“Working for the Common Good”: Prisons and the Ottoman War Effort during Worlds War I
During the hight of Ottoman involvement in the Great War (1914-1918), the Comittee of Union and Progress (CUP) led government continued to carry out an agressive penal reform program in an attempt to overhaul the empire’s sprawling and dilapidated network of prisons. Ottoman officials exerted great amounts of time, energy, and resources gathering statistics, conducting investigations, and implementing reforms. In 1916, the Ottoman government even hired a prominent German civilian criminal psychiatrist and prison reformer, Dr. Paul Pollitz, to oversee these efforts. Though these prison reforms predate the onset of WWI, Ottoman prisons were quickly incorporated into the Ottoman “total war” effort in terms of working for the common good (menafi-yi umumi). In other words, prisons served many wartime purposes.
Vortrag zum Themenkomplex Ersten Weltkrieg in englischer Sprache von Prof. Kent F. Schull (Binghamton University).
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der türkischen Stiftung Geschichte (Tarif Vakfi).
Wo: Orient-Institut Istanbul
Wann: 17. März 2014, 19 Uhr
Numalire – Buchdigitalisierung mittels Crowdfunding (Mittwochstipp 33)
Mit Numalire ist im September 2013 ein Angebot ins Leben gerufen worden, das gezielte Digitalisierungen aus den Altbeständen mehrerer französischer Bibliotheken dank einer Kostenverteilung durch Crowdfunding – die Betreiber bevorzugen die Bezeichnung Subskription – ermöglichen will. Dahinter steht das Startup YABé, … Continue reading →
Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in gesucht!
An der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von 12 Monaten im Rahmen des aus Mitteln des Niedersächsischen Vorab geförderten Projekts „Digital Humanities – Computerbasierte Infrastruktur, Forschung und Lehre in den Geistes‐ und Sozialwissenschaften” die befristete Stelle einer/eines Wiss. Mitarbeiterin/Mitarbeiters (13TV-L) zu besetzen.
Das Kooperationsprojekt, angesiedelt im Kontext des Göttinger Center for Digital Humanities, hat zum Ziel, hochwertige, wissenschaftlich zuverlässige und zitierfähige Texte und Datenbanken aus editions- und textbasierten Projekten der Frühen Neuzeit an der Herzog August Bibliothek nach Maßgabe standardisierter Formate zu homogenisieren und in einem zentralen Portal zusammenzuführen. Langfristig wird das Material über Schnittstellen unter Nutzung moderner Semantic Web-Technologien zur Verfügung gestellt.
Den gesamten Ausschreibungstext finden Sie hier.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3182
Luftbildfotografie im Ersten Weltkrieg

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.
Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.
Der Erste Weltkrieg war die erste militärische Auseinandersetzung, in der größere Luftstreitkräfte zum Einsatz kamen. Ihre Aufgaben waren die Feindaufklärung aus der Luft, die Erkundung feindlicher Ziele, die Schussbeobachtung der Artillerie und die Bekämpfung von gegnerischen Luft- und Bodenstreitkräften. Eingesetzt wurden Ballone, Luftschiffe und Flugzeuge. Und erstmals wurden zu unterschiedlichen Zwecken Luftbilder aufgenommen.
Die frühesten Luftaufnahmen stammen von dem französischen Fotografen Nadar (eigentlich: Gaspard-Félix Tournachon, 1820-1910), der im Jahr 1858 Fotografien aus einem Fesselballon anfertigte. Noch vor der Jahrhundertwende testeten die neu geschaffenen Luftschiffer-Abteilungen in Preußen oder in Bayern Kameras auf ihre militärische Tauglichkeit.[2] Zunehmend wurden dabei verschiedene Aufnahmetechniken entwickelt: die Schrägaufnahme, die Senkrechtaufnahme, das Reihenbild und das Raumbild aus Stereoaufnahmen. Die Fotografien hatten dabei häufig eine erstaunliche Brillanz, bedenkt man, wie empfindlich und schwer die Glasnegative waren, die von Formaten von 9 x 12 cm bis 18 x 24 cm reichten.
Im Archiv des Deutschen Museums[3] finden sich aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zahlreiche Fotografien. Häufige Motive sind Gruppenaufnahmen vor dem eigenen Flugzeug oder abgeschossene bzw. abgestürzte Flugzeuge. Breit abgelichtet wurden die am Krieg beteiligten Flugzeuge und ihre Besatzungen. Neben den eher militärischen Aufnahmen sind aber auch private Szenen des Soldatenlebens festgehalten. Ein interessantes Album stammt aus dem Besitz des als „Fliegerdichter“ bezeichneten Schriftstellers Peter Supf (1886-1961), dessen umfangreicher Nachlass sich heute im Archiv des Deutschen Museums befindet. Supf war Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Viele Aufnahmen zeigen dementsprechend die Flugzeuge und Bewaffnung seiner Einheit, Flugplätze und abgeschossene Flugzeuge. Das Album hält darüber hinaus zahlreiche Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg fest, wobei Fotografien von privaten Feiern, Kegelabenden und Weihnachtsfeiern dominieren.
Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916
Bemerkenswert ist, dass sich darin auch eher ungewöhnliche Aufnahmen finden. So sind verschiedene Luftbildaufnahmen erhalten. In der Regel wurden diese aus einer Höhe zwischen 1000 und 2000 Metern angefertigt. Nur selten kam es vor, dass Aufklärungsflüge in große Höhen führten. Ein Beispiel ist der Flug des Piloten Leutnant Schöller und seines Beobachters Leutnant Föhles, die beide zur Abteilung Supfs gehörten. Dabei handelte es sich um die bayerische Fliegerabteilung 286, die im dritten Kriegsjahr 1916 auf dem Flughafen von Condé-lès-Herpy nördlich von Reims stationiert war.
Die abgebildete Aufnahme stammt vom Dezember 1916, als beide Flieger schwere Gesichtserfrierungen erlitten, nachdem sie aus einer Höhe von 5000 Metern Aufnahmen geschossen hatten. Das Foto zeigt den Beobachter Föhles kurz nach der Landung. Deutlich zu erkennen sind die Erfrierungen derjenigen Gesichtspartien, die nicht von der Fliegerbrille und dem Fliegerhelm an der Stirn und am Kinn geschützt waren.
Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916
Im Album von Peter Supf ist auch das Fotolabor abgebildet, in dem die Fliegerabteilung ihre Luftaufnahmen entwickelte. Dies lenkt den Blick auf die technische Ausstattung, die der Luftaufklärung der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg zur Verfügung stand. Zum Einsatz kamen Fliegerkameras unterschiedlicher Hersteller. In der Regel handelte es sich um Apparate mit einer Glasplattengröße von 13 x 18 cm. Die Wechselkassetten enthielten fast durchgängig sechs Platten. In den Anfängen der militärischen Luftbildfotografie hatte man sich mit Formaten 9 x 13 und Brennweiten von 15 und 18 cm begnügt. Nachdem aber insbesondere die Abwehrfeuer der feindlichen Artillerie Flughöhen über 2000 Meter erforderten, musste man die Apparate auf 25 und 30 cm Brennweite und größere Glasplattenformate umstellen. Für die Handhabung der Kameras war keine fotografische Ausbildung notwendig. Das Entwickeln der Platten übernahmen professionelle Fotografen.
Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916
Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916
In einem „Lehrbehelf“ stellte der österreichisch-ungarische Oberleutnant der Reserve Alfred Thiel die wichtigsten Fliegerkameras vor, die in Deutschland und Österreich eingesetzt wurden.[4] Behandelt werden im Einzelnen:
1. Lechner-Fliegerkamera (13 x 18 cm)
2. Goldmann-Fliegerkamera (13 x 18 cm)
3. Ica-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
4. Zeiss-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
5. Goerz-Kamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
6. Ernemann-Fliegerkameras (13 x 18 cm)
7. Voigtländer-Fliegerkameras (13 x 18 cm)
8. Reihenbilder der Firma Messter, Berlin
9. Stereo-Herzig-Kameras
In die Informationsschrift Thiels sind auch Tafeln mit eingeklebten Originalfotografien zu „Orthochromatischen Platten“ und zu „Lichthoffreien Platten“[5] eingefügt. Interessant ist die Tafel III mit Vorgaben für Aufnahmen aus Flugzeugen.
Große militärische Bedeutung hatten Luftaufnahmen der gegnerischen Stellungen. Das Beispiel zeigt ein Luftbild vom 20. Oktober 1916. Es findet sich eingeklebt in einem Album im Archiv des Deutschen Museums.[6] Erhalten sind Fotografien der deutschen Westfront aus der Gegend um Thiaumont, Douamont, Bras sur Meuse und Vacherauville, also von einem Gebiet nördlich von Verdun. Sie wurden von der Fliegerabteilung 44 aufgenommen. Deutlich zu sehen ist auf einem Bild die vorgeschobene Befestigungsanlage in der Mitte. Dahinter ist eine doppelte Festungslinie erkennbar. Vermutlich wurde die Aufnahme in Zusammenhang mit der Beschießung durch die deutsche Artillerie angefertigt, um den Erfolg der Bombardierung zu messen. Auf dem Foto sind Hunderte von Bombentrichtern zu sehen.
Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916
Die Luftbildfotografie hat über den militärischen Aspekt hinaus bleibenden Wert. Besondere Bedeutung haben die Luftaufnahmen, welche von der bayerischen Fliegerabteilung 304 stammen.[7] Die Einheit wurde 1917 von Schleißheim bei München nach Palästina verlegt. Von ihrer Tätigkeit sind noch heute 2526 Luftaufnahmen erhalten. Sie sind für die Alltags- und Verkehrsgeschichte und für die Archäologie der Region wichtig. So sind auf den Fotografien Umrisse von Ruinen alter Kreuzfahrerburgen oder auch Orte zu identifizieren, die aus der Antike bekannt sind. Die Aufnahmen sind online im Netz verfügbar.[8]
[1] Zur Thematik der angeblichen „Kriegsbegeisterung“ vgl. Jean-Jacques Becker, Comment les Français sont entrés dans la guerre. Contribution à l’étude de l’opinion publique printemps-été 1914, Paris 1977; Jeffrey Verhey, The Spirit of 1914: Militarism, Myth and Mobilization in Germany, Cambridge 2000; Wolfgang Kruse, Kriegsbegeisterung? Zur Massenstimmung bei Kriegsbeginn, in: ders. (Hrsg.), Eine Welt von Feinden. Der große Krieg 1914-1918, Frankfurt a.M. 1997, S. 159-166; Oliver Janz, Der Krieg als Opfergang und Katharsis. Gefallenenbriefe aus dem Ersten Weltkrieg, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (Hrsg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Wiesbaden 2005, S. 397-402.
[2] Vgl. Rainer Braun, Übungsflüge und Übungsluftaufnahmen über Bayern 1912-1918. Die bayerischen Flieger-Beobachter, ihre Ausbildung in Schleißheim und ihr Bildbestand, in: Oberbayerisches Archiv 117/118 (1993/1994), S. 131-154.
[4] Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916; Deutsches Museum, München, Archiv, LR 00387. Eine ähnliche Einweisung in die Luftbildfotografie publizierte Leutnant Wecker, Die Erkundung aus Fliegerbildern, Wahn o.J. [ca. 1916; mit zahlreichen eingeklebten Fotografien].
[5] Farbempfindliche oder orthochromatische und lichthoffreie Platten nennt man solche Fotoplatten, die für einige Farben besonders empfindlich sind. Erst seit ca. 1884 gelang es, Fotoplatten entsprechend zu beschichten. Für Höhenaufnahmen kamen nur orthochromatische Platten in Frage, da bei diesen die notwendige Rotempfindlichkeit gegeben war. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Platten der Firma Hauff und von AGFA im Einsatz. Bei einer Aufnahme gegen einen grell beleuchteten Gegenstand entstand auf der Platte ein weißer Fleck, den man „Lichthof“ nannte. Die Erklärung lag in der Reflexion von Lichtstrahlen begründet, die durch die Fotoplatten hindurchgingen. Durch spezielle Beschichtungen konnten lichthoffreie Platten produziert werden. Diese basierten auf Forschungen von Adolf Miethe und Adolf Traube in Berlin um 1900.
[6] Deutsches Museum, München, Archiv, LR 02118/1.
[7] Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hrsg.), Bayern und seine Armee. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs aus den Beständen des Kriegsarchivs, München 1987, S. 82f.
[8] Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Bildsammlung Palästina.
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/03/11/luftbildfotografie-im-ersten-weltkrieg/
Luftbildfotografie im Ersten Weltkrieg

Die „Maschinengewehrkamera“ wurde im Ersten Weltkrieg von Oskar Messter (1866-1943) entwickelt und von der Firma Ernemann in Dresden gebaut. Vorbild war das reale Maschinengewehr MG 08. Die Handgriffe des Abzugs waren identisch, ebenso die Visiereinrichtung. Statt eines Patronengürtels enthielt die Kamera einen Filmstreifen.
Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.
Der Erste Weltkrieg war die erste militärische Auseinandersetzung, in der größere Luftstreitkräfte zum Einsatz kamen. Ihre Aufgaben waren die Feindaufklärung aus der Luft, die Erkundung feindlicher Ziele, die Schussbeobachtung der Artillerie und die Bekämpfung von gegnerischen Luft- und Bodenstreitkräften. Eingesetzt wurden Ballone, Luftschiffe und Flugzeuge. Und erstmals wurden zu unterschiedlichen Zwecken Luftbilder aufgenommen.
Die frühesten Luftaufnahmen stammen von dem französischen Fotografen Nadar (eigentlich: Gaspard-Félix Tournachon, 1820-1910), der im Jahr 1858 Fotografien aus einem Fesselballon anfertigte. Noch vor der Jahrhundertwende testeten die neu geschaffenen Luftschiffer-Abteilungen in Preußen oder in Bayern Kameras auf ihre militärische Tauglichkeit.[2] Zunehmend wurden dabei verschiedene Aufnahmetechniken entwickelt: die Schrägaufnahme, die Senkrechtaufnahme, das Reihenbild und das Raumbild aus Stereoaufnahmen. Die Fotografien hatten dabei häufig eine erstaunliche Brillanz, bedenkt man, wie empfindlich und schwer die Glasnegative waren, die von Formaten von 9 x 12 cm bis 18 x 24 cm reichten.
Im Archiv des Deutschen Museums[3] finden sich aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zahlreiche Fotografien. Häufige Motive sind Gruppenaufnahmen vor dem eigenen Flugzeug oder abgeschossene bzw. abgestürzte Flugzeuge. Breit abgelichtet wurden die am Krieg beteiligten Flugzeuge und ihre Besatzungen. Neben den eher militärischen Aufnahmen sind aber auch private Szenen des Soldatenlebens festgehalten. Ein interessantes Album stammt aus dem Besitz des als „Fliegerdichters“ bezeichneten Schriftstellers Peter Supf (1886-1961), dessen umfangreicher Nachlass sich heute im Archiv des Deutschen Museums befindet. Supf war Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Viele Aufnahmen zeigen dementsprechend die Flugzeuge und Bewaffnung seiner Einheit, Flugplätze und abgeschossene Flugzeuge. Das Album hält darüber hinaus zahlreiche Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg fest, wobei Fotografien von privaten Feiern, Kegelabenden und Weihnachtsfeiern dominieren.
Erfrierungen während eines Aufklärungsflugs: Leutnant Föhles kurz nach der Landung, 1916
Bemerkenswert ist, dass sich darin auch eher ungewöhnliche Aufnahmen finden. So sind verschiedene Luftbildaufnahmen erhalten. In der Regel wurden diese aus einer Höhe zwischen 1000 und 2000 Metern angefertigt. Nur selten kam es vor, dass Aufklärungsflüge in große Höhen führten. Ein Beispiel ist der Flug des Piloten Leutnant Schöller und seines Beobachters Leutnant Föhles, die beide zur Abteilung Supfs gehörten. Dabei handelte es sich um die bayerische Fliegerabteilung 286, die im dritten Kriegsjahr 1916 auf dem Flughafen von Condé-lès-Herpy nördlich von Reims stationiert war.
Die abgebildete Aufnahme stammt vom Dezember 1916, als beide Flieger schwere Gesichtserfrierungen erlitten, nachdem sie aus einer Höhe von 5000 Metern Aufnahmen geschossen hatten. Das Foto zeigt den Beobachter Föhles kurz nach der Landung. Deutlich zu erkennen sind die Erfrierungen derjenigen Gesichtspartien, die nicht von der Fliegerbrille und dem Fliegerhelm an der Stirn und am Kinn geschützt waren.
Fotokammer der bayerischen Fliegerabteilung 296, 1916
Im Album von Peter Supf ist auch das Fotolabor abgebildet, in der die Fliegerabteilung ihre Luftaufnahmen entwickelte. Dies lenkt den Blick auf die technische Ausstattung, die der Luftaufklärung der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg zur Verfügung stand. Zum Einsatz kamen Fliegerkameras unterschiedlicher Hersteller. In der Regel handelte es sich um Apparate mit einer Glasplattengröße von 13 x 18 cm. Die Wechselkassetten enthielten fast durchgängig sechs Platten. In den Anfängen der militärischen Luftbildfotografie hatte man sich mit Formaten 9 x 13 und Brennweiten von 15 und 18 cm begnügt. Nachdem aber insbesondere die Abwehrfeuer der feindlichen Artillerie Flughöhen über 2000 Meter erforderten, musste man die Apparate auf 25 und 30 cm Brennweite und größere Glasplattenformate umstellen. Für die Handhabung der Kameras war keine fotografische Ausbildung notwendig. Das Entwickeln der Platten übernahmen professionelle Fotografen.
Titelblatt von Alfred Thiel: Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916
Tafel zu „Orthochromatische Platten“, aus: Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916
In einem „Lehrbehelf“ stellte der österreichisch-ungarische Oberleutnant der Reserve Alfred Thiel die wichtigsten Fliegerkameras vor, die in Deutschland und Österreich eingesetzt wurden.[4] Behandelt werden im Einzelnen:
1. Lechner-Fliegerkamera (13 x 18 cm)
2. Goldmann-Fliegerkamera (13 x 18 cm)
3. Ica-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
4. Zeiss-Fliegerkamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
5. Goerz-Kamera (9 x 12 cm und 13 x 18 cm)
6. Ernemann-Fliegerkameras (13 x 18 cm)
7. Voigtländer-Fliegerkameras (13 x 18 cm)
8. Reihenbilder der Firma Messter, Berlin
9. Stereo-Herzig-Kameras
In die Informationsschrift Thiels sind auch Tafeln mit eingeklebten Originalfotografien zu „Orthochromatischen Platten“ und zu „Lichthoffreien Platten“[5] eingefügt. Interessant ist die Tafel III mit Vorgaben für Aufnahmen aus Flugzeugen.
Große militärische Bedeutung hatten Luftaufnahmen der gegnerischen Stellungen. Das Beispiel zeigt ein Luftbild vom 20. Oktober 1916. Es findet sich eingeklebt in einem Album im Archiv des Deutschen Museums.[6] Erhalten sind Fotografien der deutschen Westfront aus der Gegend um Thiaumont, Douamont, Bras sur Meuse und Vacherauville, also von einem Gebiet nördlich von Verdun. Sie wurden von der Fliegerabteilung 44 aufgenommen. Deutlich zu sehen ist auf einem Bild die vorgeschobene Befestigungsanlage in der Mitte. Dahinter ist eine doppelte Festungslinie erkennbar. Vermutlich wurde die Aufnahme in Zusammenhang mit der Beschießung durch die deutsche Artillerie angefertigt, um den Erfolg der Bombardierung zu messen. Auf dem Foto sind Hunderte von Bombentrichtern zu sehen.
Luftaufklärung: Französische Stellungen im Gebiet nördlich von Verdun, 1916
Die Luftbildfotografie hat über den militärischen Aspekt hinaus bleibenden Wert. Besondere Bedeutung haben die Luftaufnahmen, welche von der bayerischen Fliegerabteilung 304 stammen.[7] Die Einheit wurde 1917 von Schleißheim bei München nach Palästina verlegt. Von ihrer Tätigkeit sind noch heute 2526 Luftaufnahmen erhalten. Sie sind für die Alltags- und Verkehrsgeschichte und für die Archäologie der Region wichtig. So sind auf den Fotografien Umrisse von Ruinen alter Kreuzfahrerburgen oder auch Orte zu identifizieren, die aus der Antike bekannt sind. Die Aufnahmen sind online im Netz verfügbar.[8]
[1] Zur Thematik der angeblichen „Kriegsbegeisterung“ vgl. Jean-Jacques Becker, Comment les Français sont entrés dans la guerre. Contribution à l’étude de l’opinion publique printemps-été 1914, Paris 1977; Jeffrey Verhey, The Spirit of 1914: Militarism, Myth and Mobilization in Germany, Cambridge 2000; Wolfgang Kruse, Kriegsbegeisterung? Zur Massenstimmung bei Kriegsbeginn, in: ders. (Hrsg.), Eine Welt von Feinden. Der große Krieg 1914-1918, Frankfurt a.M. 1997, S. 159-166; Oliver Janz, Der Krieg als Opfergang und Katharsis. Gefallenenbriefe aus dem Ersten Weltkrieg, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (Hrsg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Wiesbaden 2005, S. 397-402.
[2] Vgl. Rainer Braun, Übungsflüge und Übungsluftaufnahmen über Bayern 1912-1918. Die bayerischen Flieger-Beobachter, ihre Ausbildung in Schleißheim und ihr Bildbestand, in: Oberbayerisches Archiv 117/118 (1993/1994), S. 131-154.
[4] Alfred Thiel, Lehrbehelf für Photographie aus dem Flugzeuge für Beobachter-Offiziere, Wien 1916; Deutsches Museum, München, Archiv, LR 00387. Eine ähnliche Einweisung in die Luftbildfotografie publizierte Leutnant Wecker, Die Erkundung aus Fliegerbildern, Wahn o.J. [ca. 1916; mit zahlreichen eingeklebten Fotografien].
[5] Farbempfindliche oder orthochromatische und lichthoffreie Platten nennt man solche Fotoplatten, die für einige Farben besonders empfindlich sind. Erst seit ca. 1884 gelang es, Fotoplatten entsprechend zu beschichten. Für Höhenaufnahmen kamen nur orthochromatische Platten in Frage, da bei diesen die notwendige Rotempfindlichkeit gegeben war. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Platten der Firma Hauff und von AGFA im Einsatz. Bei einer Aufnahme gegen einen grell beleuchteten Gegenstand entstand auf der Platte ein weißer Fleck, den man „Lichthof“ nannte. Die Erklärung lag in der Reflexion von Lichtstrahlen begründet, die durch die Fotoplatten hindurchgingen. Durch spezielle Beschichtungen konnten lichthoffreie Platten produziert werden. Diese basierten auf Forschungen von Adolf Miethe und Adolf Traube in Berlin um 1900.
[6] Deutsches Museum, München, Archiv, LR 02118/1.
[7] Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hrsg.), Bayern und seine Armee. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs aus den Beständen des Kriegsarchivs, München 1987, S. 82f.
Neo-Dada, Herostratos und systematische Vasenzerstörung
Bestimmt haben Sie es mitbekommen, werte Leserinnen und Leser: in Miami ist eine Vase umgekippt. Mehr noch: ist heruntergeworfen worden. Ach, was sage ich: Vandalismus im Museum hat sich neulich ereignet. Oder?
Es handelt sich um eine ca. $1 Mio. Dollar teuere und 7.000 Jahre alte Vase, die in Pérez Art Museum in Rahmen der Ausstellung “According to what?” von Ai Weiwei ausgestellt war. Der berühmte Dissident hat diese paläo-historische Vase mit Coca-Cola-Logo versehen (mit allen herausschreiendenfolgenden Intentionen und Allusionen).
Ein Besucher des Museums, Maximo Caminero, auch seinerzeit ein Künstler, griff bei seiner Besichtigung in Februar nach dieser Vase. Als ein Wachmann nach dem Zurückstellen der Vase verlangte, warf Caminero das teuere Stück prompt auf den Boden. So:
Ai Weiwei seinerseits wurde ziemlich erböst über solche Übergriffe auf privates Eigentum anderer:
If he really had a point, he should choose another way, because this will bring him trouble to destroy property that does not belong to him. (Quelle: dailymail.co.uk)
Aber das Spannende an der Geschichte ist, dieser Vandalismus-Akt spielte sich direkt vor einem Foto-Triptychon von Ai Weiwei, auf welchem man den chinesischen Künstler eine uralte chinesische Vase auf den Boden werfen sieht.
PHOTO BY Joe Raedle/Getty Images News/Getty Images
Nun kamen laut Presseberichten zugleich zwei Statements seitens Caminero, dem nun eventuell einige Jahre im Gefängnis drohen:
- er sah in der ausgestellten Vase sowie in diesem Triptychon einen Aufruf seitens Ai Weiwei zu einem performativen Akt des Protestes
- er richtete aber seinen Protest gegen die Unterrepräsentanz der lokalen Miami-Künstler in diesem Museum im Gegensatz zu den internationalen Künstlern, wie Ai Weiwei
Bald schon wurde dieser Akt – zusammen mit dem Akt von Ai Weiwei – ziemlich schnell als Neo-Dadaismus bezeichnet, bzw. in Verbindung mit Dadaismus gebracht. Klar, der Vergleich scheint naheliegend zu sein: Ai Weiwei brach mit der (gloriösen / chinesischen) Vergangenheit in Form von dieser Vase, so wie die Dadaisten mit der europäischen Kultur brachen, die zwar den Anspruch hatte, Hochkultur zu sein, jedoch die Greueltaten des Ersten Weltkrieges keineswegs verhinderte.
Doch bereits hier hinkt der Vergleich. Der Akt des Bruches mit den Traditionen bei Ai Weiwei ist zwar (für Historiker oder Kunstmarktliebhaber) empörend: die Vase! er hat die teuere Vase zerbrochen! Doch im Gegensatz zu Dadaisten ist dieser Bruch mehr plakativ als wirkungsvoll. Denn das pars pro toto (zerbrochene Vase <=> chinesische Kultur) bleibt nur pars, im gegensatz zu toto der Dadaisten. Das Anmalen eines Bartes auf die Postkarte von Mona Lisa oder das Ausstellen eines Pissoirs im Museum scheint heutzutage harmlos und putzig zu sein – zu der damaligen Zeit war das ein radikaler Schnitt mit der Autorität Kunst, mit der Institution Museum, mit der Dimension Kunstmarkt. Die bereits konventionelle Kulturkritik eines Ai Weiwei kann man nur bedingt Neo-Dadaismus nennen (wenn man nur die klischeehafte Destroyance der Avantgarde als ein charalteristischer Charakterzug dafür auswählt – durchaus oberflächlich).
Doch nun zu Caminero – wogegen protestiert er? Gegen die antike Hochkultur? Gegen Coca Cola? Gegen die Autorität von Ai Weiwei? Gegen die eigene Unterrepräsentanz im lokalen Kontext? Und da sind wir schon näher an der Sache. Provinzialismus. Das Performative der Zerstörung als Anbiederung an die “Grössen” und “Mächtigen” der Kunstwelt. Der Wunsch, irgendwie in die Kulturgeschichte eingegliedert zu sein, egal mit welchen Mitteln. Herostratos lässt grüssen.
Doch nichtsdestotrotz, auch angesichts der mediokren Aktion eines Künstlers (hier können Sie sich selbst ein Bild über seine Werke machen), hat er eine wunderschöne Reaktion von Ai Weiwei hervorrufen, die den letzteren im Hinblick seines “Neo-Dada”-tums ebenfalls nicht besser darstellt. Statt die Zerstörung des Authoritären mit Caminero zusammen zu liturgieren und zu begrüssen, greift er auf die niederste Schublade eines Künstlers, und spricht über Übergriffe auf Eigentum anderer (hier: seiner Wenigkeit).
source: artesmagazine
Wie war das bei Mephisto, der nicht mehr in Versen zu sprechen vermag:
Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes. (Faust 1, Trüber Tag, Feld)
Da ist Schluss mit lustig. Da ist der Spass zu Ende.
Schade, eigentlich. Die Dadaisten hatten mal auf der Kölner Dada-Ausstellung ihren Exponaten Äxte angehängt, damit die Zuschauer ihre Werke zerstören könnten. Das war mehr als Aufruf zu Vandalismus. Das war der Bruch mit der konventionellen Rezeption. Das war Dada.
Zu den Blogawards 2014 – in eigener Sache
Es ist ja oft so: Kaum taucht man mal ab, passiert prompt etwas, was einen selbst betrifft, wovon man aber erst als letzter erfährt. Da hat das dk-blog in der Jurywertung also „sich victorios erzaiget vnndt gleichsamb das feldt erhallten“ – so hätte es wahrscheinlich eine Meldung in einer Zeitung (damals ein furchtbar neumodisches und oft kritisiertes Medium) in den Jahren des Dreißigjährigen Kriegs formuliert. Zurück in der Welt sah ich dann also die verschiedenen Nachrichten zu den Blogawards 2014, fühlte mich geehrt und freute mich sehr!
Nun tut Lob immer gut, und zu gewinnen ist auch immer schön. Aber ein paar Gedanken mache ich mir schon, hervorgerufen vor allem durch die Begründung der Jury. Nein, mir geht es jetzt gar nicht darum, meinerseits die Arbeit der Jury zu bewerten. Vielmehr ist aufschlußreich, was anderen am dk-blog auffällt. Es geht also um die mögliche Diskrepanz zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung.
Wenn nun von der Jury die „regelmäßige Frequenz“ als charakteristisch hervorgehoben wird, freut mich das. Das ist für mich selbst ein wichtiger Aspekt des Bloggens. Turnusmäßig einen Text zu verfertigen, ist ein zentraler Antrieb, weil er etwas wundervoll Disziplinierendes hat. Machen wir uns nichts vor: Wissenschaftliches Schreiben ist anstrengend. Immer wieder muß man den inneren Schweinehund überwinden, muß man sich auch zwingen, einen Text fertigzustellen, der dann so beschaffen sein soll, daß man ihn freischalten kann. Wenn also ein Dienstag naht, ein dk-blog-Tag also, gibt es kein Zurück mehr, dann muß ich liefern.
Weiterhin heißt es, daß im dk-blog die „Gattung der Quellenmiszelle […] auf überzeugende Weise wiederbelebt“ werde. Ja, auch darin kann ich mich sehr wohl wiederfinden. Ich frage mich ohnehin, ob nicht das Blog-Format – zumindest so, wie ich es verstehe – das in heutigen Zeiten angemessene Medium für eine Miszelle darstellt. In dem Fall hätte also dieses klassische wissenschaftliche Genre in der digitalen Welt seine neue Heimstatt gefunden. Wobei nicht alles so bleibt, wie es mal war. Denn für die Kleinform der Miszelle versage ich mir die Fußnote. Die paar anfallenden Nachweise setze ich lieber in Klammern oder arbeite mit hyperlinks; bei einem so überschaubaren Textumfang möchte ich jedenfalls die zweite Ebene eines Anmerkungsapparates vermeiden. Sollte dies doch nötig sein, dann rutscht der Text aus der Miszellen-Welt in die des Aufsatzes. So zumindest meine derzeitige Auffassung und Schreibpraxis.
Zeigt sich hierin die „Lust an neuen Vermittlungsformen“, wie sie dem Blog auch attestiert wurde? Da bin ich mir unsicher, wie ich mir ohnehin nicht wirklich klar darüber bin, was im dk-blog wirklich neu ist. In eigener Wahrnehmung bleibt viel Luft nach oben, wobei dies mitunter auch daran liegt, daß ich verschiedene Features nicht anwende, weil ich sie nicht benötige oder der Mehrwert mir (noch?) nicht so richtig einleuchtet. Insofern ist das Urteil, daß es sich um „das vielleicht originellste“ Blog handelt, für mich ein Hinweis, dass die Jury wohl auch andere Blogs hätte küren können, die hinsichtlich Arbeitsorganisation, angewandter Gadgets oder behandelter Themen wirklich sehr explorativ sind. Ich kann da nur staunen und mich selbst inspirieren lassen. Und die dicht gestaffelten weiteren Plätze verweisen darauf, daß die Qualität gerade an der Spitze wirklich hoch ist. Für mich übrigens ein wichtiger Befund, denn es ist schön zu wissen, daß man sich in einem wissenschaftlich gut aufgestellten Umfeld bewegt.
Am Ende zählt aber einfach, daß es gelingt, einen inhaltlich wie sprachlich überzeugenden Text zu verfertigen. Einmal pro Woche, das ist die Herausforderung. Um das weiterhin hinzubekommen, nehme ich die Schubkraft, die so ein Blogaward mit sich bringt, sehr gerne an! Schönen Dank also für die Auszeichnung!
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/418
Zur Arbeit mit Karikaturen
Eines der Themen dieses Blogs ist die Begleitung der Arbeit mit/an westlichen Karikaturen über China (einige Beispiele u.a. hier, hier, hier und hier). Das Blog dokumentiert die Arbeit an einem Korpus von mehreren hundert Karikaturen (und Witzzeichnungen) und Tausenden Textstellen aus österreichisch-ungarischen satirischen Periodika, vor allem die Herausforderung, Symbole, Attribute und Anspielungen richtig zu deuten.
Das Medium Karikatur ist ein in der Geschichtswissenschaft unterschätztes Medium. Eine Ausnhame bildet die Geschichtsdidaktik, die in den letzten Jahren verstärkt Karikaturen als Mittel, Interesse an Geschichte zu wecken. entdeckt. “Einer Karikatur auf der Spur” ist Daniel Bernsen im Blog Medien im Geschichtsunterricht – aufgehängt an einer aus dem Kontext gerissenen, zeitlich falsch eingeordneten Karikatur. Er macht sich auf die Suche und wird (teilweise) fündig – und stellt interessante Fragen zum Bild.
Check 1: Was war in Varzin?
Wikipedia hilft schnell weiter: http://de.wikipedia.org/wiki/Warcino Mit dem Bild hat es nichts zu tun, außer dass wir bestätigt bekommen, dass das Bild später als 1867 (Kaufjahr des Schlosses) zu datieren ist. Das wussten wir aber schon.Check 2: Gibt es den Punch oder Charivari digitalisiert online?
Die zweite Frage scheint fast als ‘Fangfrage’, wenn impliziert wird, dass das zwei Zeitschriften sein könnten.[1] Leider gibt es in den 1880ern und 1890ern derzeit noch Lücken – und der September 1884 ist (derzeit noch) nicht online.
Die erste Frage ist viel spannender. Ich hätte sie mir zu dieser Karikatur vermutlich so nicht gestellt – ich hätte eher gefragt, wen/was “ventriloquist of Varzin” meint …
Mit dem Bild auf der LSG-Seite ist m.E. nichts anzufangen – eine aus dem Kontext gerissene Karikatur, bei der Über-/Unterschrift und konkretes Datum fehlt, ist wertlos, denn Karikaturen sind Bild und Abbild ihrer Zeit. Sie bleiben letztlich unverständlich, wenn die zeitliche Einordnung fehlt.
Fügt man den Bild-URL in die Google-Suche ein und sucht mit ‘Bildersuche’, findet sich schnell dieses Bild:
Mit diesem Bild ist schon mehr zu anzufangen- die Seite aus dem Punch liefert alle Angaben, die man braucht[2]: “The Three Emperors, or, the ventriliquist of Varzin” aus Punch or the London Charivari vom 20. September 1884.
Um nicht in eine Methodendiskussion abzugleiten, sei der Leitfaden Wie analysiert und interpretiert man eine Karikatur? im Online-Tutorium Geschichte des FB Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz herangezogen. Die folgenden Bemerkungen konzentrieren sich hier auf die ersten zweieinhalb Schritte; auf eine Diskussion, welche Ziele der Karikaturist verfolgte und wie die Karikatur zu werten ist, wird hier verzichtet.
- Orientierende Betrachtung
- Das Erscheinungsdatum und die Zeitschrift, in der die Karikatur erschien, sind klar aus dem Bild ablesbar.
- Der Karikaturist ist durch die Signatur links unten identifiziert, die Tenniel-Signatur ist eindeutig. Ebenso eindeutig ist die Angabe “Swain” (das Studio, das die Karikaturen zum Druck aufbereitet).
- Beim Thema der Karikatur hilft – wie Daniel Bernsen ausgeführt hat – das Datum.
Im September 1884 trafen Alexander III., Franz Joseph I. und Wilhelm I. in Skierniewice zusammen. Das Treffen, bei dem auch Bismarck und die Außenminister Gustav Sigmund Graf Kálnoky von Kőröspatak (Österreich-Ungarn) und Nikolaj Karlovič de Girs [Giers] anwesend waren, blieb ohne nachhaltige Wirkung, die Rivalität zwischen Österreich-Ungarn und Russland verhinderte konstruktive Lösungen.
- Beschreibung
- Dargestellt ist ein riesenhafter Puppenspieler, der drei kleine Marionetten führt, im Hintergrund eine Art Vorhang, von Rosetten gehalten.
- Der ‘Puppenspieler’ ist Bismarck – allerdings ohne die in deutschen und österreichisch-ungarischen Karikaturen üblichen “drei Haare”.
- Die Marionetten trage Uniformen und (leicht verfremdete) Kronen:
- Die Figur ganz links trägt die Zarenkrone; der Bügelaufsatz (eigentlich ein gefasster Spinell, auf dem ein Kreuz sitzt) ist durch den Doppeladler aus dem Staatswappen ersetzt ist. Krone, Uniform und der charakteristische Bart identifizieren die Figur als Alexander III.
- Die Figur in der Mitte trägt die Reichskrone. Uniform und der weiße Backenbart identifizieren die Figur als Wilhelm I.
- Die Figur rechts trägt die österreichische Kaiserkrone; der blaue Saphir auf dem Kronbügel ist durch den Doppeladler ersetzt. Die weiße Uniformjacke, der Bart und die Krone identifizieren die Figur als Franz Joseph I.
- Die Bildunterschrift lautet “The three emperors, or, the ventriloquist of Varzin” macht deutlich, dass der ‘Puppenspieler’ ein Bauchredner ist, der die Fäden zieht und die Figuren sprechen lässt. Die Formulierung ‘ventriloquist of Varzin’ verweist auf einschlägige Zirkus-/Variété-Ankündigungen, wo die Künstler als “die Dame ohne Unterleib aus XY” und der “Zauberkünstler aus XZ” angekündigt wurden, der Konnex zwischen Bismarck und Varzin [poln.Warcino] ist eindeutig[3]
- Erklärung
- Die Karikatur visualisiert die – in der zeitgenössischen englischen Bewertung der Politik auf dem Kontinent verbreitete – Auffassung von Bismarck als Zentralfigur der Politik, von Bismarck als dem, der die Fäden zieht – und der den/die Kaiser lenkt. Gegenstand ist weniger das Treffen der Monarchen, sondern eher die Rolle Bismarcks in der Politik.
Wie für alle anderen Karikaturen gilt auch für “The three emperors” die Binsenweisheit, dass sie nur verständlich ist, wenn der Zusammenhang klar ist – und der ist nur mit Kontextwissen erschließbar: Um Bismarck und die dargestellten Herrscher zu erkennen, müssen einschlägige Porträtdarstellungen vertraut sein. Ebenso muss das Zusammentreffen der drei Kaiser 1884 (und dessen Ergebnis) bekannt sein. Falls nicht, dann sieht man eine Puppenspieler, der drei Marionetten führt (was im Grunde grotesk ist), die an Erzgebirge-Nussknacker erinnern.
Ich würde mir zur Karikatur wohl (u.a.) die folgenden Fragen stellen:
- Wodurch (Gesichtszüge, Frisur, Bart, Uniform/Kleidung, Orden, werden Personen identifiziert?
- Wer ist der Puppenspieler/Bauchredner?
- Warum ist Bismarck ohne die “drei Haare” dargestellt?
- Welche Kronen tragen die drei Kaiser auf dem Kopf?
- Warum trägt der deutsche Kaiser die Reichskrone? Was bedeutet das?
- Etc. etc. etc.
Daniel Bernsens Beobachtung
Das passiert gerade bei Karikaturen immer wieder, dass ihre Ausage gut zu einem bestimmten historischen Ereignis zu passen scheint (hier: das Drei-Kaiser-Bündnis von 1873) und ihre Datierung dann daran zu pädagogischen oder illustrativen Zwecken irgendwie “angepasst” wird.[4]
ist vorbehaltlos zuzustimmen. Karikaturen werden häufig reduziert zu einer Übung, um Interesse an einem bestimmten historischen Ereignis zu wecken oder zum schmückenden und/oder originellen und/oder unterhaltsamen Beiwerk. Die Literatur zu Karikatur als Quelle[5] bzw. zum Themenkomplex Karikatur & Unterricht[6] scheint wenig Beachtung zu finden, man orientiert sich am im weitesten Sinn Originellen und/oder an Klassikern. Allerdings sind selbst Klassiker wie Tenniels “Dropping the Pilot” (Punch, 29.3.1890)[7] bei genauem Hinsehen nicht so ohne – denn der im Deutschen gebräuchliche Titel “Der Lotse verlässt das Schiff” fügt (zumindest) eine neue Bedeutungsnuance hinzu, die man diskutieren müsste.
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- Es gab zahlreiche Zeitschriften, die “Punch” im Titel hatten, und einige, die “Charivari” als Titel oder Nebentitel hatten – aber das würde zu weit führen.
- Der Rahmen um die ganzseitige Karikatur und die gerahmte Kopfzeile sind typisch für das Punch-Layout auf Seiten, die ganzseitige Karikaturen enthalten.
- Bismarck hatte das Gut Varzin 1867 erworben, wo er zahlreiche Sommer verbrachte.
- Einer Karikatur auf der Spur: die Online-Suche Schritt für Schritt. Veröffentlicht am 9. März 2014 von Daniel Bernsen <abgerufen am 10.3.2014>
- Vgl. die kursorischen Bemerkungen im Kapitel “Bilderbogen, Karikatur und illustrierte Zeitschrift” in: Christine Brocks: Bildquellen der Neuzeit (Historische Quellen Interpretieren; Stuttgart: UTB 2012) 43-64.
- z.B. Hans-Jürgen Pandel: “Karikaturen. Gezeichnete Kommentare und visuelle Leitartikel.” In: Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. (Schwalbach/Ts. 2005) 255-276; Politik und Unterricht Heft 3-4/2005 “Gegen den Strich. Karikaturen zu zehn Themen” (2005) [pdf online]; das Heft 18 “Politische Karikaturen” der Zeitschrift Geschichte Lernen, besonders: Wolfgang Marienfeld: “Politische Karikaturen.” In: Geschichte Lernen „Politische Karikaturen“, Heft 18 (1990), S. 13-21. – und der ‘Klassiker’: Dietrich Grünewald, Karikatur im Unterricht: Geschichte, Analysen, Schulpraxis (Weinheim/Basel : Beltz, 1979).
- Zu Tenniels Karikatur und einigen Zitaten dieses Bildes s. Hans-Jürgen Smula: “‘Der Lotse geht von Bord’ Karikatur als historisches Zitat.” In: Geschichte lernen Heft 18 (1990) 45-52.
Der Wahn vom Wiederholen der Geschichte – Deutschlands Nationalisten 1919-1945
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Waffenstillstandsuntersuchung in Compiègne 1918 |
Den heldenhaften Taten unserer Truppen zu Lande und Wasser wird der volle Sieg beschieden sein. Gebiete von der Größe des Deutschen Reiches sind mit dem Blut unserer Brüder und Söhne gewonnen. An den ehernen Mauern weit in Feindesland wird wie bisher jeder Anprall einer Welt von Feinden zerschellen. Dem bevorstehenden feindlichen Ansturm, in dem Flandern das Losungswort heißt, werden wir standhalten. Unsere U-Boote fügen England, das die ganze Welt gegen uns ins Geld führt, Monat für Monat, unüberwindlich und unabwendbar, einen Schaden zu, den es auf Dauer nicht ertragen wird. Auf das Urteil unserer Heerführer gestützt, erwarten wir mit der unerschütterlichen Zuversicht den vollen Sieg unserer Waffen. Ihm allein werden wir den Frieden verdanken. Bis er eintritt, muss, will und kann unser Volk aller Entbehrungen, aller Schwierigkeiten unserer wirtschaftlichen Lage Herr werden.
Zu Friedensverhandlungen wird Deutschland bereit sein, sobald die Feinde unter uneingeschränktem Verzicht auf ihre Forderungen zwangsweiser Gebietserwerbungen und Entschädigungen sie anbieten. Dann wird es die Aufgabe sein, den Frieden so zu gestalten, dass er Deutschland und seinen Verbündeten Dasein, Zukunft und Entwicklungsfreiheit wirksam sichert. Unsere Grenzmarken müssen für alle Zeiten besser geschützt sein; Ostpreußen darf nicht wieder den Gräueln eines Russeneinfalls ausgesetzt werden. An unseren stets vertretenen Auffassungen über das, was der Friede dem deutschen Vaterlande bringen soll, halten wir auch heute unbeirrt fest.
Durch Verständigung, die allein auf dem guten Willen der Feinde beruht, lassen sich diese Ziele nicht erreichen. Von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung des Friedens wird die militärische Lage sein, wie sie sich zur Stunde der Verhandlungen gestaltet haben wird.
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Waffenstillstandsunterzeichnung in Compiègne, 1940 |
In dürren Worten wurde [… ] der Reichsregierung mitgeteilt, dass die OHL, nachdem die Ereignisse in der Heimat dem Heer die Rückensicherung genommen haben, nicht mehr über die Möglichkeit verfüge, die Waffenstillstandsforderungen abzulehnen oder mit der Waffe eine Verbesserung der Lage zu erzwingen. Die Regierung zog die Folgerungen und nahm die Bedingungen an.
Die Heeresleitung stellte sich bewusst auf den Standpunkt, die Verantwortung für den Waffenstillstand und alle späteren Schritte von sich zu weisen. Sie tat dies, streng juristisch gesehen, nur mit bedingtem Recht, aber es kam mir und meinen Mitarbeitern darauf an, die Waffe blank und den Generalstab für die Zukunft unbelastet zu erhalten. Ich bin aber auch heute noch der Überzeugung, dass wir ohne Revolution im Inneren an den Grenzen hätten Widerstand leisten können; ob die Nerven der Heimat noch durchgehalten hätten, erscheint mit sehr zweifelhaft; militärisch war sie denkbar. Zum letzten Kampf braucht man eine Heimat, die hinter dem Heer steht; unter diesen Voraussetzungen konnten wir versuchen, bessere Bedingungen zu erzwingen.
So wie sich aber in Wirklichkeit die Dinge im November gestaltet hatten, war eine Änderung der Lage durch das Heer nicht mehr herbeizuführen. Wenn nach dem Kriege Stimmen laut wurden, die meinten, das Heer hätte sich noch Monate, sei es in der – nicht ausgebauten – Antwerpen-Maas-Stellung, sei es weiter rückwärts, halten können, so muss ich das als Wunschtraum bezeichnen. Es blieb uns keine Wahl: Am 11. Wurde in Compiègne unterzeichnet, mittags 11,55 trat Waffenruhe ein.
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Wilhelm Groener 1928 |
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Kuno von Westarp |
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Verhandlungen in München, 1938 |
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Straße in Berlin, 1945 |
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2014/03/der-wahn-vom-wiederholen-der-geschichte.html