In den letzten Monaten sind interessante Bücher aus dem Bereich der historischen Bildforschung auf H-Soz-u-Kult rezensiert worden. Wir stellen einige davon auf Visual History vor.
Jutta von Zitzewitz, Die Stadt, der Highway und die Kamera. Fotografie und Urbanisierung in New York zwischen 1945 und 1965
Deutscher Kunstverlag, Berlin 2014
rezensiert von Clemens Zimmermann, redaktionell betreut von Jan-Holger Kirsch
Das mit 114 Schwarz-Weiß-Abbildungen und 9 Farbtafeln ausgestattete Buch geht von einem aktiven Wechselverhältnis zwischen Fotografie und „Urbanisierung“ aus. Untersucht werden sollen die „Verflechtungen“ medialer Praxis und der Transformationen des Stadtraums, ebenso – weiter gefasst – die Beziehungen der Fotografie zum „Feld des Urbanen“ sowie „der Einfluss der Fotografie auf die Urbanistik“ (S. 9, 14, 19, 21). Die Fotografie hatte, so die theoretische Setzung, gegenüber dem Fernsehen in der visuellen Kultur der Periode 1945–1965 noch Bedeutungshoheit, jedenfalls im untersuchten Zusammenhang. Die Kunsthistorikerin Jutta von Zitzewitz hebt in ihrer Dissertation auf die Polarität von „Magazinfotografie und unabhängiger Autorenfotografie“ ab und holt weit in die Geschichte der amerikanischen Dokumentar- und Landschaftsfotografie aus, vor allem in die Periode des New Deal.
Sarah E. James, Common Ground. German Photographic Cultures Across the Iron Curtain
Yale University Press, New Haven 2013
rezensiert von Sarah Goodrum, redaktionell betreut von Jan-Holger Kirsch
Sarah James’ comparative study of photography in Cold War East and West Germany considers the serial photographic image, or photo-essay, as an intervention deployed by documentary photographers, theorists, and exhibition designers on both sides of the Berlin Wall. Proceeding from an introduction that pits Edward Steichen’s iconic 1955 exhibition “The Family of Man” at MoMA in New York against the comparatively obscure Bertolt Brecht volume “Kriegsfibel,” also published in 1955, as equal and opposite photographic reactions to the post-war impulse toward collective humanism in the 1950s, James goes on to interrogate a series of photographic projects in the East and West that serve as intersection points for communication among the two Germanys, as well as a host of other contemporary and past influences both within and outside the German speaking world.
Hubert Locher/Adriana Markantonatos, Reinhart Koselleck und die Politische Ikonologie
Deutscher Kunstverlag, Berlin 2013
rezensiert von Isabelle de Keghel, redaktionell betreut von Jan-Holger Kirsch
Das Interesse des Historikers Reinhart Koselleck an der Fotografie und an der Bildforschung ist im Bewusstsein der akademischen Öffentlichkeit wenig präsent, denn der 2006 verstorbene Gelehrte ist vor allem als Begriffshistoriker bekannt geworden: Die von ihm konzipierten und mitherausgegebenen „Geschichtlichen Grundbegriffe“ sind ein Standardwerk. Auch seine Forschungen zu historischen Umbrüchen in der Zeitwahrnehmung wurden breit rezipiert.
Silke Betscher,Von großen Brüdern und falschen Freunden. Visuelle Kalte-Kriegs-Diskurse in deutschen Nachkriegsillustrierten
Klartext Verlag, Essen 2013
rezensiert von Magdalena Saryusz-Wolska, redaktionell betreut von Jan-Holger Kirsch
Man könnte behaupten, der Ausbruch und die Geschichte des Kalten Krieges seien bereits so umfangreich beschrieben worden, dass wenig Platz für neue Forschungskonzepte geblieben ist. Und dennoch: Silke Betschers Buch bietet einen eigenständigen, anregenden Zugang. Die Forschungsfrage ihrer 2010 in Liverpool abgeschlossenen Dissertation ist ebenso simpel wie relevant: Wie wurden die Anfänge des Kalten Krieges in ost- und westdeutschen Illustrierten visualisiert, dabei insbesondere auf Fotografien und Landkarten, und welche Bedeutung hatten diese Visualisierungen? Die Arbeit ist interdisziplinär angelegt – zwischen Medien- und Pressegeschichte, Visual History und Diskursanalyse.
Michael Wobring/Susanne Popp, Der europäische Bildersaal. Europa und seine Bilder
Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2013
rezensiert von Markus Furrer, redaktionell betreut von Heike Christina Mätzing
Geschichtsbilder – ob imaginiert oder als visuelle Darstellungen – beeinflussen als gedeutete Vergangenheit das Gegenwartsverständnis und die Zukunftserwartung. Sie sind Elemente der „gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit“. Nationales Denken und damit verbundene historische Identitäten wurzeln häufig in Geschichtsbildern, die in nationalen Geschichtskulturen ihre Verankerung und Verbreitung haben. Seit einigen Jahren lässt sich in europäischen Schulgeschichtsbüchern jedoch ein konvergierendes Inventar von Bildern ausmachen, denen europaweit ein historischer Erinnerungswert zugeschrieben werden kann. Mit solchen Bildern lassen sich Brücken zwischen den national unterschiedlich ausgeprägten Geschichtskulturen schlagen. Welches sind diese Bilder „im europäischen Bildersaal“ und welche Zugänge eröffnen sie?
Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 12 (2013): Visual History
Hrsg. von Markus Bernhardt (Duisburg/Essen), Zeitschrift: Michael Sauer, Charlotte Bühl-Gramer, Anke John, Marko Demantowsky, Alfons Kenkmann
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2013
Im Zentrum des Begriffs Visual History steht der programmatische Anspruch, mit seiner Anwendung den älteren Begriff der „Historischen Bildkunde“ zu überwinden, indem visuelle Quellen nicht mehr nur als Dokument von außerhalb ihrer selbst liegenden Tatbestände im Sinne von „Überrest“ und „Tradition“ analysiert werden sollen. Der Visual History geht es stattdessen um die Visualität der Geschichte als eigenem Wirkungsfeld. […] Visuelle Medien stehen demnach nicht nur für etwas, was man ihrem materialen Charakter mit Zeichen deutenden Interpretationsmethoden entnehmen kann, sie erschaffen durch ihre Medialität vielmehr eine eigene Wirklichkeit, die es zu erforschen gilt.
Quelle: http://www.visual-history.de/2014/09/23/neue-rezensionen-auf-h-soz-u-kult/