Sammelband: “Deutsch in der Wissenschaft” — Deutsch in Wissenschaftsblogs?

Heute hat mich ein – gemessen an Blogkonventionen – nicht mehr ganz aktueller Sammelband erreicht. Nichtsdestotrotz ist die besprochene Sache von ungebrochener Aktualität und Dringlichkeit, weswegen ich auch auf diesen Sammelband hinweisen möchte, bevor ich ihn in Gänze zur Kenntnis nehmen konnte.

Im Olzog-Verlag ist 2012 erschienen:

Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs [Auf die Freigabe für das Cover warte ich noch.]

Herausgegeben wurde der Band von Heinrich Oberreuter, Wilhelm Krull, Hans Joachim Meyer und Konrad Ehlich. Er dokumentiert die Tagung “Deutsch in der Wissenschaft”, die mit Unterstützung von “Deutsch Plus – Wissenschaft ist mehrsprachig” (einem Programm der Volkswagenstiftung) vom 10.-12. Januar 2012 in der Akademie für Politische Bildung (Tutzing) stattfand.

Wesentliches Anliegen der Tagung war es, die Wissenschaftssprachendebatte aus der Wissenschaft heraus hinein in die Politik zu tragen, wofür auch eine Reihe Politiker gewonnen werden konnten. So hat Norbert Lammert z.B. den Eröffnungsvortrag gehalten.

Thematisiert wurden in aller Breite und programmatisch nicht nur

  • gesellschaftlich-kulturelle Folgen einer Monolingualisierung der Wissenschaft für die nicht-englischen Muttersprachen (Abschnitt: “Chancen und Grenzen einer Lingua franca für die Wissenschaft”),
  • die Sprachfrage aus je disziplinären Perspektiven (Abschnitte: “Deutsch in den Natur- und Ingenieurwissenschaften” & “Deutsch in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften”),
  • und die Förderungsmöglichkeiten einer “Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft”

- um nur einiges zu nennen – sondern vor allem auch:

  • die Frage nach Sprachpolitik!

Diese scheint sich in Deutschland vermeintlich in Zurückhaltung zu üben. Aber eben nur vermeintlich! In einem Beitrag arbeitet Hans Joachim Meyer (vgl. 2012, 37-48) u.a. heraus in welchem sprachpolitischem Widerspruch z.B. Integrationspolitik und Wissenschaftpolitik zueinander stehen. Meyer und Konrad Ehlich (2012, 33) weisen auch nicht zum ersten Mal in ihren “Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft” auf den weit verbreiteten Irrtum hin “Sprache entwickle sich autonom” und Sprachpolitik wäre folglich unnötig. Ein Blick in wissenschaftspolitische Bestrebungen hin zu einer Internationalisierung um jeden (auch manchmal noch so sinnlosen) Preis macht das schnell augenfällig. Mit Unsummen z.B. DFG-geförderte Spitzenforschung (natur- wie kulturwissenschaftliche) in Deutschland auf Englisch zu betreiben, um international vernetzt und anerkannt zu werden, ist dabei nur ein kleines Beispiel.

Die Langzeitfolgen solcher Politik werden massiv auf die Gesellschaft und ihre Möglichkeiten der diskursiven Auseinandersetzung zurückschlagen, wenn der Stellenwert der Wissenschaft für und ihre Verwobenheit mit politischen, wirtschaftlichen, ethisch-moralischen, künstlerischen, … also im Allgemeinen mit dem öffentlichen Diskurs nicht erkannt wird und damit in der Konsequenz die deutsche Sprache insgesamt ihrem Schicksal überlassen wird – einem Schicksal, das man irgendwann als eine Folge politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen wird rekonstruieren können.

Mir liegt aber nicht daran, hier – mehr schlecht als recht – zu paraphrasieren, was im genannten Sammelband viel besser auf den Punkt kommt und den ich jedem zuforderst vor allem zur Selbstpositionierung nur ans Herz legen kann und danach vielleicht zur Reflexion der Frage nach der Preisgabe von mehrsprachigen Erkenntnisvermögen, die die Menschheit in Zukunft vorhalten sollte, um Probleme zunehmend globaler Reichweite zu bearbeiten…

Ebenso möchte ich den Verlag und auch die Autoren der “Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft und  zu den Chancen wissenschaftlicher Mehrsprachigkeit” (Meyer/Ehlich 2012) fragen, ob sie an einer Wiederveröffentlichung des knappen Textes im Internet (z.B. hier in meinem Blog) interessiert sind. Dort habe ich ihn bisher nicht finden können. Sind diese Thesen doch zwischen zwei Buchdeckeln in einer Bibliothek nicht ganz so gut aufgehoben und wirksam wie vielleicht in der sog. Blogosphäre, in der sie einfacher und weitreichender zirkuliert, adressiert und gelesen werden können.

Zum Schluss möchte ich noch zur angehängten Frage im Titel des Eintrags kommen: “Deutsch in Wissenschaftsblogs?” Seit einiger Zeit habe ich den Gedanken im Kopf, den ich aber noch nicht weiter prüfen konnte, dass es doch mal nötig wäre, die deutschsprachige wissenschaftliche Blogosphäre zu vermessen! Wie viele deutschsprachige Wissenschaftsblogs gibt es eigentlich? Welche deutschen Wissenschaftler bloggen in einer anderen und in welcher Sprache?

Ich weiß nicht, ob es Möglichkeiten einer solchen Vermessung gibt. Ich müsste mich diesbezüglich mal mit meinem Kollegen Johannes Paßmann kurzschließen oder vielleicht weiß ja auch der eine oder andere Leser einen Rat. Ich ahne, dass das nur praktikabel wird, wenn man Plattformen (wie hypotheses.org oder scilogs.de) in den Blick nimmt. Was allerdings hypotheses.org betrifft, verzweifelte ich erst vor kurzem daran, einer vollständige Liste aller ‘deutschen Blogs’ einsichtig zu werden. Hier kann sich die Redaktion durchaus angesprochen fühlen ;) – wäre es doch für die Vernetzung und die Anschließbarkeit hilfreich, eine gute und vollständige Übersicht über die existierenden Blogs sich verschaffen zu können. Wie dem im Einzelnen aber auch sei…

Worum es mir bei der Vermessung der wissenschaftlichen Blogosphäre Deutschlands geht, ist es, einen Eindruck vom Stellenwert des Blogs, seiner Zwecke und damit Sprachlichkeit in der deutschen Wissenschaft zu bekommen. Diesbezüglich kämen der Kommunikationsform Weblog – je nachdem welche Entwicklung sie in der Zukunft bezüglich ihrer institutionellen Relevanz nehmen wird – nicht unerhebliche Implikationen für die Vitalität disziplinärer Entfaltungen zu: Wo werden innovative Erkenntnisse und Paradigmen geboren bzw. sagbar, wenn Zeitschriften immer mehr verkrusten? Mit welchen Sprachlichkeit füttern diese Sagbarkeiten den wissenschaftlichen Diskurs? Wie wird (Populär-)Wissenschaft weiterhin in Verbindung mit der Sprache der übrigen Diskurse treten können? Kurz: Könnte es sein bzw. ist es plausibel, sich vorzustellen, Blogs könnten einem neuerlichen Aufschwung der vernakulären Wissenschaftssprachen Vorschub leisten?

Oberreuter, Heinrich/Krull, Wilhelm/Meyer, Hans Joachim/Ehlich, Konrad (Hg.) (2012): Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs. München: Ozlog. 
Daraus:
Ehlich, Konrad/Meyer, Hans Joachim (2012): Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft und zu den Chancen wissenschaftlicher Mehrsprachigkeit. S. 30-34.
Meyer, Hans Joachim (2012): Trägt die deutsche Politik Verantwortung für die deutsche Sprache? S. 37-48.

 

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/357

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Irische Geschichte, Teil 7: The Troubles, 1968-1974

Von Stefan Sasse

Teil 1 findet sich hier. In ihm wurde beschrieben, wie Irland seit der Personalunion mit der englischen Krone eine wechselhafte Beziehung mit England unterhielt und vor allem durch seine inneren Konflikte gespalten war, die entlang der Konfessionsgrenzen und Besitzverhältnisse verliefen. In Teil 2 wurde deutlich gemacht, wie die Politik der britischen Regierung und des Parlaments eine immer stärkere Wechselwirkung mit Irland entwickelten, in dem sich eine nationalistische Bewegung zu bilden begann und stets an Boden gewann. Als Großbritannien sich für die Selbstverwaltung Irlands, die Home Rule, entschied, hatten die Devolutionisten, die die totale Unabhängigkeit wollten, bereits deutlich an Boden gewonnen. Teil 3 beschrieb die zunehmende Gewaltbereitschaft zwischen den Unionisten in Ulster und den Nationalisten im Rest des Landes und die Konflikte um die Home Rule und wie diese Konflikte durch den Ersten Weltkrieg erst vertagt und dann verschärft wurden. In Teil 4 wurde gezeigt, wie die Iren den bewaffneten Kampf gegen die Briten aufnahmen und bereits in diesen Tagen der inner-irische Konflikt zu einer Art verdeckten Bürgerkrieg wurde. Auch die irische Nationalbewegung spaltete sich über das Ergebnis des Konflikts - die Teilung Irlands und den Dominion-Staus - und begann den bewaffneten Kampf gegeneinander. In Teil 5 haben wir gesehen, wie die Spaltung in offenen Bürgerkrieg ausartete, der letztlich mit der Niederlage der Radikalen und dem Tod vieler Moderater endete. Profitiert hat vor allem Großbritannien, das die Unabhängigkeit Nordirlands als Ganzes sichern konnte. Viele strukturelle Probleme blieben jedoch in beiden Ländern bestehen und noch ungelöst. Teil 6 beschrieb die Etablierung der beiden irischen Staaten und ihren Weg durch die Wirren der 1930er und 1940er Jahre. Besonders die latente Unruhe in Nordirland und der Versuch einer Modernisierung der irischen Wirtschaftspolitik wurden dabei aufgezeigt. 

Bürgerrechts-Mural in der Bogside, Derry
Zu Beginn der 1960er Jahre war Nordirland weitgehend ruhig geworden. Abgesehen von periodisch auftretenden Unruhen besonders an der Grenze, die allerdings nie eskalierten, geschah nichts mehr. Das Land war entlang der Konfessionsgrenzen stark territorial segregiert; nicht nur ballten sich Katholiken und Protestanten im Westen und Osten des Landes; die ländlichen Regionen waren eher katholisch, die städtischen eher protestantisch geprägt. Auch innerhalb der Städte gab es klar voneinander abgetrennte Wohnviertel, die fast ausschließlich von einer bestimmten Konfessionsgruppe bewohnt wurden. Dazu kam, dass die Gruppen sich selbst schon fast als Ethnien wahrnahmen und auch entsprechend bewerteten; so waren viele Protestanten davon überzeugt, dass nur Protestanten Iren sein konnten und dass die Katholiken gewissermaßen einer minderwertigeren Rasse angehörten, ähnlich amerikanischen Vorurteilen gegenüber der afro-amerikanischen Bevölkerung. Diese Sicht der Dinge fand auf katholischer Seite durchaus ihre Entsprechung.


Trotz allem war die Lage zu Beginn des Jahrzehnts bis etwa zu seiner Mitte relativ ruhig. Dann allerdings explodierte der stets latent vorhandene Konflikt in einer Reihe von provokativen Aktionen, die durch die beginnende Bürgerrechtsbewegung der Katholiken in Nordirland hervorgerufen wurde. Die Bürgerrechtsbewegung benannte dabei einige real existierende Benachteiligungen der Katholiken in Nordirland. Dazu gehörte eine Diskriminierung bei der Einstellung (ganz besonders im Öffentlichen Dienst, aber auch anderswo), was sogar mit Dokumenten belegt werden konnte; ein diskriminierendes Wahlrecht, das auf dem Stand des 19. Jahrhunderts zurückgeblieben schien und nur "Haushaltsvorständen" eine Stimme gab; die Zuweisung von Sozialleistungen auf Basis der Konfession; die Diskriminierung beim Zuschnitt der Wahlbezirke, die Protestanten wesentlich größere Repräsentation im Parlament gab ("Gerrymandering") und vieles mehr.

Erinnerung an den Marsch auf Derry 1968
Die Aufmerksamkeit, die die Bürgerrechtsbewegung erzielte beunruhigte viele Loyalisten (wie sich die königstreuen Protestanten in Nordirland in Abgrenzung zu der friedlichen Bürgerrechtsbewegung und der terroristischen IRA nannten), was 1966 weder durch die Sprengung der Nelson-Säule in Dublin durch die IRA noch durch zahlreiche Osteraufstands-Gedenkmärsche zum 50. Jahrestags des Aufstands 1916 verbessert wurde. Die Gemüter auf beiden Seiten erhitzten sich, und obwohl die nordirische IRA schlecht bewaffnet und organisiert und kaum zu Aktionen in der Lage war, versuchte sie mit aller Macht den gegenteiligen Eindruck zu erwecken - ein Propagandaschachzug, den aufzugreifen den Loyalisten sehr gelegen kam, die ihrerseits noch im selben Jahr die "Ulster Volunteer Force" als paramilitärischen Verband wiedergründeten, die seinerzeit im Bürgerkrieg gegen die IRA gekämpft hatte. 

Damit war die Bühne bereitet, und die nächsten drei Jahre sahen eine rasant steigende Zahl von Gewalttaten der UVF gegen Katholiken und, in geringerem Umfang, der IRA gegen Protestanten. Die Lage wurde dadurch nicht besser, dass die nordirische Polizei (RUC) wohl nicht unbegründet im Verdacht stand, die UVF zu decken und ihre Angriffe nicht zu verhindern, dafür umso härter gegen die IRA vorzugehen. Diese Konfliktlinie führte 1968 zu einer ersten Explosion. Die Bürgerrechtsbewegung plante einen großen Marsch nach Derry (nachdem bereits vorher andere Märsche abgehalten worden waren), den die RUC verhindern wollte. Polizisten kettelten die friedlichen katholischen Demonstranten ein und schlugen sie brutal zusammen. Der Zwischenfall wurde von anwesenden Kamerateams gefilmt und ging um die Welt; das Resultat waren zweitätige Unruhen in Derry und Umgebung.

Mural für die UVF, Belfast
Dasselbe Spiel wiederholte sich, als eine neu gegründete Studentengruppe - People's Democracy - einen viertägigen Marsch von Belfast nach Derry unternahm. Polizei und UVF-Schläger attackierten sie wiederholt, einmal sogar mit Eisenstangen, Pflastersteinen und Flaschen bewaffnet, und griffen sie in Derry erneut an. Einige Einwohner Derrys bauten Barrikaden und verwehrten der Polizei Zugang zu ihren Vierteln; im Anschluss wurde das "freie Derry" proklamiert. Die Zustände wurden bürgerkriegsähnlich. Im Frühjahr 1969 beschlossen die Loyalisten, die Regierung, die ihnen nicht entschlossen genug gegen die Katholiken vorging, zum Rücktritt zu zwingen. Mit insgesamt sechs Bombenanschlägen in Dublin, die zweitweise Strom und Wasser abschalteten und die der IRA in die Schuhe geschoben wurden. Der Plan ging auf, und Premierminister O'Neill trat im April 1969 zurück. 

Derry blieb weiterhin das Zentrum der Auseinandersetzung. Nachdem die RUC bei Hausdurchsuchungen durch exzessive Gewalt gegen Zivilisten sogar für Todesopfer sorgte, goss die neue Regierung noch Öl auf die Flammen, indem sie der loyalistischen Gruppe "Apprentice Boys" erlaubte, eine Demonstration entlang der Grenze zum katholischen Bogside-Viertel in Derry abzuhalten. Innerhalb kürzester Zeit bekämpften sich beide Seiten und die RUC griff ein und nutzte Tränengas, Wasserkanonen und gepanzerte Fahrzeuge um die Streithähne zu trennen. Die Straßenkämpfe dauerten fast zwei Tage. Als Antwort darauf protestierten die Katholiken vor RUC-Basen und blockierten einige, was zu erneuten Kämpfen führte. Die Panzerfahrzeuge der RUC schossen in Derry mit Maschinengewehren auf die Apartmenthäuser der Katholiken und erschossen einen neunjährigen Jungen. 

Katholisches Banner in Derry
Inmitten dieser Gewalt und Chaos hielt der irische Ministerpräsident Jack Lynch eine Rede, in der die Handlungen der RUC einseitig verurteilte, die UNO aufrief eine Friedenstruppe zu schicke und erklärte, dass "Irland nicht länger tatenlos zusehen" könne. Die einzige Lösung, die er sehe, sei die Wiedervereinigung. Die irische Armee errichtete Feldlazerette direkt an der nordirischen Grenze, um verletzte Katholiken zu versorgen. Er gab sogar einen geheimen Befehl an die Armee, die gewaltsame Evakuierung des katholischen Nordirland zu planen - was erst 30 Jahre später bekannt wurde. Die Straßenkämpfe in Derry einstweilen wurden druch das direkt Eingreifen der britischen Armee, die Truppen in Nordirland stationierte, zum Erliegen gebracht. Neun Menschen waren tot, über 750 verletzt (davon 133 mit Schusswunden), 400 Häuser und Geschäfte zerstört. 

Keine der beiden Seiten war unschuldig am Ausbrechen des Konflikts, aber der Löwenanteil der Schuld liegt sicher bei der nordirischen Seite. Nicht nur sah man den gegenseitigen Provokationen der protestantischen Loyalisten und der katholischen Nationalisten tatenlos zu, man ergriff auch noch Partei für die Loyalisten. Auch das Eintreffen der Armee, der die Katholiken zuerst mehr vertrauten als der RUC, besserte die Lage nicht, da die Armeeführung diplomatisch nicht sonderlich bewandert war und die Beziehungen zu den Katholiken schnell einfroren. Für einen kurzen Moment jedoch legte sich wieder etwas Ruhe über das Land. 

Protestantisches Graffitti in Belfast
1970 flammte der Konflikt dann mit voller Härte wieder auf, denn die IRA hatte ihre anfängliche organisatorische Schwäche gegenüber der UVF aufgeholt. In Derry, das immer noch Zentrum des Konflikts war, waren viele Teile der Stadt für die britischen Behörden effektiv No-Go-Areas, in die selbst mit 1-Tonnen-Panzerfahrzeugen nicht mehr eindringen konnten. Innerhalb dieser Bezirke hatten sich zwei verfeindete IRA-Strömungen eingenistet, die "Official IRA", die gewissermaßen der politische Arm der irischen IRA war und gewaltsame Auseinandersetzungen ablehnte, und die "Provisional IRA", die den bewaffneten Kampf als einzige Lösung sah. In der Praxis jedoch bekämpften beide IRA-Organisationen die Loyalisten und die Briten - und sich selbst. 

Zwischen 1970 und 1972, den blutigsten Jahren des Konflikts, brach die Gewalt in Schusswechseln immer wieder aus, nicht nur in Derry, sondern auch Belfast und anderen Städten. Ein gewichtiger Grund für diesen Ausbruch war mit Sicherheit der Aufstieg der Provisional IRA und ihrem Fokus auf bewaffnetem Kampf. Die protestantischen Terroroganisationen zahlten in gleicher Münze zurück, was eine Spirale gegenseitiger Morde in Gang setzte. Eine weitere, wenngleich weniger gewichtige Rolle spielte die Strategie der Behörden, die oft ebenfalls auf Gewalt setzten, mit dem Bruch von illegalen Besetzungen oder den überdimensionierten Angriffen auf vermutete Verstecke der IRA, die praktisch zwingend Kollateralschäden bedeuteten. Die Provisional IRA schob ihren Fokus auf den Kampf gegen die britischen Truppen, was angesichts der professionellen Bewaffnung und geringen Toleranz der einen und der irischen Unterstützung auf der anderen Seite ebenfalls einen gewaltigen Anstieg in der Gewaltspirale bedeutete.

Polizeikontrolle in Belfast
Im Juni 1973 begann sich die Lage wieder etwas abzukühlen, als im so genannten "Sunningdale Agreeement" die Republik Irland und die britische Regierung darin übereinkamen, dass Nordirland künftig auch katholisch-unionistische Kräfte mit einbeziehen würde. Die Lebenszeit dieses Abkommens allerdings war kurz: die protestantischen Radikalen akzeptierten es überhaupt nicht, und durch die IRA ging ein tiefer Graben, der die Bewegung spaltete und zu Bruderkämpfen führte. Das Abkommen scheiterte 1974, nachdem das "Ulster Worker Council" (UWC) einen Generalstreik ausrief, der auch vom britischen MI5 massiv unterstützt wurde, der mit dieser Einmischung die regierende Labour-Regierung unter Harold Wilson stürzen wollte. Der Streik wurde von massiven Bombenattentaten begleitet, deren Ursprung bis heuten icht geklärt ist. Die Katholiken traten aus den Sunningdale-Gremien aus.

Literaturhinweise:
Richard English - Armed Struggle - The history of the IRA 
 

Bildnachweise: 
Bürgerrechts-Mural - Kenneth Allen (CC-BY-SA 2.0)
Gedenkstein -  Kenneth Allen (CC-BY-SA 2.0)
UVF Mural - Sitomon (CC-BY-SA 2.0)
Banner -  Fribbler (GNU 1.2)
Graffitti - George Louis (GNU 1.2)
Polizeikontrolle -  George Louis (GNU 1.2)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/12/irische-geschichte-teil-7-troubles-1968.html

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35 Stunden sind genug!

Horst Tomayer ist letzte Woche gestorben, Oliver Tolmein verfasste für die heutige FAZ einen Nachruf; unvergessen Tomayers 35-Stunden-sind-genug-Lied der deutschen Rüstungsarbeiter:

Die Granaten wo wir drehen
Sind in aller Welt begehrt
Wenn sie mit rawumsti platzen
Ist so mancher sehr versehrt

(...)

Wir sind folgsam, und sind fleißig
Und wir liefern Wertarbeit
Doch wir möchten auch ein bisserl
Von der Arbeit freie Zeit

(...)

Ihr Bosse, und ihr Kunden
Fünfunddreißig Stunden
Sind genug!


Für eine Analyse dieser Perle beinharten Gewerkschaftsprotests siehe u.a.:
http://sprusko.blogspot.co.at/2006/08/deutsche-wertarbeit-rawumsti.html

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/581435383/

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(Digital) Humanities Revisited – Challenges and Opportunities in the Digital Age. Oder: Wie man Gräben isst.

 

Konferenz 5.12.–7.12.2013, Hannover Herrenhausen, Volkswagen Stiftung

Die Initiative zur hochkarätig und international besetzten Konferenz ging von der Volkswagen-Stiftung aus, die mit dem eben wiederaufgebauten Schloss Herrenhausen in Hannover einen geradezu splendiden neuen Konferenzort bietet, an dem es sich im Wortsinne königlich tagen, speisen und diskutieren lässt – ganz zu schweigen von der hervorragenden technischen Infrastruktur im Saal, wo kein Device hungrig in den Stand-by gehen muss.

Gute Voraussetzungen, um über Digitales zu sprechen. Ebenso passend zum Thema wirkt die Idee, gezielt Wissenschaftsblogger einzuladen: Wo man früher Vertreter der klassischen Presse hofierte, wurde in Hannover ein „Bloggers‘ Corner“ eingerichtet, der all die, für die bloggen, twittern und kommentieren bereits zum Alltag gehört, in den Pausen mit Gleichgesinnten zusammenführte.

Und damit sind wir schon bei einem tiefen Graben, der sich durch die Konferenz zog: Die einen verstehen das Tagungsthema „Digital Humanities“ im Sinne von „computergestützten Analyseverfahren“, die den klassischen Geisteswissenschaften ganz neue Forschungsfragen und Datenbearbeitungsmethoden eröffnen. Lev Manovich („Looking at one million images:  How Visualization of Big Cultural Data Helps Us to Question Our Cultural Categories“) etwa stellte solche Themen vor, die überhaupt erst durch das Vorhandensein digitaler Analysemethoden entstehen.

Um es pointiert zu formulieren (was das Medium Blog ja durchaus erlaubt): Die andere Seite des Grabens langweilt sich. Denn auch jene Seite versteht sich als Vertreter der „Digital Humanities“, jene, die mehr oder weniger „klassische“ geisteswissenschaftliche Forschung betreibt, aber an digitalen Infrastrukturen, also etwa an neuen Formen der Kommunikation (untereinander und mit der Öffentlichkeit) und an neuen Formen der Publikation interessiert ist, und die all das meist schon munter praktiziert. Selbstverständlich hat auch dieses „Wie“ des Arbeitens weitreichende Folgen auf Methoden, Ergebnisse und Reichweite.

Dennoch verstehen jene auf der ersten Grabenseite, denen das „Was“ der Forschung als Kern der Digital Humanities gilt, dies als alten Wein in neuen Schläuchen und langweilen sich ihrerseits. So oder so ähnlich wird wohl die Rückschau von Michael Schmalenstroer zu verstehen sein.

Die Frage „Was sind die Digital Humanities?“ wurde letztlich – zu Recht – in Hannover nicht oder kaum thematisiert. Darauf gibt es im Augenblick keine Antwort.

Eleanor Selfridge-Field Professor of Music and Symbolic Systems, Felix Zahn für VolkswagenStiftung

Ich versuche es mit einem Schnelldurchlauf durch das Programm ohne Anspruch auf Vollständigkeit: „Digital Humanities – What Kind of Knowledge Can We Expect?“ titelte der erste Tag, der ein klares computerlinguistisches Übergewicht hatte und sich mit Big Data und Anwendungsbeispielen digitaler Analysemethoden beschäftigte, teils von Bild-, teils von Textmaterial.

Horst Bredekamp schloss einen fulminanten Vortrag an, der von einsetzender Ermüdung zeugte, denn natürlich sind digitale Forschungsansätze und -infrastrukturen (by the way könnte man die beiden benannten Grabenseiten mit diesen beiden Begriffen auf den Punkt bringen) inzwischen längst dem Windelalter entwachsen.

Tag zwei, der nach „From Art to Data – What‘s the Impact of Going Digital?” fragte, brachte z.B. den Vortrag von Julia Flanders: Datenmodelle miteinander sprechen zu lassen sei eine der größten Herausforderungen angesichts der bereits breiten Landschaft verschiedener Projekte und Ansätze. Big Data ohne Fragestellungen „einfach anzusehen“ und daraus Forschungsfragen entstehen lassen (nie umgekehrt…), war die Botschaft des schon erwähnten Lev Manovich, der sich damit einmal mehr als Vertreter der oben zuerst geschilderten DH-Grabenseite outete.

Das Format der „Lightning Talks“ mit anschließenden Postersessions durchzog alle drei Konferenztage: Schön war, dass die streng dreiminütigen Vorträge einen Einblick in die Diversität bestehender digitaler Projekte junger Wissenschaftler aus aller Welt ermöglichte. Zugleich war Mitleid mit den von Eile gequälten Rednern wohl ein verbindendes Gefühl im Publikum.

In positiver Erinnerung bleibt zumindest mir der Workshop des zweiten Tages. Zwar waren sicher nicht immer die mehr als 200 angemeldeten Gäste vor Ort, dennoch war es sinnvoll, die Schar für zwei Stunden in kleinere Diskussionsgruppen zu teilen. Diese beschäftigten sich parallel mit denselben (generischen) Fragen zu Entwicklung, Chancen und Bedürfnissen der DH und präsentierten einander anschließend ihre Überlegungen. Eine der Kernbotschaften unserer Arbeitsgruppe auf die Frage, wie man die zwei Welten „Informatiker“ und „Geisteswissenschaftler“ einander näherbringen könnte, fiel simpel und klar aus: gemeinsam essen gehen. Im selben Raum arbeiten.

Die öffentliche Podiumsdiskussion, zu der ich nur vom Hörensagen berichten kann, hat die Gemüter erregt und zumindest die Vertreter des „Bloggers‘ Corner“ kopfschüttelnd zurückgelassen. Von einem Niveauabsturz im Vergleich zu den Workshops und von einem „Katapult zehn Jahre zurück“ war da im Rückblick die Rede. Ein Diskutant fiel aus; es blieben der wohl provokant konservativ auftretende Jürgen Kaube (FAZ), der damit die Linie seines Hauses nahtlos weiterführt, im Verbund mit einem fortschrittskeptischen Moderator, dessen Fragen („Was bleibt von der Kultur im Digitalen Zeitalter?“) die beiden Damen des Podiums (Mercedes Bunz, Bettina Wagner-Bergelt) vor große Aufgaben stellten.

Der letzte Tag schwenkte in weiten Teilen zur zweiten Grabenseite über und fragte nach „Digital Humanities and the Public“. Luis von Ahn stellte seine (beeindruckenden) Projekte vor, die sich die Arbeitskraft der sogenannten Crowd im Win-Win zunutze machen. Kunde und Anbieter verschmelzen, beide Seiten geben und nehmen. Etwa, wenn der Sprachschüler dem Anbieter einer kostenlosen Lernplattform im Gegenzug Stück für Stück Texte übersetzt.

In der Abschlussdiskussion tauchten einige Chimären auf, etwa die Vermutung, dass wir es hinsichtlich der Akzeptanz von Methoden der DH mit einem Generationenproblem zu tun hätten (Christoph Cornelißen, Frankfurt), oder der etwas allgemeine Appell von Gregory Crane, man müsse die „vielen Herausforderungen einfach einmal angehen“ und habe dafür in Deutschland verglichen mit den USA geradezu hervorragende (Förder-)Bedingungen.

Wichtig erschien mir die Äußerung Manfred Nießens (DFG), der sich eindeutig gegen eine eigene Disziplin „Digital Humanities“ aussprach: Es gebe keine „Digitalen Natur- und noch nicht einmal Digitale Sozialwissenschaften“. Die Geisteswissenschaften hätten ein Problem mit ihrem Selbstbewusstsein und offensichtlich Schwierigkeiten, neue Instrumente ebenso nahtlos und selbstverständlich in ihren vorhandenen Werkzeugkasten einzubinden, wie es andere Disziplinen täten.

Immer wieder war von der bestehenden Kluft zwischen „den Fächern“ und den sogenannten „Digital Humanists“ die Rede, und von der damit verbundenen Gefahr einer „Ghettoisierung“. Als Schlusswort mag daher ein Kommentar aus dem Publikum dienen (Fotis Jannidis, Würzburg): Keine Sekunde sei es wert, ins Überzeugen von Zweiflern an den neuen Möglichkeiten der „Digital Humanities“ investiert zu werden. Wenn fachlich überzeugende Arbeiten vorlägen, die nur mit diesen Methoden in dieser Form hätten entstehen können, sei allen Zauderern der Wind aus den Segeln genommen.

Das wird dies- und jenseits des Grabens gelten. Apropos: Möglicherweise sollten nicht nur Informatiker und Forscher regelmäßig gemeinsam essen, sondern auch „Digital Humanists“ der beiden Fraktionen im oben beschriebenen Sinne (Verfechter von aus dem Digitalen generierten Forschungsansätzen vs. Infrastrukturvertreter mit tendenziell klassischen Themen). Das passierte bei der Tagung m.E. wenig – den beeindruckenden Büffets zum Trotz. Was für ein schönes Ziel, am Ende wirklich alle Gräben aufzuessen.

Schloss Herrenhausen Wiederaufbau Eberhard Franke für VolkswagenStiftung

 

 

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/576

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Anders als geplant: Und was machst du so? – Ein Interviewaufruf

Viele Studierende entwickeln im Laufe ihrer Ausbildung Ideen und Wünsche, worauf sie sich spezialisieren möchten und in welchen Bereichen sie später arbeiten wollen. Ein Teil von ihnen gelangt nach dem Studienabschluss auch in die gewünschte Position. Der andere Teil der … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5867

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Tutorial: Indexfunktionen für Oxygen XML Frameworks

Für Wissenschaftler/-innen ist bei der Transkription mit TEI-XML – neben anderem – die Möglichkeit interessant, Personen, Orte, Werke etc. mit einem zentralen Register zu verknüpfen. Dies geschieht über eine eindeutige Identifikationsnummer, die einer Person oder einem Ort etc. zugeordnet ist. Arbeitet man direkt im XML-Code muss man diese Nummer sich händisch raussuchen und dann in […]

Quelle: http://digiversity.net/2013/tutorial-indexfunktionen-fuer-oxygen-xml-frameworks/

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Zusätzliche Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks veröffentlicht

Ab sofort sind zusätzliche Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks als Java-Archive (JAR) und als Quellcode zur freien Verwendung verfügbar. Die Javaoperationen wurden von der TELOTA-Initiative an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Softwarelösung “ediarum” entwickelt und ergänzen die Javaoperationen für sog. “Frameworks”, die Oxygen XML out-of-the-box mitbringt. Mit den Funktionen aus dem Java-Archive […]

Quelle: http://digiversity.net/2013/zusaetzliche-javaoperationen-fuer-oxygen-xml-frameworks-veroeffentlicht/

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Indexfunktionen in Oxygen XML Frameworks (Tutorial & Download)

Seit 2012 wird von der TELOTA-Initiative an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften »ediarum« entwickelt und eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Paket aus drei Softwarelösungen (Oxygen XML, eXistdb und ConTeXt), das es Wissenschaftlern in verschiedenen Editionsvorhaben ermöglicht, ihre Ergebnisse in TEI-XML zu bearbeiten, zu speichern und zu präsentieren. Damit die Eingabe und Bearbeitung möglichst komfortabel und einfach geschieht, wird als Eingabeoberfläche in ediarum die proprietäre Software Oxygen XML Author eingesetzt.

TELOTA hat nun die im Rahmen von ediarum entwickelten zusätzlichen Javaoperationen für Oxygen XML Frameworks als Java-Archive (JAR) und als Quellcode auf github zur Verfügung gestellt. Sie ergänzen die Javaoperationen, die Oxygen XML out-of-the-box mitbringt. Mit ihnen können u.a. Schaltflächen in Oxygen XML Author erstellt werden, die es Wissenschaftlern ermöglichen, einfach und schnell Textstellen, Personen- und Ortsnamen etc. zu indizieren.

Wie man die Indexfunktionen implementiert wird, in einem neuen Tutorial auf digiversity Schritt für Schritt erklärt. Weitere Infomationen und Downloadmöglichkeit von ediarum.jar finden sich dort ebenfalls.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2770

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Lektüre: “Europa erfindet die Zigeuner”

Ich lese gerade Klaus-Michael Bogdals lesenswerte Studie über die diskursive Erfindung  und Darstellung der “Zigeuner” in der europäischen Literatur seit dem späten Mitteltalter. Die Vereinnahmung der Romvölker und ihre Darstellung in Wissenschaft und Kunst, ohne mit den Menschen selber zu sprechen und wie dies zu Ausgrenzung und dauerhafter Marginalisierung führt, ist das Thema das Buches. Gut wird auch dargestellt, dass solche “harmlosen” Repräsentationen nicht unschuldig sind, sondern mit Praktiken der Entrechtung und Verfolgung korrespondieren.1

Anregend fand ich die Perspektive, die ich als mit kolonialgeschichte Beschäftigter gerne übersehe, nämlich dass die europäischen Nationen ihr Anderes, gegenüber dem sie ihre eigene zivilisatorische Höherwertigkeit begründeten, zuerst in Europa fanden, vor allem die Romvölker und – mit Unterschieden – die europäischen Juden. Vorurteile von erblicher Kriminalität, widersprüchliche Narrative von “Unzivilisierbarkeit” und gleichzeitigen Assimilations- und Erziehungsversuchen und anthropologische Vermessungen und Klassifizierungen im Geiste einer aufklärerischen Wissenschaft haben hier ihre Wurzeln. Das Instrumentarium, dass der misstrausche Staat gegenüber nicht-sesshaften Gruppen entwickelt hatte, wurde auch in Britisch-Indien im 19. Jahrhundert angewendet, etwa gegenüber den sogenannten “criminal tribes“.

Dass die durch jahrhundertelange diskursive Ausgrenzung und Marginalisierung erzeugten Vorurteile nach 1945 keineswegs aufhörten und sich besonders den Roma gegenüber am stärksten und längsten hielten, hat mich nicht überrascht. Dennoch ist das Urteil des BGH von 1956 bezüglich Wiedergutmachungsansprüchen der “Zigeuner” in seinem unverblümten Rassismus für mich besonders eindrücklich dafür gewesen, wie tief die durch Literatur und Wissenschaft erzeugten Repräsentationen bis heute Realitäten und Wahrnehmungen prägen:

Die Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und zu Betrügereien. Es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.2

Angesichts aktueller Fälle rassistischer Praktiken und den selbstgefälligen Schwierigkeiten, dies auch so zu benennen, zeigt sich, wie tief die konstruierten Bilder des Fremden immer noch unser Denken prägen, selbst wenn man sich vor Rassismus gefeit wähnt.

Klaus-Michael Bogdal: Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin 2011.

  1. Hier noch ein Interview mit dem Autor.
  2. zit. n. Lpb BW u. Bogdal 2011, S. 410.

Quelle: http://rajprisons.hypotheses.org/98

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aventinus media Nr. 13 [15.12.2013]: Mittelalter eMGH und dMGH. elektronische und digitale Monumenta Germaniae Historica im Vergleich [=einsichten v. 19.01.2012]

Der Beitrag stellt die beiden Online-Editionsprojekte und ihre jeweiligen Featires vor, denen die Monumenta Germaniae Historica zugrunde liegen, und nimmt hierbei auch die unterschiedlichen Ansätze der beiden Online-Editionen in den Blick. http://bit.ly/18pYmiw

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/12/4814/

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