Wie teils in den vorangegangenen Artikeln dieser Serie beschrieben, gibt es vielfältige Anwendungen für Crowdsourcing:
- Lösung von naturwissenschaftlichen Problemen (z.B. foldit),
- Verschlagwortung kunstgeschichtlicher Bilder (z.B. ARTigo),
- Erfindungen neuer Produkte (z.B. Tchibo),
- Design von T-Shirts (z.B. Spreadshirt)
- Die crowdbasierte Kunst von Aaron Koblin
- Etc.
Das crowdgesourcte Design in der Titelzeile
In der wechselnden Titelzeile dieser Seite können Sie sehen, dass es vier verschiedene, von Kindern gestaltete Schriften gibt, die den Namen meines Blogs „Computerspiel und Ästhetik“ darstellen. Ich hatte an der Aktiven Schule Petershausen, an der ich als Lernbegleiterin für das Fach Kunst tätig bin, zu einem kleinen Crowdsourcing-Design „contest“ aufgerufen. Vier Kinder haben sich beteiligt, Janika, 9 Jahre, Lili, 11 Jahre, Antonia, 10 Jahre und Jamie, 10 Jahre. Nun ja, ich habe zu dieser Crowd Zugang und meine Designer sind halt 9 bis 11 Jahre alt. Also – Crowdsourcing kann man auch mit Kindern machen .
Crowdsourcing-Verfahren zur individuellen Leistungssteigerung
Weitere Projekte, die ich im Crowdsourcing-Bereich initiiert habe, hatten folgende Intentionen:
- Erweiterung des Fokus durch Entspannung, dadurch Verbesserung der Arbeitsleistung (siehe auch Naheliegende Assoziationen oder warum denken viele Menschen bei „blau“ auch an „Himmel“?)
- Anfachung der Kreativität und damit Ermöglichung von Transferleistungen,
- ein visuelles Ergebnis, das in einer kleinen Ausstellung präsentiert wurde.
Insgesamt habe ich drei solcher Projekte angestoßen:
- Mit Kühlschrankmagneten konnten Worte und Sätze gelegt werden. Material: Magnetwörter (Zeitraum: August bis Dezember 2009).
- Pixeln mit bunten Quadraten (Zeitraum: Juni bis September 2012). Material: Bunte magnetische Quadrate, Kamera. In meinem Blogpost Ein Haufen bunter Magnete und was daraus geworden ist, habe ich bereits früher darüber berichtet.
Ich stellte jeweils die Materialien zur Verfügung. Beim ersten Projekt (Worte und Sätze legen) habe ich noch selbst fotografiert. Später habe ich eine Kamera bereitgestellt und die Teilnehmer haben die Fotos selbst gemacht.
Fazit:
Diese Art von Crowdsourcing ist ein Wagnis; das Resultat oder Ergebnis kann man allenfalls erahnen. Das ganze entwickelt eine Dynamik, die man nicht vorhersagen kann.
- Macht jemand mit und wie ist die Resonanz?
- Wie wird das Projekt aufgefasst/verstanden?
- Welche Ideen entstehen?
- Welche Wirkung hat es?
Insgesamt war die Resonanz positiv und solche Projekte haben zudem das Potential, Gemeinschaften zu stärken. Es kann auch sein, dass Probleme aufgedeckt werden.
Dabei ist zu beachten, dass diese Projekte nur sinnvoll sind, wenn Kreativität wirklich angefacht werden soll, und dies von Seiten des Arbeitgebers auch erwünscht ist. Nicht jeder Arbeitgeber möchte kreative Arbeitnehmer. Diese bergen schließlich auch Gefahren, weil sie dann dazu angeregt werden, z.B. auf eigene, neue Lösungen zu kommen. Man befürchtet in dem Fall, dass die Kosten steigen; und diese Sorge ist nicht unberechtigt:
Neulich wurde eine Lieferung Zucker feucht. Die Pakete lagen in der Küche der Firma zum Trocknen zunächst nebeneinander auf der Arbeitsfläche. Irgend jemand hat sie dann zu kunstvollen Türmen verbaut. Die Kollegin, die sie zum Trocknen hingelegt hatte, zerstörte die Bauten mehrfach, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen, aber immer wieder wurde mit den Zuckerpaketen etwas konstruiert.
Diese Transferleistung im analogen Bereich ist harmlos. Fühlen sich Mitarbeiter aber ermutigt, Transferleistungen auf ihre Arbeit an realen Arbeitsprojekten zu beziehen, dann geraten Vorgesetzte, die Kreativität grundsätzlich mit Argwohn betrachten, in für sie unkalkulierbare Situationen.
Zur Wissenschaftlichkeit kreativitätsfördernder Crowdsourcing-Maßnahmen
Förderung der Kreativität heißt: dazu anregen, etwas zu tun, was man bisher noch nicht getan hat, was neu ist, was unüblich ist, was auch in einer bestimmten Arbeitsumgebung nicht alltäglich ist. Denn: Neue, aufmerksamkeitsgesteuerte Erfahrungen in positiver Atmosphäre führen zu einer neuroplastischen Reaktion unseres Gehirns, d.h. in den Bereichen, die das neue Tun steuern, entstehen neuronale Verbindungen, die jetzt „benutzt“ werden können [1].
Ich bin daher überzeugt, dass Kreativität auch mit Crowdsourcing-Verfahren angeregt werden kann. Diese Überzeugung beruht auf Beobachtungen und auch Gesprächen, die ich mit den Beteiligten geführt habe. Für eine wissenschaftliche Betrachtungsweise solcher Projekte müsste der kreativitätsfördernde Effekt gemessen werden. Ich würde das gerne machen, bin aber derzeit mit meiner Diss ausgefüllt. Wer die Wirksamkeit feststellen möchte, der darf sich bei den o.g. Ideen gerne bedienen.
Weitere Artikel dieser Serie:
- Auftakt zur Artikelreihe: Was macht Crowdsourcing erfolgreich?
- Crowdsourcing: Definition und Prozessbeschreibung
- Die Auswirkung von Kontrolle und Orientierung auf Crowdsourcing
- Die Auswirkung von Gemeinschaft auf Crowdsourcing
- Die Auswirkung von Selbstwerterhöhung auf Crowdsourcing
- Die Auswirkung von Lustgewinn und Unlustvermeidung auf Crowdsourcing
- Crowdsourcing – ein Prinzip mit eingebauter Erfolgsgarantie
- Meine eigenen Erfahrungen mit Crowdsourcing
- Crowdsourcing – was ist das und was macht das (15.3.2013)
- Crowdsourcing in der Renaissance? Aber Ja! (23.3.2013)
Literatur
[1] Spitzer, Manfred: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg 2006
Quelle: http://games.hypotheses.org/1590