropology and the history of archives.

Das Programm ist gleichfalls auf HSK abrufbar.

  1. Die Metapher ist hier entlehnt nach GEARY, Patrick J.: Entre gestion et gesta. Aux origines des cartulaires, in: GUYOTJEANNIN, Olivier – MORELLE, Laurent – PARISSE, Michel (Hrsg.): Les cartulaires. Actes de la Table ronde organisée par l’École nationale des chartes et le G.D.R. 121 du C.N.R.S. (Paris, 5–7 décembre 1991) (Mémoires et documents de l’École des chartes 39), Paris 1993, 13–26, hier 13. Vgl. die daran geknüpfte Diskussion bei KURATLI HÜEBLIN, Jakob: Archiv und Fälscherwerkstatt. Das Kloster Pfäfers und sein Umgang mit Schriftgut, 10. bis 18. Jahrhundert (Studia Fabariensia. Beiträge zur Pfäferser Klostergeschichte 4), Dietikon – Zürich 2010, 16–18.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/559

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Vortrag: FWF-Start-Projekt „Monastische Aufklärung“ zieht Projektbilanz (Wien, 28. Mai 2014)

Das FWF-Start-Projekt „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ (angesiedelt am Institut für Geschichte der Universität Wien und am Institut für österreichische Geschichtsforschung) läuft mit Anfang des Jahres 2015 aus. Mehrere Mitglieder der Projektgruppe präsentieren in der Vortragsreihe „Geschichte am Mittwoch“ am 28. Mai Ergebnisse der vergangenen fast sechs Projektjahre: von der Pez-Edition und dem digitalisierten Pez-Nachlass über mehrere aus dem Projekt hervorgegangene Sammelbände bis zu den weiteren Perspektiven einer Fortsetzung der Forschungen zur Geschichte der frühneuzeitlichen monastischen Gelehrsamkeit. http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/aktuelles/start-projekt-bei-geschichte-am-mittwoch.html   Zeit: Mittwoch, 28. Mai […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7236

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Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig unter neuer Leitung

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

 

Seit 1. August 2013 ist Dr. Miriam Halwani Leiterin der fotografischen Sammlung des Museum Ludwig in Köln. 1977 gegründet, ist die Sammlung eine der größten ihrer Art in Europa. Sie umfasst Bestände von frühen Daguerreotypien aus den Sammlungen Agfa und Lebeck über Reisefotografien, Werken der russischen Avantgarde bis hin zu zeitgenössischen Fotografien. Zeit für ein Gespräch mit der Kunsthistorikerin, die bereits für ihre Dissertation zur „Geschichte der Fotogeschichte 1839-1939“ intensiv in den Kölner Beständen recherchierte.

 

Dr. Miriam Halwani,Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Dr. Miriam Halwani, Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Lucia Halder: Frau Halwani, worum geht es in Ihrer Auftakt-Ausstellung am Museum Ludwig, und wann wird sie eröffnet?

 

Miriam Halwani: Die Ausstellung widmet sich der Fotografischen Sammlung und Sammlungsidee Erich Stengers. Stenger hatte 1906 angefangen, systematisch Zeugnisse der Fotogeschichte zu sammeln, d.h. außer Fotografien aller Verfahren und Anwendungsgebiete (explizit künstlerisch, wissenschaftlich, dokumentarisch) auch ganze Mappen, Bücher mit eingeklebten Fotografien, Schmuck und Hutnadeln mit eingelassenen Fotos, Handbücher, Karikaturen zur Fotografie oder auch Autografen. Bis 1955 hatte er so eine in ihrer Art einzigartige Sammlung zur Kulturgeschichte der Fotografie zusammengetragen, eine visuelle Enzyklopädie. Heute verwahrt das Museum Ludwig seine Sammlung. Stengers dezidiertes Ziel war aber die Einrichtung eines Fotomuseums, für das er konkrete Pläne vorlegte, die nun in der Ausstellung Das Museum der Fotografie. Eine Revision genutzt werden, um zwei Anliegen zu verfolgen: einmal dieses spezifische Museum im Museum vorzustellen, das Stengers Fotogeschichte erzählt – aus Sicht eines Kunstmuseum-Besuchers sicher eine alternative Fotogeschichte zu der der Highlights und großen Namen. Und zum andern soll die immer wieder formulierte Forderung nach einem grundlegenden Fotomuseum, die seit dem 19. Jahrhundert und bis heute immer wieder formuliert oder auch an unterschiedlichen Orten realisiert wurde, hinterfragt werden. Wozu eine Abgrenzung der Fotografie von anderen Bildverfahren? Das lässt sich mit Stengers Fotomuseum in einem Kunstmuseum wie dem Museum Ludwig wunderbar zur Diskussion stellen. Die Schau wird vom 28. Ju­ni bis zum 5. Ok­to­ber 2014 zu sehen sein.

 

L.H.: Henri Cartier-Bresson sagte über den Zusammenhang zwischen Kunst und Fotografie: „Die Fotografie ist ein Handwerk. Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“ Es hat auch tatsächlich lange gedauert, bis es die Fotografie ins Kunstmuseum geschafft hat. Ist der Diskurs, ob die Fotografie Kunst ist, im „age of visuality“ (W.J.T. Mitchell) mittlerweile Geschichte?

 

M.H.: Die Frage, ob Fotografie Kunst sei, so oft sie auch schon gestellt wurde, birgt letztlich eine Sprachfalle und kann zu keinem Ergebnis führen. Eine Fotografie ist eine Fotografie – ein Bild, ein Material, wenn Sie so möchten. Kunst ist eine Setzung. Interessant wird es erst, wenn wir uns von der beständig wabernden Definition von Kunst lösen und uns fragen, wie das Verhältnis der Bilder und Dinge zueinander ist, die Menschen produzieren, wie das Verhältnis der Menschen zu ihren Bildern und Dingen. Okwui Enwezor spricht vom Kunsthistoriker als Ethnologen. Ethnologen wollen Lebensweisen verstehen. Als Kunsthistorikerin möchte ich verstehen, welche Bedeutung Bilder im Leben der Betrachter spielten und spielen. – Übrigens hatte Henri Cartier-Bresson schon sehr früh, nämlich 1947, eine Ausstellung im MoMA. Ob Fotografie nun Kunst ist oder sein kann, haben Museumskuratoren also schon längst beantwortet.  

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine
27,5 x 39,9 cm

L.H.: In der Sammlung des Museum Ludwig befinden sich unterschiedlichste Bestände: Wissenschaftliche Fotografien, Reisefotografien, genuin künstlerische Aufnahmen, Dokumentarfotografien, Alben und Materialien zur Fotogeschichte. Was ist der rote Faden der Sammlung?

 

M.H.: Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig kann gar nicht nur einen roten Faden haben, weil sie sich aus verschiedenen Sammlungen zusammensetzt, die zu verschiedenen Zeiten nach verschiedenen Kriterien zusammengetragen wurden. Zu nennen sind allen voran die Sammlung Gruber, die Sammlung Agfa mit der Sammlung Stenger, die Sammlungen Robert Lebeck oder Daniela Mrazkova. Und genau diese Heterogenität ist es, die die Fotografische Sammlung ausmacht und es einem ermöglicht, genuin Forschung zu betreiben.  

 

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936 Print, Fotografie Silbergelatine 48 x 41 cm

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936
Print, Fotografie
Silbergelatine
48 x 41 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print, Silbergelatine 35,5 x 27,9 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print,
Silbergelatine
35,5 x 27,9 cm

 

L.H.: Was für ein Sammlungskonzept werden Sie in Zukunft verfolgen?

 

M.H.: Im Moment bin ich noch dabei, die Sammlung zu sichten, um zu erkennen, wo Lücken bestehen. Es ist wichtig, eine Sensibilität für die Zusammensetzung der Fotografischen Sammlung, aber auch die der anderen Sammlungen des Museum Ludwig zu gewinnen, bevor verantwortungsbewusste Erwerbungen für das Museum gemacht werden können. Es ist ja einiges auf dem Markt, und es werden einem fast wöchentlich Arbeiten angeboten. Überstürzen möchte ich nichts. Was einmal in der Sammlung ist, bleibt dort. Das zwingt zur Umsicht. Schließlich arbeitet ein Museum in anderen zeitlichen Dimensionen als beispielsweise ein Privatsammler.  

 

L.H.: „Inzwischen bin ich der Einzige, der weiß, wo die Dinge zu finden sind, aber ich hoffe, dies wird sich bald ändern“, sagte ihr Vorgänger Bodo von Dewitz in einem Interview im Jahr 2011.[1] Im Blick hatte er vermutlich die geplante Digitalisierung der Sammlung – derzeit ein großes Thema für viele Museen und Archive. Wie geht das Museum Ludwig damit um?

 

M.H.: Sie sprechen da ein Thema an, das mir sehr am Herzen liegt und leider in dem immer schneller werdenden Turnus an Sonderausstellungen leicht in den Hintergrund gerät. Die Fotografische Sammlung ist keine Privatsammlung und steht prinzipiell jedem offen. Nur, um bekannt zu machen, was im Museum Ludwig verwahrt wird, ist die Digitalisierung unumgänglich. Das ist bislang viel zu wenig geschehen – was auch schlicht eine Kostenfrage ist. Ich will Förderer gewinnen, die ermöglichen, die umfangreichen Bestände digital zu erfassen und online zu stellen, um es jedem zu ermöglichen, die Sammlung kennenzulernen, zu forschen, damit nicht immer über die gleichen Arbeiten gesprochen wird, weil sie einmal in einem Ausstellungskatalog gedruckt wurden. Der Kurator soll zwar physisch die Sammlung hüten, aber er sollte nicht der Einzige sein, der weiß, was sich in der Sammlung befindet. Mir ist das genauso wichtig, wie Ausstellungen zu machen. Nur ist es leichter, Geld für Ausstellungen zu akquirieren als für die vielleicht stillere, aber bei weitem nicht weniger nachhaltige Sammlungsarbeit.  

 

L.H.: Bodo von Dewitz sprach auch gerne von glücklichen „Fügungen“ und „Zufällen“ bei Neuerwerbungen. Gibt es solche Zufallsfunde und Fügungen im institutionalisierten Kunstmarkt heute überhaupt noch? 2010 ging beispielsweise ein Flohmarktfund durch die Presse: Entdeckt wurden Fotografien – vermutlich von Ansel Adams – im Wert von mehreren Millionen Dollar. Sind das Pressehypes oder ist das Fotohistoriker-Realität?

 

M.H.: Das ist nicht Alltag, aber es ist Realität. Es gibt so viele ungehobene, fast vergessene Fotos, Konvolute und Sammlungen von sehr guter Qualität, die noch in Privatbesitz sind und deren Wert erst nach und nach erkannt wird. Wie Sie wissen, hat sich ein Markt für Fotografie erst in den 1970er-Jahren etabliert. Das ist keine lange Zeit, um alle Dachböden und Archive durchstöbert zu haben oder um jedes Auge so zu schulen, Bestes von Gutem und Banalem zu unterscheiden. Aber je mehr Fotografie im Museum zu sehen ist, desto mehr bekommt man als Museum auch angeboten. Einiges ist vielleicht weniger interessant, anderes dafür eine „Entdeckung“.  

 

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

L.H.: Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Visual History mit der Visualität von Geschichte und gleichermaßen mit der Geschichte des Visuellen. Einer kulturgeschichtlich erweiterten Zeitgeschichte verpflichtet, fließen in das Forschungsfeld zahlreiche Aspekte benachbarter Disziplinen ein. Finden Sie sich als Kunsthistorikerin in den Fragestellungen der Visual History wieder?

 

M.H.: Ich habe die Kunstgeschichte nie als abgeschottet von anderen Disziplinen erlebt. Die Visual History kann sich ja auf Traditionen berufen, die älter sind als ihr Name. Aber natürlich wirft gerade der Umgang mit der Fotogeschichte Fragen auf, die sich mit den „klassischen“ Methoden der Kunstgeschichte nicht allein beantworten lassen.

 

L.H.: Frau Halwani, häufig bezeichnen Sie Fotografien übergreifend als „Bilder“. Sie haben offenbar einen ähnlich breiten Bildbegriff wie die noch recht junge Bildwissenschaft und Visual History. Beide machen ja zunächst keinen Unterschied zwischen Kunst- und Alltagsbildern. Spiegelt ihre Sammlung dies in gewisser Weise wider, die ja auch unterschiedlichste Genres vereint?

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

M.H.: Ja. Das ist auch genau das, was mich an der jetzigen Ausstellung so reizt: Erich Stenger sammelte abseits der künstlerischen Fotografie, die für ihn nur eines von zig Anwendungsgebieten der Fotografie war, wie er es nannte. Ebenso wichtig war ihm etwa die Tierfotografie, zum Beispiel Fotos von Möwen auf Helgoland aus den 1920er/30er-Jahren. Robert Lebeck kaufte Alben aus dem Japan des späten 19. Jahrhunderts, die auch nicht als „hohe Kunst“ verstanden wurden, aber nun mal existieren. Viele Fotografen der 1920er-Jahre, die Künstler der Avantgarde meine ich, haben die Unterscheidung Kunst/Dokument längst überworfen, an der heute mitunter noch geknabbert wird, wie Ihre Frage zeigt. László Moholy-Nagy zeigt in den 20ern Bilder in seinem Buch „Malerei Fotografie Film“, wie sie Stenger sammelte, und feiert in ihnen das neue Sehen. Diesen Schritt hat Stenger nie getan. Das zeigt, wie beliebig solche Setzungen oder Zuschreibungen sind. Darum will ich mir in meinen Erkundungen der Fotogeschichte die Tür offenhalten, und das tue ich am besten mit einem Begriff wie Bild, der weniger kategorisiert.  

 

L.H.: Horst Bredekamps Bildakt-Theorie gab einen wichtigen Impuls für die Visual History. Sie impliziert die Deutung von Bildern als Akteure bzw. handlungsstiftende Agenten. Der Fototheoretiker Bernd Stiegler mahnte jüngst, dass diese Umcodierung der Handlungstheorie durchaus dramatische Konsequenzen haben könne, da nun Handlung an die Bilder delegiert werde. „Nicht nur der Mensch, sondern auch (oder sogar vorrangig) sie [die Bilder, L.H.] sind es, die Geschichte machen, prägen und formen. Eine solche Bestimmung ist politisch wie theoretisch problematisch“, so Stiegler.[2] Teilen Sie die Ansicht einer „Bildermacht“ im Bredekamp’schen Sinne oder eher die Kritik daran?

 

M.H.: Dass Bilder einen Einfluss auf uns ausüben, ist unbestritten. Dass Bredekamp wieder jenen Einfluss thematisiert, der die Menschen seit Urzeiten fasziniert oder ängstigt, fand ich wohltuend und wichtig. Aber dennoch: Kein Bild kann handeln, sondern höchstens Handlungen verursachen. An dem Begriff „Macht“ störe ich mich, weil der auf der Betrachterseite Ohnmacht impliziert – und das ist falsch, das muss jedenfalls nicht der Fall sein. Die Bilder, die den Einfluss ausüben, sind ja von Menschen gemacht. So muss es also die Aufgabe etwa eines Museums sein, Augen und Bewusstsein zu schulen, um die Mechanismen zu verstehen, die uns zu den Bildern ziehen und vielleicht anregen, bestimmte Dinge zu tun, fühlen oder denken.

 

L.H.: Eine der musealen Kern-Aufgaben neben dem Sammeln, Bewahren, Ausstellen und Vermitteln ist das Forschen. An vielen Museen fehlt es mittlerweile an Zeit und Geld für diese Kernaufgabe. Wie sieht es bei Ihnen mit der Forschung an der Fotografischen Sammlung aus – ist die Sammlung des Museum Ludwig auch zugänglich für externe Wissenschaftler?

 

M.H.: Ich bin froh, durch den Lehrstuhl für Fotogeschichte und -theorie an der Kölner Universität die Möglichkeit zu haben, auch vor Ort Forschungen anzuregen. Und ich hoffe auf eine enge Zusammenarbeit. Tatsächlich könnte das ein Konflikt sein: diese hervorragenden Bestände zu sichten und nicht die Zeit zu haben, allen Fragen nachgehen zu können, wie es zur Zeit der Promotion noch möglich war. Aber ich muss das ja auch nicht alleine tun. Hauptsache ist doch, die Bestände werden öffentlich gemacht, in Ausstellungen, Publikationen, Datenbanken, und regen Wissenschaftler an, ins Museum Ludwig zu kommen und an den Objekten zu forschen. Wir haben einen Vorlageraum, die Möglichkeit besteht also ohne weiteres. Und es kommen regelmäßig Besucher aus der ganzen Welt, um für Ausstellungen oder Publikationen Einsicht in die Bestände zu nehmen. Meine Aufgabe ist es, ihnen den Zugang zu erleichtern und so das Wissen über die Sammlungsbestände zu vergrößern.

 

L.H.: Vielen Dank für das Gespräch!

 


[1] Bodo von Dewitz/Alexander Kraus/Andreas Renner, Kein Künstler, aber ein „verspielter Hund“: Bodo von Dewitz über das Kuratieren als kreativen Prozess , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: http://www.zeitenblicke.de/2011/2/Interview/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-31879.
[2] Bernd Stiegler, Rezension zu: Paul, Gerhard: BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, in: H-Soz-u-Kult, 29.11.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-4-173>.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/26/die-fotografische-sammlung-des-museum-ludwig-unter-neuer-leitung/

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Stellenausschreibung: Lexikographie

Im Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier | Trier Center for Digital Humanities ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle als

Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Wissenschaftliche Mitarbeiterin EG 13 TV-L (50%)

zu besetzen. Die Stelle ist zunächst befristet auf ein Jahr, es besteht aber die Möglichkeit zur Verlängerung bis zum 31.12.2016.

Zu den zentralen Aufgaben gehören die konzeptionelle Optimierung und Weiterentwicklung des Trierer Wörterbuchnetzes (woerterbuchnetz.de/). Im Trierer Wörterbuchnetz stehen zurzeit mehr als 20 unterschiedliche Nachschlagewerke zur Verfügung. Neben eigenen, durch das Kompetenzzentrum zumeist im Rahmen von drittmittelgeförderten (Retro-)Digita­lisierungsprojekten entstandenen Wörterbuchressourcen, können auch externe Nach­schlagewerke abgefragt werden. Eingebunden in ein Team von Digital Humanists, Informati­kern und Webdesignern ist der Stelleninhaber/die Stelleninhaberin verantwortlich für den weiteren Ausbau des Wörterbuchnetzes. Dazu gehören nicht nur die Einbindung weiterer Ressourcen, sondern auch die Anwendung innovativer Erschließungs- und Visualisierungs­methoden der digitalen Lexikographie und die Integration einer Social Media-Komponente.

Erwartet werden ein Hochschulabschluss im Sinne von § 56 Abs. 2 Nr. 1 Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz in einer Philologie mit historisch-sprachwissen­schaftlichem Schwerpunkt, Kenntnisse der Theorie und Praxis insbesondere der historischen Lexikographie und Lexikologie, Kenntnisse im Bereich der EDV-Philologie (XML, TEI, Daten­banken, Visualisierung) und digitalen Lexikographie, Erfahrung in der Organisation wissen­schaftlicher Arbeit und erwiesene Teamfähigkeit und Flexibilität sowie die Bereit­schaft, sich in neue Inhalte einzuarbeiten. Erwünscht ist außerdem Expertise in der Drittmittelakquise.

Das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1998 zu einem national und international etablierten Zentrum für Digital Humanities (DH) entwickelt. Es wird vom Land Rheinland-Pfalz sowie der Universität Trier gefördert.

Sein Ziel ist es, durch die (Weiter-)Entwicklung und Anwendung innovativer informations­technologischer Methoden und Verfahren geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Forschungsvorhaben zu unterstützen, neue Forschungsansätze in diesen Fachdisziplinen zu begründen und gleichzeitig zur Ausbildung neuer Forschungsfelder, Methoden und Metho­dologien in den informatiknahen Fächern beizutragen. Zum besonderen Profil des Zentrums gehören die Schaffung innovativer Erschließungs-, Vernetzungs- und Publikationsformen für geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Grundlagen­werke, die semantische Analyse und Visualisierung von größeren zusammenhängenden Textkorpora sowie die Entwicklung virtueller Forschungsumgebungen. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, Informatik und Computerlinguistik und die daraus resultierende Methoden- und Perspektivenvielfalt stehen dabei im Mittelpunkt des Zentrums. Die konsequente Verwendung offener Standards ist leitende Philosophie.

Weitere Informati­onen stehen auf der Homepage des Kompetenzzentrums zur Verfügung: www.kompetenzzentrum.uni-trier.de.

Wohnsitznahme in Trier ist erforderlich.

Schwerbehinderte werden bei entsprechender Eignung bevorzugt eingestellt.

Die Universität Trier ist bestrebt, die Zahl ihrer Wissenschaftlerinnen zu erhöhen, und fordert diese nachdrücklich zu einer Bewerbung auf.

Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugniskopien und Schriftenverzeichnis sind bis zum 08.06.2014 zu richten an die Wissenschaftliche Leitung des Kompetenzzentrums, Prof. Dr. Claudine Moulin, Universität Trier, Fachbereich II/Germanistik, D-54286 Trier (moulin@uni-trier.de).

Weitere Informationen können auch bei der Geschäftsführung des Kompetenzzentrums, Dr. Thomas Burch (burch@uni-trier.de) oder Dr. Vera Hildenbrandt (vera.hildenbrandt@uni-trier.de) eingeholt werden.

Wir bitten, Bewerbungsunterlagen nicht in Mappen oder Hüllen und auch nur als unbeglaubigte Kopie vorzulegen, da die Unterlagen nicht zurückgesandt werden; sie werden nach Abschluss des Auswahlverfahrens vernichtet. Bewerbungen in digitaler Form sind möglich; wir bitten alle Dokumente in einer PDF-Datei zusammenzufassen.

WM E 13 – KompZe_Stellenausschreibung_Lexikographie

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3552

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Stellenausschreibung: Projektmanagement

Im Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier | Trier Center for Digital Humanities ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle als

Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Wissenschaftliche Mitarbeiterin EG 13 TV-L (100%)

zu besetzen. Die Stelle ist zunächst befristet auf ein Jahr, es besteht aber die Möglichkeit zur Verlängerung bis zum 31.12.2016.

Zu den zentralen Aufgaben des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin gehören die Konzeption neuer Projektideen unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen im Bereich der Digital Humanities, die Ausarbeitung von Projektanträgen und die Administration und Koordination laufender Forschungsvorhaben in enger Zusammenarbeit mit der Leitung und Geschäfts­führung des Zentrums sowie den beteiligten externen Partnern.

Voraussetzung ist eine herausragende Promotion in einem geistes-, kultur- oder sozial­wissenschaftlichen Fach. Erwartet werden außerdem Erfahrungen im Bereich des Wissen­schaftsmanagements und der Projektakquise sowie auf dem Gebiet der digitalen Geistes­wissenschaften (insbesondere mit Standard-Technologien wie XML, TEI, UNICODE). Wenn Sie sich kreativ-konzeptionell in ein großes DH-Team einbringen möchten, flexibel und team­fähig sind und über die Bereitschaft verfügen, sich rasch in neue Inhalte einzuarbeiten, freuen wir uns über Ihre Bewerbung.

Das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1998 zu einem national und international etablierten Zentrum für Digital Humanities (DH) entwickelt. Es wird vom Land Rheinland-Pfalz sowie der Universität Trier gefördert.

Sein Ziel ist es, durch die (Weiter-)Entwicklung und Anwendung innovativer informations­technologischer Methoden und Verfahren geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Forschungsvorhaben zu unterstützen, neue Forschungsansätze in diesen Fachdisziplinen zu begründen und gleichzeitig zur Ausbildung neuer Forschungsfelder, Methoden und Metho­dologien in den informatiknahen Fächern beizutragen. Zum besonderen Profil des Zentrums gehören die Schaffung innovativer Erschließungs-, Vernetzungs- und Publikationsformen für geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Grundlagen­werke, die semantische Analyse und Visualisierung von größeren zusammenhängenden Textkorpora sowie die Entwicklung virtueller Forschungsumgebungen. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, Informatik und Computerlinguistik und die daraus resultierende Methoden- und Perspektivenvielfalt stehen dabei im Mittelpunkt des Zentrums. Die konsequente Verwendung offener Standards ist leitende Philosophie.

Weitere Informati­onen stehen auf der Homepage des Kompetenzzentrums zur Verfügung: www.kompetenzzentrum.uni-trier.de.

Wohnsitznahme in Trier ist erforderlich.

Schwerbehinderte werden bei entsprechender Eignung bevorzugt eingestellt.

Die Universität Trier ist bestrebt, die Zahl ihrer Wissenschaftlerinnen zu erhöhen, und fordert diese nachdrücklich zu einer Bewerbung auf.

Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugniskopien, ev. Schriftenverzeichnis sind bis zum 8. Juni 2014 zu richten an die Wissenschaftliche Leitung des Kompetenzzentrums, Prof. Dr. Claudine Moulin, Universität Trier, Fachbereich II/Germanistik, D-54286 Trier (moulin@uni-trier.de).

Weitere Informationen können auch bei der Geschäftsführung des Kompetenzzentrums, Dr. Thomas Burch (burch@uni-trier.de) oder Dr. Vera Hildenbrandt (hildenbr@uni-trier.de) eingeholt werden.

Wir bitten, Bewerbungsunterlagen nicht in Mappen oder Hüllen und auch nur als unbeglaubigte Kopie vorzulegen, da die Unterlagen nicht zurückgesandt werden; sie werden nach Abschluss des Auswahlverfahrens vernichtet. Bewerbungen in digitaler Form sind möglich; wir bitten alle Dokumente in einer PDF-Datei zusammenzufassen.

WM E 13 – KompZe_Stellenausschreibung_Projektmanagement

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3546

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Zwei Sammlungen von China-Karikaturen (1900)

Die militärische Intervention zur Unterdrückung der Yihetuan 義和團-Bewegung (1900/01) war (wie an anderer Stelle ausgeführt) in den Zeitungen Europas das Thema des Sommers  des Jahres 1900, in allgemeinen Zeitungen, aber auch in satirisch-humoristischen Blättern – es ist daher wenig überraschend, dass schon zeitnah Sammlungen von China-Karikaturen erschienen. Zwei dieser Sammlungen sollen in diesem Beitrag vorgestellt werden.

Vermutlich Ende1900 gab der Journalist und Kunsthistoriker John Grand-Carteret (1850-1927) eine Sammlung von China-Karikaturen heraus. Der Titiel – Chinois d’Europe et chinois d’Asie : documents illustrés pour servir à l’histoire des
chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900. (([John Grand Carteret:] Chinois d’Europe et chinois d’Asie : documents illustrés pour servir à l’histoire des chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900. Recueillis et mis en ordre par John Grand-Carteret collectionneur ès-chinoiseries. (Paris : Libraire illustrée Montgredien, 1900). – Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0.)) – erscheint etwas irreführend, denn es handelt sich um eine Sammlung von Karikaturen aus europäischen und amerikanischen Blättern.

Die rund 170 Karikaturen sind etwa 50 verschiedenen Blättern entnommen. Darunter finden sich viele der bekannten Blätter wie Punch (London), Le Charivari (Paris), Simplicissimus[1], Kladderadatsch[2], Puck (New York), Kikeriki[3], Figaro ((Digitalisiert bei ANNO -  S/W und in zum Teil eher schlechter Qualität.)) und Floh[4]. Darunter finden sich aber auch Blätter, die heute zum Teil vergessen sind: Papagallo (Bologna), Pasquino (Torino), Bolond Istök und Borsszem Jankö, El Cardo (Madrid) oder Humoristické listy[5]
Zu jeder Karikatur wird die Quelle – Titel der Zeitschrift und Datum – angegeben, Titel und Texte der einzelnen Karikaturen sind in französischer Übersetzung angeführt – wobei die Übersetzungen in manchen Fällen den ursprünglichen Text verzerren oder gar grob verfälschen …

Die Sammlung beginnt mit einigen französischen Karikaturen aus der Zeit des so genannten Zweiten Opiumkrieges (1856-1860) aus den späten 1850er und frühen 1860er Jahren, mit deutschen Karikaturen zur Reform der chinesischen Armeen aus den 1880er und 1890er Jahren und mit Karikaturen zur Europareise Li Hongzhangs. Der überwiegende Teil der Karikaturen bezieht sich auf die Ereignisse des Sommers 1900.

Ein deutschsprachiges Gegenstück ist das Album “Zopf ab” : die chinesische Affaire im Lichte der europäischen Karikatur[6]

In diesem Band finden sich neben Karikaturen aus satirisch-humoristischen Blättern Europas auch satirische Texte, die diesen Blättern entnommen sind. In der Regel wird nur der Titel des Blattes (häufig in Abkürzung) genannt, das genaue Datum fehlt.

Sammelalben wie die beiden hier vorgestellten zeigen, dass der China-Diskurs in der satirisch-humoristischen Publizistik weit über simple Bildchen von ‘kleinen gelben Männchen mit langem Zopf und komischer Kleidung’ hinausgeht. Texte und Bilder zeugen von Fakten- und Kontextwissen zu den Ereignissen in China, aber auch von Wissen um chinesische Besonderheiten (im weitesten Sinn) beim Publikum, denn kein Karikaturist hätte in seinen Arbeiten Markierungen verwendet, von denen er annehmen musste, dass das Publikum sie nicht spontan erkennt …

  1. Digital: simplicissimus.info.
  2. Digitalisat: UB Heidelberg.
  3. Digitalisiert bei ANNO-  S/W und in zum Teil eher schlechter Qualität
  4. Digitalisiert bei ANNO – der Floh war das erste Wiener Blatt mit farbigem Titelblatt, weshalb hier das (teilweise sehr schlechte)  S/W-Digitalisat kritisch anzumerken ist.
  5. Digitalisat: Ústav pro českou literaturu AV ČR.
  6. “Zopf ab” : die chinesische Affaire im Lichte der europäischen Karikatur (Berlin : Verlag von Dr. Eysler [1900]]. Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1502

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Du musst Caligari finden!

Ein Interview mit Werner Sudendorf zu einem der wohl berühmtesten expressionistischen Stummfilme der 1920er Jahre: Das Cabinet des Dr. Caligari

Interview bearbeitet von Diana Kühndel

Werner Sudendorf ist Sammlungsleiter der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin. Anlässlich der Wiederaufführung des expressionistischen Stummfilms „Das Cabinet des Dr. Caligari“ 2014 bei der Berlinale wurde er von Studentinnen des Seminars Filmedition der Freien Universität Berlin interviewt. Das Seminar Filmedition im Masterstudiengang Editionswissenschaft an der FU Berlin wurde von Dr. Anna Bohn geleitet.

 

Herr Sudendorf, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, für ein Gespräch über die Sammlung in der Kinemathek und natürlich über „Caligari“ zur Verfügung zu stehen. Wie und was sammelt man denn hier überhaupt?

Was gesammelt wird, das bestimmen zum einen Angebot und Nachfrage. Das heißt, es gibt Leute, die uns anrufen und sagen, wir haben das und das und möchten Sie das haben? Das ist sehr viel mehr geworden seit dem Umzug der Deutschen Kinemathek an den Potsdamer Platz im Jahr 2000. Uns [die Deutsche Kinemathek, Anm. D.K.] gibt es ja seit 50 Jahren, ich bin hier seit 32 Jahren. Das ist sehr viel mehr geworden, seitdem das Filmmuseum im Jahr 2000 eröffnet wurde. Dann gibt es Leute, die z.B. die Illustrierten Filmkuriere bzw. die Illustrierte Filmbühne gesammelt haben und das wird dann hier abgegeben, damit das auch in Zukunft seinen Wert behält. Von diesen Programmserien haben wir sehr viele Nummern. Es gibt auch Leute, die uns Fotos bringen, einfach Personen, die mit Nachlässen zu tun haben von Vater, Großvater oder wem auch immer, und dafür einen sicheren Platz suchen. Das sind die kulturell interessierte Menschen, die uns auch als Hilfestellung brauchen. So entscheiden wir manchmal, wenn uns eine Person interessiert, von der wir wissen, die hat im Film lange Zeit gearbeitet oder sehr erfolgreich gearbeitet, ob wir Hilfe bei der Bewältigung des Nachlasses anbieten. Viele sind mit der Hinterlassenschaft ihrer Verwandten überfordert und freuen sich, wenn sich ein Museum dafür interessiert.

Manchmal wird aber auch eine Ausstellung – wie aktuell zu Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931), dessen Geburtstag sich zum 125. Mal jährt – ausgearbeitet, und dazu wird dann recherchiert und vorhandenes Material ausgewertet[& Publikation von Sudendorf u.a.]. Man muss auch stets recherchieren, wer die Rechte z.B. an Bildmaterial, das gezeigt werden soll, verfügt. Die Kinemathek hat ein sehr umfangreiches Fotoarchiv und erweitert stets die Sammlung, was als Institution leichter fällt als wenn man ein Privatsammler wäre. Im Grunde aber ist die Erwerbungspolitik nach zwei einfachen Prinzipien aufgebaut: Interesse (das heißt, wir interessieren uns für eine bestimmte Zeit, ein Thema, eine Person) und Recherche. Wer nicht recherchiert, wer nicht fleißig ist, dem kommt das Glück auch nicht zur Hilfe – ganz einfach. Und auch das Glück – oder nennen wir es den Zufall – ist ein sehr verlässlicher Partner.

Drittens haben wir noch die Langzeitperspektive. Das heißt, Sachen, die ich vor zehn Jahren oder noch länger begonnen habe, kommen jetzt langsam zur Reife. Zum Teil tauchen auch bei verschiedenen Auktionen immer wieder einmal interessante Materialien oder Nachlässe auf, aber zum Ankauf fehlt uns [der Deutschen Kinemathek, Anm. D.K.] meistens das Geld. Die Eigentümer von filmrelevanten Unterlagen wollen „umworben“ und in ihrer Person wahrgenommen werden.

Häufig ist es aber zunächst ein Hinweis, dem man nachgeht und manchmal kommen dann tatsächlich neue Dokumente zum Vorschein.

Und wie war es bei „Caligari“? Wie wurde das Drehbuch gefunden?

Das ist eine ganz lange Geschichte. Also, sie beginnt zu der Zeit, als ich in Paris lebte, irgendwann in den 1970erJahren, und dort in einer Buchhandlung ganz viele Jahresbände der Tageszeitschrift „Filmkurier“ sah. Diese Tageszeitschrift war die wichtigste deutsche Filmzeitschrift von 1919 bis 1945. Gero Gandert war immer hinterher, diese Zeitschrift zu kaufen. Gero Gandert ist der Seniorkurator hier. Ich habe ihn angerufen und mitgeteilt: „Diese Zeitschrift gibt es hier, kostet so und so viel“, und er ist nach Paris gekommen. Als er ankam und wir in diese Buchhandlung gingen, war die Zeitschrift weg, weil die Verkäufer nicht wollten, dass Deutsche das kaufen –  nehme ich an. Das war natürlich eine herbe Enttäuschung. Unter anderem haben wir dann Lotte Eisner, die französische Filmkritikerin und Filmhistorikerin, besucht. Gero Gandert sprach mit ihr über seine Passion, Drehbücher zu sammeln und fragte sie, „Wissen Sie vielleicht, wo das Drehbuch von Caligari ist?“ Und sie sagte: „Ja, nach meiner Information müsste das bei Werner Krauß am Mondsee sein.“ Das hat sie auch schon immer in den sechziger Jahren gesagt. Dann ist Gandert wieder zurückgekommen, hat Frau Krauß angerufen und tatsächlich, das Drehbuch war da. Nach eingehenden Gesprächen mit Frau Krauß ist das Drehbuch nach Berlin gekommen (Abb. 1). Der Zustand des Drehbuchs war in Ordnung, also das war nicht irgendwie zerfleddert oder sowas, es war auch nicht bestückt, also es war nicht mit Eintragungen usw., was man sonst gern hätte.

Das Drehbuch zu „Das Cabinet des Dr. Caligari“ Foto: Teja Häuser, Quelle: Schriftgutarchiv Deutsche Kinemathek Berlin, Archivsignatur: SDK 9245

Abb. 1: Das Drehbuch zu „Das Cabinet des Dr. Caligari“
Foto: Teja Häuser, Quelle: Schriftgutarchiv Deutsche Kinemathek Berlin, Archivsignatur: SDK 9245

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/335

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Die Deadline unseres Call4Papers zum Thema “Emotionen: Wie sozial sind unsere Gefühle?” endet am 31.05.2014!

Wie soziologisch relevant ist es eigentlich, wenn wir uns freuen, lachen, weinen oder wütend sind? Wenngleich sich bereits einige soziologische Klassiker wie Max Weber, Émile Durkheim, Georg Simmel, Norbert Elias und Erving Goffman mit Emotionen beschäftigt haben, kann dennoch von … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6320

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AbteilungsleiterIn Spezialsammlungen gesucht

Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen) gehört auch hinsichtlich ihrer wertvollen Sondersammlungen zu den führenden Bibliotheken Deutschlands. Durch einen planmäßigen Aufbau seit ihrer Gründung verfügt sie über exzellente Sammelschwerpunkte im Bereich der Alten Drucke (18. Jahrhundert), der Handschriften, wissenschaftlichen Nachlässe und Karten. Sie ist an zahlreichen Projekten und Initiativen maßgeblich beteiligt, um die Erweiterung, Erhaltung, Erschließung und Verfügbarkeit ihrer Sammlungen voran zu bringen. Diese Anstrengungen umfassen insbesondere die digitale Verfügbarkeit ihrer Sammlungen für die Wissenschaft weltweit.

Für die Leitung der Abteilung sucht die SUB Göttingen zum 1.11.2014

Eine Abteilungsleiterin / einen Abteilungsleiter Spezialsammlungen (A 15 BBesO)

 Für die erfolgreiche Wahrnehmung dieser Stelle bestehen folgende Voraussetzungen:

  • Umfangreiche Praxis in der wissenschaftlichen Nutzung des kulturellen Erbes
  • Promotion im Bereich der Geisteswissenschaften oder der Wissenschaftsgeschichte
  • breite Kenntnisse der Best Practice im Bereich der Digitalisierung und digitalen Verfügbarmachung
  • gute Fremdsprachenkenntnisse (v.a. Latein, Englisch)
  • Teamfähigkeit, Erfahrungen mit Führungsaufgaben
  • Erfahrungen mit Projektdurchführung und Drittmittelförderung
  • Laufbahnbefähigung für die Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, an wissenschaftlichen Bibliotheken. Falls die Laufbahnbefähigung nicht vorliegt bzw. andere Voraussetzungen für eine Verbeamtung fehlen, kann eine Beschäftigung nach TV-L erfolgen.

Von Vorteil wären:

  • Berufserfahrung in den Sondersammlungen einer wissenschaftlichen Bibliothek, vor allem in den  Bereichen Erwerbung, Erschließung und Bestandsvermittlung
  • nachweisbares nationales und internationales einschlägiges Netzwerk
  • praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Digital Humanities
  • abgeschlossenes Studium der Historischen Grund- bzw. Hilfswissenschaften
  • Erfahrungen in den Bereichen Konservierung, Restaurierung und Ausstellungen

Für Rückfragen steht Ihnen der stellv. Direktor der SUB Göttingen Herr Dr. Rupert Schaab (schaab@sub.uni-goettingen.de), +49 551 39-5214 (Tel.), gerne zur Verfügung.

Bewerbungen erwarten wir bis zum 16.6.2014 an den Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 1, 37073 Göttingen oder an die Personalabteilung (kanzlei@sub.uni-goettingen.de).

Reichen Sie bitte die Bewerbungsunterlagen nur in Kopie ein. Die Unterlagen werden nach einer Aufbewahrungsfrist von fünf Monaten nach Abschluss des Verfahrens vernichtet. Eine Rücksendung erfolgt nur, wenn der Bewerbung ein ausreichend frankierter und adressierter Rückumschlag beigefügt ist.

Die Universität Göttingen strebt in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind,
eine Erhöhung des Frauenanteils an und fordert daher qualifizierte Frauen ausdrücklich zur Bewerbung auf. Schwerbehinderte Menschen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3538

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