Visuelle Ästhetik in der Mensch-Computer-Interaktion und im Interaktionsdesign

Kürzlich ist der Artikel „Visual Aesthetics in human-computer interaction and interaction design“ von Noam Tractinsky auf www.interaction-design.org erschienen.

Tractinsky trägt in seinem Artikel zahlreiche Forschungsergebnisse in Bezug auf visuelle Ästhetik über die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer zusammen. Die folgenden Punkte sind mir besonders aufgefallen:

  • Ästhetische Eindrücke werden sehr schnell gebildet. Wir brauchen gerade eine halbe Sekunde dafür, uns ein Urteil zu bilden, ob wir eine Webpage schön oder nicht schön finden.
  • Das ästhetische Urteil bezieht sich dabei nicht nur auf die visuelle Schönheit einer Webpage oder Software, sondern auch auf Systemattribute, die Benutzerfreundlichkeit und eine allgemeine Zufriedenheit vermitteln, sowie die Leistung bzw. Funktionalität der Anwendung.
  • Wenn man der These von Donald Norman: “Attractive things work better” folgt, ergibt sich daraus die Frage, inwieweit visuelle Ästhetik nicht nur die Wahrnehmung des Anwenders beeinflusst, sondern auch dessen Leistung.

Ich beziehe nun die vorangegangenen Ergebnisse auf Computerspiele und formuliere Fragen, die sich in Bezug auf Computerspiele daraus ergeben:

Wie bereits oben erwähnt, bildet sich der Spieler sehr schnell ein Urteil über die visuelle Ästhetik eines Spiels. Dass es gender-spezifische Spielvorlieben bezüglich der Spielidee gibt, wird in der Literatur beschrieben (männliche Jugendliche spielen gerne Shooter-Spiele, Mädchen bevorzugen Casual Games, das sind Spiele, für die keine besonderen Vorkenntnisse oder ein hoher Zeitaufwand nötig ist und die schnell zu einem Spielerfolg führen.):

  • Gibt es neben dem gender-spezifischen Einfluss auf die Auswahl des Spielgenres auch einen ästhetischen Einfluss?
  • Welchen Einfluss hat der visuelle Eindruck innerhalb eines bevorzugten Spielgenres auf die Auswahl eines Spiels?
  • Inwieweit hängt die Attraktivität eines Spiels, d.h. wie häufig es gespielt wird, vom ästhetischen Eindruck ab. Ab wann nutzt sich ein Spiel ab, wird also seltener oder gar nicht mehr gespielt? Ist hier allein die Spielidee ausschlaggebend? Inwieweit könnten visuell-ästhetische Prozesse hieran beteiligt sein?
  • Welchen Einfluss auf die Wahl eines Spiels hat der Gamesound? Gibt es einen Zusammenhang zwischen visueller und auditiver Ästhetik auf die Auswahl von Spielen?

Ästhetik als Tüpfelchen auf dem i zu verstehen würde heißen, ihre Bedeutung auf unser Leben, Denken und Tun klar zu unterschätzen. Von der Wirkung ästhetischer Wahrnehmungsprozesse, die uns meistens nicht bewusst sind, nehmen wir, bildlich gesprochen, nur die Spitze des Eisbergs wahr – dies auch im Hinblick auf Computerspiele.

Quelle: http://games.hypotheses.org/126

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Warum finden wir ein Bild schön?

Wir alle verfügen über innere Bilder. Wenn wir an etwas denken, erscheint es häufig vor unserem inneren Auge, begleitet von angenehmen oder weniger angenehmen Gefühlen oder Gedanken.

Unsere innere Bilderwelt besteht zunächst aus dem Selbstbild, das wir von unserer eigenen Person haben, dann aus dem Menschenbild, das wir von den anderen um uns herum haben, und schließlich ist das Weltbild zu nennen, das wir von den größeren Zusammenhängen, in denen wir uns bewegen und leben, haben [1].

Wie entstehen diese Bilder in uns? Sie entwickeln sich aus Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Das beginnt schon im Mutterleib mit den ersten Tast- und Geschmackserfahrungen. Richtig viele Erfahrungen sammeln wir dann nach der Geburt. Tut uns etwas gut, dann wollen wir das wiederholen und nochmal machen. Mögen wir etwas nicht, dann weigern wir uns und lehnen es ab. Das ist individuell verschieden, denn jeder hat seine eigenen Erfahrungen und damit seine eigenen Bilder. Indem wir etwas ablehnen und wiederholen, bewerten wir die Dinge und Bilder in uns. Bewerten heißt auch, dass wir sie mit einem Gefühl belegen. Somit sind alle Bilder automatisch bewertet und mit Emotionen verknüpft [2].

Ich frage mich, was das Gemälde eines Künstlers anderes als ein inneres Bild ist? Natürlich wurde aus diesem inneren ein äußeres Bild, indem es der Maler auf die Leinwand aufbrachte, sonst könnten wir es ja nicht sehen. Wobei sein inneres Bild nicht das Motiv selbst, sondern die Wahl des solchen ist. Dazu kommen der Pinselstrich und die Farbwahl, also der Ausdruck. Wenn zehn Maler vor demselben Motiv stehen und es malen, dann kommen zehn verschiedene Bilder dabei heraus: zehn verschiedene gemalte innere Bilder.

Beim Betrachten von Bildern in einem Museum begegnen sich die innere Bilderwelt des Künstlers und die innere Bilderwelt des Betrachters. Je nachdem, welche Berührungspunkte beide Bilderwelten haben, werden Gefühle im Betrachter geweckt, wie z.B. Freude, Ergriffenheit, Bewunderung oder Ablehnung und Irritation. Diese Berührungspunkte sind der Knackpunkt: Sie entscheiden nicht nur über Gefallen und Nichtgefallen, sondern auch über den Grad der Emotion, den wir beim Anschauen eines Gemäldes empfinden. Das ist meine Erklärung, warum wir ein Bild schön finden. Wobei meine Erklärung auch ein Bild ist.

[1] Gerald Hüther: Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2011

[2] Manfred Spitzer: Das Wahre, Schöne, Gute. Brücken zwischen Geist und Gehirn, Stuttgart 2009

Quelle: http://games.hypotheses.org/47

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