Prag, den 19. November 1627: Ferdinand II. an Tilly

Es ist der 19. November des Jahres 1627, Kaiser Ferdinand II. wendet sich an den Feldherrn Tilly und weist ihn auf Nachrichten hin, denenzufolge die Holländer „dem König in Dennemarckh vnaussezlich haimblich vnd offentliche hülff vnd beÿstandt laisten, sonderlich aber nicht geringe anzahl kriegsuolckh (…) vndter dem Schein dennemarkchischer Kriegsdiennste, Jenseits der Weeser auf vnßerm vnd des Reichs boden vndterhalten, vnd dardurch vnnßer vnd des gemainen Vatterlandts hochnotwendige Kriegsübungen zuuerhündern (…) sich bemüehen thuen.“ Der Kaiser fordert den Generalleutnant daher auf, daß er sich, „weillen du [= Tilly] dich der zeit mit deinem vndterhabenden Kriegsuolckh in selbiger gegend befündest“, mit seinen Truppen nach Ostfriesland begibt und dort die wichtigsten strategischen Punkte besetzt. Dies mache die Not des Vaterlands nötig.

Die Sache erscheint sonnenklar: Dem Reich drohte Gefahr durch die militärische Einmischung seitens der Generalstaaten, dementsprechend sollte Tilly einschreiten und Schlimmeres verhindern. Allerdings war die Sachlage durchaus komplizierter. Denn daß der Kaiser direkt an Tilly Befehle erteilte, sah Maximilian von Bayern nicht gern. Tilly war sein Generalleutnant, er stand zunächst in bayerischen Diensten und befehligte hier die Armee der Katholischen Liga, die Maximilian als Haupt der Liga dem Kaiser zur Verfügung stellte. Tilly kämpfte damit durchaus für kaiserliche Belange, nur sah es der bayerische Kurfürst lieber, wenn Wien erst einmal bei ihm nachfragte und nicht direkt an den Kommandeur im Feld schrieb.

Abgesehen von der Frage nach dem korrekten Dienstweg gab es aber auch politische Divergenzen. Die kaiserliche Politik beargwöhnte schon seit Jahren die Generalstaaten und war daher willens, den Krieg auf die Niederlande auszudehnen – nicht zuletzt auch, weil es den spanischen Habsburgern gut ins Konzept gepaßt hätte. Doch Maximilian hielt von einer solchen Ausweitung des Kriegs überhaupt nichts: Einen Angriff auf die Generalstaaten lehnte er rundweg ab und wußte dabei auch die anderen in der Liga organisierten katholischen Reichsstände hinter sich. Die Liga wollte sich auf keinen Fall in einem Krieg verschleißen, der vor allem – zumindest stand dieser Verdacht im Raum – vor allem den habsburgischen Interessen diente; lieber nahm man einige politische und militärische Nachteile in Kauf.

Dabei sprach militärisch einiges für diese Option. Nicht zuletzt Tilly selbst leuchtete dieser Schritt sehr ein. Maximilian wußte von der Einstellung seines Feldherrn und wird sich eben genau deswegen sehr über die kaiserliche Initiative geärgert haben, direkt den Generalleutnant der Liga für diesen Schritt angegangen zu haben. Auch der Kaiser wußte, was er mit seinem Schreiben an Tilly tat. Und so ist diese Aufforderung Ferdinands ein Indiz für die immer stärker werdenden Spannungen innerhalb des kaiserlich-katholischen Lagers. Kaiser und Liga kämpften gegen gemeinsame Feinde, doch der wachsende Erfolg ließ eben auch die Differenzen zwischen München und Wien immer deutlicher zutagetreten.

Der Brief ist in Kopie überliefert im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Kasten schwarz 13467 fol. 67-67′, eine Kurzparaphrase findet sich auch in: Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. 2. Teil, 3. Band: 1626–1627, bearb. v. Walter Goetz (Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Neue Folge), Leipzig 1942, Nr. 481.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/351

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